closs hat geschrieben:Pluto hat geschrieben:Es braucht keinerlei Prämisse, sondern nur die entsprechende Methodik (HKM).
Methodik IST Prämisse.
Ist zwar nicht an mich, aber ich antworte trotzdem: Wenn du unter den Fachbergiff
"Prämisse" bereits eine
Methodik verstanden wissen willst, muss dir klar sein, dass du den Begriff abweichend vom gängigen Gebrauch neu verwendest und ihn deshalb weit ausführlicher neu definieren musst, damit man weiß, was du darunter verstehst. Vor allem müsstest du ihn abgrenzen von all dem, was zwar in irgendeiner Weise eine Voraussetzung für Schlussfolgerungen ist, aber nicht unter "Prämisse" fallen soll, wie vielleicht z.B. die grundlegende Fähigkeit, vernünftige Schlüsse ziehen zu können oder die Tatsache, dass eine Welt existiert oder dass die logischen Denkgesetze gelten usw.
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Allen aktuellen Ansätzen zur philosophy of mind ist freilich in der Tat gemein, dass unser Gehirn die neuronle Voraussetzung unseres Geistes und all unserer mentalen Zustände ist.
Das klingt gut. -
Und wie will man dann "Geist" von seinem Ursprung her erklären, wenn nicht transzendent?
Na, zunächst bedeutet Geist ja nicht gleich Geist. Wenn man unter Geist die geistigen, also mentalen Zustände von Subjekten versteht, dann sind alle von mir oben genannten
aktuellen Erklärungsversuche Versuche, diese mentalen Zustände nicht durch den Einfluss transzendenter Entitäten zu erklären.
Unter Geist kann man aber auch z.B. den
Geist des Neuen Testamentes verstehen oder den
Geist der französischen Revolution oder den
Geist der Romantik (also geistesgeschichtlich) oder man kann davon sprechen, dass etwas
im Geiste des Erfinders steht oder
im Geiste Kants usw. Man kann mit Geist auch das umfangreiche Wissen und den Scharfsinn eines Menschen meinen und ihn also deshalb als
geistvoll bezeichnen. Geist kann auch im Sinne des französischen
esprit verstanden werden (mhd. witz) und dann einen humorvollen Scharfsinn meinen, also eine besondere Fähigkeit. Und endlich kann man unter Geist auch den absoluten objektiven Geist Hegels, den Weltgeist und u.U. auch Gott verstehen. Und am Ende gibt es auch noch "Geister" als Spukwesen oder als Ausdruck für die Seelen von (toten) Menschen.
Die Frage, wie man den Geist erklärt hängt nicht zuletzt davon ab, welche Art "Geist" man erklären will.
Im Sinne des Behaviorsimus kann man den Geist des Menschen z.B. als bloße
Verhaltenseigenschaft auffassen (denn wir können Menschen nur beobachten und das, was sie tun und sagen als geistvoll oder geistreich oder spirituell-geistig bezeichnen). Es ist sehr schwierig die qualitativen geistigen (mentalen) Zustände von Menschen allein auf Basis neurologischer und/oder physikalischer Fakten zu erklären. Aber im Moment ist nicht erwiesen, dass es unmöglich ist.
Man kann deine Frage auch umkehren und gegen dich wenden: so schwer es ist, den Geist aus und mit neurologischen und physikalischen Gegebenheiten zu erklären, so schwierig ist es umgekehrt, ausgehend von einem transzendenten Geist (Seele/mind), den in die Materie hinein zu bekommen, so dass er mit ihr
wechselwirken kann, denn er wird traditionell ja gerade als Dasjenige definiert, was eben nicht materiell ist, also
substanziell etwas anderes als die Materie ...
closs hat geschrieben:Interessant - klingt nach Urlaubslektüre demnächst in der Normandie.
Dann viel Spaß beim Urlaub mit Markus Gabriel in der Normandie (Ich backe übrigens eine hervorragende Normandie-Apfeltorte mit einem ordentlichen Schuss Calvados)!
closs hat geschrieben:EINE Frage könntest Du vielleicht vorher beantworten (gilt auch für Beckermann): Nach Deiner obigen Aussage ("Gehirn die neuronle Voraussetzung unseres Geistes"), die ich salopp interpretiere als "Ohne Gehirn ist Geist im Menschen nicht vermittelbar", ist Geist nicht Produkt der Neuronen (vulgo "Materie"), sondern benötigt Neuronen. - Wenn dies nun so ist, hätten wir in der Tat den materialistischen Sektor verlassen, uns aber gleichzeitig eine neue Frage eingehandelt: "Wenn Geist zwar die Neuronen braucht, nicht aber deren Produkt ist - wessen Produkt ist Geist dann?". - Was sagen die beiden genannten Herren dazu?
