Was wollte Descartes?

Philosophisches zum Nachdenken
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Andreas
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#41 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von Andreas » So 6. Okt 2019, 16:42

Andreas hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 15:55
Hier bei Descartes sollte aber geklärt werden, was das absolute Sein ist. Bei ihm: A) denkendes Sein und B) ausgedehntes Sein - nicht aber alles mögliche nur aus-gedachte Sein, das kein Sein ist, sondern Ausgedachtes, was weder Kategorie A noch B angehört.
Deswegen habe ich doch closs diese Aufgabe gestellt.
Andreas hat geschrieben:
Do 19. Sep 2019, 08:31
Ordne du doch mal den Protagonisten und "Existenzen" in den cartesianischen Meditationen

Allgütiger Gott
Böser Geist
Ich
Mond (als Beispiel für das Ausgedehnte)

diese Begriffe

Subjekt
Objekt
res cogitans
res extensa
echt
nicht echt (nur Vorstellung von wem eigentlich?)

mal ganz konkret und ohne mordsmäßige Begründung zu.


Mir ist nämlich nie klar, was du mit Subjekt vs. Objekt bzw. res cogitans und res extensa meinst? Ist "Ich" Objekt des Subjektes Gottes und des Bösen Geistes? Sind Gott und der Böse Geist aus der subjektiven Sicht des "Ich" Objekt und res extensa? Oder gibt es in deinem Denken einen objektiven Standpunkt, von dem aus betrachtet sich das alles relativiert - mal so oder so?
Zugegeben eine dilletantische Falltabelle "aller möglichen Welten", aber diese "auszufüllen" dürfte das Problem, das ich hier sehe, ans Tageslicht bringen. Deshalb hat der sture Gaul closs auch vor diesem Hinderniss, den Sprung durch Ignorieren verweigert, und meint dadurch sei die Sache vom Tisch.

Der Threadtitel lautet: Was wollte Descartes?
Descartes wollte doch nicht auf diese Binse "Ich zweifle, also bin ich" hinaus, sondern auf das Sein. Diese Binse ist doch nur ein Zwischenschritt dahin aber nicht der wesentliche Inhalt, das, worauf Descartes eigentlich hinauswollte - das Sein an sich, und nicht nur das eigene Sein.

JackSparrow
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#42 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von JackSparrow » So 6. Okt 2019, 19:16

Thaddaeus hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 15:23
Aber kannst du dich darüber täuschen, dass es genau dieser Gedanke ist, den du grade denkst?
Woher weißt du denn, dass du gerade einen Gedanken denkst?

Im Augenblick des Denkens dieses Gedankens musst DU als Denkendes existieren
Aus einem im Augenblick gedachten Gedanken können wir auf die Existenz eines im Augenblick gedachten Gedanken schließen.

Was könnte ein böser Dämon versuchen, um mich auch noch über: "Ich denke den radikalen Zweifel, also muss ich als Denkendes dieses Zweifelns existieren" täuschen zu können?
Er müsste dich glauben lassen, es existiere ein denkendes Ich.

Und bin nicht ICH es, täuscht der Dämon sich in diesem Szenario lediglich SELBST.
Vielleicht möchtest du dich ja täuschen, weil du für die Erleuchtung noch nicht bereit bist.

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Thaddaeus
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#43 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von Thaddaeus » So 6. Okt 2019, 20:43

JackSparrow hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 19:16
Thaddaeus hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 15:23
Aber kannst du dich darüber täuschen, dass es genau dieser Gedanke ist, den du grade denkst?
Woher weißt du denn, dass du gerade einen Gedanken denkst?
Ich sreite mich nicht einmal mit Leuten, die die Evolutionstheorie ablehnen oder die spezielle und allgemeine Relativitätstheorie, weil sie nicht begreifen, worum es geht. Da ist mir die Zeit zu schadde.
Da werde ich mich ganz sicher nicht mit dir darüber streiten, ob man wissen kann, ob man einen Gedanken denkt. ;)

