War der Sündenfall von Gott geplant?

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sven23
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#351 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von sven23 » So 31. Jan 2016, 11:03

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Jesus von Nazareth war keine "geistige", sondern eine geschichtliche Person.
Wer hat jemals den Eindruck erweckt, Jesus sei KEINE geschichtliche Person gewesen?
Die Radikalkritik geht von einer rein mythologischen Figur aus. Die Mehrheit der NT-Forschung geht von einer historischen Kernfigur aus.

closs hat geschrieben: Auch hier betonen ALLE Seiten (incl. Ratzinger und meine Wenigkeit), dass Jesus die nahe Gottesherrschaft verkündet haben. - Dies ist eine Kernbotschaft des NT. - Die Probleme beginnen erst bei der Interpretation.
Auch da ist sich die Forschung ziemlich einig, nämlich das Jesus das zeitlich nahe Gottesreich verkündete.
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closs
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#352 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von closs » So 31. Jan 2016, 11:20

sven23 hat geschrieben:Auch da ist sich die Forschung ziemlich einig, nämlich das Jesus das zeitlich nahe Gottesreich verkündete.
Einigkeit besteht über "das Gottesreich ist nahe". - Alles andere ist schon wieder Zusatz-Interpretation.

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sven23
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#353 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von sven23 » So 31. Jan 2016, 11:26

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Auch da ist sich die Forschung ziemlich einig, nämlich das Jesus das zeitlich nahe Gottesreich verkündete.
Einigkeit besteht über "das Gottesreich ist nahe". - Alles andere ist schon wieder Zusatz-Interpretation.
Das ist definitiv falsch. Die Mehrheit der Forschung geht von einem zeitlich nahen Gottesreich aus und kann dies sehr qualifiziert und umfassend begründen.
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closs
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#354 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von closs » So 31. Jan 2016, 11:30

sven23 hat geschrieben:Die Mehrheit der Forschung geht von einem zeitlich nahen Gottesreich aus und kann dies sehr qualifiziert und umfassend begründen.
Bei entsprechenden Prämissen geht dies - Du kennst inzwischen andere Prämissen, die bei derselben Sachlage zu anderen Interpretationen führen.

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sven23
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#355 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von sven23 » So 31. Jan 2016, 11:43

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Mehrheit der Forschung geht von einem zeitlich nahen Gottesreich aus und kann dies sehr qualifiziert und umfassend begründen.
Bei entsprechenden Prämissen geht dies - Du kennst inzwischen andere Prämissen, die bei derselben Sachlage zu anderen Interpretationen führen.
Die Prämisse ist die historisch-kritische Methode. Mehr braucht man nicht.
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#356 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von Pluto » So 31. Jan 2016, 13:33

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Mehrheit der Forschung geht von einem zeitlich nahen Gottesreich aus und kann dies sehr qualifiziert und umfassend begründen.
Bei entsprechenden Prämissen geht dies.
Es braucht keinerlei Prämisse, sondern nur die entsprechende Methodik (HKM).

Beispiel:

Frage: Wie isst man einen Elefanten? (Hier wird nicht nach Prämissen gefragt.)
Antwort: Ein Stück nach dem anderen (Methodik).
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Thaddäus
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#357 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von Thaddäus » So 31. Jan 2016, 14:29

