Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Philosophisches zum Nachdenken
Tree of life
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#161 Re: Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Beitrag von Tree of life » Mo 11. Nov 2019, 19:54

Andreas hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 18:37
Warum soll ich ständig für dich deine Hausaufgaben machen?
Das ist die Frucht des Geistes: Nächstenliebe :D

closs
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#162 Re: Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Beitrag von closs » Mo 11. Nov 2019, 20:10

lovetrail hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 17:27
Mir wäre es ja lieber diese Sache an Hand der leiblichen Auferstehung Jesu zu diskutieren.
Kann man - es ist prinzipiell dasselbe.
lovetrail hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 17:27
Als Gläubiger muss man sich von Anmaßungen weltlicher Wissenschaft freimachen.
Die Wissenschaft kann nichts dazu. -Sie hat ihr Modell und zieht es durch - egal, was hinten rauskommt. --- Das Problem ist, WELCHE Modelle wissenschaftlich bearbeitet dürfen - und da hat sich mehr oder weniger durchgesetzt, dass "unvernünftige" Modelle (bspw.: "Wie ist die Bibel zu verstehen, wenn Jesus historisch leiblich auferstanden ist?") nicht wissenschafts-fähig sind - aus meiner Sicht ein GAU für die Geisteswissenschaften/die Theologie.
Münek hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 18:07
Der Satz, den Sven mehrfach aus Theißens Buch "Der historische Jesus" zitierte, lautete:

"Jesus hat nicht mit dem Weiterbestehen der Welt für solange Zeit gerechnet."
Ich habe seine Aussage härter in Erinnerung - vielleicht kann es ja Sven noch mal bestätigen. --- Nichtsdestoweniger enthält auch diese Aussage die Unterstellung, dass etwas eingetreten ist, was Jesus nicht erwartet hat. - Methodisch kann das passieren, aber es muss nicht richtig sein.
Andreas hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 18:37
Selber schuld, wenn du gebrachte Zitate nicht überprüfst
Das geht doch praktisch gar nicht. - Wenn Du das Zitat "...." bringst und dazu (G.Müller. Weinbau im Mittelalter. Freiburg 1923. S.44) muss und will ich das glauben - alles andere wäre unredlich. - Wir sind hier nicht in der Uni.
Andreas hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 18:37
Theißen: "Wissenschaft sagt nicht: „So war es", sondern: „So könnte es aufgrund der Quellen gewesen sein.""
Richtig - auch ich habe mehrfach auf dieses Vorwort verwiesen, was nicht daran gehindert hat, HKM-Aussagen als "Faktum" darzustellen (einzig durch den Quellenvorbehalt relativiert). - Gerade die Theologin Thaddäus hat dies sehr deutlich gemacht - dem kann ich micht genauso wenig anschließen wie Du.
Andreas hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 18:37
War mit dem Text der Bibelkommission genau dasselbe, Zig mal riet ich dir, es doch mal selbst zu lesen.
Fang nicht schon wieder an zu spinnen, sonst ist gleich wieder Schluss.

1) Man muss nicht ein Buch gelesen haben, um daraus zitierte Aussagen im Feld grundsätzlicher exegetischen Fragen zu bewerten. - In diesem (und anderen Threads) geht es aber um diese grundlegenden Fragen - wie etwa: "Wie steht Wissenschaft zu Wirklichkeit?"/"Was ist und kann Wissenschaft und was nicht?"

2) Den Kommisssionstext habe ich sehr genau und mit jeder Zeile mit wachsendem Entzücken gelesen.  -- Allerdings habe ich dann erleben müssen, dass er derart anders zurecht-interpretiert wurde, als er gemeint war, dass er ein Rebellen-Text gegen die eigene RKK sein müsste, wenn man dem folgen würde. - Mit anderen Worten: Zitate nützen nichts, wenn die Hermeneutik deren Interpretation sonstwoher kommt.
Andreas hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 18:37
unter dem fadenscheinigen Vorwand ersteinmal anderen die Grundlagen erklären zu müssen, von denen du selbst aber keine Ahnung hast
Verwarnung 2: Hör auf zu spinnen. --- Von DEN Grundlagen, von denen ich spreche, verstehe ich recht viel - aber sie scheinen nicht zu interessieren, weil sie - meine Vermutung - irgendwie im Weg sind.
Andreas hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 18:37
Das ist halt dann ALLEIN dein ÜBERGRIFFIGER Glaubensentscheid. Du bist halt unbelehrbar, es nutzt nix, dir immer wieder dieselben Zitate unter die Nase zu reiben, weil du es eh immer besser weißt, als diejenigen selbst
Auch dies ein Phänomen in diesem Forum: Man bringt ein Zitat, das in sich richtig ist, aber nichts mit dem zu tun hat, wofür es verwendet wird. --- Konkret:

1) Das "Wissenschaft sagt nicht: 'So war es' " ist vollkommen richtig.
2) Aber das heißt doch nicht, dass sie irgendein flatterndes Ding sein will, dass nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben will. - Theißens Satz sagt viel mehr damit, dass Wissenschaft auf der Suche nach Wahrheit/was wirklich vor 2000 jahren der Fall war nicht als Allheilmittel überschätzt werden darf.
3) Und nochmals: Es gibt nur EINEN wirklichen Jesus, der vor 2000 Jahren gelebt hat. - Mir ist keine Disziplin bekannt, die sagt "Wir erfinden uns unseren virtuellen Jesus"
Andreas hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 18:37
Was weißt du denn vom wirklichen/ontischen Jesus? Nix.
Aber es gibt ihn und nur deshalb versucht man sich ihm anzunähern.
Andreas hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 18:37
WENN du das NT mit der Vorannahme liest, dass Jesus Mensch war, DANN: Gar nix. WENN du das NT mit der Vorannahme liest, dass Jesus auch göttlich war, DANN: Erst recht nix.
Es geht nicht anders. - Du kannst doch die Bibel-Texte nicht verstehend auslegen, wenn Du nicht den Rahmen defininierst, in dem Du es tust. - Erneut das Beispiel: "Ich bin die Wahrheit, der Weg und das Leben". --- Wenn das Jesus als einfacher Wanderprediger und sonst nichts sagt, gehört er in die Klapse - wenn er es als Stimme Gottes sagt, ist es wahr/kann es wahr sein. --- Historisch ist maximal, dass er das gesagt hat - aber was hat er damit gemeint? - Das erkennt man nur im Rahmen eines Vorverständnisses.
Andreas hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 18:37
 
