Philosophie des Geistes

Philosophisches zum Nachdenken
ThomasM
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#1 Philosophie des Geistes

Beitrag von ThomasM » Mi 21. Aug 2013, 22:25

Thema abgespalten aus: Beweise mir Gott!


Hallo Pluto
Pluto hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:Aber ob die Bldung der neuronalen Konfigurationen ausschließlich und alleine die Tatsache "ich fühle das und das" begründen, ist doch die nach wie vor große und offene Frage.
Mrir fällt kein einziger Neurowissenschaftler ein, der dir da zustimmen würde — so denken in der Regel nur noch Mystiker und einige wenige Philosophen.
Das ist nicht verwunderlich. Neurowissenschaftler müssen sich auf das messbare konzentrieren, was anderes können sie ja auch nicht. Und wie die Physiker zu Anfang sind sie optimistisch, durch ihre Methodik alles beschreiben zu können.
Und wie die Physiker werden sie herausfinden, dass die Beschreibungen nur bis zu einem gewissen Grad reichen und der Rest nur durch Statistik erfassbar ist. Es wird dieselbe Lücke bleiben, wie bei der Bechreibung der Natur.

Pluto hat geschrieben:
Man kann auch die Frage stellen, ob die neuronalen Konfigurationen die Ursache oder eine Begleiterscheinung von Gefühlen ist.
Mit Hilfe von transkranieller Magnetstimulation kann man Gedanken beeinflussen.
Eine gute Antwort.
Denn sie zeigt, dass naive Modelle des Geistes falsch sind.
Meine Meinung:
Das Gehirn ist zu großen Teilen einfach ein biochemischer Computer, das ist schließlich auch der Ursprung der Gehirnentwicklung und für viele Aufgaben des Gehirns braucht man keinen Geist. Aber in komplexen Gehirnen ist eine Komponente vorhanden, die nicht durch reaktive Algorithmen beschreibbar ist, deren Reaktionen keine Ursache zu haben scheinen und die "zufällig" zu keinen oder ganz massiven Auswirkungen führen.
Ich sehe in diesen Komponenten den Ursprung von Ideen, den genialen Funken, den Kontakt zu Gott usw. eben dem, was letztlich einen Menschen so besonders macht.
Ob die Zuordnung von Gefühlen als klassische Funktion des Geistes korrekt ist, bin ich mir nicht sicher. Es gibt gute Gründe, das zu bezweifeln, aber letztlich sind Gefühle zu komplex, um ein einfaches Erklärungsmuster zu akzeptieren.

Ein rein mechanistisches Bild des Gehirns hat bereits heute massiv negative Folgen. Es ist bereits die Diskussion um die Schuldfähigkeit von Menschen entbrannt.
Mit der mechanistischen Begründung wird argumentiert, dass der Mensch, der Verbrechen begeht, dafür ja nichts kann, sein Programm läuft einfach so ab, er hat gar keinen eigenen Einfluss. Da er nicht Schuld ist, darf er auch nicht bestraft werden.
Wenn man so argumentiert, sollte es auch völlig in Ordnung sein, defekte Gehirnprogramme abzuschalten. Das ist ja so, als würde man nur ein Programm auf dem PC abschiessen.

Ein solcher Weg wird die Folge sein, wenn der Glaube an das mechanische Gehirn sich durchsetzt.

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

closs
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#2 Re: Philosophie des Geistes

Beitrag von closs » Mi 21. Aug 2013, 22:50

ThomasM hat geschrieben:Ein rein mechanistisches Bild des Gehirns hat bereits heute massiv negative Folgen. Es ist bereits die Diskussion um die Schuldfähigkeit von Menschen entbrannt.
Da würde ich aus ganz anderen, nämlich spirituellen Gründen, ebenfalls an dem, was man im gesellschaftlichen Jargon als "Schuld" bezeichnet, zweifeln. - Das ist ein ganz anderes Thema - ich erwähne es, weil aus meiner Sicht die SChuldfrage nicht entschieden wird über mechanistisch oder nicht-mechanistisches Bild des Gehirns.