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:So werden in der Philosphie des Geistes (philosophy of mind) alle möglichen Erklärungsversuche diskutiert
Das ist mir wohl bekannt - aber ist es nicht so, dass man unter "mind" so etwas wie eine "neuronal generierte Software", also eine materialistischen Größe, versteht? - Das meine ich mit "Materialismus".
Sicher, das gibt es in der Philosophie auch, man nennt diese Position das Computer-Modell des Geistes. Aber ehrlich gesagt, wird das nicht sehr ernst genommen, da diese Analogie nur sehr begrenzt funktioniert. Herkömmliche Computer (-CPU und Softwareverarbeitung) haben eine völlig andere Architektur und Informations-Verarbeitungsweisen als unser Gehirn und selbst alle bisher simulierten oder gebauten neuronalen Netzwerke arbeiten ebenfalls nicht genau so, wie unser Gehirn.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Es gibt mehr als genug "Geist" in den aktuellen philosophischen Diskussionen.
Das liegt aber doch nur an einer semnatischen Umdeutung des Wortes "Geist" von einer transzendenten in eine neuronale Größe - oder nicht?
Na ja, was heißt "neuronale Größe"? Da kommt es eben darauf an, welches Erklärungsmodell des Körper/Geist-Problems man präferiert. Die Pallette reicht von: mentale Zustände sind identisch mit neuronalen Gehirnzuständen (gilt quasi als widerlegt, weil mit zu großen Erklärungsproblemen behaftet) über den Ansatz, der Geist sei lediglich eine Illusion und es gibt ihn eigentlich gar nicht, bis hin zu Theorien, die den Geist (mentale Zustände) als supervenientes oder emergentes Phänomen unsere Gehirns zu erklären versuchen.
Allen aktuellen Ansätzen zur philosophy of mind ist freilich in der Tat gemein, dass unser Gehirn die neuronle Voraussetzung unseres Geistes und all unserer mentalen Zustände ist. Warum, dies wird z.B. in folgendem Buch gleich zu Anfang genau erklärt ...

Die vermutlich beste, aber auch anspruchsvollste überblickende Besprechung aller relevanten Theorien zur Philosophie des Geistes ist meiner Ansicht nach das Buch des analytischen Philosophen Ansger Beckermann Analytische Einführung in die Philosophie des Geistes (2008). Das Buch ist aber keine leichte Kost, denn als analytischer Philosoph seziert Beckermann jede einzelne Position akribisch hinsichtlich ihrer Stimmigkeit und logischen Konsistenz, was er in seinem Vorwort dem Leser auch androht. Es gibt darin Passagen, die habe auch ich bis heute nicht verstanden. Aber dieses Buch sollte man lesen, wenn man es ganz genau wissen will (und es einem nichts ausmacht, wenn man manchmal ganze Passagen wegen der Komplexität des gerade besprochenen Aspektes nicht versteht.) :lol:
Du solltest dir übrigens wirklich die beiden Bücher von Markus Gabriel anschaffen: Warum es die Welt nicht gibt und Ich ist nicht Gehirn. Das könnten für dich Offenbarungsschriften werden, denn dort findest du zu diversen Problemen Positionen, die zwar nicht identisch mit deiner sein dürften, ihr aber recht wohlwollend gegenüber stehen.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Es macht aber einen Unterschied, ob man geistige Inhalte als eben geistige akzeptiert oder ob man Geist hypostasiert und objektiviert und ihn damit zu einer objektiv transzendenten Realität verdinglicht.
Exakt. - Selbstverständlich versteht man auch aus spritueller Sicht den menschlichen Geist als gehirn-abhängig (ohne das Gehirn läuft im Hier nichts Geistiges). - Aber der Ursprung davon wird in der Tat als objektiv transzendente Realität verstanden und als "Gott" bezeichnet.
Das ergibt jedenfalls schonmal ein nicht ganz unerhebliches Erklärungsproblem: denn entweder man argumetiert, unser Gehirn stamme als Produkt der Schöpfung letztlich von Gott, - dann hat man die ganze Schöpergottproblematik und -diskussion am Hals inklusive Evolutionshickhack, die eigentlich gar nichts mit der Erklärung, wie mentale Zustände und Geistestätigkeit genau möglich sind, zu tun hat.
Oder man nimmt an, es gibt einen objektiv-transzendent-realen "Geist"(Gott), der irgendwie (über uns schwebt und der) für unsere geistigen, also mentalen Zustände irgendwie verantwortlich ist. Dann stellt sich aber die sehr gute Frage, warum wir in diesem Falle überhaupt ein Gehirn - und dazu noch ein so großes - haben? Wegen dieses ziemlich guten Einwandes werden z.B. die Erklärungsversuche von Popper & Eccles sowie der von Roger Penrose (Der Schatten des Geistes) heute ebenfalls von nur noch sehr wenigen Philosophen verteidigt.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Als widerlegt gelten eigentlich nur der klassische Dualismus mit einer vom Körper völlig unabhängigen Seele/Geist
Gelegentlich habe ich mir dazu mal die Argumentations-Führung angeguckt (wir hatten hier einen Thread dazu): Die Widerlegung ist sicherlich sauber verargumentiert - aber, wie mir scheint, aus materialistischer Sicht. - Es wäre zu prüfen, ob diese Widerlegung auch dann funktionieren würde, wenn man eine gedachte geistige Sicht ("objektiv transzendenten Realität") einnehmen würde.
1.
Du solltest unbedingt damit aufhören, jede philosophische Position, die keinen objektiv-transzendent-realen Geist(Gott) annimmt, umgekehrt bereits schon als materialistisch anzusehen. Das stimmt nämlich nicht. Da gibt es sehr viele philosophische Erklärungsmodelle, die zwar keinen transzendenten Geist annehmen, die aber dennoch nicht materialistisch argumentieren (z.B. funktionalistische und Supervenienz- sowie Emergenzmodelle in der philosophy of mind, die zwar das Gehirn als unabdingbare Grundlage von geistigen/mentalen Zuständen ansehen, die aber Geist und mentale Zustände nicht als identisch mit ihrer materiellen Grundlage begreifen. Geist ist in diesen Erklärungsversuchen etwas qualitativ anderes als die dem Geist zugrundeliegende materielle Grundlage). Ein Erklärungsmodell wird also nicht schon dadurch materialistisch, weil man keine transzendenten Geist-Entitäten annimmt.

