Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Nichtchristen sind willkommen, wir bitten aber darum, in diesem Forum keine Bibel- und Glaubenskritik zu üben.
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Savonlinna
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#31 Re: Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Beitrag von Savonlinna » Fr 21. Aug 2015, 02:02

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Die wissenschaftlichen Methoden sind nicht jedermanns Sache bei Texten, an die man glaubt.
Nahvollziehbar - allerdings sollte man nicht an Texte glauben, sondern in ihnen etwas wiedererkennen.

Bei aller Disziplin bei wissenschaftlicher Untersuchungen: Wenn man keinen inneren Bezug hat, kann man aus meiner Sicht lediglich formal untersuchen. - Siehst Du das anders?
Ich bin ja von denen ausgegangen, die einen inneren Bezug HATTEN und darum Theologie studieren wollten.
Man kann jungen Leuten nicht vorschreiben, wie sie kurz nach dem Abi zu denken hätten und ihnen verbieten, an Texte zu glauben und ihnen zu erzählen, sie hätten da etwas wiederzuerkennen.
Menschen sind unterschiedlich, und wir können sie nicht in eine Gleichmachfabrik stecken, bevor sie Theologie studieren.

Zumal sie ja ganz unterschiedliche Biographien haben.
Ich denke, jeder hat das Recht, so zu sein, wie er ist.

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Münek
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#32 Re: Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Beitrag von Münek » Fr 21. Aug 2015, 02:36

Catholic hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: ...Glaubensbehauptungen und -konstruktionen "übernatürlicher Art" sollen und können sich die Kirchen mit ihren Dogmatikern beschäftigen.
Das ist allein deren Bier.....

Mal abgesehen davon,dass Du gerade - für Dich - eine Entscheidung getroffen hast("Glaubens...konstruktionen "übernatürlicher Art" ") kann sich die historisch-kritische Methode durchaus mit der Frage befassen,ob und inwieweit die Aussagen Jesu,dass er göttlich war,historisch belegbar sind.

Sie kann sich mit der Frage befassen, ob nach dem biblischen Text sich Jesus für den Sohn Gottes gehalten hat oder nicht. Sie kann sich nicht mit der Frage befassen, ob Jesus Gottes Sohn ist oder nicht. Ein kleiner, aber feiner Unterschied. Aber keine Angst, wir haben ja noch die Dogmatik. :thumbup:

Novas
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#33 Re: Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Beitrag von Novas » Fr 21. Aug 2015, 02:48

Halman hat geschrieben:Mit dem Glauben an GOTT, einem GEIST "jenseits aller bedingt bedingenen Kräfte" (Karl Barth), glaubt der Christ bereits an eine [jenseits der naturalistisch erfahrbaren Welt] transnaturalistische* Gottesmacht, womit der positivistische Rahmen gesprengt wird. Wenn ich einen solchen GOTT bejahe, warum sollte ich ihm dann die Fähigkeit, Wunder wirken zu können, absprechen?
Die Vorentscheidung der Kritiker ist m. E. nur dann logisch kohärent, wenn sie aus einem atheistisch-naturalistischen Weltbild entspringt. Ihre "positivistische Hermeneutik" muss sich von jener unterscheiden, die gottgläubig sind.
Will ich wirklich unvoreingenommen und offen an die Evangelien herangehen, dann sollte ich auch die transnaturalistische Dimension als Möglichkeit in Erwägung ziehen und nicht von vornherein kathegorisch ausschließen

Sehr gut gesagt.

Novas
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#34 Re: Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Beitrag von Novas » Fr 21. Aug 2015, 02:50

closs hat geschrieben:Weiterhin ist es aus meiner Sicht ein fataler Irrtum, zwischen historisch Verbürgtem und Mythologischem zu unterscheiden, wenn es um das geht, was da steht.