Pluto
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#3 Re: Philosophie des Geistes

Beitrag von Pluto » Do 22. Aug 2013, 01:32

ThomasM hat geschrieben:Ein rein mechanistisches Bild des Gehirns hat bereits heute massiv negative Folgen. Es ist bereits die Diskussion um die Schuldfähigkeit von Menschen entbrannt.
Mit der mechanistischen Begründung wird argumentiert, dass der Mensch, der Verbrechen begeht, dafür ja nichts kann, sein Programm läuft einfach so ab, er hat gar keinen eigenen Einfluss. Da er nicht Schuld ist, darf er auch nicht bestraft werden. Wenn man so argumentiert, sollte es auch völlig in Ordnung sein, defekte Gehirnprogramme abzuschalten. Das ist ja so, als würde man nur ein Programm auf dem PC abschiessen.

Ein solcher Weg wird die Folge sein, wenn der Glaube an das mechanische Gehirn sich durchsetzt.
Ich weiß... der Bremer Professor, Gerhard Roth....

Aber ich bin nicht so pessimistisch wie du.
Man kann auch andere Wege gehen, wenn man davon ausgeht, dass es so was wie Verantwortung und Rechenschaft gibt.

Kann es in einer kausalen Welt Menschen geben, die (in bestimmten Situationen) für ihre Handlungen moralisch verantwortlich sind?
Und, ist es sinnvoll oder zweckmäßig, bestimmte Menschen für ihre Handlungen verantwortlich zu machen?

Wenn wir jemanden für eine Handlung (bzw. deren Folgen) verantwortlich machen, dann sagen wir damit, dass diese Person eine Strafe verdient hat. Strafen können, wenn sie in einen entsprechenden gesetzlichen Rahmen eingebettet sind, abschreckend wirken, und so das Verhalten von Menschen in positiver Weise verändern. Also kann die Praxis des Strafens auch in einer deterministischen Welt (darum geht es in der Diskussion) sinnvoll sein und damit auch die Praxis der Zuschreibung moralischer Verantwortlichkeit.

Doch was hat das alles mit der Frage zu tun, ob moralische Verantwortlichkeit wirklich existiert, d.h. ob es Menschen gibt, die für ihre Handlungen tatsächlich verantwortlich sind? Leute die dafür bestraft werden dass sie die Regeln der Gesellschaft brechen, können vielleicht gar nicht anders handeln, aber wenn wir sie nicht dafür zur Rechenschaft ziehen, würden sie sich womöglich noch schlechter verhalten, als sie es unter Strafandrohung tun. Wenn es sinnvoll ist, Menschen als moralisch verantwortliche Personen zu behandeln, dann ist das ein hinreichend Beweis dafür, dass moralische Verantwortlichkeit wirklich existiert!

Dies ist ein ganz praxisbezogener Ansatz wo moralische Empörung fehl am Platz ist, wenn Menschen Regeln verletzen! Ist es moralisch vertretbar, Leute zu bestrafen die gar nicht anders können, als die Regeln der Gesellschaft zu brechen? Ja, denn wir Menschen haben das Recht uns mit dem Zweck zu vereinen, unsere Umweltbedingungen zu verbessern, in dem wir Regeln aufzustellen und diese dann auch durchsetzen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Lamarck
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#4 Re: Philosophie des Geistes

Beitrag von Lamarck » Fr 23. Aug 2013, 13:10

Hi ThomasM!

ThomasM hat geschrieben: Meine Meinung:
Das Gehirn ist zu großen Teilen einfach ein biochemischer Computer, das ist schließlich auch der Ursprung der Gehirnentwicklung und für viele Aufgaben des Gehirns braucht man keinen Geist.

Das Gehirn ist ein extremer Massenparallelrechner. 'Geist' wird gestellt durch hochentwickelte Gehirnfunktionen.




ThomasM hat geschrieben: Aber in komplexen Gehirnen ist eine Komponente vorhanden, die nicht durch reaktive Algorithmen beschreibbar ist, deren Reaktionen keine Ursache zu haben scheinen und die "zufällig" zu keinen oder ganz massiven Auswirkungen führen.