2.
Nun, - wenn man eine vom Körper/Gehirn völlig unabhängige Geist/-Seele annimmt, dann ergeben sich in jedem Falle teilweise ganz und gar kuriose Probleme. Und zwar dann, wenn man exakt versucht zu erklären, wie der Körper mit der von ihm unabhängigen Geist/-Seele in Verbindung tritt. Woher wissen z.B. die Geist/-Seelen in einer Gruppe von Menschen, zu welchem Körper sie gehören? Oder kann es geschehen, dass eine Geist/-Seele 'mal ausversehen an den falschen Körper andockt? Und wenn man schnell wegläuft oder gar in einem schnellen Flugzeug fliegt (oder vielleicht irgendwann einmal mit annähernder Lichtgeschwindigkeit in einem Raumfahrzeug fliegt), könnte es dann geschehen, dass man seiner eigenen Geist/-Seele davonläuft oder -fliegt? Und wenn das nicht möglich ist, warum ist es nicht möglich?
Beim cartesianisch-dualistischen Erklärungsversuch ergeben sich jedenfalls Fragen über Fragen, - und zwar sehr sehr merkwürdige! :lol:

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#358 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von closs » So 31. Jan 2016, 15:20

Pluto hat geschrieben:Es braucht keinerlei Prämisse, sondern nur die entsprechende Methodik (HKM).
Methodik IST Prämisse.

Thaddäus hat geschrieben:Allen aktuellen Ansätzen zur philosophy of mind ist freilich in der Tat gemein, dass unser Gehirn die neuronle Voraussetzung unseres Geistes und all unserer mentalen Zustände ist.
Das klingt gut. - Und wie will man dann "Geist" von seinem Ursprung her erklären, wenn nicht transzendent?

Thaddäus hat geschrieben:Du solltest dir übrigens wirklich die beiden Bücher von Markus Gabriel anschaffen: Warum es die Welt nicht gibt und Ich ist nicht Gehirn. Das könnten für dich Offenbarungsschriften werden, denn dort findest du zu diversen Problemen Positionen, die zwar nicht identisch mit deiner sein dürften, ihr aber recht wohlwollend gegenüber stehen.
Interessant - klingt nach Urlaubslektüre demnächst in der Normandie.