Wer bestimmt das? Du? Ich? Theißen? Münek?
Irrelevant. --- Es geht hier darum, dass man sich lächerlich machen würde, würde man als historischer Forscher  meinen, dass mit dieser Forschung NICHT das gemeint ist, was damals der Fall war ("Wir machen nur den historischen Jesus - was er in Wirklichkeit war, ist sekundär"). - Dass das Ziel eines Volltreffers nicht leicht oder gar garnicht erreichbar ist, mag ja sein - aber die Wirklichkeit muss doch die Orientierungsgröße sein.

Dagegen einwenden könnte man: "Wir spielen verschiedene Modelle durch - wie wäre das NT zu verstehen, wenn es keine Göttlichkeit Jesu, keine leibliche Auferstehung, keine Wunder gäbe. - Kann man machen - aber das hat schnell den Anstrich: "Wie ist Dirk Novitzki zu verstehen, wenn man sich ihn nicht als Basketballer, sondern als Fußballer vorstellt?". - Soll es SO gemeint sein, wenn Du sagst, es gehe nicht um Wirklichkeit?
Andreas hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 18:37
Ich kenne keine einzige ontische Größe sensu closs.
Ersetze ontische Größe durch Wriklichkeit.
Andreas hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 18:37
Das ist halt alles nur sinnloses BlaBla sensu closs.
Gelb-rot.














 

closs
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#163 Re: Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Beitrag von closs » Mo 11. Nov 2019, 20:18

Thaddaeus hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 19:52
Doch, genau der wirkliche Jesus ist gemeint.
OK - da haben wir jetzt zwei Meinungen gegen einander. - Klärt das mal.
Thaddaeus hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 19:52
Clossens Postulierung eines angeblich "wirklichen" Jesus, der bestimmte Ansichten vertreten haben könnte ist dagegen ein Hirngespinnst (aber ganz sicher keine ontologische Tatsache).
Was ontologisch wahr ist, weiß keiner. - Die unlösbare Frage ist, welche unserer Vorverständnisse am nähesten dran ist.
Thaddaeus hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 19:52
Der rekonstruierte, historische Jesus ist der Jesus, den wir als den wirklichen Jesus annehmen müssen.
Das gilt aber nicht für geistige Fragestellungen. --- Alles in den Methodenschritten Ermittelbare ist bei der HKM bestens aufgehoben - aber nicht Apg. 8,30: "Verstehst Du eigentlich, was Du liest?". - Bei letzterem kann der verkündete Jesus näher an dem sein, was damals der Fall war.




 

Anton B.
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#164 Re: Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Beitrag von Anton B. » Mo 11. Nov 2019, 20:33

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 14:24
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 01:53
Ist es möglich, dass wir genau hier einen Blick auf den closs'schen Skeptizismus werfen durften?
Empfinde ich NICHT so. - Da scheint es ein Missverständnis zu geben. - Unter "Skeptizismus" verstehe ich bsp. folgendes:
Anton untersucht einen Stein, legt seine Messreihen vor - Closs erkennt sie nicht an, weil er "skeptizistisch" meint, dass Anton nicht nachweisen könne, ob der Stein Vorstellung oder Entität sei und Messung und Messreihe "eingebildet" sein könnten. - Solche radikal-skeptizistischen Dinge haben ihren Sinn in einem ganz anderen Kontext, aber nicht hier.

Hier geht es um etwas ganz anderes: "Was kann Wissenschaft und was kann sie nicht, wenn ihre Vorannahmen falsch sein könnten?" - Die Vorannahme hier ist, dass Vorannahmen nur anthropogen-vernünftig sein dürften, wolle man von Wissenschaft sprechen - noch mehr (zumindestens bei vielen Wissenschaftlern und Philosophen): Nur solche Vorannahmen seien erfolgsversprechend, wolle man herausfinden, was wirklich der Fall ist/war.
Ok. Wissen ist das, was vernünftig begründet werden kann. Das Wissen kann aber falsch sein, weil es "in Wirklichkeit anders der Fall ist". Weil wir aber die Ausprägung, was der Fall ist sensu closs" nicht wissen, kann genau das gerade wegen dem Nicht-Wissen möglich sein.

closs hat geschrieben:
So 10. Nov 2019, 23:52
Diese Annahme kann aber falsch sein (siehe "Irrtum Jesu"), weil die NICHT anthropogen-vernünftige Annahme, dass Jesus göttlich ist, historisach wahr sein könnte - was zu anderen logischen ERgebnissen/Interpretationen bei der Exegese führt. - Das hat nichts mit "Skeptizismus" zu tun.
Außerdem ist die vernünftige Begründung überhaupt an sich ein zweifelhafter Ansatz, da ja etwas "nicht-anthropogen-vernünftig" in der Wirklichkeit dessen, was sensu closs der Fall wahr ist, also im Sinne des closs wirklich wahr ist, aber nicht in der Untermenge der Vernunft, die menschlich ist.

Was kann der Mensch also wissen? "Wissen" im Sinne menschlicher vernünftiger Begründung kann er vieles, nur ist all dieses Wissen bei näherer Betrachtung "Glaube", weil closs argumentieren kann, alles sei (1) in Wirklichkeit anders und (2) wenn man wirklich richtig wissen, also vernünftig begründen wollte, dann müsste notwendigerweise zumindest die Vernunftmenge des über-anthropogen-vernünftigen mit einbezogen werden.