Die gesuchte Komponente nennt sich Boolesches NK-Zufallsnetzwerk.




ThomasM hat geschrieben: Ich sehe in diesen Komponenten den Ursprung von Ideen, den genialen Funken, den Kontakt zu Gott usw. eben dem, was letztlich einen Menschen so besonders macht.
Ob die Zuordnung von Gefühlen als klassische Funktion des Geistes korrekt ist, bin ich mir nicht sicher. Es gibt gute Gründe, das zu bezweifeln, aber letztlich sind Gefühle zu komplex, um ein einfaches Erklärungsmuster zu akzeptieren.

Ja, die einfachen Erklärungsmuster ... . :mrgreen:

'Gefühle' sind biologische Mechanismen, realisiert über die primitiveren Gehirnstrukturen; sie sind Vorbedingungen für 'Geist'.




ThomasM hat geschrieben: Ein rein mechanistisches Bild des Gehirns hat bereits heute massiv negative Folgen.

Du solltest Deine Gehirnwindungen etwas nachfetten. Das klingt ja wie 'die ET "hat bereits heute massiv negative Folgen", schaut nur Stalin an ... .'




ThomasM hat geschrieben: Es ist bereits die Diskussion um die Schuldfähigkeit von Menschen entbrannt.
Mit der mechanistischen Begründung wird argumentiert, dass der Mensch, der Verbrechen begeht, dafür ja nichts kann, sein Programm läuft einfach so ab, er hat gar keinen eigenen Einfluss. Da er nicht Schuld ist, darf er auch nicht bestraft werden.
Wenn man so argumentiert, sollte es auch völlig in Ordnung sein, defekte Gehirnprogramme abzuschalten. Das ist ja so, als würde man nur ein Programm auf dem PC abschiessen.

Da ist nichts entbrannt. Es gibt aber Menschen, die sind nicht so besonders fit in Logik. In dieser Frage wird nur gern mal der SEIN-SOLLEN-Fehlschluss getätigt. Aber löse doch mal Deinen obigen Zirkel auf - mit Deinem "völlig in Ordnung sein" moralisierst Du gleichwohl jenes, was Du zuvor in Form der These als unmoralisierbar kategorisiert hast. Das geht natürlich nicht. Vielmehr stellt sich so eben nicht die Frage, ob etwas als "in Ordnung" oder eben nicht zu bezeichnen ist, sondern nur, wie zwischen den Alternativen entschieden werden muss (Dieses 'müssen' ist der emergente Ursprung der Ethik).

Nebenbei: Interessant ist, dass auf diese Weise erklärbar wird, warum der Animismus als primitiveres Weltmodell evolutionär zweckdienlich ist ... .




ThomasM hat geschrieben: Ein solcher Weg wird die Folge sein, wenn der Glaube an das mechanische Gehirn sich durchsetzt.

Und auch das noch ... . Entweder, Du verstehst hier 'Glaube' im Sinne von Vermutung, dann ist 'durchsetzen' das falsche Wort - adäquat wäre dann 'bewähren'. Oder Du benutzt es im religiösen Sinne, dann verstehst Du hier 'Glaube' im Sinne von 'Hoffnung, die entsprechende Meinung ist richtig und damit wird Meinung zum Faktum' AKA 'Wunschdenken'. Letzteres macht allen 'Glauben' gleich und damit wertlos - da nicht neutral gesagt werden kann, was der moralischen Kategorie 'das Beste' (AKA 'das Gute') genügt ... .




Cheers,

Lamarck
„Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)

„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)

„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)

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#5 Re: Philosophie des Geistes

Beitrag von closs » Fr 23. Aug 2013, 13:54

Lamarck hat geschrieben: 'Geist' wird gestellt durch hochentwickelte Gehirnfunktionen.
Dar-gestellt !!

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#6 Re: Philosophie des Geistes

Beitrag von Pluto » Fr 23. Aug 2013, 15:34

closs hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: 'Geist' wird gestellt durch hochentwickelte Gehirnfunktionen.
Dar-gestellt !!
Warum bestehst du auf das "dar-"?

