Rembremerding hat geschrieben:Novalis hat geschrieben:Wir sind alle lernende Menschen unter lernenden Menschen. Recht gebe ich Dir damit, dass die orthodoxe Lehre (die richtige Einstellung und Denkweise) und Orthopraxie (die richtige Lebensweise) immer zusammengehören. Beides zusammen ist nach dem Verständnis der orthodoxen Christen der Pfad zur Erleuchtung und Erlösung.
Zum "nichts denken" in einem anderen Thread gibt es eine eigene christlich-orthodoxe Tradition, die sich Hesychasmus nennt, von gr. Hesychia, Ruhe. Es ist eine "Gedankenstille".
Hier gilt es physische Wahrnehmung völlig einzuschränken, weshalb es ursprünglich eine Übung der Wüstenväter war. Heute wird diese Gedankenstille z.B. beim "Floating" gefördert. Dabei handelt es sich um einen abgeschotteten Wassertank mit Salzwasser, auf dem Personen schweben können.
In der christlichen Tradition soll diese Entspannung und Meditation des Hesychasmus das "Taborlicht" (Mt 17:1-9) schauen. Das Licht wird im Innern tatsächlich wahrgenommen, nicht eingebildet. Diese Methode der Gedankenstille ist ebenso in Elementen in der jüdischen Merkaba-Mystik und im Platonismus anzutreffen. Bei ersterer ist eine bestimmte Körperhaltung einzunehmen, die in der Hl. Schrift in 1Kön 18:42 von Elia beschrieben wird. Die christliche Tradition hat dies übernommen, ebenso das rythmische Ein- und Ausatmen plus dem Ausrufen eines hl. Namens. Hier wird es zum sogenannten "Jesus-Gebet" samt besonderer Körperhaltung.
Die Hesychia-Praxis kennt drei Stufen:
- Reinigung (Demut, Sanftmut, Buße, Wunschüberwindung)
- Erleuchtung ("Taborlicht")
- Vergöttlichung (Hineinnahme des Individuums in die göttliche Beziehung der Dreifaltigkeit)
Nur die erste Stufe kann vom Menschen selbst angefangen werden. Hier wird das Jesusgebet gesprochen, also ein hl. Name Gottes. Das Gebet ist aber keine Visualisierung, es ist frei von Bildern, jedoch soll im Herzen seine Kraft wahrgenommen werden. Es ist eine "Verfrachtung des Denkens ins Herz".
Ähnliches gibt es im Sufismus: Dort nennt man es Dhikr und es werden die 99 Namen Allahs gesprochen, im Osten Mantras.
Servus
Damit sei Dir gedankt.
Unter deinem Mitgefühl suchen wir Zuflucht, Theotokos. Übersehe unsere Gebete nicht, sondern erlöse uns von der Gefahr, Du Reine und Gesegnete. ~ Ein Gebet an die Jungfrau Maria aus der orthodoxen Tradition
Simplyorthodox.tumblr.com
Rembremerding hat geschrieben:"Verfrachtung des Denkens ins Herz" ... und das verstehst du nicht, so wird alles unrein. Diese Unreinheit willst du anderen suggerieren. Jedoch: Christen sind erlöst vom Auferstandenen her!
Nur so kann das Christentum verstanden werden. „
Würde Gott in Bethlehem auch tausendfach geboren, und nicht einmal in dir selbst, du wärest immerdar verloren!“ (Angelus Silesius) Dionysius Areopagita, Meister Eckhart, Mechthild von Magdeburg, Theresa von Avila, Thérèse von Lisieux, Johannes von Kreuz und Jakob Böhme sprachen alle von der Gottesgeburt im Herzen des Menschen. Ähnlich ist es bei den jüdischen und islamischen Mystikern. Sie alle bezeugen die innere Gegenwart Gottes. „
Auch ohne Mittel kann Er kommen in das Herz“ sagte Meister Eckhart.
Ich zitiere aus dem Buch „
Islam und Christentum im Dialog“ (von Horst Georg Pöhlmann und Mehdi Razvi):
Pöhlmann: Gott kommt unvermittelt ins Herz. Die mystische Unmittelbarkeit ist in beiden Religionen anzutreffen.
Razvi: Mystik ist eine ganz persönliche, unmittelbare und unvermittelte Gotteserfahrung. Weil sie persönlich ist, ist sie sehr unterschiedlich. Fern von jedem äußerlichen Ritualismus geht es hier um eine individuelle Erfahrung Gottes, die in die Tiefe geht und nicht an der Oberfläche bleibt.