JackSparrow hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 19:16
Thaddaeus hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 15:23
Im Augenblick des Denkens dieses Gedankens musst DU als Denkendes existieren
Aus einem im Augenblick gedachten Gedanken können wir auf die Existenz eines im Augenblick gedachten Gedanken schließen.
Nein. Aus einem im Augenblick gedachten Gedanken können wir auf die Existenz eines diesen Gedanken denkenden Denkenden in genau diesem Augenblick schließen. ;) ;)

JackSparrow hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 19:16
Thaddaeus hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 15:23
Was könnte ein böser Dämon versuchen, um mich auch noch über: "Ich denke den radikalen Zweifel, also muss ich als Denkendes dieses Zweifelns existieren" täuschen zu können?
Er müsste dich glauben lassen, es existiere ein denkendes Ich.
Geht nicht. Siehe oben. ;) ;) ;)


JackSparrow hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 19:16
Thaddaeus hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 15:23
Und bin nicht ICH es, täuscht der Dämon sich in diesem Szenario lediglich SELBST.
Vielleicht möchtest du dich ja täuschen, weil du für die Erleuchtung noch nicht bereit bist.
In diesem Falle bin ich der genius malignus, der ein Denkendes erschafft, um es über sein Zweifeln dazu zu bringen, sich darüber zu täuschen, dass es zweifelt. ;) ;) ;) ;)

Claymore
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#44 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von Claymore » So 6. Okt 2019, 21:40

closs hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 16:19
Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 15:38
Und das Problem am Uhrwerk ist, dass es in Richtung Deismus (typisch für die Aufklärung) geht. Es widerspricht dem klassischen Gedanken, dass Gott die Welt in jedem Moment erhält.
Richtig - deswegen "Uhrwerk". - Aber das Uhrwerk muss irgendwo herkommen.
Und eventuell ist das Gott, aber er sieht eher aus wie ein deistischer Gott. Und in der Welt selbst ist nichts an spirituellem zu finden.
Hume hat übrigens die "Dialoge über natürliche Religion" geschrieben (am Ende seines Lebens) - da lässt er sehr viel offen. - Atheistisch ist er da gewiss nicht - agnostisch im Sinne von "Ich weiß, dass ich nichts weiß" sicherlich schon (aber für wen gilt das nicht?). - Nee - da urteilst Du zu holterdipolter.
Nee, einer der zentralen Ziele von Hume war, die die Dogmen des traditionellen theistischen Glaubens zu widerlegen. Darum geht’s auch in den “Dialogen über natürliche Religion”. Das ist sicherlich nicht mehr bloß Agnostizismus im Sinne “ich weiß, dass ich nichts weiß”.
Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 15:38
Wer kommt denn mit dir zurecht?
Leute, die sowohohl philosophisch als auch spirituell gebildet sind (gibt es tatsächlich) - und Leute, die geistigen Instinkt haben, so dass man nicht intellektuell diskutieren muss.
Nach meinen Beobachtungen kommst du nur mit Leuten zurecht, die zu allem was du sagst Ja und Amen sagen.
Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 15:38
Ja, hat er. Weil er den ganzen Scholastischen Unterbau abgelehnt hat.
Das ist ja verständlich, aber das nimmt ihm doch nichts von seinem spirituellen Bewusstsein.
Es ging darum, wo er kirchlichen Dogmen direkt widersprach.
Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 15:38
Ein Atheist kann von radikalen Zweifeln überfallen werden. Darum ging es.
Ja, das geht. - Denn auch ein Atheist ist vom Wesen her jemand, der über das Atheistische hinaus angelegt ist. - Das meldet sich halt dann gelegentlich.
Und dann? Was für einen Nutzen hat dann Descartes für diesen Atheisten?
Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 15:38
Diesen Irrtum beschreibst du mit: “Er hat diese Frage mit Glauben gelöst”.
Aus heutiger Sicht - ja. - Dass er gemeint hat, er wüsste es, bleibt doch bestehen. ----- Und wie bereits anfangs gesagt: Es ist egal, ob er per "Beweis" von Gott oder per Glauben an Gott arbeitet: Er arbeitet auf Basis Gott. - Auf diese Idee würde eine heutiger "Aufgeklärter" gar nicht mehr kommen, weil sich das Anthropozentrische komplett vom Theozentrischen gelöst hat.
Man würde doch meinen, dass bei Glauben in diesem Kontext ein Bewusstsein der Unsicherheit oder der subjektiven Gründe vorliegt.

