Was wollte Descartes?

Philosophisches zum Nachdenken
JackSparrow
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#11 Re: Was wollte Descartes

Beitrag von JackSparrow » Fr 4. Okt 2019, 10:50

Thaddaeus hat geschrieben:
Fr 4. Okt 2019, 09:06
Wenn irgendwer oder irgendwas über ein philosophisches Konstrukt nachdenkt, dann belegt das sogar unbezweifelbar die Existenz genau dieses philosophischen Konstruktes.
Aus der Existenz eines Denkens folgt nicht die Existenz eines Denkenden.

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Thaddaeus
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#12 Re: Was wollte Descartes

Beitrag von Thaddaeus » Fr 4. Okt 2019, 12:17

JackSparrow hat geschrieben:
Fr 4. Okt 2019, 10:50
Thaddaeus hat geschrieben:
Fr 4. Okt 2019, 09:06
Wenn irgendwer oder irgendwas über ein philosophisches Konstrukt nachdenkt, dann belegt das sogar unbezweifelbar die Existenz genau dieses philosophischen Konstruktes.
Aus der Existenz eines Denkens folgt nicht die Existenz eines Denkenden.
Doch! Genau das!
Du darfst nur nicht an einen physischen Körper denken, der aus der Einsicht ins Cogito spontan in der physischen Welt erscheinen würde. Ohnehin ein recht alberner Gedanke.
Das ist ja der Witz des Cogito: aus der Tatsache des Zweifelns an allem, entspringt die Erkenntnis der unabweisbaren Existenz desen der zweifelt.

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Andreas
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#13 Re: Was wollte Descartes

Beitrag von Andreas » Fr 4. Okt 2019, 15:26

Thaddaeus hat geschrieben:
Fr 4. Okt 2019, 09:06
JackSparrow hat geschrieben:
Fr 4. Okt 2019, 01:53
Auch könnte uns ein Dämon die Existenz einen denkenden Descartes vorspielen, während in Wirklichkeit ein Descartes oder ein denkender Descartes nie existierte.
Das ist richtig, ändert aber nicht die Bohne an der Unbezweifelbarkeit des Cogito, dessen Selbstevidenz nicht von der Existenz oder nicht-Exitenz von Descartes abhängt. Wer das glaubt, versteht nicht, worum es beim cogito überhaupt geht.
Das verstehe ich jetzt aber nicht so ganz, weil ich meine, dass da ein Widerspruch besteht. Descartes führt den bösen Dämon als weiteres bzw. drittes cogitans neben Gott und Descartes in seine Prämisse ein.

In dem Moment, in dem man annähme, dass das cogitans des Descartes nicht existiere, sondern es sich um das cogitans des Dämons handelt, gibt es das "Ich" bzw. das cogitans des Descartes ja nicht mehr, und auch das cogitans Gottes nicht. Muss da nicht die anfängliche Prämisse von zwei bzw. drei cogitans schon als in sich widersprüchlich und unlogisch gelten? Dass da etwas unbezweifelbar denkt, betrifft das nicht, aber das "Ich" ist dann ein anderes, als es Descartes als sein "Ich" formuliert, egal in welcher Form er das tut. "Ich denke, also bin ich" oder "Ich zweifle, also bin ich", weil es dann ja nicht Decartes ist, der da denkt sondern der böse Dämon.

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#14 Re: Was wollte Descartes

Beitrag von JackSparrow » Fr 4. Okt 2019, 16:51

Thaddaeus hat geschrieben:
Fr 4. Okt 2019, 12:17
Das ist ja der Witz des Cogito: aus der Tatsache des Zweifelns an allem, entspringt die Erkenntnis der unabweisbaren Existenz desen der zweifelt.
Betrachten wir des Buddhas Lehrrede aus dem Anatma-laksana-sutra:

"Sind Gefühl - Wahrnehmung - Gestaltungen - Bewußtsein unvergänglich oder vergänglich?" "Vergänglich, o Herr." - "Was aber vergänglich ist, ist das leidig oder freudig?" - "Leidig, o Herr." - "Was nun vergänglich, leidig, wandelbar ist, kann man dies mit Recht so ansehen: 'Dies ist mein, das bin ich, das ist mein Selbst'?" - "Gewiß nicht, o Herr."