EINE Frage könntest Du vielleicht vorher beantworten (gilt auch für Beckermann): Nach Deiner obigen Aussage ("Gehirn die neuronle Voraussetzung unseres Geistes"), die ich salopp interpretiere als "Ohne Gehirn ist Geist im Menschen nicht vermittelbar", ist Geist nicht Produkt der Neuronen (vulgo "Materie"), sondern benötigt Neuronen. - Wenn dies nun so ist, hätten wir in der Tat den materialistischen Sektor verlassen, uns aber gleichzeitig eine neue Frage eingehandelt: "Wenn Geist zwar die Neuronen braucht, nicht aber deren Produkt ist - wessen Produkt ist Geist dann?". - Was sagen die beiden genannten Herren dazu?

Wenn diese Frage beantwortet ist, kann man daraus resultierende Bücher ganz anders lesen. - Insofern wäre mir die Klärung dieser Voraussetzung schon recht.

Thaddäus hat geschrieben:inklusive Evolutionshickhack
Da gibt es aus meiner Sicht keine Probleme. - Evolutions-Theorie und Schöpfergott beißen sich nicht.

Thaddäus hat geschrieben: Dann stellt sich aber die sehr gute Frage, warum wir in diesem Falle überhaupt ein Gehirn - und dazu noch ein so großes - haben?
Diese Frage taucht nur bei falschen Prämissen auf.

Man kann sehr im Gedanken-Experiment das christliche Menschenbild durchspielen:
Der Mensch ist geistig als das geschaffen, wozu er sich entwickeln kann - also in seinem Ursprung ein geistiges Wesen (siehe auch: "Urworte"/Goethe). - Mit der Zeugung entsteht gleichzeitig seine Materialisierung, die sein geistiges Wesen sich um so differenzierter zeigt, je komplexer die neuronalen Strukturen entwickelt sind. - "Thaddäus" war also bereits mit der Zeugung die unverwechselbare "Thaddäus" und hat sich in ihrer materiellen (neuronalen) Entwicklung offenbart. - Am Ende steht eine so oder sich sich entwickelt habende Thaddäus, die aber immer die Thaddäus ist, die sie als geistige Schöpfung werden konnte.

Aus Thaddäus kann ganz Unterschiedliches werden - aber nur im Rahmen "des Gesetzes, wonach sie angetreten" (Goethe) - das hat nichts mit "Determinierung" zu tun, sondern mit Prädisposition. - Natürlich braucht sie dazu ein Gehirn, weil sie ohne Gehirn kein Mensch wäre - sie muss sich doch vermitteln können. - Insofern ist Deine obige Fragestellung schnell beantwortet.

Thaddäus hat geschrieben:Ein Erklärungsmodell wird also nicht schon dadurch materialistisch, weil man keine transzendenten Geist-Entitäten annimmt.
Das ist die Frage. - Ich meine "materialistisch" im ganz fundamentalen Sinn: Versteht ein Modell "Geist"
a) als eine von Materie abhängige Größe
b) oder nicht.
Bei (a) würde ich von Materialismus im fundamentalen Sinne sprechen (ich habe nichts gegen eine andere Sprach-Regelung, wenn damit jeder weiss, was gemeint ist).

Thaddäus hat geschrieben:Woher wissen z.B. die Geist/-Seelen in einer Gruppe von Menschen, zu welchem Körper sie gehören?
Wenn wir für den Moment schwierige Fälle wie spezielle psychotische Krankheiten außer Acht lassen: Indem sie mit der Zeugung untrennbar dem wachsenden Zellklumpen zugeordnet werden.