Egal. –– “Er hat diese Frage mit Glauben gelöst” – wie denn? Sicher wollte er sie nicht mit Glauben lösen.

Ich bin ja nicht der einzige, der dich darauf hingewiesen hast, dass “einfach glauben” keine Lösung für die aufgeworfenen Probleme ist. Natürlich auch nach Descartes’s eigenen Standards nicht.

Aber da kommt eh nix.
Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 15:38
Feuerbach, Comte, Marx, Nietzsche, Stirner, Russell, Freud, Sartre usw. die gehören alle mit Garantie nicht zur Epoche der Aufklärung.
Moment: Aber die meisten der Genannten (sie einzeln durchzugehen, wäre ein Seminar) fühlen sich in der Tradition der Aufklärung, weil sie den Anthropozentrismus immer weiter treiben. - Feuerbach sagt doch nicht: "Ich vertrete eine Gegenrichtung zur Aufklärung, weshalb ich postulieren, dass Gott eine Einbildung des Menschen ist". - Und Materialismus und Existentialismus sind doch Folgeerscheinungen oder Erscheinungen einer völlig anthropozentrierten Aufklärung und nicht einer spirituellen Sichtweise der Welt - oder siehst Du das anders?
Mannomannomann. Strawman ultimate.

Ich habe nicht behauptet, dass in Gesamtheit deren Auffassungen 100% konträr zur Aufklärung stehen. Das ist selbstverständlich nicht der Fall. Nur, dass es sehr merkliche Unterschiede gibt. Jeder der genannten widerspricht einzelnen, unterschiedlichen Kern-Aspekten (den Idealen, dem Vernunft-Optimismus, den Erklärungsmustern, etc.) des Denkens der aufklärerischen Epoche.

Sei es Marx’s Skepsis gegenüber den Werten wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, hinter denen er bloß Klasseninteressen sieht; sei es Nietzsche’s Perspektivismus (nicht umsonst wurde er als “Gegenaufklärer” bezeichnet); sei es Feuerbach’s Vorstellung von Religion als symbolischem Ausdruck von menschlichen Sehnsüchten (im Gegensatz zu der eher oberflächlichen Erklärung Nr. 1 der Aufklärung: Priesterbetrug).

Wobei der gemeinsame Nenner wohl ist: Skepsis gegenüber der Vernunft der Menschen. Also gerade nicht “völlig anthropozentriert”

Du kannst deine These nur verteidigen, wenn du wieder mal “Aufklärung” umdefinierst.
closs hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 16:19
GAR NICHT, Du Hirn. ---- Es ist doch schon eine anthropozentristische Auffassung zu meinen, dass Authentizität nur dann da wäre, wenn man es weiß. - Das kann man nur erschließen, spüren, hoffen. - Es ist für einen Analytischen Philosophen nicht greifbar und deshalb als Option unbeliebt.
Ich hab deine Manipulationsversuche so satt. Da steht klar “authentisch … sein wollte” nicht “authentisch … ist” :!:

Wenn die US-Zentralbank “authentisch zu Gott sein wollte” als sie “In God we trust” auf die Dollarnoten druckte, dann ist das spirituell für dich, ja?
closs hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 16:19
1) Hier ging es um das Verständnis einer Nietzsche-Aussage.
2) Der Bezug zu Descartes ist mir auf Anhieb auch nicht geläufig.
“Ich mußte das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen.” gibt nur einen Sinn, wenn man vorher meinte zu wissen, das ist alles. Aber anscheinend sind wir wenigsten in diesem Punkt durch. Descartes meinte zu wissen. Diese Interpretation ist keine Spekulation.

closs
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#45 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von closs » So 6. Okt 2019, 23:13

Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 21:40
Und eventuell ist das Gott, aber er sieht eher aus wie ein deistischer Gott.