"Daher, o Mönche: was es irgend an Körperlichkeit gibt - an Gefühl - an Wahrnehmung - an Gestaltungen - an Bewußtsein gibt, sei es vergangen, künftig oder gegenwärtig, eigen oder fremd, grob oder fein, gewöhnlich oder edel, fern oder nahe - von jeder Körperlichkeit - jedem Gefühl - jeder Wahrnehmung - allen Gestaltungen - jedem Bewußtsein gilt: 'Dies ist nicht mein, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst!' So hat man dies der Wirklichkeit gemäß mit rechter Weisheit zu betrachten."
http://www.palikanon.com/samyutta/sam22_060.html#s22_59

Womöglich verstand der Erwachte unter "Existenz" etwas völlig anderes als der Herr Descartes.

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Thaddaeus
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#15 Re: Was wollte Descartes

Beitrag von Thaddaeus » Fr 4. Okt 2019, 17:14

Andreas hat geschrieben:
Fr 4. Okt 2019, 15:26
Thaddaeus hat geschrieben:
Fr 4. Okt 2019, 09:06
JackSparrow hat geschrieben:
Fr 4. Okt 2019, 01:53
Auch könnte uns ein Dämon die Existenz einen denkenden Descartes vorspielen, während in Wirklichkeit ein Descartes oder ein denkender Descartes nie existierte.
Das ist richtig, ändert aber nicht die Bohne an der Unbezweifelbarkeit des Cogito, dessen Selbstevidenz nicht von der Existenz oder nicht-Exitenz von Descartes abhängt. Wer das glaubt, versteht nicht, worum es beim cogito überhaupt geht.
Das verstehe ich jetzt aber nicht so ganz, weil ich meine, dass da ein Widerspruch besteht.
Ein Missverständnis.
Ich habe JackSparrows Aussage im obigen Satz wörtlich aufgefasst: wenn uns (heute als Leser) ein deus malignus den Autor Descartes und seine Schriften nur vorgaukeln würde.
Das Cogito ist aber stets das jemeinige Denken und Zweifeln. Und alle phänomenalen Bewusstseinsinhalte sind je meine.

Man könnte alles vortäuschen, - aber nicht den Denkakt des Zweifelns im Augenblick des Zweifelns, über den ich mir bewusst werde.

Gaukelte mir das ein bösartiger Geist vor, könnte er nicht anders, als mich in diesem Augenblick zu erschaffen mit genau dieser meiner Einsicht des Cogito, zumindest solange, bis er aufhörte mir - zumindest als Denken - Existenz zu verleihen (als ein unabweisbarer Fakt in der Wirklichkeit).
Für den Moment meiner Einsicht in das Cogito wäre ich dennoch real gewesen, denn ich hätte es in diesem Augenblick gedacht und mein Cogito - ergo sum ist die korrekte Einsicht meines Denkens in meine Seiendheit.

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#16 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von Andreas » Fr 4. Okt 2019, 17:48

Thaddaeus hat geschrieben:
Fr 4. Okt 2019, 17:14
Ein Missverständnis.
Ich habe JackSparrows Aussage im obigen Satz wörtlich aufgefasst: wenn uns (heute als Leser) ein deus malignus den Autor Descartes und seine Schriften nur vorgaukeln würde.
Das Cogito ist aber stets das jemeinige Denken und Zweifeln. Und alle phänomenalen Bewusstseinsinhalte sind je meine.
Das war mir schon klar. Aber selbst aus der Perspektive Descartes, der das ja geschrieben hat, gibt es diesen logischen Widerspruch, wie ich meine.

In dem Moment, in dem Descartes annähme, dass das cogitans des Descartes nicht existiere, sondern es sich um das cogitans des Dämons handelt, gibt es das "Ich" bzw. das cogitans des Descartes ja nicht mehr, und auch das cogitans Gottes nicht. Muss da nicht die anfängliche Prämisse von zwei bzw. drei cogitans schon als in sich widersprüchlich und unlogisch gelten? Dass da etwas unbezweifelbar denkt, betrifft das nicht, aber das "Ich" ist dann ein anderes, als es Descartes als sein "Ich" formuliert, egal in welcher Form er das tut. "Ich denke, also bin ich" oder "Ich zweifle, also bin ich", weil es dann ja nicht Decartes ist, der da denkt sondern der böse Dämon.

