Der sprachbegabte Mensch

Philosophisches zum Nachdenken
Tree of life
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#41 Re: Der sprachbegabte Mensch

Beitrag von Tree of life » So 6. Okt 2019, 13:07

abc hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 12:41

Unsere Menschengruppe sollte demnach aus mindestens zwei Personen bestehen.
Kennst du den Film Nell mit Jodie Foster?
https://de.wikipedia.org/wiki/Nell

Mirjam
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#42 Re: Der sprachbegabte Mensch

Beitrag von Mirjam » So 6. Okt 2019, 17:39

SilverBullet hat geschrieben:
Sa 5. Okt 2019, 19:44
“Mirjam“ hat geschrieben:Wenn das Tier nun sein Spiegelbild bemerkt, betrachtet, und als Reaktion darauf beginnt, die eigene Stirn zu säubern - dann hat es den Farbklecks im Spiegel entdeckt, hat sein Spiegelbild als Abbild seiner selbst erkannt und korrekt geschlossen, dass ein Klecks auf der Stirn des Spiegelbildes in der Tat einen Klecks auf der eigenen Stirn bedeutet.
Das Tier hat den Klecks gefunden, indem es den Zusammenhang einer Spiegelung aufgebaut hat.
Exakt darum geht es im Spiegeltest („Rougetest“).

Es ist kein Test für „Ich-Bewusstsein“, sondern eine Art Intelligenztest, also die Überprüfung, ob ein bestimmter Zusammenhang aufgebaut wird.
Wenn ein Tier diesen Test nicht „besteht“, sagt dies rein gar nichts darüber aus, ob es die Zusammenhänge des „Ich-Bewusstseins“ aufbaut, denn dieser Vorgang ist vollständig „privat“ (wir nennen es „unser Inneres“)

Ppffffffffffffffffffffffff..............................

Hört ihr das?
Das ist die heiße Luft, die aus einem meiner Lieblingsmodelle entweicht. :shock: :(

Ich hatte den Spiegeltest tatsächlich als zuverlässige Anzeige eines Ich-Bewusstseins angenommen - ein schöner, fester Grenzstein zwischen einer "nur" tierischen Cleverness und einer "echten", menschenähnlichen Intelligenz.
Aber du hast vollkommen Recht, SilverBullet... bei genauerem Hinsehen ist der Grenzstein vielleicht doch nur ein Häufchen Sand, der im Winde verweht. Spannend!!!

SilverBullet hat geschrieben:
Sa 5. Okt 2019, 19:44
Der jeweilige Sprecher demonstriert damit, dass er noch nie den Punkt erreicht hat, an dem er sich um eine tatsächliche Realisierung der menschlichen Wahrnehmung gekümmert hat.
Der Witz dabei ist das elementar notwendige Objektverständnis.
Sprichst du hier von einer Object Perception nach Elizabeth Spelke? (kannte ich vorher nicht, habe ich nur eben gegoogelt)
Und wie genau würdest du das nun auf den Spiegeltest anwenden?

Ich verstehe dich hier so:
- eine ganze Menge Tiere können Objekte in ihrer Umgebung auseinander halten, wiedererkennen, die Eigenschaften dieser Objekte einschätzen und ihr Handeln danach orientieren
- Tiere haben eine solche Objektwahrnehmung auch im Bezug auf den eigenen Körper (Würde man ihnen den Farbklecks auf die Pfote setzen, wo sie ihn sehen können, würden viele Tiere sofort beginnen, sich zu putzen - weil sie das Objekt (Subjekt?? :o ) "mein Körper" durchaus zuverlässig definiert haben und den Klecks als "fremd" erkennen? So in etwa?)*
- Der Spiegeltest beweist lediglich, dass das betreffende Wesen verstanden hat, was eine Spiegelung ist. Es würde also ein "Ich-Bewusstsein" im Bezug auf den eigenen Körper ohnehin schon besitzen, es hätte dann nur ZUSÄTZLICH verstanden, dass die Spiegelung ein Abbild dieses Körpers ist?
- Ob das Wesen ein "Ich-Bewusstsein" besitzt, das über die Existenz seines individuellen physischen Körpers hinausgeht, können wir dagegen mit dem Spiegel in keiner Weise beobachten oder nachweisen?

