Philosophie nach Markus Gabriel

Philosophisches zum Nachdenken
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abc
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#1 Philosophie nach Markus Gabriel

Beitrag von abc » Mi 23. Okt 2019, 13:00

Chronologischer Ursprung dieses Threads: In der "Werkstatt eines Theologen" kam man auf Philosophie zu sprechen, daß man ihr zugeneigt sei - was in der Frage mündete, was diese eigentlich sei?

Einen neuen Sinn der Philosophie scheint Markus Gabriel gefunden zu haben sei. Dieser Thread möchte den Ideen nachgehen, die der jüngste Professor für 'Philosophie und Erkenntnistheorie' mit Lehrstuhl an der Universität Bonn skizziert & lehrt. Ich muß zugeben, daß mir Markus Gabriel bis gestern noch unbekannt war und betrete hier also (wie manch andere auch) zunächst Neuland. Immerhin habe ich mich letzte Nacht schon etwas einlesen können, drei kleinere Artikel gelesen und mir einen ersten Vortrag: "Wie der Geist in die Natur passt" angehört, den ich hier auch gleich einstellen möchte.



Dieser Thread ist mir (und geneigten Lesern) also zunächst eine Art Anlauf- und Sammelstelle, um zugehörige Aspekte zusammenzutragen und sie in der Folge in Beziehung zu setzen.

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abc
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#2 Re: Philosophie nach Markus Gabriel

Beitrag von abc » Mi 23. Okt 2019, 13:01

Erste Sammlung an Querbezügen

(1) M. Heidegger - Wissenschaft denkt nicht!


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abc
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#3 Re: Philosophie nach Markus Gabriel

Beitrag von abc » Do 24. Okt 2019, 00:19

Der Neue Realismus.

Im Jahr 2018 erschien von Markus Gabriel das Buch "Der Sinn des Denkens". Eine kurze Übersicht (Interview: nur 8 Minuten) über seine Thesen fände man hier, siehe Spoiler ...
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Für MG ist das menschliche Denken ein Sinnesorgan, entsprechend den 5 Sinnen (Sehen, Hören, ...). Er betrachtet das Denken als 6. Sinn, welches er den fünf Sinnen gleichberechtigt zur Seite stellt. Während das Hören Töne aufnähme, würde der Denksinn "Sinnfelder" aufgreifen. Sinnfelder seien charakteristische Anordnungen von Dingen und Gedanken. So seien alle möglichen Inhalte (Werbung, Spazieren gehen, Schulunterricht, ...) in einer eigenen Struktur geordnet. Wahrheit erschließe sich als Erkenntnis aus den jeweiligen "Sinnfeldern". Das erinnert mich irgendwie an Luhmann!

Probleme begännen dort, wo Sinnfelder verwechselt würden - und stellt darum die Frage, wer also überhaupt was, mit welchem Recht, sagen darf. Hier sehe ich eine Querverbindung zu M. Heidegger, der sagte, die "Wissenschaft denkt nicht" - siehe oben!

Das 'menschliche Denken' als Sinnesorgan anzusehen, finde ich zwar einen interessanten Gedanken. Es aber den 5 Sinnen gleichberechtigt zuzuordnen, das halte ich für eine fragwürdige Idee. Was meint ihr?

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#4 Re: Philosophie nach Markus Gabriel

Beitrag von closs » Do 24. Okt 2019, 00:48

abc hat geschrieben:
Do 24. Okt 2019, 00:19
Es aber den 5 Sinnen gleichberechtigt zuzuordnen, das halte ich für eine fragwürdige Idee. Was meint ihr?
Ich würde es sogar drüberstellen.
 

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abc
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#5 Re: Philosophie nach Markus Gabriel

Beitrag von abc » Do 24. Okt 2019, 09:48

Da sind wir uns einig, denn der "Denksinn" spielt im Vergleich zu den anderen Sinnen in einer anderen Liga, möchte man meinen!

