2Lena hat geschrieben:Danke Novalis für die vielen Schilderungen! Um 600 entstand der Koran. Er geht auf etwas ein, das beim Christentum in Vergessenheit geriet. Man erzählte sich "bildliche Geschichten", wie die Evangelien die wir kennen. Die Werte innerhalb dieser Geschichten wurden vergessen. Daher rührt das "eigentliche" heiße Gefecht
Ja, wenn sich die religiösen Menschen an die Werte ihrer eigenen Religion erinnern und ihre Lehren wirklich verstehen würden, anstatt nur fragmentierte Zerrformen davon, dann wären die Gefechte bald beendet, denn sie gründen in einer universalen Weisheit (philosophia perennis) der große Religionsphilosoph Frithjof Schuon hat sich viel mit den großen Denkern des Islam beschäftigt, wie Ibn Arabi. Von ihm gibt es beispielsweise dieses Grundlagenwerk zum Islam:

Frithjof Schuon: Den Islam verstehen
„Wenn die Religionen wahr sind, dann deshalb, weil jedesmal Gott gesprochen hat, und wenn sie verschieden sind, dann darum, weil Gott verschiedene Sprachen gesprochen hat gemäß der Verschiedenheit der empfangenden Gefäße.“ - Frithjof Schuon, Den Islam verstehen
In Moscheen findet man keine Bilder, höchstens Schriftzüge
Im Koran selbst gibt es kein Bilderverbot. Eher sogar im Gegenteil, denn in einigen Koranversen wird Gott als der größte Bildner und Schöpfer dargestellt. In Sure 59, Vers 24 wird Gott als „der Schöpfer, Erschaffer und Gestalter“ gepriesen. Umso erstaunlicher finde ich das Bilderverbot im Mainstream Islam. Das hat wohl etwas damit zu tun, dass sich die Muslime auf das außerordentliche Vorbild Abrahams und die Religion Abrahams berufen und deshalb haben sie das alttestamentarische Bilderverbot übernommen. An mehreren Koranstellen findet sich die Aufforderung, der Religion der „Gemeinschaft Abrahams“ (millat IbrÄhÄ«m) zu folgen (Sure 2:130; 4:125) sehr bemerkenswert finde ich diese Beschreibung der schrittweise sich vertiefenden Gotteserkenntnis Abrahams:
Und als Ibrahim zu seinem Vater Azar sagte: "Nimmst du Götzen zu Göttern? Ich sehe dich und dein Volk in einem offenbaren Irrtum", da zeigten Wir Ibrahim das Reich der Himmel und der Erde, auf dass er zu den Festen im Glauben zählen möge. Als ihn nun die Nacht überschattete, da erblickte er einen Stern. Er sagte: "Das ist mein Herr." Doch da er unterging, sagte er: "Ich liebe nicht die Untergehenden." Als er den Mond sah, wie er sein Licht ausbreitete, da sagte er: "Das ist mein Herr." Doch da er unterging, sagte er: Wenn mein Herr mich nicht rechtleitet, werde ich gewiß unter den Verirrten sein." Als er die Sonne sah, wie sie ihr Licht ausbreitete, da sagte er: "Das ist mein Herr, das ist noch größer." Da sie aber unterging, sagte er: "O mein Volk, ich habe nichts mit dem zu tun, was ihr (Allah) zur Seite stellt. Seht, ich habe mein Angesicht in Aufrichtigkeit zu Dem gewandt, Der die Himmel und die Erde schuf, und ich gehöre nicht zu den Götzendienern. (Koran, 6:74-79)
Ein generelles Bilder- oder Abbildungsverbot kann man aus dieser Koranstelle jedoch nicht ableiten. Es wird lediglich vor falschen Götzen/Götzendienst gewarnt, wie wir das aus der biblischen Geschichte vom goldenen Kalb kennen, und diesen falschen Götzen wird die wahre Gotteserkenntnis des Wahren Einen entgegengestellt. Dem wird auch jeder Christ sofort zustimmen: nur Gott, der Schöpfer der Himmel und der Erde, ist anbetungswürdig.

Die Anbetung des goldenen Kalbes, Nicolas Poussin (1633–1636)
Im Bilderverbot der Zehn Gebote (Ex 20,4-5 und Dtn 5,8-9) drückt sich ein zentrales Anliegen des Monotheismus aus:
„Du sollst dir kein Gottesbild machen noch irgendein Abbild von etwas, was oben im Himmel, was unten auf der Erde oder was im Wasser unter der Erde ist. Du sollst dich nicht niederwerfen vor ihnen und ihnen nicht dienen, denn ich der HERR bin dein Gott[...]“
Das Bilderverbot war ursprünglich dazu da, das Sakrale gegen die Entwertung zu schützen und zu vermeiden, dass die Menschen etwas anderes außer Gott anbeten. Offenbar haben Menschen diese Neigung. Muslime nennen das „Beigesellung“ (Å¡irk) im Gegensatz zum dem, was in ihren Augen wahrer Monotheismus ist (توØÙŠØ¯ tauḥīd, abgeleitet von der Wurzel w-ḥ-d (ÙˆØØ¯): „einzig oder allein sein“). Aus Sichtweise der christlichen Theologie hat Gott jedoch durch die Inkarnation sein eigenes Bilderverbot durchbrochen und aufgehoben in Jesus Christus, der „wahrer Mensch“ und „wahrer Gott“ zugleich ist in der christologischen Denkweise. So heißt es im Brief an die Kolosser über Jesus: „Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15) – der „Sohn“ wird als das „wahre Abbild“ (eikón) seines unsichtbaren Vaters begriffen. „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh 14,9)
Im Christentum gibt es überwiegend kein Bilderverbot, weil offenbar der Glaube an die Inkarnation zu einer anderen Geisteshaltung geführt hat, denn Inkarnation ist das „ins Fleisch gehen“, das Hinabsteigen des Geistes in die Materie und dadurch besitzt die ganze materielle Welt eine innewohnende Heiligkeit. Die islamische Kunst vermeidet stattdessen bildliche Darstellungen:
In Verbindung mit der großen Bedeutung des Wortes, gleichsam als Träger der Offenbarung, führt das Vermeiden bildlicher Darstellungen zu einer überragenden Rolle von Schrift (Kalligraphie) und Ornament. Dabei wird eine Inschrift häufig selbst zum Ornament; geometrisch konstruierte Muster sind ein unverkennbares Hauptelement der islamischen bildenden Kunst.
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Grabar identifiziert mehrere Kennzeichen, durch die ein Kunstwerk als „islamisch“ erkennbar werde: Hierzu zählt er seine Bedeutung im gesellschaftlichen Kontext, die typische, nicht-bildhafte Ornamentik, und eine Spannung zwischen Einheit und Vielfalt.
Wikipedia: Islamische Kunst
Das Christentum war im Großen und Ganzen eher bilderfreundlich, aber es gab auch Ausnahmen, wie den reformatorischen Bildersturm, der eine Begleiterscheinung der Reformation im 16. Jahrhundert war.