Diese Aussagen Descartes' sind doch nur dann wahre Aussagen, wenn alle Teile der Aussage wahr sind, aber nicht wenn nur ein Teil der Aussage wahr ist.
Wahr ist: "Ich denke, also bin ich" oder "Ich zweifle, also bin ich"
Nicht wahr ist: "Ich denke, also bin ich" oder "Ich zweifle, also bin ich"
Denn das geht nicht mit der Prämisse zusammen, dass es ein "Ich" des Descartes und ein "Ich" des bösen Dämonen als Voraussetzung oder Begründung für diese radikale Täuschungsmöglichkeit gibt. Descartes macht aber diese Aussagen, als würde er Descartes, sich selbst mit "Ich" meinen. Wenn es aber der Dämon sein sollte, der da denkt - annuliert sich die Prämisse, die zwei "Iche" vorausgesetzt hat, kann also selbst keine wahre Aussage sein. Und wenn die Prämisse schon in sich logisch inkonsistent ist, was soll dann hinten noch vernünftiges rauskommen können?

Ist jetzt klarer geworden, was mein logisches Problem dabei ist?

SilverBullet
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#17 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von SilverBullet » Fr 4. Okt 2019, 19:35

“Thaddaeus“ hat geschrieben:Das Cogito ist aber stets das jemeinige Denken und Zweifeln. Und alle phänomenalen Bewusstseinsinhalte sind je meine.

Man könnte alles vortäuschen, - aber nicht den Denkakt des Zweifelns im Augenblick des Zweifelns, über den ich mir bewusst werde.
Falsch, du kannst nicht „alle Bewusstseinsinhalte“ als anzweifelbar einordnen und einfach so sang und klanglos „das meine“ gesondert behandeln, denn es handelt sich auf deiner Basis um einen „Bewusstseininhalt“.
Das Objektverständnis „von dir“ und einem „Gegenüber“, das zu „das meine“ führt, musst du als „Bewusstseininhalt“ deklarieren und entsorgen.

Du musst quasi „deine eigene Handlung“ und damit „das Verständnis von einem Handelnden“ entsorgen, was allerdings sprachlich nicht vermittelbar ist, weil Sprache auf dem Konzept „Handlung/Bewegung“ aufbaut – deshalb muss ich „zu dir“ sagen „du musst“.

Ihr Philosophen begreift nicht, dass sich wahrnehmungstechnisch Alles auflöst und die einzig sinnvolle Basis, die unter Verwendung einer Art „Minimum aus den Zusammenhängen, die sich eigentlich auflösen“ gebildet werden kann, der Zusammenhang „Reaktion“ ist.

Ohne „Reaktion“ ist das Konzept einer „Gegenüberstellung“ sinnlos (wodurch „das meine“ sinnlos wird).

Gesucht wird kein „phantasiertes Ich, das phantasierten Bedeutungsobjekten gegenüber stehen kann“, sondern gesucht wird „Reaktion“
gefunden: -> Körper (Gehirn)

Claymore
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#18 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von Claymore » Fr 4. Okt 2019, 22:02