Ich lese mich ja noch ein und werde mir weitere Literatur besorgen. Ich kann aber schon sagen, daß ich einige seiner Thesen (Ansichten) für bedenklich halte! Einerseits spricht er zum Beispiel M.Heidegger das Wort, wenn er sagt, die Philosophie sei notwendig, um Gesamtzusammenhänge besser einordnen zu können, gerade was unser aller Dasein anbetrifft (siehe "Wissenschaft denkt nicht") und in Bezug auf KI auch an Reglementierungen (in moralisch-ethischer Hinsicht) denkt - und bereits an Pilotprojekten arbeitet, wo eine Art "Tüv-Siegel" vergeben werden soll, spricht sich aber gleichzeitig für Maßnahmen aus, die zb. die freie Meinungsäußerung sehr stark einschränken würden. Als Motiv werden sogenannte "Fakenews" vorgeschoben. Er spricht sich also für Filter aus, die kontrollieren sollen, was ins Netz darf und was nicht!?

Siehe Interview: "Über KI, das Grundgesetz, Philosophie in der Grundschule und Klopapier in China"
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Thaddaeus
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#6 Re: Philosophie nach Markus Gabriel

Beitrag von Thaddaeus » Fr 25. Okt 2019, 21:43

abc hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 13:00

Dieser Thread ist mir (und geneigten Lesern) also zunächst eine Art Anlauf- und Sammelstelle, um zugehörige Aspekte zusammenzutragen und sie in der Folge in Beziehung zu setzen.
Danke für den verlinkten Vortrag, den ich noch nicht kannte.

Er ist anspruchsvoll und ziemlich dicht. Um Gabriel folgen zu können, braucht es schon einigen Grundwissens. Ich werde sicherlich noch hierauf zu sprechen kommen.
Interessant finde ich seine Kritik an Thomas Nagel und natürlich seinen Lösungsvorschlag in Teil 3 seines Vortrages, wie Geist und Natur miteinander versöhnt werden könnten. Vielleicht kann man später hier anknüpfen.

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abc
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#7 Re: Philosophie nach Markus Gabriel

Beitrag von abc » Sa 26. Okt 2019, 13:27

Thaddaeus hat geschrieben:
Fr 25. Okt 2019, 21:43
abc hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 13:00
Dieser Thread ist mir (und geneigten Lesern) also zunächst eine Art Anlauf- und Sammelstelle, um zugehörige Aspekte zusammenzutragen und sie in der Folge in Beziehung zu setzen.
Danke für den verlinkten Vortrag, den ich noch nicht kannte.

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Er ist anspruchsvoll und ziemlich dicht.
Ja, das stimmt, es war keine leichte Gute-Nacht-Lektüre, was sich auch darin spiegelt, daß er den Vortrag nicht frei spricht, sondern seine Definitionen abliest, wohl aufgrund der Systematik, was den gedanklichen Nachvollzug zum Teil erschwerte. Sprich, der Vortrag ist keine einfache Hörstunde, sondern erfordert Pausen, um abschnittweise nachzuvollziehen, was er da gerade artikuliert - zumindest ging es mir so als ich zu später Stunde mit seiner Hörreihe im Bett lag 😄

Thaddaeus hat geschrieben:
Fr 25. Okt 2019, 21:43
Um Gabriel folgen zu können, braucht es schon einigen Grundwissens. Ich werde sicherlich noch hierauf zu sprechen kommen. Interessant finde ich seine Kritik an Thomas Nagel und natürlich seinen Lösungsvorschlag in Teil 3 seines Vortrages, wie Geist und Natur miteinander versöhnt werden könnten. Vielleicht kann man später hier anknüpfen.
Ja gerne, müßte nochmal reinhören. Der Titel "Wie der Geist zur Natur passt" war sozusagen m/ein Anschluß an Romano Guardini, dessen Betrachtungen zu 'Natur & Kultur' in mir nachklangen. Sprich, im Gegensatz zum Tier, geht der Mensch nicht vollkommen (natürlich) in der Natur auf, sondern steht ihr - wie soll man sagen - irgendwie gegenüber?! Seltsam, sind die Entwicklungen ...

Bild
https://robertjordan.wordpress.ncsu.edu ... stry01.jpg

... als gäbe es zwei Arten von Menschen: Den Eingeborenen & Den Fortschreitenden (*)

(*) Ich weiß, diese Gegenüberstellung trifft es nicht ganz!