Aber es ist Gott - die Welt kommt nicht aus sich selbst.
Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 21:40
Das ist sicherlich nicht mehr bloß Agnostizismus im Sinne “ich weiß, dass ich nichts weiß”.
Er hatte auch eine skeptische Phase. - Die Stanford Encyclopedia of Philosophy schreibt:" Hume is what we may describe as a “soft skeptic” with respect to the issue of theism. Throughout his writings, while he is certainly concerned to discredit various (dogmatic) proofs for the existence of God, he also avoids advancing or endorsing any (dogmatic) atheistic arguments and their conclusions".
Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 21:40
Nach meinen Beobachtungen kommst du nur mit Leuten zurecht, die zu allem was du sagst Ja und Amen sagen.
Das wären sehr wenige. - Ich komme eigentlich mit allen zurecht, weil ich distanziert bin. Mich interessiert das Denken der Menschen - was es so alles gibt.
Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 21:40
Was für einen Nutzen hat dann Descartes für diesen Atheisten?
Vermutlich keinen, weil Descartes letztlich die Grundfragen über Gott begründet. - Ist das wichtig?
Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 21:40
Sicher wollte er sie nicht mit Glauben lösen.
Richtig. - Er hat geglaubt, dass er beweist.
Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 21:40

Ich bin ja nicht der einzige, der dich darauf hingewiesen hast, dass “einfach glauben” keine Lösung für die aufgeworfenen Probleme ist.

Wenn das Problem lautet "Wie kann ich für wahr halten, dass die Res extensa nicht nur meine ('böse') Vorstellung sind?", geht das schon. Ob "Gottes-Beweis" oder "Glaubensentscheid": Die Funktion ist dieselbe. - Welche Funktion  hat denn nach Deiner Ansicht sein "Gottes-Beweis"?
Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 21:40
Wobei der gemeinsame Nenner wohl ist: Skepsis gegenüber der Vernunft der Menschen. Also gerade nicht “völlig anthropozentriert”

Das sehe ich wirklich anders. - Die Leute sind doch aus ihrer aufklärerisch verstandenen Vernunft skeptisch - oder nicht? -- Um etwas klarzustellen: Ich rede hier nicht von der Epoche "Aufklärung" - die haben wir immer mit dem Tod von Kant und dem Aufkommen der Romantik aufhören lassen - als Epoche. --- Aber auch heute spricht die Gesellschaft von "aufgeklärt", wenn sie sich meint - mit anderen Worten: Aufklärung ist nicht nur Epoche, sondern ein durchgehendes Attribut bis in die heutige Zeit. - Natürlich gibt es da Dellen (vor allem die Romantik). --- Und dann hätten wir hier noch das Problem der Sprache: Ist jemand nicht aufgeklärt, weil er intellektuell/philosophisch aufdeckt, dass die Aufklärung skeptisch zu sehen ist? - ich vermute, er würde sich selbst gerade deshalb als aufgeklärt bezeichnen.
Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 21:40

Wenn die US-Zentralbank “authentisch zu Gott sein wollte” als sie “In God we trust” auf die Dollarnoten druckte, dann ist das spirituell für dich, ja?
Mehr als unwahrscheinlich. --- Hier gibt es keine dialektischen Tricks - Spiritualität ist ein Intimes zwischen Gott und Mensch. - Von außen nicht verifizierbar.
Claymore hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 21:40
Descartes meinte zu wissen.
Ja, er glaubte das.






 

JackSparrow
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#46 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von JackSparrow » Mo 7. Okt 2019, 07:10

Thaddaeus hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 20:43
Da werde ich mich ganz sicher nicht mit dir darüber streiten, ob man wissen kann, ob man einen Gedanken denkt.
Weil du aufgrund deiner christlichen Prägung dein Ich-Konzept nicht aufgeben möchtest? Schopenhauer mit seinen halb buddhistischen Ansichten war zumindest schon bereit, das Denken durch das Wollen zu ersetzen, am Ende ist er dann aber doch auf halbem Wege stehengeblieben.

Aus einem im Augenblick gedachten Gedanken können wir auf die Existenz eines diesen Gedanken denkenden Denkenden in genau diesem Augenblick schließen.
Die musst du vorher schon vorausgesetzt haben. Betrachten wir daher einen Einwand des Herrn Nietzsche: Woher nehme ich den Begriff Denken? Warum glaube ich an Ursache und Wirkung? Was giebt mir das Recht, von einem Ich, und gar von einem Ich als Ursache, und endlich noch von einem Ich als Gedanken-Ursache zu reden?