Thaddäus hat geschrieben:Oder kann es geschehen, dass eine Geist/-Seele 'mal ausversehen an den falschen Körper andockt?
Das wäre eine Frage im Kontext mit speziellen psychotischen Krankheiten. - Vorläufige Antwort: Kann wohl passieren.

Thaddäus hat geschrieben:Und wenn man schnell wegläuft oder gar in einem schnellen Flugzeug fliegt (oder vielleicht irgendwann einmal mit annähernder Lichtgeschwindigkeit in einem Raumfahrzeug fliegt), könnte es dann geschehen, dass man seiner eigenen Geist/-Seele davonläuft oder -fliegt?
Nein.

Thaddäus hat geschrieben:Und wenn das nicht möglich ist, warum ist es nicht möglich?
Weil Geist und Körper im Dasein untrennbar verbunden sind. - Wenn man jemanden tätowiert, verliert man ja auch nicht sein Tatoo, wenn man Pirouetten dreht.

Thaddäus hat geschrieben:Beim cartesianisch-dualistischen Erklärungsversuch ergeben sich jedenfalls Fragen über Fragen
Der Begriff "dualistisch" ist eh fragwürdig.

Frage:
Wenn Du nackig rumläufst und zwecks Weltraum-Spaziergang einen Astronauten-Anzug anziehst: Würdest Du dann von einem Dualismus von "nackiger Thaddäus" und "raumanzug-verpackter Thaddäus" sprechen?

Bevor jetzt wieder kommt und darauf hinweist, dass dieser Vergleich hinkt - ja, er hinkt. - Aber: Wer verstehen kann, was ich damit sagen will, versteht.

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Thaddäus
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#359 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von Thaddäus » So 31. Jan 2016, 20:42

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Es braucht keinerlei Prämisse, sondern nur die entsprechende Methodik (HKM).
Methodik IST Prämisse.
Ist zwar nicht an mich, aber ich antworte trotzdem: Wenn du unter den Fachbergiff "Prämisse" bereits eine Methodik verstanden wissen willst, muss dir klar sein, dass du den Begriff abweichend vom gängigen Gebrauch neu verwendest und ihn deshalb weit ausführlicher neu definieren musst, damit man weiß, was du darunter verstehst. Vor allem müsstest du ihn abgrenzen von all dem, was zwar in irgendeiner Weise eine Voraussetzung für Schlussfolgerungen ist, aber nicht unter "Prämisse" fallen soll, wie vielleicht z.B. die grundlegende Fähigkeit, vernünftige Schlüsse ziehen zu können oder die Tatsache, dass eine Welt existiert oder dass die logischen Denkgesetze gelten usw.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Allen aktuellen Ansätzen zur philosophy of mind ist freilich in der Tat gemein, dass unser Gehirn die neuronle Voraussetzung unseres Geistes und all unserer mentalen Zustände ist.
Das klingt gut. - Und wie will man dann "Geist" von seinem Ursprung her erklären, wenn nicht transzendent?
Na, zunächst bedeutet Geist ja nicht gleich Geist. Wenn man unter Geist die geistigen, also mentalen Zustände von Subjekten versteht, dann sind alle von mir oben genannten aktuellen Erklärungsversuche Versuche, diese mentalen Zustände nicht durch den Einfluss transzendenter Entitäten zu erklären.
Unter Geist kann man aber auch z.B. den Geist des Neuen Testamentes verstehen oder den Geist der französischen Revolution oder den Geist der Romantik (also geistesgeschichtlich) oder man kann davon sprechen, dass etwas im Geiste des Erfinders steht oder im Geiste Kants usw. Man kann mit Geist auch das umfangreiche Wissen und den Scharfsinn eines Menschen meinen und ihn also deshalb als geistvoll bezeichnen. Geist kann auch im Sinne des französischen esprit verstanden werden (mhd. witz) und dann einen humorvollen Scharfsinn meinen, also eine besondere Fähigkeit. Und endlich kann man unter Geist auch den absoluten objektiven Geist Hegels, den Weltgeist und u.U. auch Gott verstehen. Und am Ende gibt es auch noch "Geister" als Spukwesen oder als Ausdruck für die Seelen von (toten) Menschen.

