Was wollte Descartes?

Philosophisches zum Nachdenken
closs
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#21 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von closs » Sa 5. Okt 2019, 13:56

Claymore hat geschrieben:
Fr 4. Okt 2019, 22:02
Ja, aber “Wik” ist keine Autorität
Ich stelle gerade fest, dass meine sehr lange Erwiderung weg ist - das ist nicht das erste Mal und ich nehme an, dass es dafür technische Gründe gibt. - Ein ander Mal.

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Andreas
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#22 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von Andreas » Sa 5. Okt 2019, 14:43

Thaddaeus hat geschrieben:
Sa 5. Okt 2019, 09:56
Ein Dämon, der alles vortäuschte käme nicht umhin, MICH zu erschaffen und sei es nur für den Moment, in welchem ich an allem zweifle und dabei zu der unabweisbaren Erkenntnis gelange, dass dies MICH als Zweifelnden voraussetzt. Und natürlich müsste mich der Dämon so erschaffen, wie es nötig ist - mit allem drum und dran - um diesen Gedanken denken zu können. Insofern muss der Dämon MICH, so wie ich bin, für den Versuch erschaffen, mich darüber zu täuschen, dass ich bin, was aber nicht aufgeht, weil ich dann tatächlich bin und darüber nicht getäuscht werden kann. Ich muss - so oder so - existieren, damit man mich über irgendetwas täuschen kann.
Mein Gedanke des Cogito aber ist in diesem Augenblick des Denkens korrekt und wahr. Wenn auch vielleicht schon Augenblicke später nicht mehr, weil mich der Dämon wieder löscht (aus Wut darüber, dass er mich in diesem Punkt nicht täuschen kann :lol: )
Hmm. Ich habe echt Schwierigkeiten mein logisches Problem zu formulieren. Vielleicht so. In der Prämisse ist das Sein durch drei Konstanten des Seins definiert. Descartes, böser Dämon, Gott.
In der Konklusio steckt das Sein in dem Wort "bin" doch das "Ich" wird jetzt plötzlich zu einer Variablen die durch das Sein hüpft, je nach dem wie man die unterschiedlichen möglichen Fälle in dem Gedankenspiel konstruiert. Der böse Dämon muss Descartes nicht mal erschaffen, weil Descartes nur in der Vorstellung des bösen Dämons existieren könnte, und dieser sich selbst den Descartes nur aus-denkt, so wie Descartes sich den bösen Dämon aus-denkt oder sich Gott aus-denkt.

Leider habe ich von Modal-Logik keine Ahnung, aber ich habe das Gefühl, dass man damit diesen logischen Widerspruch, den ich vermute aufdecken könnte.

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#23 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von Claymore » Sa 5. Okt 2019, 22:05

closs hat geschrieben:
Sa 5. Okt 2019, 13:56
Ich stelle gerade fest, dass meine sehr lange Erwiderung weg ist - das ist nicht das erste Mal und ich nehme an, dass es dafür technische Gründe gibt. - Ein ander Mal.
Ein echter Verlust – wenn du ausnahmsweise mal deine Vorwürfe, ich würde Descartes aus der Sichtweise 21. Jahrhunderts verzerrt oder voreingenommen interpretieren mit echter Substanz unterlegt hättest. Aber wahrscheinlich hast du das nicht gemacht, sondern einfach nur die reine Behauptung wiederholt. Und dann ist’s nur wieder ein Diskreditierungsversuch auf den ich auch gar nicht antworten brauche.
Thaddaeus hat geschrieben:
Fr 4. Okt 2019, 17:14
Gaukelte mir das ein bösartiger Geist vor, könnte er nicht anders, als mich in diesem Augenblick zu erschaffen mit genau dieser meiner Einsicht des Cogito, zumindest solange, bis er aufhörte mir - zumindest als Denken - Existenz zu verleihen (als ein unabweisbarer Fakt in der Wirklichkeit).
Für den Moment meiner Einsicht in das Cogito wäre ich dennoch real gewesen, denn ich hätte es in diesem Augenblick gedacht und mein Cogito - ergo sum ist die korrekte Einsicht meines Denkens in meine Seiendheit.
Andreas hat geschrieben:
Sa 5. Okt 2019, 14:43
In der Konklusio steckt das Sein in dem Wort "bin" doch das "Ich" wird jetzt plötzlich zu einer Variablen die durch das Sein hüpft, je nach dem wie man die unterschiedlichen möglichen Fälle in dem Gedankenspiel konstruiert. Der böse Dämon muss Descartes nicht mal erschaffen, weil Descartes nur in der Vorstellung des bösen Dämons existieren könnte, und dieser sich selbst den Descartes nur aus-denkt, so wie Descartes sich den bösen Dämon aus-denkt oder sich Gott aus-denkt.
Kann es sein, dass es hier um einen Gedanken, geäußert wie von Nietzsche, geht: :?:

Was tut denn im Grunde die ganze neuere Philosophie? Seit Descartes – und zwar mehr aus Trotz gegen ihn als auf Grund seines Vorgangs – macht man seitens aller Philosophen ein Attentat auf den alten Seelen-Begriff, unter dem Anschein einer Kritik des Subjekt- und Prädikat-Begriffs – das heißt: ein Attentat auf die Grundvoraussetzung der christlichen Lehre. Die neuere Philosophie, als eine erkenntnistheoretische Skepsis, ist, versteckt oder offen, antichristlich: obschon, für feinere Ohren gesagt, keineswegs antireligiös. Ehemals nämlich glaubte man an »die Seele«, wie man an die Grammatik und das grammatische Subjekt glaubte: man sagte, »Ich« ist Bedingung, »denke« ist Prädikat und bedingt – Denken ist eine Tätigkeit, zu der ein Subjekt als Ursache gedacht werden muß. Nun versuchte man, mit einer bewunderungswürdigen Zähigkeit und List, ob man nicht aus diesem Netze herauskönne – ob nicht vielleicht das Umgekehrte wahr sei: »denke« Bedingung, »ich« bedingt; »ich« also erst eine Synthese, welche durch das Denken selbst gemacht wird. Kant wollte im Grunde beweisen, daß vom Subjekt aus das Subjekt nicht bewiesen werden könne – das Objekt auch nicht: die Möglichkeit einer Scheinexistenz des Subjekts, also »der Seele«, mag ihm nicht immer fremd gewesen sein, jener Gedanke, welcher als Vedanta-Philosophie schon einmal und in ungeheurer Macht auf Erden dagewesen ist.

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Andreas
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#24 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von Andreas » Sa 5. Okt 2019, 22:14

Claymore hat geschrieben:
Sa 5. Okt 2019, 22:05
Kann es sein, dass es hier um einen Gedanken, geäußert wie von Nietzsche, geht:
Ja, das geht so ziemlich in die gleiche Richtung. Mist! Tucholsky hat Recht: Es gibt keinen Neuschnee.

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#25 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von closs » Sa 5. Okt 2019, 22:51

Claymore hat geschrieben:
Sa 5. Okt 2019, 22:05
Thaddäus: Für den Moment meiner Einsicht in das Cogito wäre ich dennoch real gewesen, denn ich hätte es in diesem Augenblick gedacht und mein Cogito - ergo sum ist die korrekte Einsicht meines Denkens in meine Seiendheit.
Das kommt dem recht nah, wie aus meiner Sicht Descartes "Bewusstsein" definiert.

Claymore hat geschrieben:
Sa 5. Okt 2019, 22:05
Thaddäus: Gaukelte mir das ein bösartiger Geist vor, könnte er nicht anders, als mich in diesem Augenblick zu erschaffen mit genau dieser meiner Einsicht des Cogito
Dito.

Ist eigentlich schon mal jemand draufgekommen, dass Descartes von "bösem Geist" deshalb spricht, weil er nicht "böser Gott" sagen will, weil dies für die damalige Zeit zu blasphemisch klänge? --- Egal, wie man darauf antwortet, ändert das nichts an der Substanz der Aussage - aber trotzdem mal gefragt.