In diesem Falle bin ich der genius malignus, der ein Denkendes erschafft, um es über sein Zweifeln dazu zu bringen, sich darüber zu täuschen, dass es zweifelt.
Nur weil du Zusatzprämissen erfindest, die sich aus der ursprünglichen Beobachtung aber gar nicht ableiten lassen. Betrachten wir hierzu eine weitere Ausführung des Herrn Nietzsche: ein Gedanke kommt, wenn »er« will, und nicht wenn »ich« will; so dass es eine Fälschung des Thatbestandes ist, zu sagen: das Subjekt »ich« ist die Bedingung des Prädikats »denke«.
(...)
Zuletzt ist schon mit diesem »es denkt« zu viel gethan: schon dies »es« enthält eine Auslegung des Vorgangs und gehört nicht zum Vorgange selbst. Man schliesst hier nach der grammatischen Gewohnheit »Denken ist eine Thätigkeit, zu jeder Thätigkeit gehört Einer, der thätig ist, folglich –«

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Thaddaeus
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#47 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von Thaddaeus » Di 8. Okt 2019, 19:35

JackSparrow hat geschrieben:
Mo 7. Okt 2019, 07:10
Thaddaeus hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 20:43
Da werde ich mich ganz sicher nicht mit dir darüber streiten, ob man wissen kann, ob man einen Gedanken denkt.
Weil du aufgrund deiner christlichen Prägung dein Ich-Konzept nicht aufgeben möchtest?
Ich habe kein Ich-Konzept, - sondern ein Ich. Zuerst ist das Ich, dann ein Konzept dazu. Nur, wenn ich mein Ich als etwas empfinde, das eines theoretischen Konzeptes bedarf, versuche ich ein erklärendes Konzept dazu zu entwerfen. Sonst gibt es keinen Grund für ein Konzept. Ist doch klar ...

Zudem ist das Ich keine Erfindung des Christentums, sondern der Evolution.

Das lyrische Ich allerdings ...
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... ist in der griechischen Literatur entstanden. So verstanden sich die frühesten griechischen Autoren Pindar und Homer beispielsweise als Sprachrohr der Musen bzw. des Gottes Apollon. Daher kommt noch unsere Redewendung: "Von der Muse geküsst werden". Das heißt, diese Autoren haben sich nicht selbst als Verfasser ihrer Werke verstanden, sondern sie haben nach eigenem Verständnis nur das wiedergegeben, was die Musen ihnen eingaben. Man musste zu seinem Werk "inspiriert" werden, das ist auch der tiefere geistesgeschichtliche Hintergrund von Inspirationslehren.

Es gibt einen schönen Aufsatz des Altphilologen Bruno Snell, wann und wie sich das in der griechischen Literatur änderte und sich die Autoren zunehmend als verantwortliche Verfasser ihrer Werke begriffen (Das Erwachen der Persönlichkeit in der frügriechischen Lyrik, in: Bruno Snell, Die Entdeckung des Geistes, Studien zur Entstehung des europäischen Denkens bei den Griechen, 5. Aufl., Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen: 1980, S.56ff).

JackSparrow hat geschrieben:
Mo 7. Okt 2019, 07:10
Schopenhauer mit seinen halb buddhistischen Ansichten war zumindest schon bereit, das Denken durch das Wollen zu ersetzen, ...
Ja, aber etwas anders, als du es meinst. Der Titel seines Hauptwerkes heißt: Die Welt als Wille und Vorstellung. Die ganze Welt wird durch den Willen erschaffen, der letztlich etwas Größeres darstellt, als der individuelle Einzelwille. Außerdem leugnet Schopenhauer nicht, dass Menschen denken.

JackSparrow hat geschrieben:
Mo 7. Okt 2019, 07:10
Thaddaeus hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 20:43
Aus einem im Augenblick gedachten Gedanken können wir auf die Existenz eines diesen Gedanken denkenden Denkenden in genau diesem Augenblick schließen.
Die musst du vorher schon vorausgesetzt haben.
"Die"? Ich denke ;), du meinst "Den" (Denkenden).

