
Es geht um folgende Begebenheit: Am 11. Nisan 33 n .Chr. (drei Tage vor "Karfreitag") traten auf dem Ölberg nahe Jerusalem vier Jünger zu Jesus, doch lesen wir, wie Markus dies berichtet:
Daraufhin beantworte Jesus ihnen diese Frage in seiner Entzeitrede, die von allen Synoptikern berichtet wird, so inZitat aus Mk 13:1-3:
1 Und als er aus dem Tempel heraustrat, sagt einer seiner Jünger zu ihm: Lehrer, sieh, was für Steine und was für Gebäude! 2 Und Jesus sprach zu ihm: Siehst du diese großen Gebäude? Hier wird nicht ein Stein auf dem anderen1 gelassen werden, der nicht abgebrochen werden wird. 3 Und als er auf dem Ölberg dem Tempel gegenübersaß, fragten ihn Petrus und Jakobus und Johannes und Andreas für sich allein:
- Mk 13:4-37
- Mat 24:1-44 ff. bis Mat 25:46.
- Luk 21:5-36
Zur lukaischen Schilderung nahm ich in diesem Beitrag bezug.
Wie ist diese Entzeitrede zu verstehen? Offenbar spielte die nahe Zerstörung Jerusalems eine Rolle, aber auch das "nahe" [König]Reich (Himmelreich) Gottes. Die Teile von Jesu Worten, die sich auf Jerusalem und die Römer beziehen, sind so zutreffend, dass Historiker und Theologen, welche die historisch-kritische Exegese konsequent vertreten, [mehrheitlich] der Auffassung sind, dass die Evangelien nach der Zerstörung der jüdischen Hauptstadt, also ab 70 n. Chr., geschrieben wurden. Aber einige Aussagen erfüllten sich damals offenbar nicht und werden später in der Offenbarung des Johannes aufgegriffen und prophetisch vertieft. Deutet dies auf eine doppelte Erfüllung der jesuanischen Entzeitrede hin?
Ist es denn überhaupt legitim, in biblischen Texten eine doppelte oder gar mehrfache Bedeutung zu "erkennen"? - Nun, es kommt meiner Meinung nach darauf an, zwei Beispiele:
1. In Dtn 25:4 wird geboten, einen drischenen Ochsen nicht das Maul zu verbinden. Dies war eine ganz konkrete Weisung zum Tierschutz.
Doch Paulus erkennt darin noch eine tiefere, geistige Bedeutung, wie aus 1 Kor 9:9.10 f. hervorgeht.
2. In Gen 1:2.3 lässt Gott Licht in der Finsternis erstrahlen. Im Schöpfungsbericht bezieht sich dies vermutlich schlicht und einfach auf das Tageslicht, doch kann dies auch als Anspielung auf die Lichtlawine im Anfang des Universums interpretiert werden, auch wenn wir nur den Saum seines Kleides erahnen.
Beide Deutungen schließen einander nicht aus.1. Die Entstehung der Welt mit dem Urknall und dem Ursprung der dafür nötigen Energie: das Wesentliche der biblischen Genesis als Vorwegnahme der Naturwissenschaft. Das göttliche "Es werde Licht" als dem Bewusstsein der damaligen Menschen angepasste Kurzformel für die Instabilität des Vakuums in der Quantengravitation, aus dem sich eine Lichtlawine und erst später die Materie als führender Energieträger entwickelt hat.
Paulus greift diese Worte in 2Kor 4.6 auf und wendet sie (ähnlich wie später "Johannes" in Joh 1:5) auf Jesus als das Licht an, welches in der Finsternis der Welt erstrahlte. Damit hätten wir in diesem Beispiel sogar schon drei Deutungen.
Mein Fazit daraus ist, dass biblische Texte durchaus doppelte oder gar mehrfache Bedeutungen aufweisen können, sofern man dies begründen kann.
Kann man dies auch auf die jesuanische Endzeitrede anwenden? Wie versteht ihr sie?
Nun bin ich gespannt.