* Und wäre das Gegenbeispiel in Form einer nicht gelungenen Selbstwahrnehmung dann der Hundewelpe, der seinen eigenen Schwanz jagt?

Bitte korrigiere mich hier, ich will dir keine Worte in den Mund legen... das waren jetzt nur meine eigenen Überlegungen dazu.


SilverBullet hat geschrieben:
Sa 5. Okt 2019, 19:44
Wenn man nun z.B. den Präriehund unter dem Gesichtspunkt von „hat er ein Objektverständnis“ beobachtet, dann gibt es noch nicht einmal die Möglichkeit eines Zweifels, dass es da sein muss. Du selbst sprichst ja darüber, was die einzelnen Rufe für eine Objektbedeutung haben.
Mit einem Säugetiergehirn läuft da ein Objekt-, ein Positions-, ein Gegenüber-/ Perspektiv-verständnis ab, das an Hand eines Handlungsverständnisses zu einer sinnvollen Reaktion umgesetzt wird.

Nimm mal diese „Bausteine“ aus dem „Ich-Bewusstsein“ heraus –> da bleibt kaum noch etwas übrig.

Ist also ein Präriehund „Ich-bewusst“?
=> es ist ratsam davon auszugehen, insbesondere solange wir die menschliche Wahrnehmung noch nicht herstellen können.
Alles andere ist blödsinnige Philosophie.

Was dann aber wiederum in Bezug auf das Thema Sprache bedeutet:
Es wäre ebenso blödsinnig, tierische Formen der Kommunikation auszuklammern und davon auszugehen, dass Sprache ein rein menschliches Phänomen ist, oder?


abc, ich finde, wir sollten das "wie viele" in deiner Modell-Menschengruppe vorerst vergessen und uns erst einmal um ein "wann" kümmern. "Wann" nicht unbedingt im Sinne einer Zeitangabe, sondern im Sinne einer Entwicklungsstufe.

Willst du zurück zu den ersten Anfängen der menschlichen Sprachentwicklung? Ich glaube, dann müssen wir über Kommunikationsweisen reden (pun intended), die eben kein Alleinstellungsmerkmal des Menschen sind.
Oder willst du jenen entscheidenden Kreuzungspunkt definieren, ab dem sich menschliche Sprache von der Sprache anderer Lebewesen grundsätzlich unterscheidet?
Und woran will man das festmachen... Ein Mindestmaß an Wortschatz? Eine bestimmte grammatikalische Komplexität? Die Existenz abstrakter Begriffe?


Liebe Grüße

Mirjam

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Andreas
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#43 Re: Der sprachbegabte Mensch

Beitrag von Andreas » So 6. Okt 2019, 18:07

Es gibt viel bessere Belege als den Spiegeltest für Selbstbewusstein und die mentalen Grundlagen für Kommunikation und differenziert ausgeprägte Sprache. Den hier zum Beispiel: https://youtu.be/OIzWc90fZrQ?t=2651

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pilger
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#44 Re: Der sprachbegabte Mensch

Beitrag von pilger » So 6. Okt 2019, 21:17

Der Sprachbegabte Mensch seit Babel hat eines hervorgebracht!
Verwirrung!!!

pilger

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#45 Re: Der sprachbegabte Mensch

Beitrag von SilverBullet » So 6. Okt 2019, 21:33

Mirjam hat geschrieben: Aber du hast vollkommen Recht, SilverBullet... bei genauerem Hinsehen ist der Grenzstein vielleicht doch nur ein Häufchen Sand, der im Winde verweht. Spannend!!!
Es ist die grundsätzliche Gefahr bei diesen Tests.
Man führt eine grobmotorische Aktion aus, und baut darauf eine Deutung auf, die eine gigantisch detailliert ablaufende [/color](Gehirn-)Reaktion beurteilen können soll.

Was für den Spiegeltest gilt, gilt auch für den „Turing“-Test. Da wird auch alles mögliche hineingedichtet, aber tatsächlich testet er nur ob ein Mensch am Ende die Meinung bildet, das ein ansonsten nicht einsehbarer Reaktionsverlauf auf eine Intelligenz zurückgeht. Der Test testet also quasi den beurteilenden Menschen und nicht die Einheit von der die Reaktion ausgeht.