Aber weder können wir Menschen als Denkakteure vernünftig über-anthropogen-vernünftig begründen, noch gibst Du uns ein Werkzeug, mit dem wir Dein, was wirklich der Fall ist, erkennen können. Das, lieber closs, ist kein einfacher, guter und kritisch-konstruktiver Skeptizismus, das ist Skeptizismus um des blanken Zweifels willen. Ein Riesenpohei alleine zum Zweifeln.

Dann konstruieren die Ingenieure dieser Welt Anwendungen und Geräte mittels Glauben.

Und um den Spannungsbogen weiter zu dehnen, unterstellst Du der Wissenschaft dann noch Ansprüche die sie gar nicht vertritt. Und wenn sie es nicht tut, reicht es, wenn Wissenschaftler als Privatleute das tuen.

Befremdlich ist für mich insbesondere, wie irrelevant für Dich die von der Wissenschaft gegenüber ihrem eigenen Wissen erkannten und vertretenen Einschränkungen sind. Denn Dein Anliegen, so sagst Du ja immer, sei es den Menschen vor seiner eigenen Hybris zu schützen.

Für Wissen gilt:

  • Bestehendes Wissen kann widerlegt werden
  • Wissen rechtfertigt seinen Erfolg und seine Akzeptanz nicht durch seine Definition
  • Wissen bezieht sich auf Beobachtungen.
  • Wissen ist sich bewusst, an das menschliche Erkenntnisvermögen gebunden zu sein.

Aussagen über das, was in "Wirklichkeit der Fall ist" (sensu closs), werden nicht gemacht. Da müsste der closs eigentlich jubeln. Der closs aber sagt:

Wissen kann es als Aussagen geben, aber das ist bedeutungslos, weil es ja noch die Dimension der über-anthropogenen Vernunft gibt, die sozusagen als "flaw" der Wissensdefinition nicht berücksichtigt wird, deren Verwendung aber anderes Wissen ergäbe.

Denn, so sagt er weiter, ohne diese über-anthropogene Vernunft erkennen wir nicht zuverlässig, was in Wirklichkeit der Fall ist (sensu closs). Ja, wir können überhaupt die Wahrheit unseres Wissens hinsichtlich der echten Wirklichkeit, was tatsächlich der Fall ist, mit oder ohne Wildschweine (sensu closs), nicht erkennen.

Die vielfach geäußerte Kritik, closs solle doch die Möglichkeit des Erkennens seiner echten Wirklichkeit, was tatsächlich der Fall ist, mit oder ohne Wildschweine, aufzeigen hat er sich zu Herzen genommen: Man müsse eben nur über-anthropogen-vernünftige Begründungen, also aus Menschensicht nicht-vernünftige Begründungen, zulassen, dann klappe es auch mit der vernünftigen Begründung.

Also er könne sich solche Begründungen durchaus vorstellen. Aus dem Bonmot:

closs hat geschrieben:
So 10. Nov 2019, 23:52
Alles nicht anthropogen-vernünftig, aber gut begründbar (und unmaßgeblicherweise von mir problemlos vorstellbar - und dann können es andere auch) - aber historisch unter universal-vernünftigen Gesichtspunkten gut möglich.

Der Clossontognosie geht es nicht um die Behandlung, was der Mensch wissen (und was er nicht wissen kann), sondern um die Rechtfertigung, was er selber so gerade vertritt. Und da er das gründlich angeht, muss es schon eine Meta-Rechtfertigung sein. Der Denkerfürst muss dann nicht mehr in die Niederungen der fachlichen Diskussion steigen, er hat das Mittel zur allgemeinen Rechtfertigung seiner Vorstellungen gefunden.

Die Aufklärung, Hume und Kant waren einmal. Jetzt expediert uns die Clossontologie zurück in die Scholastik.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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Andreas
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#165 Re: Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Beitrag von Andreas » Mo 11. Nov 2019, 20:59

Thaddaeus hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 19:52
Doch, genau der wirkliche Jesus ist gemeint. Von dem wird lediglich der verkündigte Jesus unterschieden, der nicht der historische und d.h. wirkliche Jesus ist.
Historischer und "wirklicher" Jesus sind identisch. Der rekonstruierte, historische Jesus ist der Jesus, den wir als den wirklichen Jesus annehmen müssen.

Clossens Postulierung eines angeblich "wirklichen" Jesus, der bestimmte Ansichten vertreten haben könnte ist dagegen ein Hirngespinnst (aber ganz sicher keine ontologische Tatsache).

Sorry, das sehe ich nicht so. Das sind alles nur Hirngespinnste, der einzige Unterschied ist, dass manche davon vernünftig begründet, andere eher emotional begründet, und manche gar nicht begründet sind. Hirngespinnste halte ich auch für nichts Verwerfliches. Alle diese drei Sorten kenn ich aus meinem Alltag an mir und allen anderen nur zu gut. So, und mal so, und auch mal so tickt der Mensch halt dann und wann.

Sorry - niemand muss irgendeinen Jesus als den wirklichen Jesus annehmen, weder den kerygmatischen und auch nicht den rekonstruierten, historischen Jesus, von dem ja nun hinlänglich bekannt ist, dass dieser alle Nase lang ein anderer ist. Die Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, die nicht nur Theißen ausführlich dargestellt hat, ist ja der Ausdruck gerade dafür, dass das, was vorgestern als der wirkliche Jesus erschien, gestern nicht mehr der wirkliche Jesus war und heute auch nicht der wirkliche Jesus ist. Das kommt auch in dem immer wieder gerne Zitierten Vorwort klar zum Ausdruck, wo halt auch nicht von ungefähr von Irrungen die Rede ist. Wer so etwas schreibt, weiß, dass er dem wirklichen Jesus nie gerecht werden kann.