Claymore hat geschrieben:
Sa 5. Okt 2019, 22:05
wenn du ausnahmsweise mal deine Vorwürfe, ich würde Descartes aus der Sichtweise 21. Jahrhunderts verzerrt oder voreingenommen interpretieren mit echter Substanz unterlegt hättest.
Die Verschmelzung der Horizonte von Subjekt und Objekt (Gadamer) ist IMMER da, wenn man interpretiert. - Dies kann man nicht dadurch umgehen, indem man sich in Einzelzitate begibt und diese wörtlich interpretiert.

In der Tat unterstelle ich, dass man heute die christliche Grundlage des descartschen Denkens gerne ignoriert und ihn vielmehr als "Aufgeklärten dagegen" darstellen möchte. - Psychologisch ist das naheliegend, weil das heute vorwiegend anti-christlich geprägte Denken (obwohl man sich euphemisch "agnostisch" nennt) zu Recht die (vor-)wissenschaftliche Emanzipation, die in Descartes' Denken liegt, als Frühform ihres eigenen Denkens verbuchen kann.

Insofern verstehe ich Nietzsche sehr gut, wenn er sagt: "Die neuere Philosophie, als eine erkenntnistheoretische Skepsis, ist, versteckt oder offen, antichristlich" - und das ist schon um die 150 Jahre her!! - Dass Nietzsche hinzufügt "obschon, für feinere Ohren gesagt, keineswegs antireligiös", ist interessant und bedürfte einer tieferen Betrachtung. - An WELCHE Philosophie seiner Zeit denkt er da? Und gibt es HEUTE etwas davon?

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#26 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von Claymore » So 6. Okt 2019, 00:21

closs hat geschrieben:
Sa 5. Okt 2019, 22:51
Die Verschmelzung der Horizonte von Subjekt und Objekt (Gadamer) ist IMMER da, wenn man interpretiert. - Dies kann man nicht dadurch umgehen, indem man sich in Einzelzitate begibt und diese wörtlich interpretiert.
Natürlich reichen Einzelzitate nicht aus. Man muss Descartes als ganzes lesen. Das ist das Minimum. Noch besser ist es, den historischen Kontext zu studieren. Die Einzelzitate bringe ich als Belege, damit du mal nachdenkst ob das, was du dir über Descartes zusammengereimt hast, korrekt ist. Denn wenn ich dir einfach erzähle, was Descartes meiner Ansicht nach gesagt hat, evtl. auch einen Kommentator zitiere, dann verwirfst du das mit deinen üblichen Totschlagargumenten: “21. Jh. Denkformatierung”

Wobei, wenn ich Einzelzitate nicht gebracht hätte, dann würdest du immer noch meinen, dass sich Descartes nie Gedanken darüber gemacht hat, dass auch die Logik oder die Mathematik bezweifelbar sind. Und wüsstest nichts von Descartes’s Gottesbeweis. Minimale Fortschritte!
closs hat geschrieben:
Sa 5. Okt 2019, 22:51
In der Tat unterstelle ich, dass man heute die christliche Grundlage des descartschen Denkens gerne ignoriert und ihn vielmehr als "Aufgeklärten dagegen" darstellen möchte. - Psychologisch ist das naheliegend, weil das heute vorwiegend anti-christlich geprägte Denken (obwohl man sich euphemisch "agnostisch" nennt) zu Recht die (vor-)wissenschaftliche Emanzipation, die in Descartes' Denken liegt, als Frühform ihres eigenen Denkens verbuchen kann.
Er war wider Willen der “Aufgeklärte dagegen”, da ihn die Kirche auf den Index setzte und seine Bücher in Frankreich verboten wurden. Natürlich hat er alles versucht, eine Synthese zwischen Rationalismus und Christentum zu schaffen. Aber es nutzte nichts.

Die Aufklärung war sicherlich nicht in ihrer Gesamtheit anti-christlich, jedoch eindeutig anti-katholisch, von Anfang an!

Notgedrungen, zwangsläufig – die Kirche hat ihr keine andere Wahl gelassen. Katholische Philosophen der Aufklärung, die nicht nur formal katholisch waren, gibt’s auch nicht viele (ok Malebranche, der Descartes und Augustinus verbinden wollte – zack auf den Index); danach hat’s meines Wissens keiner mehr versucht. Daher ist es ja so grotesk, wenn du Benno’s Glaubensentscheid und den restlichen katholischen Sermon hier bringst und das dann mit DESCARTES verbinden willst.