Das ist aber nur ein Scheintheater denn letztlich müssen wir verstehen, was Intelligenz ist, um Intelligenz zu testen - analog rund um "Bewusstsein".
Insgesamt zeigt der Kompass aber in Richtung der Fähigkeit, Zusammenhänge aufzubauen - dem Hoheitsgebiet eines Gehirns.

Mirjam hat geschrieben: Sprichst du hier von einer Object Perception nach Elizabeth Spelke?
Ich kenne diesen Namen noch nicht einmal :-)

Ich spreche von einer grundlegenden Problematik, die sich relativ schnell herausbildet, sobald man sich die Möglichkeiten überlegt, mit denen aus den Daten eines Sinnesorganes irgendetwas angefangen werden kann.

Basteln wir uns mal kurz eine „Sehplatte", 5x5cm gross und ein paar tausend einzelne Reizpunkte darauf, die auf Licht reagieren (sagen wir „hell/dunkel“).
Bei der Konfrontation mit einer „Weltszene“ bildet sich auf dieser Platte eine Art „Muster“ heraus.
Nun zeigt sich sofort das Problem, dass es sich für uns, als menschliche Betrachter, als ein Muster darstellt.
Allein durch die Platte werden aber keinerlei Zusammenhänge zwischen den Reizpunkten aufgebaut. Bereits der Zusammenhang von „Nachbarschaft“ fehlt komplett,
Irgendwelche Vergleiche auf Ähnlichkeiten und damit Zusammenhänge von „grösseren Einheiten“, was letztlich für ein „Objektverständnis“ benötigt wird, gibt es nicht.

Jetzt kann man minuziös anfangen und einfach mal zwischen den Punkten neue Schaltübergänge einführen, die sozusagen die Nachbarschaft ausdrücken sollen. Andere erfassen irgendwie die Ähnlichkeiten usw. usw.
Nach sehr kurzer Zeit sollte man sich die Frage stellen, wie man nun all diese Spezialzusammenhänge auseinander halten und kontrolliert kombinieren können möchte – und zwar auf eine Art und Weise so dass dies von einzelnen Gehirnzellen lokal, über einen Mechanismus bewältigt wird.

Sehr schnell kommt man zum Urteil „Aussichtslos“.

Nun kommt aber eine Feststellung aus der Neurowissenschaft, die erstaunlich ist: das Gehirn ist wachstumstechnisch topologisch organisiert, d.h. Nachbarschaften werden räumlich, also in der Ausdehnung des Gehirns, beibehalten.
Hier liegt also etwas ganz anderes vor, als es bei einem Computer der Fall ist bzw. von Software genutzt wird.
Die Schwierigkeit, Nachbarschaftszusammenhänge auszudrücken ist damit (vermutlich) bereits bauarttechnisch vom Tisch – das Problem ist quasi physikalisch erschlagen und zwar im gesamten Gehirn.

Wie sieht es nun mit Ähnlichkeiten aus?
Ich kürze ab: würden sich Ähnlichkeiten in Rhythmen und Gleichzeitigkeiten auswirken, dann wäre auch dies physikalisch erschlagen und zwar im gesamten Gehirn.

Was ist nun ein „Objekt“?
Grundsätzlich benötigt man „Zusammengehörigkeit“, also so etwas wie die obige „Ähnlichkeit“ (-> Gleichzeitigkeit).
Zum „Objektverständnis“ gehört aber auch Perspektive bzw. eine „Gegenüberstellung“.
Ein Objekt liegt für uns immer „in Bezug“ und das immer in einer „Gesamtsituation“ vor.
Zu einem Objekt gehört ganz schön viel und zwar Unterschiedliches, das laut der Forschung an unterschiedlichen Stellen im Gehirn zu Aktivität führt, so soll z.B. Form und Position von den Farbanteilen, also der Oberfläche, getrennt verarbeitet werden.
Wo ist da ein Bezug, wo wird aus vielen Teilen „ein Ganzes“ und wo eine Art „Relation“ zwischen Objekt und dem was aktuell kein Objekt ist, quasi, dem, was auch Objekt sein könnte?
Auch hierfür wäre es toll, wenn die Fragestellung bauarttechnisch gelöst wäre, weil es dann nicht auf viele Zellen ankommen muss, denen man eine „rätselhafte“ Zielstrebigkeit unterstellen müsste.
Nun ist das Gehirn gigantisch vernetzt, d.h. ein Aktivitätsherd steht über einen Gigantismus an Verbindungen in Relation zu anderen Teilen.
Wäre die Vernetzung die Grundlage, dann würden wir quasi über alle Sinnesdaten ein Objektverständnis aufbauen. Wir würden bauarttechnisch befähigt sein, alles „objektbehaftet“ zu verwalten und könnten gar nicht anders.