Ich bevorzuge den Ansatz von J.R.R. Tolkien, der von dem Gedanken ausging, dass das Evangelium gleichzeitig Mythos und historische Tatsache sei, womit er wohl seinen Freund C.S. Lewis überzeugte. ;)

Der entscheidende Gedanke Tolkiens war, dass das Evangelium gleichzeitig Mythos und historische Tatsache sei, oder besser gesagt: der einzige Mythos, der einen göttlichen Autor hat und sich in der historischen Wirklichkeit abspielte. Lewis kannte die Mythen vom sterbenden Gott und vom Opfertod, z.B. in den nordischen und ägyptischen Mythen von Baldur oder Osiris.

Nun stellte sich heraus, dass die Existenz solcher Mythen kein Einwand gegen die Historizität der Evangelien sind. Letztere sind keine weitere Variante desselben Mythenstoffs. Es ist genau umgekehrt: Weil der christliche „Mythos“ Wirklichkeit ist, finden in ihm alle Mythen ihre Vollendung, insofern sie einen Schatten von Wahrheit oder ihre Vorahnung darstellen.

Damit schlägt Lewis den entgegengesetzten Weg wie Bultmann ein: Dieser verflüchtigte die historische Wirklichkeit der Evangelien zu Mythen, Lewis dagegen erhob die christlichen Mythen zu historischen Tatsachen. Mit dem christlichen Glauben hatte sich Lewis nicht für einen Mythos unter vielen entschieden, sondern den einen archimedischen Punkt erreicht, der ihn befähigte, die anderen Mythen und Religionen besser zu verstehen als sie sich selbst verstehen, zu erkennen, wie die Fragmente ihrer Teilwahrheiten sich im Christentum zu einem Ganzen zusammenfügen.

Dies einmal erkannt, war Lewis als Mythenkenner bestens geeignet, der Entmythologisierung entgegenzutreten.
http://www.kath.net/news/14766

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Münek
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#35 Re: Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Beitrag von Münek » Fr 21. Aug 2015, 02:56

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Zwischen beiden Bereichen (Exegese und Dogmatik) herrscht zu Recht eine scharfe Trennung wie etwa zwischen Astronomie (Wissenschaft) und Astrologie (Glauben).
Das hieße, dass die Exegese nichts mit dem Wesen des Christentums zu tun hätte - ich denke nicht, dass dies so gemeint ist. - WENN es so gemeint wäre, wäre es trotzdem sinnvoll - aber nicht innerhalb der Theologie.

Die HKM ist eine Methode, die bei ALLEN antiken Texten Anwendung findet - ob heilig oder nicht heilig.

Die Exegese biblischer Texte nimmt da keine Sonderstellung ein; es wird hier keine Extrawurst gebraten.

Im Übrigen, um bei meinem Beispiel zu bleiben: Sowohl die Astronomie als auch die Astrologie befassen sich
mit Sonne, Mond und Sternen. Aber das eine ist Wissenschaft, das andere Esoterik. :thumbup:

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#36 Re: Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Beitrag von Münek » Fr 21. Aug 2015, 02:59

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Dass ich in eigener Entscheidungsfreiheit entscheide, nur das zu akzeptieren, was wissenschaftlich-historisch gesichert ist, ist mein gutes Recht. J
Natürlich ist es das - das steht doch gar nicht in Abrede.

Wieso sprichst Du dann von "Katastrophe"?

Martinus
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#37 Re: Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Beitrag von Martinus » Fr 21. Aug 2015, 06:48

Pluto hat geschrieben: Welches Buch des NT hat denn Johannes der Täufer verfasst?

Er hatte das erste Kochbuch verfasst ;) . Kochen ohne Kochen, heute bleibt die Küche kalt oder so ähnlich. Die Rezepte hatten aber, und ich denke zu Recht, keinen Weg in den biblischen Kanon gefunden.
Angelas Zeugen wissen was!

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#38 Re: Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Beitrag von closs » Fr 21. Aug 2015, 08:21

Martinus hat geschrieben:Die Rezepte hatten aber, und ich denke zu Recht, keinen Weg in den biblischen Kanon gefunden.
Obwohl das Kochbuch "Kanonen-Futter" hieß.

closs
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#39 Re: Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Beitrag von closs » Fr 21. Aug 2015, 08:39

Münek hat geschrieben:Die HKM ist eine Methode, die bei ALLEN antiken Texten Anwendung findet - ob heilig oder nicht heilig.
Ja - genauso wie ein kriminalistischer Forensiker dieselben Methoden anwendet, egal ob auf dem Leichentisch vor ihm ein Professor oder ein Bettler liegt. Insofern sind wir uns einig.