Die Frage, wie man den Geist erklärt hängt nicht zuletzt davon ab, welche Art "Geist" man erklären will.

Im Sinne des Behaviorsimus kann man den Geist des Menschen z.B. als bloße Verhaltenseigenschaft auffassen (denn wir können Menschen nur beobachten und das, was sie tun und sagen als geistvoll oder geistreich oder spirituell-geistig bezeichnen). Es ist sehr schwierig die qualitativen geistigen (mentalen) Zustände von Menschen allein auf Basis neurologischer und/oder physikalischer Fakten zu erklären. Aber im Moment ist nicht erwiesen, dass es unmöglich ist.

Man kann deine Frage auch umkehren und gegen dich wenden: so schwer es ist, den Geist aus und mit neurologischen und physikalischen Gegebenheiten zu erklären, so schwierig ist es umgekehrt, ausgehend von einem transzendenten Geist (Seele/mind), den in die Materie hinein zu bekommen, so dass er mit ihr wechselwirken kann, denn er wird traditionell ja gerade als Dasjenige definiert, was eben nicht materiell ist, also substanziell etwas anderes als die Materie ... ;)


closs hat geschrieben:Interessant - klingt nach Urlaubslektüre demnächst in der Normandie.
Dann viel Spaß beim Urlaub mit Markus Gabriel in der Normandie (Ich backe übrigens eine hervorragende Normandie-Apfeltorte mit einem ordentlichen Schuss Calvados)! :D

closs hat geschrieben:EINE Frage könntest Du vielleicht vorher beantworten (gilt auch für Beckermann): Nach Deiner obigen Aussage ("Gehirn die neuronle Voraussetzung unseres Geistes"), die ich salopp interpretiere als "Ohne Gehirn ist Geist im Menschen nicht vermittelbar", ist Geist nicht Produkt der Neuronen (vulgo "Materie"), sondern benötigt Neuronen. - Wenn dies nun so ist, hätten wir in der Tat den materialistischen Sektor verlassen, uns aber gleichzeitig eine neue Frage eingehandelt: "Wenn Geist zwar die Neuronen braucht, nicht aber deren Produkt ist - wessen Produkt ist Geist dann?". - Was sagen die beiden genannten Herren dazu?
Markus Gabriel würde antworten, dieses Problem beruhe auf einer eklatanten Verwechslung von Sinnfeldern und ihren Gegenstandsbereichen (Warum es die Welt nicht gibt).
Ansgar Beckermann würde (sehr sehr verkürzt) antworten: Ein mentaler Zustand ist zwar im weitesten Sinne eine Erzeugnis der Aktivität von Neuronen in unserem Gehirn, aber weder ist dieser mentale Zustand identisch mit den materiellen Neuronen, die ihn hervorbringen, noch ist er auch nur identisch mit einem physikalischen Zustand pZ1 dieser Neuronen zum Zeitpunkt t1. So könnte die Eigenschaft "Geist" (= sich in einem bestimmten mentalen Zustand zu befinden) verstanden werden als eine superveniente Eigenschaft des neuronal-physikalischen Systems Gehirn.