„Das Denken“, „das Mentale“, „die Bedeutung“, alles würde sich rund um Objekte abspielen. Sogar unsere Handlungen wären für uns „Objekte“, unsere Sprache wäre aus „Objekten“ aufgebaut.
Ist es nicht erstaunlich, wie sehr dies alles auch tatsächlich der Fall ist?

So ein „Entwurf“, der viele Vermutungsanteile hat, hat sich entlang von Realisierungsproblemen entwickelt. Der Vorteil davon ist, dass hierdurch Detailprobleme konkret festgehalten werden und andere „Entwürfe“ diese Probleme erst einmal lösen müssen und sehr schnell als Phantasie eingeordnet werden können, wenn sie sich nicht mit diesen Details beschäftigen.

Ein anderer Vorteil liegt in der Betrachtung von anderen Lebewesen.
Vor zweitausend Jahren wurde die menschliche Sprache als "das Kriterium" zur Abgrenzung vom Tier angesehen – der besondere Wind/Hauch/Atem.
Säugetiergehirne haben aber alle die grundlegend gleiche Struktur und unterscheiden sich gravierend nur im Umfang.
Aktuell werden kleine Tiere zur Erforschung des Gehirns eingesetzt – dort sucht man nach Erkenntnissen zu den Detailproblemen.

Wir können unsere Objekteinteilung, unser Objektverständnis, über das Hilfsmittel der Stimmbänder in eine detailreiche Reaktion umwandeln (-> „Sprache“) und damit die Qualität und Effektivität unserer Gruppen steigern, aber die Sprache selbst ist dabei nicht „der Motor“, sondern es ist das Zusammenhang-aufbauende Gehirn, dessen Bauarttechnik wir mit anderen Lebewesen teilen.

Mirjam hat geschrieben: Ich verstehe dich hier so:
- eine ganze Menge Tiere können Objekte in ihrer Umgebung auseinander halten, wiedererkennen, die Eigenschaften dieser Objekte einschätzen und ihr Handeln danach orientieren
korrekt, vermutlich eine sehr grosse Menge an Tieren.
Mirjam hat geschrieben: - Tiere haben eine solche Objektwahrnehmung auch im Bezug auf den eigenen Körper (Würde man ihnen den Farbklecks auf die Pfote setzen, wo sie ihn sehen können, würden viele Tiere sofort beginnen, sich zu putzen - weil sie das Objekt (Subjekt?? ) "mein Körper" durchaus zuverlässig definiert haben und den Klecks als "fremd" erkennen? So in etwa?)*
korrekt, ihr individuelles Verhalten gegenüber Weltanteilen kann nicht durch einen „stumpfen Automatismus“ erzeugt werden, der sich in einem Gehirn mit einem gigantischen Umfang an lokal wirksamen Zellen ausprägen soll.
Ein Programm können wir hierfür nicht schreiben (an den Gang eines Hundes brauchen wir erst gar nicht zu denken) und dann soll es auch noch ohne zentralen Überblick ein „einfaches Programm“ sein – Nö, ich sage: ein bauarttechnisches Objektverständnis ist da weitaus besser und plausibler.
Mirjam hat geschrieben: - Der Spiegeltest beweist lediglich, dass das betreffende Wesen verstanden hat, was eine Spiegelung ist. Es würde also ein "Ich-Bewusstsein" im Bezug auf den eigenen Körper ohnehin schon besitzen, es hätte dann nur ZUSÄTZLICH verstanden, dass die Spiegelung ein Abbild dieses Körpers ist?
korrekt, es sagt nichts über die bereits vorhandene Verwaltung aus, die sich vielleicht einfach nur nicht zu einer neuen (grobmotorischen) Reaktion ausprägt - warum auch immer.
Mirjam hat geschrieben: - Ob das Wesen ein "Ich-Bewusstsein" besitzt, das über die Existenz seines individuellen physischen Körpers hinausgeht, können wir dagegen mit dem Spiegel in keiner Weise beobachten oder nachweisen?
korrekt, es gibt bei den (Spiegeltest-)Forschern noch nicht einmal eine Definition von Bewusstsein und sie können damit in keiner Weise irgendwelche Kriterien zur Einordnung von Lebewesen vorlegen.
Ein Wissen der tatsächlichen Funktionsweise kann so nicht ersetzt werden und genau dieses wäre notwendig (siehe Detailprobleme).