Ähm, nö. Ein schönes Rätsel des Bewusstseins ist, dass man sich beim Denken "zuhören" kann. Ich denke etwas und weiß gleichzeitg, dass ich genau das denke. ICH denke ...

JackSparrow hat geschrieben:
Mo 7. Okt 2019, 07:10
Betrachten wir daher einen Einwand des Herrn Nietzsche: Woher nehme ich den Begriff Denken?
Aus dem Denken.
JackSparrow hat geschrieben:
Mo 7. Okt 2019, 07:10
Warum glaube ich an Ursache und Wirkung?
Weil ich überall Ursache-Wirkungszusammenhänge beobachte.
JackSparrow hat geschrieben:
Mo 7. Okt 2019, 07:10
Was gibt mir das Recht, von einem Ich, und gar von einem Ich als Ursache, und endlich noch von einem Ich als Gedanken-Ursache zu reden?
Ich habe das Recht von meinem Ich zusprechen, weil ich ein Ich habe. Ich habe das Recht, von meinem Ich als Ursache zu reden, weil ich denken kann, dass ich gerne einen Kaffee hätte und mir Kaffee mache. Ich habe das Recht, von meinem Ich als Gedankenursache zu sprechen, weil ich es bin, der Gedanken fasst: z.B. den gerade geschriebenen.

JackSparrow hat geschrieben:
Mo 7. Okt 2019, 07:10
Thaddaeus hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 20:43
In diesem Falle bin ich der genius malignus, der ein Denkendes erschafft, um es über sein Zweifeln dazu zu bringen, sich darüber zu täuschen, dass es zweifelt.
Nur weil du Zusatzprämissen erfindest, die sich aus der ursprünglichen Beobachtung aber gar nicht ableiten lassen. Betrachten wir hierzu eine weitere Ausführung des Herrn Nietzsche: ein Gedanke kommt, wenn »er« will, und nicht wenn »ich« will;
Hier stimme ich Nietzsche sogar zu. Wir (er)fassen Gedanken. Dies zu erläutern bedarf allerdings eines Seminars über mindestens 1 Semester mit 4 Std. pro Woche. Ich stimme Nietzsche auch nur darum zu, weil der weitaus bessere Denker Gottlob Frege sehr plausibel gemacht hat, dass es tatsächlich so ist, dass wir Gedanken (er)fassen. Dasjenige, was Gedanken erfasst, ist freilich das Ich.

JackSparrow hat geschrieben:
Mo 7. Okt 2019, 07:10
so dass es eine Fälschung des Thatbestandes ist, zu sagen: das Subjekt »ich« ist die Bedingung des Prädikats »denke«.
(...)
Ein bisschen ist das richtig, aber ohne Ich geht halt gar nix.

JackSparrow hat geschrieben:
Mo 7. Okt 2019, 07:10
Zuletzt ist schon mit diesem »es denkt« zu viel gethan: schon dies »es« enthält eine Auslegung des Vorgangs und gehört nicht zum Vorgange selbst. Man schliesst hier nach der grammatischen Gewohnheit »Denken ist eine Thätigkeit, zu jeder Thätigkeit gehört Einer, der thätig ist, folglich –«
Ach, das ist auch viel Nietzscheanisches Blablubb. Nietzsche war ein bewundernswerter Meister der deutschen Sprache und auf seine Weise zweifellos genial. Aber als systematisch-strukturiertdenkender Denker war er eine echte Niete.

Eines meiner Lieblingsgedichte von Nietzsche:

Über meiner Haustür
Spoiler
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Ich wohne in meinem eigenen Haus,
Hab Niemandem nie nichts nachgemacht
Und - lachte noch jeden Meister aus,
Der nicht sich selber ausgelacht.

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#48 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von JackSparrow » Mi 9. Okt 2019, 05:45

Thaddaeus hat geschrieben:
Di 8. Okt 2019, 19:35
Zuerst ist das Ich, dann ein Konzept dazu.
Um ein Konzept von Personalpronomen zu entwickeln muss man zuerst die Sprache erlernen, in welcher das betreffende Personalpronomen enthalten ist.