Ich weiß, das versteht kein Mensch, deshalb ein Beispiel:
Stelle dir vor, du bist Elektriker und wirst aus irgendeinen Grund nach Russland geschickt, um dort auf einem großen Gelände auf einem bestimmten Gebäude Leuchtstoffröhren in einer bestimmten Anordnung auf einer Tafel zu installieren. Als du dort ankommst, wird dir ein Plan in die Hand gedrückt, aus dem hervorgeht, in welcher genauen Anordnung du die Leuchtstoffröhren auf der Tafel auf dem Gebäudedach anbringen sollst. Du weißt zwar nicht genau, was das soll, aber du machst es. Als du fertig bist mit deiner Arbeit, kletterst du vom Dach und schaltest die Röhren ein, die auch alle ganz wunderbar leuchten. Du fragst einen Russen, dem du zufällig begegnest und der zufällig Deutsch kann, ob er wüsste, was diese Leuchtstoffröhren auf dem Dach dieses Gebäudes denn sollen und der sagt dir: "Ja, das weiß ich. Das ist Russisch in kyrillischen Schriftzeichen und die Schrift bedeutet: <ACHTUNG! DIESES GEBÄUDE IST RADIOAKTIV VERSTRAHLT!>
Für dich waren es nur Leuchtstoffröhren in einer besimmten Anordnung, die du installierst hast, und weil du kein Russisch beherrschst, konntest du nicht verstehen, dass sie eine Warnung vor radioaktiver Strahlung bedeuten.

Diese Warnung ist eine superveniente Eigenschaft genau dieser Anordnung von Leuchtstoffröhren, die also eine Warnung und damit einen geistigen Gehalt bedeuten. Verändert man die Anordnung der Röhren nur an einigen Stellen, wird der geistige Gehalt (die ursprüngliche Warnung) möglicherweise zerstört (unleserlich) oder es bedeutet plötzlich etwas ganz anders wie "ACHTUNG! DAS HAUS IST BEMERKENSWERT STRAHLEND!" (oder was weiß ich, ich kann auch kein Russisch). Fest steht aber, dass diese Leuchtsoffröhren, wegen ihrer speziellen Anordnung, eben nicht mehr nur bloße (physikalische) Leuchtstoffröhren sind, sondern sie einen geistigen Gehalt (Semantik) als zusätzliche Eigenschaft haben.
Gäbe es keine Russen auf der Welt und keine russische Sprache, dann behielte genau diese Anordnung von Leuchtstoffröhren dennoch potenziell die superveniente Eigenschaft, genau das in Russisch zu bedeuten, was sie bedeuten.

Man kann nun sagen, dass sie diesen geistigen Gehalt nur deshalb bekommen, weil irgendwer dem armen Elektriker eine Warnung in Russisch in einen Plan gemalt hat, den geistigen Gehalt (die Warnung) also bereits in Form genau dieser Anordnung von Röhren hineingelegt hat, weil er selbst Geist hat (nämlich Russisch zu können). Es ist aber auch denkbar (in diesem Gedankenexperiment) dass du als Elektriker erstmal eine rein zufällige Anordnung der Leuchtstoffröhren wählst. Da niemand, der vorbeiläuft, auf deine Anordnung irgendwie reagiert, veränderst du sie so lange, bis du bemerkst, dass deine Umwelt auf deine Leuchtstoffröhren plötzlich doch reagiert: sei es, dass sich plötzlich Menschen um dieses Gebäude versammlen (weil deine Leuchtstoffröhren in Russisch bedeuten: "ACHTUNG! HIER GIBT ES FREI WODKA!") oder sei es, dass sie alle bestürzt das Weite suchen, weil ihre Anordnung jetzt tatsächlich eine Warnung bedeutet. Das wäre dann eine evolutionäre Analogieerklärung. Jedenfalls sind die Leuchtstoffröhren nicht nur Leuchtstoffröhren.

Puh, das ist sehr lang geworden. Ich breche meine Beantwortung darum hier mal ab.

closs
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#360 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von closs » So 31. Jan 2016, 21:22

Thaddäus hat geschrieben: Wenn du unter den Fachbergiff "Prämisse" bereits eine Methodik verstanden wissen willst
Nein - Du drehst es jetzt um. - Ich habe meines Wissens gesagt, dass Methodik eine Prämisse ist - also umgekehrt. - Jede Methodik ist eine Prämisse - nicht jede Prämisse ist eine Methodik (das wäre selbstverständlich Unsinn).

