closs hat geschrieben:also zur Klarstellung: Religion und deren Darstellung im Rahmen der Gesetze ist Privatsache in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung.
Obacht:
du hast von „freiheitlich
orientierter Gesellschaftsordnung“ gesprochen.
Nun verändert sich deine Aussage hin zu „freiheitlich
demokratischer Gesellschaftsordnung“ und letztlich zielst du damit wohl auf
„freiheitlich
demokratische Grundordnung“ ab, was eine Formulierung aus dem deutschen Grundgesetz ist.
„
freiheitlich orientierte Gesellschaftsordnung“ ist
kein Begriff des deutschen Grundgesetzes und umfasst damit jegliche verbreitete Interaktionsstrategie, die in Deutschland zum Zusammenleben beiträgt.
Dies ist in erster Linie das Zurücknehmen der eigenen Kulturlokalität bei Begegnungen mit Angehörigen anderer Kulturen – Motto: „dem Anderen nicht das Eigene vor den Latz knallen“.
Religionsdemonstrationen verstossen gegen diese Gesellschaftsordnung.
Integrierte Deutsche wenden keinerlei Religionsdemonstrationen als Interaktionsstrategie an.
Du sprichst die ZJ an.
Wenn ich mich unvoreingenommen durch die Landschaft bewege und es zu einem Kontakt mit einem anderen Menschen kommt, bei dem ich von Integration ausgehe, dann würde es mich überraschen, wenn ich ständig in Richtung Religionsauflagen dirigiert werden würde. Ich würde das nicht als Verhalten im Sinne von Integration einstufen.
Wenn ich als Unbeteiligter in einem öffentlichen Raum in eine religionskulturlokale Rolle (auf Basis einer Hintergrundorganisation) gedrängt werden soll, dann ist das keine Privatsache mehr.
closs hat geschrieben:Eben - und ein freiheitlich-demokratischer Deutscher drängt einen Muslim nicht in eine Rolle entsprechende einer naturalistischen oder christlichen Kultur - allerdings ZWINGT er ihn sogar in die Rolle dessen, der den Regeln der freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung zu folgen hat.
Du solltest die Funktionalität des Zusammenlebens in Form des Zurücknehmens der eigenen Kulturlokalität nicht als Zwang bezeichnen, denn es ist das Prinzip des „In-Ruhe-Lassens“, also das Urprinzip der friedlichen Begegnung.
Wer dies auf Basis seiner Religion als Zwang ansieht, dessen Religion taugt nichts.
Wenn sich ein Islam-Anhänger nicht in eine friedliche Gesellschaft integrieren kann (wichtig: integrieren!), dann taugt der Islam nichts.
Was ist so schlimm daran in einer friedlichen Gesellschaft auf den „Schutz“ eines Stück Stoffes um den Schädel zu verzichten?
Stattdessen wird das Signal ausgesendet, dass „der dicke Unsichtbare“ von dem die dicken Langbärte berichten können wollen, eine generell böse Umgebung erschaffen haben soll?
Die Strategie, dass das Kopftuch zum friedlichen Zusammenleben führen soll, funktioniert zudem, laut Aussagen der religiösen Kopftuch-Trägerinnen, hinten und vorne nicht.
Aber dass man mal darüber nachdenken und zur Idee kommen würde, dass solche Zeichen hier vielleicht nicht so ganz angebracht sind, das kann wohl eher nicht passieren, denn das wäre ja mal pure Leistung („nene, nicht mit den dicken Langbärten“
)
closs hat geschrieben:SilverBullet hat geschrieben:„Freiheitlich“ bedeutet nicht „grenzenloser Raum zum Austoben“, sondern ein abgewogenes Regelfundament, so dass das Zusammenleben funktioniert und dennoch dabei so frei wie möglich ist.
Richtig - aber das betrifft eben NICHT die freiheitlich-demokratischen Privilegien der Religionsfreiheit und deren Ausleben im Rahmen der Gesetze.
Eine organisierte Ausnutzung der Religionsfreiheit kann vom Staat in allen Richtungen reglementiert werden – genauso verstehe ich die Zielsetzung Österreichs zum „Aufbau“ eines österreichischen Islams.
Aber wie ich schon gesagt habe, betrachte ich die Veränderung von Gesetzen als das Schlechteste aller Mittel, denn erstens werden diese Art von Veränderungen am bereitwilligsten von national eingestellten Machthabern durchgeführt und ein Gesetz ist eine grobmotorische Reaktion, die zu eigenartigen Situationen führt, bevor man die Anwendung in den Griff bekommt (in Anfängen sieht man dies an der Familientrennung in den USA).
Indem jedoch das Ansprechen von organisierter Nicht-Integration mittels der Richtschnur des Gesetzes abgewürgt werden soll und die Funktionalität des konfliktfreien Zusammenlebens nicht als Grundlage akzeptiert wird, steuert man zwangsläufig auf diese Art von Gesetzesänderungen zu – die Wahlen in mehreren Ländern lassen dies mittlerweile klar erkennen.
closs hat geschrieben:Das Kopftuchtragen ist kein organsisiertes Vor-die-Nase-Halten, sondern ein kulturelles, oft auch religiöses Zeichen
Liefer doch mal eine Teilmenge dieser „Armada“ an Quellen, die vom kulturellen Kopftuchtragen sprechen.
Ich habe gesucht, bin aber nicht fündig geworden.