Interessant ist, dass es in den Neurowissenschaften in Bezug auf „Bewusstsein“ durchaus schon zu Vermutungen rund um eine Art „Abklingeffekt“ von flächendeckend aktiven Neuronen gekommen ist.
Motto: das, was das Gehirn gerade gemacht hat, wirkt sich auf das aus, was es gleich anschliessend macht, wobei sich der Einfluss mit der Zeit abschwächt – eine Art „Reaktions-Echo“, das begleitend dabei ist, solange es sich nicht um schnelle automatisierte Ausbreitungen mit wenig Flächenabdeckung handelt (was dann sozusagen das „Unbewusste“ wäre).
Beachte: das wäre wiederum eine bauarttechnische Lösung, die dann aber auch in kleineren Gehirnen vorliegen würde – nur nicht in dem gleichen Umfang.

Das Ganze ist tatsächlich enorm spannend und alle Pfeile zeigen in Richtung Körper (mit zentraler Reaktionseinheit „Gehirn“).

Insgesamt muss ich dir ein Kompliment machen, du hast hier ein tolles Verständnis gezeigt, das ich so nicht gewohnt bin. Egal, ob du teilst, was ich sage, oder nicht, du hast es definitiv vernünftig (in Bezug auf das was ich sage) als Werkzeug eingesetzt, um mit dem Bewusstseins-Thema (so wie ich) umzugehen.

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abc
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#46 Re: Der sprachbegabte Mensch

Beitrag von abc » Mo 7. Okt 2019, 15:08

Mirjam hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 17:39
abc, ich finde, wir sollten das "wie viele" in deiner Modell-Menschengruppe vorerst vergessen und uns erst einmal um ein "wann" kümmern. "Wann" nicht unbedingt im Sinne einer Zeitangabe, sondern im Sinne einer Entwicklungsstufe.
Sehr gerne, jede Art von Konkretisierung ist hilfreich.

Mirjam hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 17:39
Willst du zurück zu den ersten Anfängen der menschlichen Sprachentwicklung? Ich glaube, dann müssen wir über Kommunikationsweisen reden (pun intended), die eben kein Alleinstellungsmerkmal des Menschen sind. Oder willst du jenen entscheidenden Kreuzungspunkt definieren, ab dem sich menschliche Sprache von der Sprache anderer Lebewesen grundsätzlich unterscheidet? Und woran will man das festmachen...

Prima, das sind gute Überlegungen und Nachfragen, die ich mir für den Diskurs erhofft habe, denn sie zeigen, daß du in der Sache in die Tiefe gehst, was "automatisch" dazu führt, daß man auf neue Fragen stößt, die es zu erörtern gilt.

Zunächst ist es von Vorteil, wenn man sich über bestimmte Sachverhalte klar geworden ist. Eine entsprechende Artikulation ist hilfreich, wenn nicht sogar notwendig!? Durch eine entsprechende Artikulation nähert man sich den Dreh- und Angelpunkten, um muß nicht weiter im Trüben zu fischen, also in einer diffusen Sphäre.

Was haben wir bereits herausgefunden? Unsere Welt offenbart dem aufmerksamen Betrachter verschiedene Weisen der Kommunikation, zu der auch die menschliche Sprache gehört. Diese gibt mir Rätsel auf. Mir geht es also nicht um Kommunikationsweisen von Einzellern oder Affen (...) Sofern man den Menschen nicht in die Gattung "Tier" zieht, gab es nie einen Kreuzungspunkt. Du fragst diesbezüglich ...