Thaddäus hat geschrieben: Und am Ende gibt es auch noch "Geister" als Spukwesen oder als Ausdruck für die Seele eines (toten) Menschen.
Oder Weingeist. Schon klar. - Unter "Geist" würde ich im Sinne einer philosophischen Betrachtung vereinfacht das zur Selbst-Reflexion fähige Bewusstsein des Menschen verstehen ("Cogito"). - Als Beispiele: "Woher komme ich?" - "Wohin gehe ich?" - "Was ist der Mensch?". - Ich meine damit nicht intellektuelle Fertigkeiten.

Thaddäus hat geschrieben:Im Sinne des Behaviorsimus kann man den Geist des Menschen z.B. als bloße Verhaltenseigenschaft auffassen
Eben - das greife ich ganz und gar nicht - suum cuique. --- Wichtig im gegebenen Zusammenhang wäre für mich, wie Gabriel oder Beckermann "Geist" definieren, wenn sie über "Geist" sprechen:
a) als eine von Materie abhängige Größe (= ist Geist Produkt von Materie?)
b) oder nicht (= ist Geist NICHT Produkt von Materie?).

Thaddäus hat geschrieben: so schwierig ist es umgekehrt, ausgehend von einem transzendenten Geist (Seele/mind), den in die Materie hinein zu bekommen, so dass er mit ihr wechselwirken kann, denn er wird traditionell ja gerade als Dasjenige definiert, was eben nicht materiell ist, also substanziell etwas anderes als die Materie ...
Stimmt. - Persönlich vermute ich, dass der Geist per Schöpfung in die Materie einfließt und es "zu Lebzeiten" KEINE nicht-vorhergesehene Eingriffe von Geist in Materie ("Wechselwirkung") gibt.

Dieser Ansatz ist dann denkbar, wenn man Gott = Geist als über-zeitliche Größe außerhalb seiner Schöpfung versteht. Ob dieser Gedanke mit Tiplers Entwurf der Singularität "Omega-Punkt" ausreichend verständlich gemacht werden kann, weiss ich nicht.

Thaddäus hat geschrieben:Ich backe übrigens eine hervorragende Normandie-Apfeltorte mit einem ordentlichen Schuss Calvados
Das klingt SEHR gut - letzten Sommer hat meine Frau ihren Fuffzigsten in der Provence gefeiert - unsere Köche waren unser einer Junior (Sterneküche-Erfahrung) und ein provencalisch-ligurischer Freund von uns, der mal eine Sterne-Restaurant hatte. - Und wir waren dann diejenigen, die das alles essen mussten :o ..... - 14 Tage lang - ohne Möglichkeit, dem zu entgehen. :lol:

Thaddäus hat geschrieben:Dann viel Spaß beim Urlaub
Von wegen Urlaub - ich bin Rentner. - Wir haben (ehrlich!!!) festgestellt, dass unser Wohnwagen-Boheme-ismus finanziell billiger ist als zuhause - keine finanziellen Kinder- und Enkel-Wünsche, keine Investitionen ins Haus, keine Anschaffungen, etc. - Mit 1000 Euro extra sind wir einen geschlagenen Monat lang weg (Frankreich, Italien, Spanien) - und tun das auch mehrfach im Jahr, wenn wir wollen.

Thaddäus hat geschrieben:Diese Warnung ist eine superveniente Eigenschaft
Was ist die Quelle dieser Supervenienz? - Ein Christ hat dazu eine leichte Antwort - aber ein Agnostiker, was sagt DER?

Thaddäus hat geschrieben:. Das wäre dann eine evolutionäre Analogieerklärung. Jedenfalls sind die Leuchtstoffröhren nicht nur Leuchtstoffröhren.
Klingt nachvollziehbar. - Die entscheidende Frage für mich: Wie erklärt die (weltanschauungs-neutrale) Philosophie die Fähigkeit zur Supervenienz? - Ist "Fähigkeit" das richtige Wort? - Ist supervenientes Verhalten eine Fähigkeit?

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