closs hat geschrieben:
Do 3. Okt 2019, 18:48
Claymore hat geschrieben:
Do 3. Okt 2019, 10:29
der Satz ist kryptisch.
Da müssten wir darüber reden, was als "Beweis" bezeichnet wird (was unterm Strich hier irrelevant ist). - Hierzu speziell "Gottesbeweis":
"Der Ausdruck Gottesbeweis bezeichnet in neuzeitlicher Terminologie den Versuch, mit Hilfe der Vernunft die Existenz (eines) Gottes zu beweisen. Dieser Terminus wurde rückwirkend auf verschiedenste philosophische Konzepte angewendet, die die Existenz von Göttern bzw. eines Gottes glaubhaft machen wollten".
Entscheidend ist hier das, was in wik bei "Logischer Beweis" steht:
"Ein Beweis ist eine Reihe von logischen Schlussfolgerungen, die die Wahrheit eines Satzes auf als wahr Angenommenes zurückführen soll".
Das entspricht beides dem, was ich ständig predige: "Beweise" sind eo ipse keine ontischen Beweis ("So IST es wirklich"), sondern systemische Beweise, die ontisch/wirklich wahr oder unwahr sind. - Konkret: Descartes' Beweis sagt nichts darüber aus, ob es Gott wirklich gibt oder nicht, sondern stimmt nur dann, wenn sein Glaube, dass es Gott gibt, wahr ist (selbst wenn er methodisch so tut, als würde er ihn anzweifeln). - Wenn Du so willst, ist es ein Zirkelschluss im weiteren Sinne des Wortes (systemisch immer der Fall ist).
Ja, aber “Wik” ist keine Autorität – das hab ich dir schon mehrfach erklärt…

“Wik” widerspricht sich andauernd selbst und die Ausführungen in den verschieden Sprachen widersprechen sich auch.

“Wik” ist ja selbst für dich keine Autorität, oder scherst du dich drum, dass da in der englischen Wikipedia steht: Homöopathie wirkt nicht besser als der Placebo und ist eine Pseudowissenschaft :?:

Nochmal: Nach dem klassischen Rationalismus sind die Axiome nicht bloß “als wahr Angenommenes”, sondern sie sind rational nicht bezweifelbar. So wie: a × b = b × a für alle natürliche Zahlen a, b. Man holt – so zumindest nach Ansicht vieler klassischer Rationalisten – das entsprechende Axiom aus dem Konzept der natürlichen Zahl heraus.

A fortiori trifft das auf Descartes zu. Die Wikipedia-Definition von “Beweis” ist in diesem Kontext anachronistisch.

Ach ja, du könntest dir zur Abwechslung aus Wikipedia auch was korrektes oder annähernd korrektes herauspicken:
Wikipedia: “Rationalismus” hat geschrieben:Als Begründer des klassischen Rationalismus (auch als „Intellektualismus“ bezeichnet) gilt René Descartes, der dabei wichtige Anregungen von Marin Mersenne erhielt. Descartes beginnt eine Reformation von Wissenschaft und Philosophie nach dem Vorbild der Geometrie. Dabei dient ihm der axiomatische Aufbau von Euklids Elementen als Muster. Demnach lassen sich universelle Grundsätze mit Hilfe des Verstandes aus Grundbegriffen erschließen.
Claymore hat geschrieben:
Do 3. Okt 2019, 10:29
Das hat aber nichts mehr mit einem Glauben zu tun, wie er zu einem “spirituellem Vorgang” passt. Die Meditationen sind dann einfach ein Stück gescheiterter rationalistischer Philosophie.
Das kann man so sagen - wobei hier die Frage wieder auftaucht, ob Rationalismus damit verlassen wird, wenn er anthropozentrische Vernunft verlässt.
Wo verlässt er denn die “anthropozentrische Vernunft”?
Claymore hat geschrieben:
Do 3. Okt 2019, 10:29
an den Solispismus glaubt da keiner.
Klar - das ist ein methodischer Solipsismus. - Es würde bereits reichen, ohne weiteren Erklärungsansatz zu erkennen, dass Naturwissenschaft auf spirituellen sensu anthropozentrisch-rational nicht fassbaren Grundlagen beruhen - genau das sieht heutige Philosophie anders - im Gegensatz zu Descartes.
Woraus schließt du bitte, dass Descartes meinte, seine erarbeiteten Grundlagen wären “anthropozentrisch-rational nicht fassbar”?
Claymore hat geschrieben:
Do 3. Okt 2019, 10:29
Es hat aber keinen Sinn derart komplexe Fragen mit dir zu diskutieren, es soll hier nur darum gehen den allergröbsten Unfug über Descartes einmal richtig zu stellen.
Da könntest Du ruhig etwas selbstkritischer sein - es könnte ja sein, dass Du Descartes zu sehr aus heutiger Denke ("Hermeneutik" :oops: :D ) siehst.
Das Problem ist nicht das Wort “Hermeneutik” sondern deine chronisch falsche Verwendung. Wobei es hier mal ausnahmsweise halbwegs passt.