Theißen, Gerd; Merz, Annette: Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 1996. S. 5f. hat geschrieben:
Wissenschaft sagt nicht: „So war es", sondern: „So könnte es aufgrund der Quellen gewesen sein." Deshalb besprechen wir alle relevanten Quellen - nicht nur die kanonischen, sondern auch die apokryphen Evangelien, nicht nur christliche, sondern auch nicht-christliche Texte, die Jesus erwähnen. Auch sonst wird immer die Textbasis vorgestellt, die den Schlußfolgerungen und Überlegungen zugrunde liegt.

Wissenschaft sagt nie: „So ist es", sondern nur: „So stellt es sich uns auf dem Stand der Forschung dar." Und das heißt im Klartext: „auf dem Stand unseres derzeitigen Wissens und Irrens." Wir geben deshalb zu jedem wichtigen Thema einen kurzen Forschungsüberblick. Die klassischen Positionen, die in Variationen immer wiederkehren, werden knapp referiert. Das soll auch dazu helfen, die in diesem Buch vertretenen Entscheidungen einordnen, bewerten und relativieren zu können.

Wissenschaft sagt nicht: „Das ist unser Ergebnis", sondern: „Das ist unser Ergebnis aufgrund bestimmter Methoden" Der Weg, auf dem sie zu ihrem Ziel gelangt, ist ihr genauso wichtig wie das Ziel - oft sogar noch wichtiger. Denn der Weg kann richtig sein, auch wenn sich das Ziel als Zwischenstation erweist, die man wieder verlassen muß. Es finden sich daher in diesem Buch oft methodische und hermeneutische Überlegungen. Angesichts der Skepsis, ob man überhaupt etwas vom historischen Jesus weiß, ist das angebracht. Ein ganzer Paragraph (§ 4) beschäftigt sich mit dieser Frage.

Wissenschaft weiß schließlich, daß ihre Resultate vergänglicher sind als die Probleme, auf die sie eine Antwort zu geben versucht. Das gilt auch für die Jesusforschung. Trotz der ungeheuren Fülle von Meinungen und Positionen kehren einige Grundprobleme immer wieder. Sie bilden Konstanten. Daher ist unsere Darstellung problemorientiert. Schon aus Gründen der Durchsichtigkeit und Klarheit sagen wir aber jeweils, wo - auf dem Stand unseres Wissens und Irrens - die Lösungen liegen könnten.

Weil Wissenschaft nicht einfach von der Wirklichkeit „erzählen" kann, sondern über Quellen, Forschungslagen, Methoden und Probleme reflektiert, ist sie ein kompliziertes Geschäft. Wir sehen darin eine Herausforderung für die Wissenschaftsdidaktik. Unser Buch möchte differenziertes Problemwissen so klar wie möglich vermitteln und auch etwas von der Freude, die es macht, innerhalb des Wissenschaftsprozesses an der Suche nach Wahrheit und der Korrektur unserer Irrtümer teilzunehmen.
Nun hat Theißen ja sein Theologiestudium nicht wie du verständlicherweise nach der ersten Dogmatikvorlesung abgebrochen, sondern hat das tapfer durchgezogen und auch nicht seinen (welchen auch immer) Glauben verloren, wurde Pastor und in seinem Herzen hat er sich vermutlich auch einen Glauben an den kerygmatischen Jesus bewahrt. Irgendetwas verkündigt er schließlich in seinen Gottesdiensten. Da wird er schon etwas über Gott und den Auferstandenen Jesus zu erzählen haben, nehme ich an. Predigten von Theißen lassen sich leicht im Web finden, falls es jemanden tatsächlich interessieren sollte. Du unterstellst jetzt zumindest indirekt, dass Theißen im Gottesdienst nicht den wirklichen Jesus verkündigen würde, sondern ein wenig unredlich oder irgendwie ein wenig schizo den Auferstandenen. Vielleicht habe ich dich da aber auch falsch verstanden.

Den wirklichen Jesus kenn ich leider oder vielleicht auch zum Glück nicht. Ich hielte es auch nicht für ausgeschlossen, maßlos enttäuscht vom wirklichen Jesus sein zu können, würde ich ihn so kennenlernen, wie er über die Hügel von Galiläa wanderte. Zumindest hätten wir ein akutes Sprachproblem und keinen Dolmetscher weit und breit zur Verfügung.

Thaddaeus hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 19:52
Die bloße Möglichkeit nun, User Andreas könnte auch die exakt gegenteilige Ansicht vertreten haben (zu dem, was er tatsächlich gepostet hat), besteht zwar, ist aber extrem unwahrscheinlich.
Na da schau dir mal die Rezeptionen hier im Forum über mich an. Da ist alles dabei, vom authentischen Vorzeigechristen bis zum vom Satan höchst persönlich besessenen Antichrist, weil er eine Lanze für die historische Theologie bricht. Dabei scheint gerade letzteren nicht aufzufallen, dass meine Bibelinterpretationen gar nicht so historisch-kritisch ausfallen, wie sie bei einem HKM-Jünger zu erwarten wären. Aber okay, die sind dann halt anders aber auf jeden Fall satanisch inspiriert.
Thaddaeus hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 19:52
Die bloße Möglichkeit des Bestehens eines Sachverhaltes ist eben nicht gleichzusetzen mit dem tatsächlichen Bestehen dieses Sachverhaltes.
Das beruhigt, den in dieser Hinsicht eher unaufgeregten Andreas dann doch wieder.
Thaddaeus hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 19:52
Diese spezielle Ansicht betreffend, kann die Haltung des Users Andreas recht gut rekonstruiert werden und sie fällt zusammen mit der Ansicht des wirklichen Andreas.
Mag ja so sein. Doch das ändert nichts daran, dass du Theißens Vorwort offensichtlich ganz anders interpretierst als ich. Und nu? Mal sehen ob wir da noch auf einen gemeinsamen Nenner kommen können.