Markus Gabriel würde antworten, dieses Problem beruhe auf einer eklatanten Verwechslung von Sinnfeldern und ihren Gegenstandsbereichen (
Warum es die Welt nicht gibt).
Ansgar Beckermann würde (sehr sehr verkürzt) antworten: Ein mentaler Zustand ist zwar im weitesten Sinne eine Erzeugnis der Aktivität von Neuronen in unserem Gehirn, aber weder ist dieser mentale Zustand
identisch mit den materiellen Neuronen, die ihn hervorbringen, noch ist er auch nur
identisch mit einem physikalischen Zustand pZ1 dieser Neuronen zum Zeitpunkt t1. So könnte die Eigenschaft "Geist" (= sich in einem bestimmten mentalen Zustand zu befinden) verstanden werden als eine
superveniente Eigenschaft des neuronal-physikalischen Systems Gehirn.
Ich weiß, das versteht kein Mensch, deshalb ein Beispiel:
Stelle dir vor, du bist Elektriker und wirst aus irgendeinen Grund nach Russland geschickt, um dort auf einem großen Gelände auf einem bestimmten Gebäude Leuchtstoffröhren in einer bestimmten Anordnung auf einer Tafel zu installieren. Als du dort ankommst, wird dir ein Plan in die Hand gedrückt, aus dem hervorgeht, in welcher genauen Anordnung du die Leuchtstoffröhren auf der Tafel auf dem Gebäudedach anbringen sollst. Du weißt zwar nicht genau, was das soll, aber du machst es. Als du fertig bist mit deiner Arbeit, kletterst du vom Dach und schaltest die Röhren ein, die auch alle ganz wunderbar leuchten. Du fragst einen Russen, dem du zufällig begegnest und der zufällig Deutsch kann, ob er wüsste, was diese Leuchtstoffröhren auf dem Dach dieses Gebäudes denn sollen und der sagt dir: "Ja, das weiß ich. Das ist Russisch in kyrillischen Schriftzeichen und die Schrift bedeutet: <ACHTUNG! DIESES GEBÄUDE IST RADIOAKTIV VERSTRAHLT!>
Für dich waren es nur Leuchtstoffröhren in einer besimmten Anordnung, die du installierst hast, und weil du kein Russisch beherrschst, konntest du nicht verstehen, dass sie eine Warnung vor radioaktiver Strahlung bedeuten.
Diese Warnung ist eine
superveniente Eigenschaft genau dieser Anordnung von Leuchtstoffröhren, die also eine Warnung und damit einen geistigen Gehalt
bedeuten. Verändert man die Anordnung der Röhren nur an einigen Stellen, wird der geistige Gehalt (die ursprüngliche Warnung) möglicherweise zerstört (unleserlich) oder es bedeutet plötzlich etwas ganz anders wie "ACHTUNG! DAS HAUS IST BEMERKENSWERT STRAHLEND!" (oder was weiß ich, ich kann auch kein Russisch). Fest steht aber, dass diese Leuchtsoffröhren, wegen ihrer speziellen Anordnung, eben nicht mehr nur bloße (physikalische) Leuchtstoffröhren sind, sondern sie einen geistigen Gehalt (Semantik) als zusätzliche Eigenschaft haben.
Gäbe es keine Russen auf der Welt und keine russische Sprache, dann behielte genau diese Anordnung von Leuchtstoffröhren dennoch potenziell die superveniente Eigenschaft, genau das in Russisch zu bedeuten, was sie bedeuten.
Man kann nun sagen, dass sie diesen geistigen Gehalt nur deshalb bekommen, weil irgendwer dem armen Elektriker eine Warnung in Russisch in einen Plan gemalt hat, den geistigen Gehalt (die Warnung) also bereits in Form genau dieser Anordnung von Röhren hineingelegt hat, weil er selbst Geist hat (nämlich Russisch zu können). Es ist aber auch denkbar (in diesem Gedankenexperiment) dass du als Elektriker erstmal eine rein zufällige Anordnung der Leuchtstoffröhren wählst. Da niemand, der vorbeiläuft, auf deine Anordnung irgendwie reagiert, veränderst du sie so lange, bis du bemerkst, dass deine Umwelt auf deine Leuchtstoffröhren plötzlich doch reagiert: sei es, dass sich plötzlich Menschen um dieses Gebäude versammlen (weil deine Leuchtstoffröhren in Russisch bedeuten: "ACHTUNG! HIER GIBT ES FREI WODKA!") oder sei es, dass sie alle bestürzt das Weite suchen, weil ihre Anordnung jetzt tatsächlich eine Warnung bedeutet. Das wäre dann eine evolutionäre Analogieerklärung. Jedenfalls sind die Leuchtstoffröhren nicht nur Leuchtstoffröhren.
Puh, das ist sehr lang geworden. Ich breche meine Beantwortung darum hier mal ab.