Mirjam hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 17:39
Und woran will man das festmachen ...
Ein Mindestmaß an Wortschatz? Eine bestimmte grammatikalische Komplexität? Die Existenz abstrakter Begriffe?
Das Wort selbst beantwortet dir diese Fragen, erklärt aber nicht seine Anfänge. Darum dieser Thread: untersuchen möchte ich den wortbegabten Menschen und dessen Sprachentwicklung - in seinen Anfängen!

Lieben Dank dir,
abc

Mirjam
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#47 Re: Der sprachbegabte Mensch

Beitrag von Mirjam » Di 8. Okt 2019, 19:32

SilverBullet hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 21:33
„Das Denken“, „das Mentale“, „die Bedeutung“, alles würde sich rund um Objekte abspielen. Sogar unsere Handlungen wären für uns „Objekte“, unsere Sprache wäre aus „Objekten“ aufgebaut.
Ist es nicht erstaunlich, wie sehr dies alles auch tatsächlich der Fall ist?
Auf jeden Fall ist es eine wertvolle These.
Was ist mit dem Hang des Menschen, seine Umwelt stets paradigmatisch zu sortieren? Also, Objekte in bestimmte Klassen und Obergegriffe zu sortieren?
(Auf gut Deutsch: "Schubladendenken")
Das könnte doch auch eine logische Folge aus der Objektklassifizierung sein. Also nicht nur: Anhand von Ähnlichkeits- und Nachbarschaftsverhältnissen Objekte voneinander abgrenzen, sondern auch eine Vielzahl von Objekten wiederum nach wahrgenommener Ähnlichkeit zu sortieren?

Andererseits, das berühmte Schubladendenken lässt sich auch aus der anderen Richtung her erklären: Die schnelle Einteilung der Sinneswahrnehmung in wichtige "Klassen" ist schlicht überlebenswichtig... Kategorien wie "Raubtier", "Gruppenmitglied", "harmlos" und "Essen" sind extrem wichtig, und es bleibt meist nicht viel Zeit für eine sorgfältige Begutachtung des Einzelfalls - der Organismus muss sofort reagieren.

SilverBullet hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 21:33
So ein „Entwurf“, der viele Vermutungsanteile hat, hat sich entlang von Realisierungsproblemen entwickelt. Der Vorteil davon ist, dass hierdurch Detailprobleme konkret festgehalten werden und andere „Entwürfe“ diese Probleme erst einmal lösen müssen und sehr schnell als Phantasie eingeordnet werden können, wenn sie sich nicht mit diesen Details beschäftigen.
Ja, das ist Wissenschaft: Winzige Puzzleteile in irgendeiner Ecke sammeln, die sich dann vielleicht irgendwann einmal in das Gesamtbild einfügen - oder die dazu führen, dass man das Gesamtbild noch mal um 90 Grad drehen muss.


SilverBullet hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 21:33
Interessant ist, dass es in den Neurowissenschaften in Bezug auf „Bewusstsein“ durchaus schon zu Vermutungen rund um eine Art „Abklingeffekt“ von flächendeckend aktiven Neuronen gekommen ist.
Motto: das, was das Gehirn gerade gemacht hat, wirkt sich auf das aus, was es gleich anschliessend macht, wobei sich der Einfluss mit der Zeit abschwächt – eine Art „Reaktions-Echo“, das begleitend dabei ist, solange es sich nicht um schnelle automatisierte Ausbreitungen mit wenig Flächenabdeckung handelt (was dann sozusagen das „Unbewusste“ wäre).
Beachte: das wäre wiederum eine bauarttechnische Lösung, die dann aber auch in kleineren Gehirnen vorliegen würde – nur nicht in dem gleichen Umfang.

Das Ganze ist tatsächlich enorm spannend und alle Pfeile zeigen in Richtung Körper (mit zentraler Reaktionseinheit „Gehirn“).
Oh, dann könnte dir mein aktueller Lesestoff auch gefallen! Peter Godfrey-Smith, "Other Minds"... denn bei Oktopus und Krake hat man ein Tier vor sich, welches trotz vollkommener verschiedener Hirn- und Körperstruktur zu komplexen Schlussfolgerungen in der Lage ist. Aber uns dennoch sehr, sehr fremd bleibt...

liebe Grüße

Mirjam

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#48 Re: Der sprachbegabte Mensch

Beitrag von Mirjam » Di 8. Okt 2019, 20:08

abc hat geschrieben:
Mo 7. Okt 2019, 15:08
Prima, das sind gute Überlegungen und Nachfragen, die ich mir für den Diskurs erhofft habe, denn sie zeigen, daß du in der Sache in die Tiefe gehst, was "automatisch" dazu führt, daß man auf neue Fragen stößt, die es zu erörtern gilt.