Dein Vorwurf, dass man sein modernes Verständnis Texten aus anderen Epochen überstülpt und sie damit verzerrt interpretiert, ist prinzipiell ein völlig korrekter und sehr wichtiger Einwand … aber halt nur wenn du das im Einzelfall konkret belegen würdest. Das geschieht jedoch nie.

Damit ist es bloß eines deiner Lieblings-Manöver etwas auf unsachliche Weise zu diskreditieren. Während du dir selbst im Kontext komplett anachronistische Definitionen aus … Wikipedia (!) herauspickst um deine … seltsamen Ansichten zu belegen.
Claymore hat geschrieben:
Do 3. Okt 2019, 10:29
Eine harte Gehirnwäsche mit Betrügereien, die jemand von Gott überzeugen, ist ja auch kein spiritueller Vorgang.
Richtig. - Man kann alles auf falsche Weise machen.
Und wenn nun Descartes’s Gottesbeweis ein Irrtum ist, dann sehe ich darin genausowenig einen spirituellen Vorgang.

Claymore hat geschrieben:
Do 3. Okt 2019, 10:29
Das “vorher” ist einfach alles vom Cogito bis zum Beweis Gottes.
Das scheinen wir gleich zu sehen. - Entscheidend für mich ist, dass er die Lücke zwischen Res cogitans und Res extensa überhaupt schließen muss (egal wie) - darauf würde man im 20./21. Jh. erst gar nicht kommen, weil man "keine Lücke" vorweg postuliert.
Und… gibt es irgendwelche Belege dafür, dass man heute so tickt?

Der Film “Matrix” hat 460 Millionen an der Kinokasse eingespielt. Weitere ähnliche Filme: Welt am Draht, The 13th Floor, Total Recall (auch ein Sci-Fi-Klassiker, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Philip K. Dick), Ghost in the Shell.

Sie alle behandeln unbestritten die Ideen von Descartes. Man nehme nur den Titel “Ghost in the Shell”, eine offensichtliche Anspielung auf Descartes (über Gilbert Ryle’s “Ghost in the Machine”); in Ghost in the Shell 2 wird Descartes gar namentlich zitiert.

Hier noch mal deine Autorität Wikipedia:
Wikipedia: “Cyberspace” hat geschrieben:A forerunner of the modern ideas of cyberspace is the Cartesian notion that people might be deceived by an evil demon that feeds them a false reality. This argument is the direct predecessor of modern ideas of a brain in a vat and many popular conceptions of cyberspace take Descartes's ideas as their starting point.

Eine ganze Richtung der Science-Fiction-Literatur behandelt die cartesische Paranoia. “Ich denke also bin ich” fällt in Filmen wie Blade Runner (1984), wo sogar der Name des Helden Deckard eine Anspielung auf unseren René ist:
dw.com hat geschrieben:So einfach die Grundstory ist, so überraschend und vielfältig sind die tieferen Schichten des Plots: Ridley Scott, so die Filmpublizistin Kata Kirste, "schafft ein höchst eigenwilliges Werk, das nicht weniger als die Frage stellt, was die Identität des Menschen ausmacht. Nicht nur durch die phonetische Ähnlichkeit des Namens Deckard mit Descartes (französischer Philosoph) schimmert der philosophische Subtext durch die Erzählung, sein Motivkanon insgesamt stellt sich der Problematik von Sein und Bewusstsein." "Blade Runner" stellt religiöse und philosophische Fragen, ethische und ästhetische.

Und nun sagt du: Im 20. / 21. Jahrhundert ist man so drauf, dass man nicht mal auf die Idee kommt, es gäbe da eine Lücke.

Ich möchte einfach mal eine Begründung für diese Diagnose hören. Nicht bloß Argumente gegen meine Ausführungen oben (die kann ich mir auch selber ausmalen: “Verwurstung in der Popkultur bedeutet keine ernsthafte Beschäftigung mit dem Thema” – stimmt auch nicht: Hilary Putnam, der als einer der bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhundert angesehen wird, hat sich ausgiebig mit der skeptischen Hypothese Descartes’s beschäftigt. Kennst du einen Philosophen, der sich detaillierter damit beschäftigt hat?).