Ich habe nach Muslimas gesucht, die Kopftuch tragen, aber es auch gerne mal nicht in der Öffentlichkeit zeigen, was ich als die Voraussetzung für eine kulturelle Neigung ansehe -> Fehlanzeige, es scheint nur das Alles-Oder-Nichts-Prinzip zu geben.
Das Kultur-Bild (ohne Religion), das du vermitteln möchtest, halte ich für ein schlichtes Märchen.
Ich würde sagen, eine Frau, die halbwegs bei Verstand ist und kulturell auftreten möchte (ohne Religion), sagt sich
„ich verkleide mich doch nicht als streng gläubige Muslima und werde dann dumm angeschaut“.
---
---
Munro hat geschrieben:Sehr gut geschrieben!
Sehr einleuchtend!
Dankeschön.
Interessant finde ich, wie Gläubige plötzlich zusammenstehen und Einleuchtendes (rund um ein friedliches Zusammenleben) nicht berücksichtigen wollen, nur weil sie ihre phantasierten Rechte in Gefahr sehen.
Bei der „nächsten Gelegenheit“ kommt dann aber wieder der „meine Religion steht für Frieden“-SingSang.
---
---
ThomasM hat geschrieben:Und wie willst du ein religiöses Kopftuch von einem gesellschaftlichen oder gar modischen Kopftuch unterscheiden?
Das ist relativ einfach.
Die Kuran-Auflagen fordern, dass das Haar und der Ausschnitt verdeckt sind, was zu einer Kopftuchversion führt, die wie ein Turban (-> Wüsten-Nomaden) gewickelt ist.
Kopftücher, die den Hals und den Ausschnitt freilassen, haben mit dem religiösen Kopftuch nichts zu tun.
ThomasM hat geschrieben:Jeder darf der Religion angehören, die er mag und er darf sich sogar deren Vorschriften unterwerfen.
Genau durch diese Unterwerfung beginnt die Gefahr der Fremdsteuerung, was in keiner Weise die Grundlage der Religionsfreiheit (als einem Persönlichkeitsrecht) ist.
Religiöse Organisationen haben seit/nach 2001 (-> Terroranschläge in den USA) Vereinsstatus und können vom Staat verboten werden.
In dieser Richtung geht (meiner Ansicht nach) auch das Vorhaben von Österreich zur Bildung eines „österreichischen Islams“.
Die Anteile zur Festlegung einer Gesellschaftsordnung werden einfach aus der Religion entfernt.
Jeder hat dann immer noch die Freiheit das Gefasel über das Unsichtbare/Unverstehbare/Unerreichbare zu glauben, aber abgetrennt von jeglichem Störpotential für das Zusammenleben.
ThomasM hat geschrieben:Wenn also jemand ein Kopftuch trägt oder vegan isst oder ein Piercing in der Nase trägt, weil ihn seine religiösen Überzeugungen dazu bringt, dann darf er oder sie das. Es geht mich nichts an, ich muss das akzeptieren.
Bei Vegan Essen und bei Piercing solltest du tatsächlich still sein, weil es keine Botschaft an dich, keine Wertung über dich ist, es soll keinen Effekt bei dir erzeugen.
Beim Kopftuch ist das aber sehr wohl der Fall und hier darfst du dies als öffentliche Meinungsäusserung auffassen und genauso öffentlich deine Meinung daneben stellen.
Du darfst jedoch nicht die Religion bzw. den Glauben der Akteurinnen beschimpfen und damit für Aufsehen sorgen (StGB §166).
In sachlicher Weise darfst du jedoch sehr wohl darlegen, dass dies eine Nicht-Integration ist.
Ich persönlich würde dies jedoch nicht Einzelpersonen gegenüber machen (vermutlich sind die Mädels selbst nicht so ganz zufrieden mit ihren Auflagen), sondern die „abstrakte Gruppe“ ansprechen, also das Prinzip dahinter.
ThomasM hat geschrieben:Es ist die Eigenschaft von Religionen, ihren Mitgliedern Regeln aufzuerlegen
Jaja, wenn es um Vorhandenes geht, dann ist alles „eine Sache des Glaubens“, bei Auflagen, Ordnungen und Strafen sind Religion so konkret wie es nicht konkreter geht.
Ist dir dieses eigenartige Ungleichgewicht noch nie aufgefallen?
ThomasM hat geschrieben:Freiheit ist es, anderen zu erlauben, sich diesen Regeln zu unterwerfen.
Ein Staat hat dabei aber immer das friedliche Zusammenleben im Blick.
Sobald ein organisiertes Verhalten das Zusammenleben stört, wird auf die Organisation reagiert.
ThomasM hat geschrieben:Es gibt ein Stoppschild, nämlich dann wenn diese Kultur mit unseren Gesetzen kollidiert.
Nicht ganz, es gibt auch den Fall, bei dem sich das Stoppschild auf die jeweilige Kultur zubewegt, was durch Wahlen erreicht werden kann.
Es gibt Machthaber, die das Stoppschild derart versetzen, dass du dir wünschen würdest, dass man die Zeit davor, besser mit dem Ansprechen der, für ein friedliches Zusammenleben notwendigen Funktionalität verbracht hätte.
Das Totschlagsargument des Sich-Berufens-Auf-Das-Gesetz mag dir als vollkommen sinnvoll erscheinen, jedoch gibt es ein „lustiges Echo“ und die aktuellen Wahlen kann man als erste Wellenbildung in dieser Richtung deuten.