Es wäre nur 1% so absurd und nur 0,1% so lächerlich, wenn du hier protestantisches Christentum und Aufklärung zusammenbringen wolltest (für die Frühaufklärung passt das scho). Siehe Leibniz – der hat’s sogar in den evangelischen Namenskalender geschafft!

Das ist der Härtegrad deiner anachronistischen Denkweisen – wo man Katholizismus mit der Aufklärung zusammenbringen kann. Atemberaubend. Und in der perfekten Projektion deiner eigenen Schwächen wirfst du anderen vor, dass sie 21. Jh. denkformatiert sind.

Ja, Descartes war katholischer Christ. Er hatte eine scholastische Bildung. Jajaja. Aber dennoch hat er eine Trennung zwischen der eigentlichen Religion, die ja nur durch göttliche Offenbarung über einen rein philosophischen Theismus hinausgeht, und seinem rationalistischem System gezogen. An göttliche Offenbarung zu glauben, das ist kein Akt der Vernunft für Descartes, sondern einer des Willens. Philosophisch an den abstrakten Gott zu glauben, das ist reine Vernunft-Sache.
closs hat geschrieben:
Sa 5. Okt 2019, 22:51
Insofern verstehe ich Nietzsche sehr gut, wenn er sagt: "Die neuere Philosophie, als eine erkenntnistheoretische Skepsis, ist, versteckt oder offen, antichristlich" - und das ist schon um die 150 Jahre her!! - Dass Nietzsche hinzufügt "obschon, für feinere Ohren gesagt, keineswegs antireligiös", ist interessant und bedürfte einer tieferen Betrachtung. - An WELCHE Philosophie seiner Zeit denkt er da? Und gibt es HEUTE etwas davon?
Warum seiner Zeit? Er schreibt doch klar: Vedanta. Wobei hier hinzuzufügen wäre: Advaita Vedanta. Advaita = Nicht-dual (Atman = Brahman, Einzelseele = Weltseele). Dvaita = dual (Atman ist nicht Brahman). Es gibt nämlich auch Dvaita Vedanta.

Aber was kümmert dich das? Bei nächster Gelegenheit kommst du mit “Schein-Spiritualität” um die Ecke.

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#27 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von closs » So 6. Okt 2019, 01:20

Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 00:21
Die Einzelzitate bringe ich als Belege, damit du mal nachdenkst ob das, was du dir über Descartes zusammengereimt hast, korrekt ist.
Diese Position hast Du nicht. - Ich möchte zu Deinen Gunsten annehmen, dass Du nicht verstehst, was ich sage - das nehme ich teilweise auf mich.

Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 00:21
Wobei, wenn ich Einzelzitate nicht gebracht hätte, dann würdest du immer noch meinen, dass sich Descartes nie Gedanken darüber gemacht hat, dass auch die Logik oder die Mathematik bezweifelbar sind. Und wüsstest nichts von Descartes’s Gottesbeweis.
1) Descartes hat ALLES außer dem "Cogito" in seinem METHODISCHEN (!!!!) Radikal-Skeptizismus angezweifelt.
2) Der "Gottesbeweis" ist in Wirklichkeit eine glaubens-hermeneutische Folge ("Voraussetzung - Behauptung - Beweis). - Deshalb habe ich immer von "Glaube" gesprochen.
Du musst nicht dem zustimmen, was ich sage, aber Du solltest es wenigstens verstanden haben, bevor Du es scheinbar-überlegen in eine Dir genehme Ecke stellst. --- Missverstehe meine ritterliche Zurückhaltung nicht als Schwäche.

Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 00:21
Er war wider Willen der “Aufgeklärte dagegen”, da ihn die Kirche auf den Index setzte und seine Bücher in Frankreich verboten wurden. Natürlich hat er alles versucht, eine Synthese zwischen Rationalismus und Christentum zu schaffen.
Das war bei Hegel ähnlich. --- Meine Aussage war, dass er heute gerne in dieser Funktion "Aufgeklärter dagegen" rezipiert wird, mithin seine eigentliche christliche Grundhaltung ignoriert wird.

Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 00:21
Benno’s Glaubensentscheid
Von Benno habe ich nicht gesprochen.

Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 00:21
Die Aufklärung war sicherlich nicht in ihrer Gesamtheit anti-christlich, jedoch eindeutig anti-katholisch, von Anfang an!
Das war insofern kein Kunststück, dass die Kirche damals eine konservative weltliche Macht war und in ihrem Auftreten ganz sicher nicht spirituell sauber war - da wäre ich auch "anti" gewesen.

Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 00:21
Es wäre nur 1% so absurd und nur 0,1% so lächerlich, wenn du hier protestantisches Christentum und Aufklärung zusammenbringen wolltest
Wie kommst Du auf eine Diskussion "katholisch - evangelisch". - Ich meine, die ganze Zeit von "christlich" gesprochen zu haben. --- Mir geht es um philosophische Grundfragen.

Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 00:21
Das ist der Härtegrad deiner anachronistischen Denkweisen – wo man Katholizismus mit der Aufklärung zusammenbringen kann.
Siehst Du: Das ist wieder mal ein "gutes" Beispiel für Deine Unredlichkeit: Du bringst hier ein neues Thema rein, das mit mir überhaupt nichts zu tun hat, und ziehst mich da rein. --- Vollkommen daneben.

Ich spreche die ganze Zeit davon, dass Descartes die Notwendigkeit erkannt hat, dem, was man heute "Naturwissenschaft" nennt, eine spirituelle Grundlage zu geben - und habe dies mit heute verglichen, wo diese Notwendigkeit nicht mehr erkannt wird, weil man da aufhört zu denken, wo das Physikalische aufhört. - Damit verbunden ist die Frage: Wer ist/war philosophisch weiter/tiefer?

Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 00:21
Aber dennoch hat er eine Trennung zwischen der eigentlichen Religion, die ja nur durch göttliche Offenbarung über einen rein philosophischen Theismus hinausgeht, und seinem rationalistischem System gezogen.
Natürlich - eben deswegen, weil er auf Grund seines "Beweises"/Postulats/Glaubens eines "wohlwollenden Gottes" Vertrauen in solche rationalistische Systeme haben konnte. - Er konnte sich somit sozusagen auf sich und sein Denken verlassen, das zur Errichtung solcher Systeme fähig war.

Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 00:21
Philosophisch an den abstrakten Gott zu glauben, das ist reine Vernunft-Sache.
Auch das sieht man heute anders - heute gälte so etwas als unvernünftig. - Heute deutet man solche Gott-Affinitäten seitens Decartes unter dem Aspekt der Nachsicht - schließlich könne man von einem Menschen nicht gleich ALLE Aufklärung erwarten.

Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 00:21
Warum seiner Zeit? Er schreibt doch klar: Vedanta.
Du meinst also, wenn er schreibt "Die neuere Philosophie, als eine erkenntnistheoretische Skepsis, ist, versteckt oder offen, antichristlich: obschon, für feinere Ohren gesagt, keineswegs antireligiös", könne man meine Frage "WELCHE neuere Philosophie?" mit "Vedanta" beantworten?

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Thaddaeus
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#28 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von Thaddaeus » So 6. Okt 2019, 09:30

Andreas hat geschrieben:
Sa 5. Okt 2019, 14:43
[...]
Der böse Dämon muss Descartes nicht mal erschaffen, weil Descartes nur in der Vorstellung des bösen Dämons existieren könnte, und dieser sich selbst den Descartes nur aus-denkt, so wie Descartes sich den bösen Dämon aus-denkt oder sich Gott aus-denkt.
Dann würde er ihn ebenfalls erschaffen! Es geht ja nicht anders! Um ein Subjekt vollständig täuschen zu können, muss ein Subjekt vorhanden sein, welches zu zweifeln vermag.
Ich verstehe ehrlich gesagt deine und auch Claymores Einwände nicht (ich verstehe nicht einmal, ob es überhaupt Einwände sein sollen).
Und Nietzsche bringt keinen logisch einleuchtenden Einwand gegen Descartes Cogito, wie auch JackSparrow nicht und schon gar nicht Silverbullet oder closs, die allesamt noch gar nicht den Gedankengang des methodischen Zweifelns in den Meditaiones begriffen haben.