Glaubst du etwa an einen cartesianischen Dualismus? :shock:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#7 Re: Philosophie des Geistes

Beitrag von closs » Fr 23. Aug 2013, 16:50

Pluto hat geschrieben:Warum bestehst du auf das "dar-"?
Das ist der Unterschied, ob das Hirn primärer Erzeuger von Geist ist, oder Medium für Geist ist - bei über die Daseins-Notdurft hinausgehenden geistigen Dingen sollte man von letzterem ausgehen.

Natürlich gibt es auch primäre geistige Leistungen, die im Hirn erzeugt werden - und ich wüsste auch nicht, wo man da naturalistisch die Linie ziehen kann. - Theologisch wäre die Linie wahrscheinlich da, wo die Grenze zwischen Ebenbildlichkeit, also bewusste Gott-Erkenntnis-Fähigkeit, und Nicht-Ebenbildlichkeit (als "Verwaltung" der Daseins-Erfordernisse) zieht.

Pluto
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#8 Re: Philosophie des Geistes

Beitrag von Pluto » Fr 23. Aug 2013, 17:49

closs hat geschrieben:Natürlich gibt es auch primäre geistige Leistungen, die im Hirn erzeugt werden - und ich wüsste auch nicht, wo man da naturalistisch die Linie ziehen kann. - Theologisch wäre die Linie wahrscheinlich da, wo die Grenze zwischen Ebenbildlichkeit, also bewusste Gott-Erkenntnis-Fähigkeit, und Nicht-Ebenbildlichkeit (als "Verwaltung" der Daseins-Erfordernisse) zieht.
Darin sehe ich ein Dilemma.

Gehen wir davon aus, dass du Recht hast, und Bewusstsein ist das Geistige, also vom Körper unabhängige.
Nun verspürst du hunger, und sagst "Ich habe hunger."

Was genau ist denn dieses "Ich"?
Ist es körperlich oder geistig? Und wo ist sein Urpsrung? Kommt das "Ich" vom Köper oder vom Geist?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#9 Re: Philosophie des Geistes

Beitrag von closs » Fr 23. Aug 2013, 18:37

Pluto hat geschrieben: Kommt das "Ich" vom Köper oder vom Geist?
Vom Geist. Nach christlicher Ansicht ist die Identität des Menschen das, was man nach dem leiblichen Tod "Geistleib" nennt - der vor dem leiblichen Tod seine "Wohnstatt" im leiblichen Körper hat.

Pluto hat geschrieben:Was genau ist denn dieses "Ich"? Ist es körperlich oder geistig?
Während des Daseins-Lebens ist das Ich untrennbar mit dem Körper verbunden.

Wenn jemand Alzheimer hat, ist das Ich dementsprechend ausdrucks-behindert - aber es ist nicht als solches reduziert (es gibt tatsächlich Menschen, die meinen, körperlicher Verfall des Gehirns sei gleichzusetzen mit Verfall des Ichs an sich).

Pluto
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#10 Re: Philosophie des Geistes

Beitrag von Pluto » Fr 23. Aug 2013, 19:03

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was genau ist denn dieses "Ich"? Ist es körperlich oder geistig?
Während des Daseins-Lebens ist das Ich untrennbar mit dem Körper verbunden.
Und was geschieht deiner Meinung nach im Todesfall?

Wenn jemand Alzheimer hat, ist das Ich dementsprechend ausdrucks-behindert - aber es ist nicht als solches reduziert (es gibt tatsächlich Menschen, die meinen, körperlicher Verfall des Gehirns sei gleichzusetzen mit Verfall des Ichs an sich).
Das ist einfacher gesagt, als erklärt.
Wie ist es verbunden?
Wo befindet sich die Schnittstelle zum Körper?
Und wie kommuniziert es mit Körper und Geist?
Woher kommt die elektrische Energie, die es braucht um Neuronen zu aktivieren?


Und was geschieht im Fall von Phineas Gage und ähnlichen Fällen?

Übrigens, Prof. Antonio Damasio hat über seine Forschungen mit hirngeschädigten Pateinten ein Buch geschreiben; er nannte es Descartes Irrtum.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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