Zunächst ist es von Vorteil, wenn man sich über bestimmte Sachverhalte klar geworden ist. Eine entsprechende Artikulation ist hilfreich, wenn nicht sogar notwendig!? Durch eine entsprechende Artikulation nähert man sich den Dreh- und Angelpunkten, um muß nicht weiter im Trüben zu fischen, also in einer diffusen Sphäre.

Was haben wir bereits herausgefunden? Unsere Welt offenbart dem aufmerksamen Betrachter verschiedene Weisen der Kommunikation, zu der auch die menschliche Sprache gehört.
Nun ja, aber an all dem ist bisher nichts Tiefgründiges. Im Gegenteil, was bisher im Bezug auf Sprache hier erörtert wurde ist, ist doch eher allgemein und offensichtlich.


abc hat geschrieben:
Mo 7. Okt 2019, 15:08
Mirjam hat geschrieben:
So 6. Okt 2019, 17:39
Und woran will man das festmachen ...
Ein Mindestmaß an Wortschatz? Eine bestimmte grammatikalische Komplexität? Die Existenz abstrakter Begriffe?
Das Wort selbst beantwortet dir diese Fragen, erklärt aber nicht seine Anfänge. Darum dieser Thread: untersuchen möchte ich den wortbegabten Menschen und dessen Sprachentwicklung - in seinen Anfängen!
Es ist wirklich lieb, wie du hier die Diskussion anregen möchtest, aber willst du nicht auch einmal selber etwas beitragen?
"Das Wort selber"? Ich verstehe fürchte ich nicht, was du meinst. Das Wort "Sprache"?

"Der wortbegabte Mensch und seine Sprachentwicklung" - soll das heißen, wir gehen von einer Entwicklungsstufe aus, in der in einer Menschengruppe bereits einzelne Worte, präziser vielleicht Morpheme, existieren? Viele davon vielleicht auch Lautmalereien, denke ich?
Und nun geht es um die Frage: Wie wird aus diesen einzelnen Sinneinheiten eine Sprache...
Also, wie entsteht Syntax?
Trifft das den Kern deiner Fragestellung?

Nur, damit wir da auf der gleichen Ebene sind...


liebe Grüße

Mirjam

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#49 Re: Der sprachbegabte Mensch

Beitrag von Tree of life » Di 8. Okt 2019, 21:16

Mirjam hat geschrieben:
Di 8. Okt 2019, 20:08

"Der wortbegabte Mensch und seine Sprachentwicklung" - soll das heißen, wir gehen von einer Entwicklungsstufe aus, in der in einer Menschengruppe bereits einzelne Worte, präziser vielleicht Morpheme, existieren?
Ich bin "Nell"- Frau eines indogenen Volkes(meintwegen aus Papua-Neuguinea) und nun kommst du als erste Person aus einem "zivilisierten Land" um uns zu erforschen
Ich sage zu dir: adujaa maha ak joha wa de be ahai..
Und nun versuche du mir bitte die Worte Morpheme oder präzise oder Syntax oder Lautmalerei zu vermitteln.
Wie gehst du das an, ohne meine Sprache zu verstehn?

SilverBullet
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#50 Re: Der sprachbegabte Mensch

Beitrag von SilverBullet » Di 8. Okt 2019, 21:58

“Mirjam“ hat geschrieben:Was ist mit dem Hang des Menschen, seine Umwelt stets paradigmatisch zu sortieren? Also, Objekte in bestimmte Klassen und Obergegriffe zu sortieren?
(Auf gut Deutsch: "Schubladendenken")
Das könnte doch auch eine logische Folge aus der Objektklassifizierung sein. Also nicht nur: Anhand von Ähnlichkeits- und Nachbarschaftsverhältnissen Objekte voneinander abgrenzen, sondern auch eine Vielzahl von Objekten wiederum nach wahrgenommener Ähnlichkeit zu sortieren?
Du meinst „Abstraktion“ und Gemeinsamkeiten finden.