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Thaddaeus
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#8 Re: Philosophie nach Markus Gabriel

Beitrag von Thaddaeus » Sa 26. Okt 2019, 18:39

abc hat geschrieben:
Sa 26. Okt 2019, 13:27
Sprich, im Gegensatz zum Tier, geht der Mensch nicht vollkommen (natürlich) in der Natur auf, sondern steht ihr - wie soll man sagen - irgendwie gegenüber?! Seltsam, sind die Entwicklungen ...
Das ist eine wichtige Feststellung der philosophischen Anthropologie:

Tiere gehen in der Natur, d.i., in ihrem natürlichen Lebensumfeld, vollständig auf. Sie leben im Augenblick (ohne Bewusstsein ihrer Sterblichkeit) und interagieren unmittelbar mit ihrer Umwelt. Tiere können sich nicht verstellen. Freude, Leid, Aggression, Angst oder andere Gemütsregungen, zu denen sie etwaig in der Lage sind, werden von ihnen unmittelbar zum Ausdruck gebracht. Kinder bis zu einem gewissen Alter, können sich ebenfalls nicht verstellen. Diese Fähigkeit erlangen sie erst dann, wenn sie eine Vorstellung ihres Ichs entwickelt haben, eine Vorstellung davon, dass sie ein eigenständiges Subjekt sind.

Das Tier Mensch begreift sich ab dem Zeitpunkt, ab dem es sich als eigenständiges Subjekt, als ein Ich, zu sehen vermag, als etwas anderes als seine unmittelbare Lebensumwelt. Der Mensch sieht ab diesen Zeitpunkt sich im Unterschied zu dem, was er eben nicht ist. Das ist alles das um ihn herum, seine Umwelt, die Natur, andere Menschen. Damit gibt es das Ich und alles das, was nicht-Ich ist.

Der Mensch kommt zwar aus der Natur und begreift auch, dass er ein Teil der Natur ist.
Mit seiner Eigenschaft, ein Bewusstsein von sich selbst haben zu können, versteht er sich aber immer auch als etwas, das nicht Natur ist. Nur darum ist er fähig Kultur zu schaffen, was etwas ist, das eben gerade keine Natur ist.

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#9 Re: Philosophie nach Markus Gabriel

Beitrag von closs » Sa 26. Okt 2019, 23:52

Thaddaeus hat geschrieben:
Sa 26. Okt 2019, 18:39
Nur darum ist er fähig Kultur zu schaffen, was etwas ist, das eben gerade keine Natur ist.
Lebhafte Zustimmung - Anregung: Man kann zu "Kultur" das Wort "Religion" hinzufügen. ---- Gibt es aus Deiner bzw. Gabriels Sicht einen Grund, WARUM und WOHER das "Tier Mensch" das kann?
 

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sven23
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#10 Re: Philosophie nach Markus Gabriel

Beitrag von sven23 » So 27. Okt 2019, 08:31

closs hat geschrieben:
Sa 26. Okt 2019, 23:52
Thaddaeus hat geschrieben:
Sa 26. Okt 2019, 18:39
Nur darum ist er fähig Kultur zu schaffen, was etwas ist, das eben gerade keine Natur ist.
Lebhafte Zustimmung - Anregung: Man kann zu "Kultur" das Wort "Religion" hinzufügen. ---- Gibt es aus Deiner bzw. Gabriels Sicht einen Grund, WARUM und WOHER das "Tier Mensch" das kann? 
Warum es Religion gibt?
Du mußt aufmerksamer lesen, denn Thaddaeus hat den entscheidenden Hinweis schon gegeben.
Der Mensch ist das einzige "Tier", das sich seiner Endlichkeit/Sterblichkeit bewußt ist.
Aus diesem unlösbaren Konflikt heraus sind (Natur-) Religionen entstanden. Ahnenkulte entstanden wohl aus Fehldeutungen von Träumen.
Wenn man von Verstorbenen träumte, deutete man das dahingehend, dass sie nicht wirklich tot waren, sondern in einer anderen Welt weiterlebten. Man transzendierte den unvermeidlichen Tod.
So entwickelten sich Vorstellungen von "jenseitigen" Welten, die dann im Laufe der kulturellen Weiterentwicklung immer konkreter und phantasievoller ausgeschmückt wurden.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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