Anton B.
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#166 Re: Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Beitrag von Anton B. » Mo 11. Nov 2019, 21:16

Thaddaeus hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 19:52
Der rekonstruierte, historische Jesus ist der Jesus, den wir als den wirklichen Jesus annehmen müssen.

Clossens Postulierung eines angeblich "wirklichen" Jesus, der bestimmte Ansichten vertreten haben könnte ist dagegen ein Hirngespinnst (aber ganz sicher keine ontologische Tatsache).

Nehmen wir dich, den User Andreas.
Man kann versuchen die Meinungen, Gedanken und Vorstellungen des Users Andreas aus den Posts, die er gepostet hat und bestimmten Angaben, die er bei der Anmeldung in diesem Forum gemacht hat, zu rekonstruieren. Heraus käme ein bestimmtes Profil des Users Andreas, das mehr oder weniger mit dem übereinstimmt, was zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich der Fall ist.
Mal blöde -- aber ganz ehrlich nicht hinterfotzig -- gefragt: Wie stellen wir die Übereinstimmung zwischen dem rekonstruierten Profil "Andreas" und dem Andreas, der tatsächlich der Fall ist, denn fest?
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

closs
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#167 Re: Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Beitrag von closs » Mo 11. Nov 2019, 21:19

Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:33
Wissen ist das, was vernünftig begründet werden kann. Das Wissen kann aber falsch sein, weil es "in Wirklichkeit anders der Fall ist".
Ja. - Siehe Beispiele (zu denen man andere hinzufügen könnte).
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:33
Außerdem ist die vernünftige Begründung überhaupt an sich ein zweifelhafter Ansatz, da ja etwas "nicht-anthropogen-vernünftig" in der Wirklichkeit dessen, was sensu closs der Fall wahr ist, also im Sinne des closs wirklich wahr ist, aber nicht in der Untermenge der Vernunft, die menschlich ist
So KANN es sein - in den meisten alltäglichen Dingen überlappt sich jedoch beides (man wird bei einem Brückenbau oder beim Erstellen der Straßenverkehrsordnung keine "andere Vernunft" brauchen. ---- Ich wage jetzt mal eine Analogie aus der MAthematik/NAturwissenshaft: Die euklidische Geometrie reicht in den meisten Fällen aus - in Grenzbereichen jedoch gilt die relativistische Geometrie - da kannst Du mit euklidischer Geometrie nichts mehr anfangen. --- Transfer: Die andere Vernunft, die ich jetzt "göttliche Vernunft" nenne, kann in Bereichen stattfinden, die für die menschliche Vernunft nicht mehr erreichbar ist - so wie man mit Euklid nicht Einstein erklären kann. (Das soll ein Verständnisbild sein - bitte keine Diskussion zur RT).
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:33
Was kann der Mensch also wissen?
Alles, was er systemisch eingrenzt: "Ich WEISS, dass sich Jesus irrte, WENN das Vorverständnis der HKM richtig ist UND man deren methodischen Ergebnisse als wirklichkeits-relevant setzt.
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:33
nur ist all dieses Wissen bei näherer Betrachtung "Glaube"
Es BASIERT auf Glaube, heißt aber systemisch "Wissen".
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:33
weil closs argumentieren kann, alles sei (1) in Wirklichkeit anders
Tut der Closs nicht. - Er sagt, dass es anders sein KANN.
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:33
(2) wenn man wirklich richtig wissen, also vernünftig begründen wollte, dann müsste notwendigerweise zumindest die Vernunftmenge des über-anthropogen-vernünftigen mit einbezogen werden.
Was prinzipiell nicht geht - genauso wenig, wie man "vorher" erkennen kann, wie man erkannt ist (vgl. 1. Kor. 13,12).
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:33
Aber weder können wir Menschen als Denkakteure vernünftig über-anthropogen-vernünftig begründen, noch gibst Du uns ein Werkzeug, mit dem wir Dein, was wirklich der Fall ist, erkennen können.
Natürlich können wir als Anthropogen-Vernünftige nicht über-anthropogen-vernünftig argumentieren - aber wir können erkennen, dass es das Über-Anthropogene gibt (dieses Erkennen würde ich Aufklärung nennen). - Aus meiner Sicht ist diese Erkenntnis eine Befreiung vom Anthropozentrischen ins Universale.
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:33
Das, lieber closs, ist kein einfacher, guter und kritisch-konstruktiver Skeptizismus, das ist Skeptizismus um des blanken Zweifels willen.
Wieso "Zweifel"? - Wenn ich mich de-anthropozentriere, ist das doch ein Fortschritt. - Wo steht geschrieben, dass menschliche Vernunft das Maß für das sei, was der Fall sein darf? ---- Im übrigen: Im Alltag haben wir doch genug Zweifelfreies (der Brückenbau, eine Gesetzgebung) - "it works". - Wir reden NICHT davon, dass der Mensch morgens auf die Straße geht und zweifelt, ob es die Straße, auf der er geht, gibt. (Das ist eine ganz andere Baustelle) - -- Wir reden davon, dass es eine Öffnung aus der menschlichen Begrenztheit nach oben gibt (erneut: Die ganze Thematik gilt der Geisteswissenschaft ---- Naturwissenschaft sollten wir hier außen vor lassen).
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:33
Dann konstruieren die Ingenieure dieser Welt Anwendungen und Geräte mittels Glauben.
Eben nicht - guckst Du "Analogie Euklid-Einstein".
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:33
Für Wissen gilt:
 
  • Bestehendes Wissen kann widerlegt werden

  • Wissen rechtfertigt seinen Erfolg und seine Akzeptanz nicht durch seine Definition

  • Wissen bezieht sich auf Beobachtungen.

  • Wissen ist sich bewusst, an das menschliche Erkenntnisvermögen gebunden zu sein.