Pöhlmann: Der Mystiker taucht unter in die Tiefe Gottes und er lässt alle Flachheiten hinter sich, die unsere Welt beherrschen.
Razvi: Der Mystiker begibt sich auf einen mystischen Pfad. Dieser Pfad ist voller wunderbarer Erfahrungen, man erlebt Gott sehr fern und doch sehr nahe, physisch nahe. Als ich kürzlich sehr krank war und betete, war plötzlich Einer da, dem ich den Kopf in den Schoß legen konnte, und ich fühlte mich vollkommen geborgen. Mystik ist die höchste Stufe im Islam, wenn das Herz ergriffen wird von Gott. Dabei gibt es im Islam keinen Gegensatz zwischen Herz und Geist des Menschen. Das Herz ist ein geistiges Herz. Der Geist des Menschen ist nicht getrennt vom Herzen, sondern mit ihm identisch. Der Sitz des Verstandes ist nicht im Kopf, sondern im Herzen. Die mystische Gottes-Glut des Gottergriffenen lässt allen Rationalismus hinter sich. Religion ist Herzenssache.
Pöhlmann: Das gilt auch von der christlichen Mystik, etwa des Pietismus. Ich komme aus dem Pietismus und kenne diese spontane, ganz im Herzen verankerte Religiosität.
Razvi: Die Mystik verinnerlicht die Gottesbeziehung. Der mystische Weg ist der Weg nach innen.
Pöhlmann: Stemm Dich nicht gegen eine Tür, die nur nach innen aufgeht!
Razvi: So ist es.
Pöhlmann: Auch andere Wesensmerkmale der Mystik entdecken wir in beiden Religionen wie die Entwerdung. Der christliche Mystiker Heinrich Seuse redet genauso von der mystischen Entwerdung des Menschen, wie die islamischen Sufis Ansari, Ahmad Gazzali und Attar. Der Mensch gibt sich selbst auf, um in Gott unterzugehen wie der Wassertropfen im Meer, ein Vergleich, der nicht nur im Islam und Christentum, sondern in allen Religionen anzutreffen ist. Der Mensch gibt sich selbst auf, um in Gott aufzugehen, wie ein Tropfen im Meer. Es gibt eine mystische Grunderfahrung in allen Religionen.
Razvi: Wir sind in der Tat nur ein Wassertropfen, der im Meer Gottes verschwindet. Es gibt verschiedene Dimensionen im Islam, eine ist die monistische, ähnlich wie im Neuplatonismus. Der Mensch ist eins mit Gott, trennt sich von ihm und wird wieder eins mit Gott. Neben dem Tropfen-Meer-Gleichnis gibt es im Islam noch andere Gleichnisse, wie das Dattel- und Weintraubengleichnis. Solange die Dattel mit dem Baum verbunden ist, bleibt sie heil. Wenn sie herunterfällt vom Baum, stirbt sie. Solange die Weintraube am Weinstock hängt, lebt sie. Wenn sie von ihm abgetrennt wird, stirbt sie.
Pöhlmann: Ein Gleichnis, das auch die Bibel kennt. Jesus sagt: „Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun“ (Joh. 15,4f.)
Razvi: Rebe und Weinstock sind zwar eins, aber doch nicht dasselbe. Selbst in der höchsten mystischen Stufe bliebt der Mensch ein Anbeter Gottes. Er wird nicht gottgleich. Entwerden heißt: Ich sterbe der Welt und vereine mich wieder mit Gott. Gott und Mensch sind „unvermischt und ungetrennt“ wie es im Konzil von Chalzedon (451) heißt.
Pöhlmann: Der Mensch wird nicht Gott. Er ist mit Gott eins. Er ist nicht Gott gleich, aber mit Gott eins. So wie Liebende eins sind. Im Neuen Testament lesen wir: „Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“ (1. Joh. 4,16b) in beiden Religionen treffen wir auf eine Liebesmystik bis zum Ichaustausch zwischen Gott und mir. Der Sufi Ahmad Gazzali schreibt: „Der Geliebte sprach zum Liebenden: komm, werde ich“ Paulus äußert sich im Galaterbrief ganz ähnlich: „Ich lebe, doch nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20) Der Sufi Rumi schreibt: „In Gottes Gegenwart passen keine zwei Ich. Du sagst Ich und Er sagt Ich“
amazon.de: Islam und Christentum im Dialog
So schön kann ein Gespräch zwischen Christen und Muslimen hin und her gehen, wenn sie wirklich gemeinsam auf dem Weg sind und einander respektieren. Für alle die meinen, dass ein solcher Dialog nicht möglich ist: doch - und er findet schon lange statt. Wer sich dem verschließt, der verpasst sehr viel.