In meinen Augen ist die Logik des Descarteschen Beweises des Cogito elementar simpel: Ich zweifle radikal an allem ist mein unabweisbarer, phänomenaler Bewusstseinsinhalt als zweifelndes Denken. (Weise ich das zurück, diskutieren wir über nichts). Wenn es zweifelndes Denken gibt, welches ich als mein Zweifeln erlebe, muss es MICH als Zweifelnden gebe, egal ob ich im Kopf eines Dämons bin oder im Lehnstuhl vor dem Kamin wie Descartes. Das ist logisch ganz und gar unerheblich.

Was brauche ich da Vedanta oder Nietzsche? :lol:

Andreas hat geschrieben:
Sa 5. Okt 2019, 14:43
Leider habe ich von Modal-Logik keine Ahnung, aber ich habe das Gefühl, dass man damit diesen logischen Widerspruch, den ich vermute aufdecken könnte.
Man braucht auch keine Modallogik. In der kann man allenfalls eindrucksvoll modallogisch formulieren, dass das Cogito sum notwendig wahr ist, weil es in allen möglichen Welten wahr ist, selbst in einer, in der der Zweifelnde nur als Vorstellung im Kopfe eines bösen Dämons existiert für genau die Zeit, die das vorgestellte zweifelnde Subjekt benötigt, um zu erkennen, dass wenn es an allen zweifelt, etwas Zweifelndes da sein muss, an dem man nicht zweifeln kann.

Das Ich ist dabei für mich natürlich nichts anderes als das zweifelnde Denken, welches das Zweifeln als Seines erlebt.

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#29 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von SilverBullet » So 6. Okt 2019, 09:57

“Thaddaeus“ hat geschrieben:In meinen Augen ist die Logik des Descarteschen Beweises des Cogito elementar simpel: Ich zweifle radikal an allem ist mein unabweisbarer, phänomenaler Bewusstseinsinhalt als zweifelndes Denken. (Weise ich das zurück, diskutieren wir über nichts).
Eben, wir reden über nichts, wenn wir das Aussschliessen von „Bewusstseinsinhalten“ (ich verwende hier deinen Begriff, den ich nicht teile) korrekt und konsequent durchführen – das ist Praxis, die sich nicht an irgendwelchen Wünschen orientiert.

Wenn du also „Bewusstseininhalt“ wegnimmst, dann kann nicht „Bewusstseininhalt“ die Beweisgrundlage für irgendetwas sein -> simple Logik – dagegen verstösst du, durch das „ich kann mir über nichts mehr sicher sein als…“.

Wenn du konsequent vorgehst, dann kommst du exakt an dem entscheidenden Punkt an: der Realisierung.
Schliesst du das Erreichen dieses Punktes durch eine fehlerhafte Anwendung der Analyse-Regel aus, dann wirst du immer sagen „es ist ein gigantisches Rätsel“.

Wenn „Wahrnehmung“ letztlich nichts an sich selbst verlässlich feststellen kann, weil immer erst eine neue Reaktion benötigt wird, damit es zu einem Urteil über das kommen kann, was zum Zeitpunkt des Urteils aber schon nicht mehr „vorhanden ist“, was bedeutet dies dann für die Realisierung?
(Was genau ist denn dann „Bedeutung“?)

Was muss damit letztlich im Körper/Gehirn vorhanden sein, was musst du suchen?
Was hätte „Leibniz“ suchen müssen, als er „durch seine Mühle gelaufen“ ist?

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#30 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von Thaddaeus » So 6. Okt 2019, 10:03

SilverBullet hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 09:57
Wenn du also „Bewusstseininhalt“ wegnimmst, dann kann nicht „Bewusstseininhalt“ die Beweisgrundlage für irgendetwas sein [...]
Nimm deinen aktuellen Bewusstseinsinhalt doch einfach mal radikal weg ... :lol:

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