Anscheinend schließt du von den individuellen Sichtweisen einiger sehr präsenter User hier auf den Zeitgeist.

Für dich gilt: Welt = dieses Forum.

Und damit bist du so ahnungslos über das 20./21. Jahrhundert wie über die Epoche der Frühaufklärung.

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Thaddaeus
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#19 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von Thaddaeus » Sa 5. Okt 2019, 09:56

Andreas hat geschrieben:
Fr 4. Okt 2019, 17:48
Aber selbst aus der Perspektive Descartes, der das ja geschrieben hat, gibt es diesen logischen Widerspruch, wie ich meine.

In dem Moment, in dem Descartes annähme, dass das cogitans des Descartes nicht existiere, sondern es sich um das cogitans des Dämons handelt, gibt es das "Ich" bzw. das cogitans des Descartes ja nicht mehr, und auch das cogitans Gottes nicht. Muss da nicht die anfängliche Prämisse von zwei bzw. drei cogitans schon als in sich widersprüchlich und unlogisch gelten? Dass da etwas unbezweifelbar denkt, betrifft das nicht, aber das "Ich" ist dann ein anderes, als es Descartes als sein "Ich" formuliert, egal in welcher Form er das tut.
Ich sehe diesen Widerspruch nicht.

Dass da etwas denkt bzw. besser zweifelt und sich dessen bewusst ist, bedeutet das Ich, welches ja auch in der grammatischen Form des cogito (1. Pers.Sing.) enthalten ist.
Ein Dämon, der alles vortäuschte käme nicht umhin, MICH zu erschaffen und sei es nur für den Moment, in welchem ich an allem zweifle und dabei zu der unabweisbaren Erkenntnis gelange, dass dies MICH als Zweifelnden voraussetzt. Und natürlich müsste mich der Dämon so erschaffen, wie es nötig ist - mit allem drum und dran - um diesen Gedanken denken zu können. Insofern muss der Dämon MICH, so wie ich bin, für den Versuch erschaffen, mich darüber zu täuschen, dass ich bin, was aber nicht aufgeht, weil ich dann tatächlich bin und darüber nicht getäuscht werden kann. Ich muss - so oder so - existieren, damit man mich über irgendetwas täuschen kann.
Mein Gedanke des Cogito aber ist in diesem Augenblick des Denkens korrekt und wahr. Wenn auch vielleicht schon Augenblicke später nicht mehr, weil mich der Dämon wieder löscht (aus Wut darüber, dass er mich in diesem Punkt nicht täuschen kann :lol: )

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#20 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von JackSparrow » Sa 5. Okt 2019, 10:28

Thaddaeus hat geschrieben:
Sa 5. Okt 2019, 09:56
Dass da etwas denkt bzw. besser zweifelt und sich dessen bewusst ist, bedeutet das Ich, welches ja auch in der grammatischen Form des cogito (1. Pers.Sing.) enthalten ist.
Grammatische Formen erfüllen grammatische Funktionen. Die erste Person kennzeichnet den Sprecher, die zweite Person kennzeichnet den Angesprochenen und die dritte Person kennzeichnet das Objekt, über welches gesprochen wird.

Wenn Descartes das Denken mit sich selbst oder mit seinem lyrischen Ich identifiziert, dann ist dies selbst eine Leistung des Denkens (genauer ist es eine Leistung seines motorischen Sprachzentrums, welches die zugehörigen grammatikalischen Formen liefert) und eben kein logischer Schluss über das Denken. Er kann nicht wissen, dass er denkt, wenn er dafür nicht wieder das Denken zuhilfe nimmt.

Ein Dämon, der alles vortäuschte käme nicht umhin, MICH zu erschaffen und sei es nur für den Moment, in welchem ich an allem zweifle
Für den grammatikalischen Moment, in dem du das Denken mit irgendwas identifizierst muss, um einen hübschen philosophischen Satz bilden zu können.

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