Es gibt ein neurowissenschaftliches Experiment, bei dem gezeigt wurde, dass es im Gehirn bei Konfrontation mit überlappenden Zusammenhängen zuerst zu einer Separathaltung der Reaktion kommt, aber später Überschneidungen vorliegen.
Für diesen Vorgang wäre beides notwendig – „Abstraktion“ und Gemeinsamkeiten finden.

Das könnte bedeuten: diese Neigung, dieser Hang wäre schon wieder etwas, das sich physikalisch beobachten lässt (auch wenn es natürlich zu erforschen gilt, wie das genau funktioniert).

Ich gebe allerdings zu, dass hier ein sehr hoher Deutungsgrad vorliegt, denn solange man nicht weiss, für was die Anteile stehen, die „vereinigt“ wurden, ist es relativ hohe Spekulation (-> "Spiegeltest").

“Mirjam“ hat geschrieben:Andererseits, das berühmte Schubladendenken lässt sich auch aus der anderen Richtung her erklären: Die schnelle Einteilung der Sinneswahrnehmung in wichtige "Klassen" ist schlicht überlebenswichtig... Kategorien wie "Raubtier", "Gruppenmitglied", "harmlos" und "Essen" sind extrem wichtig, und es bleibt meist nicht viel Zeit für eine sorgfältige Begutachtung des Einzelfalls - der Organismus muss sofort reagieren.
Man kann vermutlich viel, viel weiter zurückgehen, als zu den Anfängen der "Säugetiere".
Ab zwei Zellen in einem Sinnesorgan stellt sich der Anlass, Ähnlichkeiten (und damit Einheiten) zu verwalten und die Welt (in unserer Auflösung) zwängt das Objektverständnis auf, wie nichts anderes, so dass es sich evolutionär elementar auf die Wahrnehmung niedergeschlagen haben "muss".

Du hast aber recht, es könnte aus vielen Richtungen passen.

Das ist auch die Grundlage für meine Frage „Was soll Geist sein?“.
Ich „spüre“ quasi die Möglichkeit einer Realisierung der menschlichen Wahrnehmung mit den „einfachen“ Abläufen des Gehirns.

“Mirjam“ hat geschrieben:Ja, das ist Wissenschaft: Winzige Puzzleteile in irgendeiner Ecke sammeln, die sich dann vielleicht irgendwann einmal in das Gesamtbild einfügen - oder die dazu führen, dass man das Gesamtbild noch mal um 90 Grad drehen muss.
Richtig und es ist wichtig, dass Praxis dominiert und der Ansatz die 90 Grad-Wende durchmacht und nicht, dass wir uns irgendwelche „Existenzen“ suggerieren (-> „Geist“).

“Mirjam“ hat geschrieben:Oh, dann könnte dir mein aktueller Lesestoff auch gefallen! Peter Godfrey-Smith, "Other Minds"... denn bei Oktopus und Krake hat man ein Tier vor sich, welches trotz vollkommener verschiedener Hirn- und Körperstruktur zu komplexen Schlussfolgerungen in der Lage ist. Aber uns dennoch sehr, sehr fremd bleibt...
Bestimmt würde ich es interessant finden.
Struktur, also die Einteilung in evolutionäre Gehirnteile, ist bei Gehirnen nicht alles.
Wenn ich richtig liege, dann ist das Objektverständnis überall im Gehirn vorhanden, weil die Zellen so sind, wie sie sind und laut Neurowissenschaft ist die Entwicklung der Nervenzellen (Neuronen) sehr erstaunlich, denn sie haben sich evolutionär relativ früh gebildet und dann aber (zumindest nach unserem groben Einblick) kaum weiterentwickelt.

Das könnte bedeuten, dass diese Zellen ihre Aufgabe vollständig abdecken und nicht (bzw. kaum) mit weiteren Möglichkeiten zum Erreichen von Verbesserung (durch Mutation/Variation) konfrontiert sind.

=> der Oktopus wäre damit voll und ganz „an Board“ und ihm darf Ähnliches unterstellt werden.

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