Wir kommen auf eine falsche Schiene. - Der Hintergrund dieser Diskussion ist die Geisteswissenschaft. - Wie ich wirklich oft betont habe, ist die Naturwissenschaft, die ihre Modellergebnisse experimentell überprüfen kann, in diesem Kontext tabu.
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:33
Der closs aber sagt:

Wissen kann es als Aussagen geben, aber das ist bedeutungslos, weil es ja noch die Dimension der über-anthropogenen Vernunft gibt, die sozusagen als "flaw" der Wissensdefinition nicht berücksichtigt wird, deren Verwendung aber anderes Wissen ergäbe.
Nein - das sagt er NICHT. - Er sagt: Methodisches "Wissen" darf als ontisch bezeichnet werden, wenn es experimentell bestätigt ist (die Sache mit positiven und negativen Aussagen lassen wir hier mal weg). - In den Geisteswissenschaften gibt es das aber meistens nicht.
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:33
Die Aufklärung, Hume und Kant waren einmal. Jetzt expediert uns die Clossontologie zurück in die Scholastik.
Für die Naturwissenschaften war und ist die traditionelle Aufklärung die conditio sine qua non. Dadurch wurden und werden die Naturwissenschaften immer besser. ----- Diesen Mechanismus gibt es in den Geisteswissenschaften NICHT - dort bedeutet Weiterschreiten in der Zeit nicht notwendigerweise qualitativer Fortschritt (sogar das Gegenteil kann der Fall sein). - Vielleicht sollte dies mal erwähnt sein.

Was Aufklärung und Scholastik angeht: Es wäre zu prüfen, welche Bereiche der Aufklärung sich wie entwickelt haben - und da kann es in der Tat sein, dass in spirituellen Dingen die Scholastik weiter ist als die Aufklärung. - Um dies zu klären, bräuchten wir ECHTE Profis an Bord.





















 

Anton B.
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#168 Re: Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Beitrag von Anton B. » Mo 11. Nov 2019, 22:47

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 21:19
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:33
Wissen ist das, was vernünftig begründet werden kann. Das Wissen kann aber falsch sein, weil es "in Wirklichkeit anders der Fall ist".
Ja. - Siehe Beispiele (zu denen man andere hinzufügen könnte).
Ich kenne keine Beispiele. Was Du bringst, sind Konstruktionen, wie Du Dir vorstellst, wie so ein Beweis unter bestimmten willkürlichen Annahmen aussehen könnte.

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 21:19
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:33
Was kann der Mensch also wissen?
Alles, was er systemisch eingrenzt: "Ich WEISS, dass sich Jesus irrte, WENN das Vorverständnis der HKM richtig ist UND man deren methodischen Ergebnisse als wirklichkeits-relevant setzt.
Welches Vorverständnis: Das, was sich mehr oder weniger potentiell falsch aus der vernünftigen Begründung ergibt? Weil die vernünftige Begründung durch Menschen eine wesentliche Vernunftsdimension nicht berücksichtigt? Oder Vorverständnisse, die als Wissen mittels einfacher menschlicher Vernunft begründet werden und selbstverständlich jederzeit durch neue Erkenntnisse in Frage gestellt werden können?

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 21:19
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:33
nur ist all dieses Wissen bei näherer Betrachtung "Glaube"
Es BASIERT auf Glaube, heißt aber systemisch "Wissen".
Sicher doch. Wissen ist eine Unterkategorie von Glauben.

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 21:19
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:33
Aber weder können wir Menschen als Denkakteure vernünftig über-anthropogen-vernünftig begründen, noch gibst Du uns ein Werkzeug, mit dem wir Dein, was wirklich der Fall ist, erkennen können.
Natürlich können wir als Anthropogen-Vernünftige nicht über-anthropogen-vernünftig argumentieren - aber wir können erkennen, dass es das Über-Anthropogene gibt (dieses Erkennen würde ich Aufklärung nennen). - Aus meiner Sicht ist diese Erkenntnis eine Befreiung vom Anthropozentrischen ins Universale..
Der Appell der Aufklärung, als Mensch selber vernünftig zu denken, zieht doch ganz unmittelbar die Frage nach sich, wie diese Vernunft abgegrenzt werden kann. Also auch die Frage nach dem "Außer-Vernünftigen". Und entschuldige mal, die Aufklärer richten sich nun mal an den Menschen, und nicht an die Drossel, einen Gott oder einen Alien vom Aldebaran. Und was Kant ausgetüftelt hat, ist doch der Vernunftbegriff der Moderne.

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 21:19
Wieso "Zweifel"? - Wenn ich mich de-anthropozentriere, ist das doch ein Fortschritt.
Wenn ich mich in ein Wolkenkuckuksheim mit vielen Offerten, aber keinen gelieferten Leistungen hinein "de-anthropozentriere", nenne ich das nicht Fortschritt. Fortschritt ist für mich doch eher, wenn ich dem Wolkenkuckuksheim adè sage, und mir dann der Beschränktheit meines Wissens bewusst bin.

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 21:19
Wo steht geschrieben, dass menschliche Vernunft das Maß für das sei, was der Fall sein darf?
Nirgendwo. Warum auch. Aber "was der Fall sein darf" beinhaltet für den Fallwächter closs wohl auch, was vernünftig begründet als zeitgenössisches wissenschaftliches Wissen verteten wird.

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 21:19
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:33
Dann konstruieren die Ingenieure dieser Welt Anwendungen und Geräte mittels Glauben.
Eben nicht - guckst Du "Analogie Euklid-Einstein".
Dann eben nicht mit Glauben, sondern "auf Glauben BASIERENDEM , systemisch Wissen gennanter Erkenntnis." Besser so?