Nur, wenn ich mein Ich als etwas empfinde,
Personalpronomen kann man nicht empfinden. Man kann sie lesen, schreiben, hören oder sprechen.

Ein schönes Rätsel des Bewusstseins ist, dass man sich beim Denken "zuhören" kann. Ich denke etwas und weiß gleichzeitg, dass ich genau das denke. ICH denke ...
"Bewusstsein", "Denken", "Ich" und "wissen" sind alles erlernte, sprachliche Ausdrücke und als solche selbst Produkte des Denkens.

Ich habe das Recht, von meinem Ich als Ursache zu reden, weil ich denken kann, dass ich gerne einen Kaffee hätte und mir Kaffee mache.
Im Grunde kennst du nicht die Ursache deines Wunsches nach Kaffee und verwendest das Personalpronomen als Platzhalter und Lückenfüller, so wie Kreationisten einen Gott als Platzhalter und Lückenfüller verwenden, wenn sie die Evolution des Lebens nicht erklären können. Für einen externen Beobachter ließe sich die physikalische Kausalkette deines Wunsches nach Kaffee möglicherweise bis zum ersten Einzeller zurückverfolgen, ohne dass in dieser Abfolge von Ereignissen je irgendwo ein Personalpronomen intervenieren musste.

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#49 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von Pluto » Mi 9. Okt 2019, 13:51

Thaddaeus hat geschrieben:
Di 8. Okt 2019, 19:35
Ich habe kein Ich-Konzept, - sondern ein Ich. Zuerst ist das Ich, dann ein Konzept dazu. Nur, wenn ich mein Ich als etwas empfinde, das eines theoretischen Konzeptes bedarf, versuche ich ein erklärendes Konzept dazu zu entwerfen. Sonst gibt es keinen Grund für ein Konzept. Ist doch klar ...

Zudem ist das Ich keine Erfindung des Christentums, sondern der Evolution.


Ich stimme dir hier zu.
Das ICH ist zentral für alle unsere Tätigkeiten, also auch fürs Denken. Ohne dem ICH ist der Organismus ein Nichts. Ohne dem ICH kann ich keine Gedanken haben. Das ICH ist kein Konzept. Das ICH stellt meinen Organismus dar.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#50 Re: Was wollte Descartes?

Beitrag von abc » Do 10. Okt 2019, 13:43

Betreff: Was wollte Descartes?

Claymore hat geschrieben:
Mi 2. Okt 2019, 22:10
Es ging ihm um einen Beweis ohne Vorannahmen, dass wir zu unbezweifelbarem Wissen gelangen können ...

Thaddaeus hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 09:30
In meinen Augen ist die Logik des Descarteschen Beweises des Cogito elementar simpel: (...)

Andreas hat geschrieben:
Sa 5. Okt 2019, 14:43
Leider habe ich von Modal-Logik keine Ahnung, aber ich habe das Gefühl, dass man damit diesen logischen Widerspruch, den ich vermute aufdecken könnte.
Man braucht auch keine Modallogik. In der kann man allenfalls eindrucksvoll modallogisch formulieren, dass das Cogito sum notwendig wahr ist, weil es in allen möglichen Welten wahr ist, selbst in einer, in der der Zweifelnde nur als Vorstellung im Kopfe eines bösen Dämons existiert für genau die Zeit, die das vorgestellte zweifelnde Subjekt benötigt, um zu erkennen, dass wenn es an allen zweifelt, etwas Zweifelndes da sein muss, an dem man nicht zweifeln kann.

Das Ich ist dabei für mich natürlich nichts anderes als das zweifelnde Denken, welches das Zweifeln als Seines erlebt.

Vermutlich ist besagte Erkenntnis auch ohne Umweg - also über die Skepsis, im Sinne des zweifelnden Denkens - möglich. Denn anstatt über mögliche Eventualitäten nachzudenken, kann das Denken sich einer eigenen Betrachtung unterziehen. Sofern der Mensch diese Möglichkeit wahrnimmt, lässt sich erfahren, daß Betrachtungsgegenstand und Medium sich im Element gleichen, er selbst darin tätig sein kann.

Innerhalb dieser Tätigkeit (Wirklichkeit) wäre das jeweilige Wissen (Sein) in/für sich evident.

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