Ein Forensiker untersucht bei beiden, woran der Patient verstorben ist, ob es Verletzungsspuren gibt, welcher Schmutz unter den Fingernägeln ist, ob Wasser in der Lunge ist, etc. - Diesbezüglich sind alle Patienten gleich - genauso wie für einen Historisch-Kritischen alle Texte gleich sind, die auf seinem Seziertisch liegen.

Was ein Forensiker weder kann noch tut, ist: Er kümmert sich nicht um das Wesen dessen, der auf seinem Seziertisch liegt. - Und so, wie die HKM hier dargestellt wird, tut sie dies genausowenig.

Will man aber das Wesen von jemandem kennenlernen, reicht der Seziertisch nicht aus - und hier liegt der Unterschied zwischen dem, was Du unter HKM darstellst, und dem, was ich unter "Theologie" verstehe.

Das macht nichts - denn jeder hat andere Aufgaben. Der eine macht dieses und der andere macht jenes - aber bitteschön nicht über Kreuz.

Münek hat geschrieben:Wieso sprichst Du dann von "Katastrophe"?
Weil der Eindruck entsteht, Forensiker könnten über ihre Arbeit Maßgebliches über das Wesen der Person erfahren, die vor ihnen liegt.

2Lena
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#40 Re: Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Beitrag von 2Lena » Fr 21. Aug 2015, 09:43

Savonlinna hat geschrieben:Dazu muss Hamlet nicht gelebt haben.
... um von seinen Worten getroffen zu werden ... Du hast mit deiner Aussage etwas Wahres getroffen. Wird der Inhalt der Evangelien bekannt, ist jeder Mensch "betroffen". Nur ist man ist sich der Inhalte bisher nicht bewusst. An historischen Beweisen erhoffte man sich den "Wahrheitsgehalt" der Predigt der Kirchen zu erklären. Er war zu wage um "verstehen" zu können. Man konnte nur "glauben", hatte nichts Konkretes. Wie soll man historische Beweise nehmen - gar zuordnen, wenn der Text nicht ganz erschlossen wurde?

@ Novalis
Dein guter Einwand mit C.S. Lewis zeigt wohl den Kern des heutigen Umgangs mit den alten Schriften deutlich, enthebt allerdings nicht von der Arbeit, SICH ENDLICH MAL MIT DEN TEXTEN AUSEINANDERZUSETZEN. Alles andere ist nur am Schlüsselloch gelauscht haben ...

Münek hat geschrieben:nur das zu akzeptieren, was wissenschaftlich-historisch gesichert ist, ist mein gutes Recht.
Das ist eine Art, sich selbst "Schach-Matt" zu setzen.
Ich muss closs auf seine Art Recht geben. Wird nämlich kein "geistiger Kern" einer Botschaft oder (sagen wir mal von einer Gebrauchsanweisung) erkannt, ist "geistige Schufterei" das Ergebnis. Das ist normalerweise vergebliche Liebesmühe, nur ein Ringen nach Durchblick, während von der anderen Seite aus mit "Ui's" in Einzelheiten erfreuliche Aspekte auftauchen.

Ein "religiöser" französischer Schriftsteller, dessen Namen ich nicht optisch in Erinnerung habe, nur akustisch irgendwas mit ..."üpperi" am Ende, beschrieb mal die Situation analog dieser Beschreibung: In einer dunklen Scheune tappten einige Leute. Eine riesige Säule steht da, meinte der Eine. Das meine ich auch, bestätigte ein anderer. Die ungeheure lange Schlage ist sicher gefährlich, feucht am Ende und bewegt sich, sagte der Dritte. Gefährliche Fetzen hängen in der Gegend, sie bewegen sich. Ein Ungeheuer mit rumorendem Ballon, wusste ein anderer zu sagen. Als die Türe sich auftat, stand ein Elefant im Licht.

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