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 21:19
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:33
Der closs aber sagt:

Wissen kann es als Aussagen geben, aber das ist bedeutungslos, weil es ja noch die Dimension der über-anthropogenen Vernunft gibt, die sozusagen als "flaw" der Wissensdefinition nicht berücksichtigt wird, deren Verwendung aber anderes Wissen ergäbe.
Nein - das sagt er NICHT. - Er sagt: Methodisches "Wissen" darf als ontisch bezeichnet werden, wenn es experimentell bestätigt ist (die Sache mit positiven und negativen Aussagen lassen wir hier mal weg).
Was heißt "experimentell bestätigt"? Und was. wenn auf einmal die experimentelle Bestätigung zur experimentellen Widerlegung wird? War es dann einstmals ontisch, so wie einstmals Wissen, aber jetzt haben wir neues Wissen und auch ein neues "Ontisch"?

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 21:19
Was Aufklärung und Scholastik angeht: Es wäre zu prüfen, welche Bereiche der Aufklärung sich wie entwickelt haben - und da kann es in der Tat sein, dass in spirituellen Dingen die Scholastik weiter ist als die Aufklärung. - Um dies zu klären, bräuchten wir ECHTE Profis an Bord.
Hmm. Findet denn diese ausgesprochen interessante Fragestellung so gar keinen Widerhall in den entsprechenden Philosophie-Kompendien und Lexika?
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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Andreas
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#169 Re: Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Beitrag von Andreas » Mo 11. Nov 2019, 22:57

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:10
Auch dies ein Phänomen in diesem Forum: Man bringt ein Zitat, das in sich richtig ist, aber nichts mit dem zu tun hat, wofür es verwendet wird. --- Konkret:

1) Das "Wissenschaft sagt nicht: 'So war es' " ist vollkommen richtig.
2) Aber das heißt doch nicht, dass sie irgendein flatterndes Ding sein will, dass nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben will.
Will natürlich kein so flatterhaftes Ding sein - IST es aber. Lies das Buch, denn darin wird diese tatsächliche Flatterhaftigkeit der Leben-Jesu-Forschung in ihrer eigenen Geschichte lebhaft von Theißen vor Augen geführt. So IST Wissenschaft nunmal - und das ist gut so!

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:10
- Theißens Satz sagt viel mehr damit, dass Wissenschaft auf der Suche nach Wahrheit/was wirklich vor 2000 jahren der Fall war nicht als Allheilmittel überschätzt werden darf.
Genau. Du aber verbreitest hier immer wieder die Ansicht, dass sich Wissenschaft slebst so verstehen würde - was sie ja gar nicht tut, denn sie sieht sich selbst nicht als Verkünderin der """wirklichen""", """ontologischen""" Wirklichkeit sensu closs. Von sensu closs hat doch in der Wissenschaft keiner je etwas gehört.

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:10
3) Und nochmals: Es gibt nur EINEN wirklichen Jesus, der vor 2000 Jahren gelebt hat. - Mir ist keine Disziplin bekannt, die sagt "Wir erfinden uns unseren virtuellen Jesus"
Echt jetzt? Wie wärs's mit dem NT?
Mk 8,27-28 hat geschrieben:Und Jesus und seine Jünger zogen weg in die Dörfer bei Cäsarea Philippi. Unterwegs fragte er seine Jünger: Für wen halten mich die Leute?
Sie sagten zu ihm: Für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für einen der Propheten.
Christologie? Konzilsbeschlüsse? Hypostasen? Katechetik? Systematische Theologie und Dogmatik? Wenn der nachösterliche, von den Toten auferstandene trinitarische Christus nicht unser virtueller Jesus ist, was bitte wäre denn dann sonst unter einem virtuellen Jesus zu verstehen?

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:10
Andreas hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 18:37
Was weißt du denn vom wirklichen/ontischen Jesus? Nix.
Aber es gibt ihn und nur deshalb versucht man sich ihm anzunähern.
Wenn du nix von ihm weißt, dann näherst du dich ihm auch nicht an.

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:10
Andreas hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 18:37
WENN du das NT mit der Vorannahme liest, dass Jesus Mensch war, DANN: Gar nix. WENN du das NT mit der Vorannahme liest, dass Jesus auch göttlich war, DANN: Erst recht nix.
Es geht nicht anders.
Es geht vor allem gar nicht - denn dein wirklich/ontischer Jesus ist der virtuellste Jesus von allen Jesussen.

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:10
- Du kannst doch die Bibel-Texte nicht verstehend auslegen, wenn Du nicht den Rahmen defininierst, in dem Du es tust.
Genau. Theißen macht das am Anfang sehr dezidiert.

- Erneut das Beispiel: "Ich bin die Wahrheit, der Weg und das Leben". --- Wenn das Jesus als einfacher Wanderprediger und sonst nichts sagt, gehört er in die Klapse
Na, na, na! Wieso das denn? Ich könnte das von mir auch behaupten und das wäre eine wahre Aussage. Das "Ich bin" ist wahr, ich bin als Andreas mindestens die Wahrheit des Andreas, und leben tue ich - noch. Im Grunde ist es nichts anderes als dein ach so geliebtes "Cogito e(r)go sum" auf Umständlich.

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:10
- wenn er es als Stimme Gottes sagt, ist es wahr/kann es wahr sein.
... oder auch nicht wahr sein. Wenn ich dich jetzt frage ob es Gott gibt, sagst du wie immer: "Das weiß ich nicht." Was willst du denn dann in der Bibel wirklich/ontisches sensu closs verstehen - und dann noch top-down aus der Sicht Gottes? Wieviele Augen hat den Gott? Eines, zwei, drei und durch welches darfst du denn da einen blick auf uns herab werfen?

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:10
--- Historisch ist maximal, dass er das gesagt hat
Woher willst du das wissen?

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:10
- aber was hat er damit gemeint?
Wer jetzt? Jesus oder Johannes?

