Rembremerding hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:
Zucker ist immer süß, auch wenn Zucker durch „süß“ nicht erschöpfend beschrieben ist und "süß" auch in anderen Zusammenhängen vorkommt als in Zucker.
Begeisterung ist immer ein Gefühl, auch wenn Begeisterung durch "Gefühl" nicht erschöpfend beschrieben ist und "Gefühl" auch in anderen Zusammenhängen vorkommt als in Begeisterung.
[…] Wenn man den Reiz von "süß" unentwegt nachgibt, dann kann daraus Diabetes werden. Es geht also auch darum 1. die Geister zu unterscheiden und 2. durch den Geist (versuchen) die Gefühle zu kontrollieren.
Im Großen und Ganzen scheinen wir da einer Meinung zu sein.
Nur ist für mich - vielleicht bin ich da jetzt auch zu beckmesserisch - "kontrollieren" nicht das Mittel meiner Wahl. Und ich unterscheide da auch keine Geister, weil ich das Geschehen im Menschen als ganzheitlich und an jeder beliebigen Ecke in seiner Funktionalität für das Ganze als notwendig sehe.
Ich nehme das so wahr, dass wir nur EINE Energie in uns haben. Wenn die Begeisterung lodert, dann lodert sie. Wir können ihr keine Befehle erteilen, können sie nicht kontrollieren. Jedenfalls ist das meine Erfahrung. In dem Moment, wo wir sie kontrollieren wollen, rächt sie sich und lodert noch mehr auf.
Für mich hat innerpsychisch alles seinen Sinn, seine Funktion. Wenn man bei der Leberwurst – oder Zahnpasta - an der einen Seite drückt, kommt es an der anderen Seite raus. Sprich: Wenn etwas zu sehr lodert, dann muss ich den Herd suchen, der meist nicht da ist, wo es lodert.
Ich muss also die Erwartungen und Ansprüche suchen, die ich wirklich hatte, ohne es zu merken, und dann deren Projektionscharakter durchschauen. Nicht bloß logisch erkennen, sondern wirklich erfassen, dass ich selber realisieren muss, was ich von anderen erwartet habe.
Wenn DAS gelingt, dann bricht quasi genau in dem Moment das Ungute an der Begeisterung zusammen. Man ist schlagartig frei davon.
Rembremerding hat geschrieben:
Du beschreibst hier treffend einen Weg der Gotteserfahrung. Man darf sich dann noch weitere Fragen stellen (ich bin ein Fragensteller wie der jüdische Jesus): Kommt das alles allein aus mir, wenn ich mit Freuden das Meer sehe?
Was ich blau getönt habe:
Hier gilt wieder, was ich öfter sage: Es ist eine Definitionsfrage, ob ich etwas als "aus mir kommend" oder als "nicht aus mir kommend" bezeichne.
Kürzlich las ich - möglicherweise habe ich es schon mal geschrieben - ein Interview mit einem modernen und noch lebenden Schriftsteller, dass er keine Ahnung habe, wieso, aber ab einem bestimmten Punkt des Schreibens habe er das Gefühl, er bekomme etwas diktiert.
Das deckt sich mit meiner Schreiberfahrung: ich habe dann das Gefühl, ich rubbele etwas frei; oder auch so, dass es diktiert wird.
Aber so kommt es einem VOR. Die Antwortmöglichkeiten:
- es sind Tiefenschichten, die einem beim konzentrierten Schreiben zugänglich werden und die zwischenmenschlich nicht so getrennt sind wie unsere "Bewusstseine",
- oder es ist "Gott", der einem etwas diktiert, oder gar Satan
sind von der Sache her in dem Sinne wohl nicht klärbar.
Aber ich freue mich, dass Du nachvollziehen kannst, was ich meinte.
Rembremerding hat geschrieben:
Wie kann man überhaupt "das Meer" lieben?
Ich vermute u.a. deshalb: Wir stammen selber aus dem Meer, wir haben ähnliche Temperamente und ein stürmisches Meer macht das Elementare in uns bewusst, seine scheinbare Uendlichkeit weckt Fernweh, was soviel heißt wie: weckt das Bedürfnis, selber etwas zu riskieren, das Vertraute hinter sich zu lassen und sich "der Fahrt" zu übergeben.
Aber eben auch, weil es NICHT wie der Mensch ist, sondern durch und durch wahr. „Es ist, wie es ist“, ohne Absicht, nur Selbstausdruck.
Rembremerding hat geschrieben:Und ist dies nicht fast dieselbe Frage: Wie kann man "Gott" lieben?
Wenn es wirklich fast dieselbe Frage wäre, dann wäre ich froh.
Dann könnte man von verschiedenen Seiten herangehen, und man kommt zu Ähnlichem oder gar fast Gleichem.
Worin Du übereinzustimmen scheinst:
dass dergleichen Wahrnehmung am Individuellen geschieht.
Es transzendiert das Individuelle, aber das Individuelle muss da sein, sonst geschieht kein Transzendieren.
Rembremerding hat geschrieben:Und: Was macht "das Fremde" in mir fremd? Und warum wird gerade dieses Fremde mir heilig? […]
Man kann nichts wirklich besitzen. Man meint, etwas besitzen zu können, und dann sieht man plötzlich, dass selbst der Mitmensch – das Vertrauteste, was wir haben -, ein Eigenes hat, mit dem er sich dem Zugriff entzieht.
Rembremerding hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Du schreibst das so, weil Du mich missverstanden hast. Das Meer, das ich liebe, lasse ich in mir ein, und ich gebe mich ihm hin. Ich erweitere meine Person um das Meer, ich bin dann endgültig nicht mehr nur meine Person.
Hier wieder.

Ich übersetze in christliche Mystik: Gott, den ich liebe, lasse ich in mir ein, und gebe mich ihm hin. Ich erweitere meine Person um die Person Gottes, ich bin dann endgültig nicht mehr nur meine Person.
Ein Unterschied zu deinen schönen Worten: das Meer bleibt unpersönlich, ich muss es selbst in meine Person integrieren. Bei Gott ist dies nicht möglich/nötig.
Was genau ist "bei Gott" nicht möglich oder nötig? Das habe ich jetzt nicht verstanden.
Rembremerding hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Liebe ich die Kultur Skandinaviens, aus irgendeinem Grund, den ich nicht genau kenne, dann erweitere ich mein Bewusstsein um diese Kultur, und auch mein Inneres. Aus diesem erweiterten Pool heraus handle ich dann, schaffe ich.
Ich begehre das dann nicht mehr, wenn es in mir ist.
Ich übersetze erneut in christliche Mystik: Liebe ich Gott, aus irgendeinem Grund, den ich nicht genau kenne, dann erweitere ich mein Bewusstsein um etwas unfassbar großes und damit mein Herz. Aus diesem der Liebe geöffneten Herz heraus handle ich dann, schaffe ich.
Ein Unterschied zu deinen schöne Worten: Eine Kultur ist unpersönlich, liebt nicht. Die Liebe, Gott, begehre ich aber immer, weil sie, weil er in mir ist. Die Liebe will sich verschenken und vermehrt sich dadurch.
Auch wenn mir diese Parallisierung zusagt, weil sie eventuell bestätigt, dass in sehr unterschiedlichen Menschen Ähnliches abläuft:
ich komme mit Deiner Abstraktion „Gott“ nicht klar.
Mir ist das zu allgemein, zu sehr „ich liebe alles und jedes“. Das ist so für mich nicht angehbar.
Mir geht es gerade darum, dass man jedes Einzelne in den Blick bekommt und lernt, wo seine Schönheit ist.