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:10
- Das erkennt man nur im Rahmen eines Vorverständnisses.
Da gebe ich dir recht, sofern das Vorvorverständis, des Vorverständnisses geklärt ist. Dazu müsste man das Vorvorvorverständnis des Vorvorverständnisses zunächst mal klären usw. bis man bei der ersten Wahrnehmung gelandet ist - aber o weh! - das, was der Fall wäre, wäre unabhängig von der Wahrnehmung. Und nu?

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:10
Irrelevant. --- Es geht hier darum, dass man sich lächerlich machen würde, würde man als historischer Forscher  meinen, dass mit dieser Forschung NICHT das gemeint ist, was damals der Fall war ("Wir machen nur den historischen Jesus - was er in Wirklichkeit war, ist sekundär"). - Dass das Ziel eines Volltreffers nicht leicht oder gar garnicht erreichbar ist, mag ja sein - aber die Wirklichkeit muss doch die Orientierungsgröße sein.
Leg mir die Wirklichkeit auf den Tisch - dann reden wir weiter.

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:10
Dagegen einwenden könnte man: "Wir spielen verschiedene Modelle durch - wie wäre das NT zu verstehen, wenn es keine Göttlichkeit Jesu, keine leibliche Auferstehung, keine Wunder gäbe. - Kann man machen - aber das hat schnell den Anstrich: "Wie ist Dirk Novitzki zu verstehen, wenn man sich ihn nicht als Basketballer, sondern als Fußballer vorstellt?". - Soll es SO gemeint sein, wenn Du sagst, es gehe nicht um Wirklichkeit?
Nö.

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:10
Ersetze ontische Größe durch Wriklichkeit.
Ich kenne keine Wirklichkeit sensu closs. Besser?

closs hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 20:10
Gelb-rot.
Ich hätte da zum Tausch ein Chicheringrün-orgasmusviotett - WENN du endlich mal diese vielen Leerzeilen am Ende deiner Beiträge sein lassen könntest. Du hast dir da ein

Code: Alles auswählen

[/quote]
nach ein paar Leerzeilen eingeschleppt, welches sich außerhalb deiner Wahrnehmung befindet, und das schleppst du seit Tagen mit dir in jedem Beitrag mir dir rum. Wenn du es mir nicht glaubst kurble mal nach oben und sieh dir das Ende deiner letzten Beiträge an.

closs
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#170 Re: Aus der Werkstatt des Philosophen - Widerlegung des closs'schen Skeptizismus

Beitrag von closs » Mo 11. Nov 2019, 23:10

Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 22:47
Welches Vorverständnis
Eines, das wahr sein könnte. - Es kann wahr sein, dass Jesus nur Mensch war - es kann wahr sein, dass Jesus auch göttlich war. - Je nach dem, welches man wählt, kommt ein anderes "Wissen" raus.
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 22:47
Wissen ist eine Unterkategorie von Glauben.
Würde ich anders sagen: Wissen ist das, was innerhalb eines Wahrnehmungs-Systems eine richtige Aussage ist. --- In der HKM kann folglich "Wissen" sein, dass Jesus irrte - in eine anderen Exegese kann "Wissen" sein, dass Jesus NICHT irrte.
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 22:47
Der Appell der Aufklärung, als Mensch selber vernünftig zu denken, zieht doch ganz unmittelbar die Frage nach sich, wie diese Vernunft abgegrenzt werden kann.
Das ist bereits 2.0 - da sind die meisten schon ausgestiegen - aber ich stimme Dir zu.
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 22:47
Und was Kant ausgetüftelt hat, ist doch der Vernunftbegriff der Moderne.
Klar - weil er operativ höchst produktiv ist. - Mit Kant und Popper kann man so ziemlich alles stemmen,was heute gefragt ist.
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 22:47
Fortschritt ist für mich doch eher, wenn ich dem Wolkenkuckuksheim adè sage, und mir dann der Beschränktheit meines Wissens bewusst bin.
Da sind wir nicht weit weg voneinander - ich würde halt noch hinzufügen, dass systemisches Wissen nur bedingt Auskunft gibt über das, was wirklich der Fall ist/war. --- Und immer wieder: Wir sprechen hier von den Geisteswissenschaften. - Ich habe manchmal den Verdacht, dass Du immer auf der Schiene "Naturwissenschaft" antwortest.
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 22:47
Dann eben nicht mit Glauben, sondern "auf Glauben BASIERENDEM , systemisch Wissen gennanter Erkenntnis." Besser so?
Nein - das ist Naturwissenschaft - da spielt diese Problematik de facto keine Rolle.
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 22:47
Aber "was der Fall sein darf" beinhaltet für den Fallwächter closs wohl auch, was vernünftig begründet als zeitgenössisches wissenschaftliches Wissen verteten wird.
Natürlich - das ist sogar die Regel.
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 22:47
Und was. wenn auf einmal die experimentelle Bestätigung zur experimentellen Widerlegung wird?
Dann weiß man, dass eine Behauptung nicht bestätigt werden kann - wir sind schon wieder in den Naturwissenschaften. - Der Kontext hier sind die Geisteswissenschaften/die Theologie.
Anton B. hat geschrieben:
Mo 11. Nov 2019, 22:47
War es dann einstmals ontisch, so wie einstmals Wissen, aber jetzt haben wir neues Wissen und auch ein neues "Ontisch"?
Es ist mir offenbar nicht gelungen, die radikal-skeptischen Fragen außen vor zu lassen. ---- Hier geht es um das Problem, dass "Wissen" je nach Vorannahme unterschiedlich aussehen kann - das war bereits in furchtbar vielen erfolglosen Threads das Thema. --- Der descartsche Radikal-Skeptizismus war hier nicht das Thema (zumal dieses Thema aus meiner Sicht leicht lösbar ist). ---- Schon merkwürdig - ich komme bald nicht mehr mit, wie hier jeder einzelne denkt. - Da hat jeder sein eigenes Universum.








 

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