Fragen an den (die) Experten: Wahrnehmung und Realität

Philosophisches zum Nachdenken
closs
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#1 Fragen an den (die) Experten: Wahrnehmung und Realität

Beitrag von closs » Mi 7. Aug 2013, 16:47

abgetrennt aus:Fragen an den (die) Experten: Ontologische Differenz

Lamarck hat geschrieben:wenn Seiendes kein Synonym zu SEIN darstellt
Du meinst also, das Seiende sei ein Synonym für Sein ?!?! - Die Wahrnehmung sei Synonym für Realität?
Du bist so intelligent. - Warum kannst Du damit nicht produktiv umgehen?

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Magdalena61
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#2 Re: Fragen an den (die) Experten: Ontologische Differenz

Beitrag von Magdalena61 » Mi 7. Aug 2013, 19:54

Lamarck hat geschrieben:...weil das "Sein des Seienden" "nicht selbst ein Seiendes" "'ist'".
closs hat geschrieben: Die Tatsache, dass Nazi-Paraden bei Sonnenschein stattfanden, rückt die Sonne nicht in ein braunes Licht. :lol:
:oops: :o
Was habe ich da nur losgetreten... :roll:
- Hinkt - ja - aber man sollte Botschaft und Überbringer der Botschaft trennen - beides sind autonome Größen.
(Was er damit wohl wieder meint?)
Lamarck hat geschrieben:'begriffliche Differenz'
Das muß ich mir merken. *in die Serviette einwickele und in die Handtasche stecke, bezahlt isses ja*

"Die Wahrnehmung (k)ein Synonym für Realität".... das ist doch klar... das weiß doch jeder.... :idea:
Na also, es geht doch! Warum nicht gleich? :D
LG
God bless you all for what you all have done for me.

closs
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#3 Re: Fragen an den (die) Experten: Ontologische Differenz

Beitrag von closs » Mi 7. Aug 2013, 20:09

Magdalena61 hat geschrieben:"Die Wahrnehmung (k)ein Synonym für Realität".... das ist doch klar... das weiß doch jeder....
Das habe ich auch mal geglaubt, dass das klar ist.

Magdalena61 hat geschrieben:Was er damit wohl wieder meint?)
Autonomie von Botschaft und Bote ist am prägnantesten im NT (irgendwo :oops: ) ausgedrückt, wo es sinngemäß heißt: "Tut, was die Priester Euch sagen - tut aber nicht, was sie tun". - Mit anderen Worten: Der Aussagewert einer Botschaft ist NICHT abhängig von der diesbezüglichen Glaubwürdigkeit dessen, der diese Botschaft zum Ausdruck bringt.

Hartes Beispiel: Wenn Stalin gesagt hätte "Gott ist die Liebe" , wäre dieser Satz trotzdem richtig - und nicht deshalb falsch, weil Stalin eine ziemlich ungeeignete Person wäre, diesen Satz zu sagen. - Insofern: Autonomie von Inhalt einer Botschaft und "Charakter" dessen, der sie überbringt.

Das ist ein ziemlich aktuelles Thema insofern, dass man in unserer Meinungsgesellschaft großen Wert auf die "Glaubwürdigkeit" des Gegenübers legt, weil man daraus ableitet, seine Meinung gegebenenfalls übernehmen zu können - denn WISSEN ist NICHT das Thema in einer Meinungsgesellschaft, sondern die Corporate Identity der eigenen Meinung.

Pluto
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#4 Re: Fragen an den (die) Experten: Ontologische Differenz

Beitrag von Pluto » Mi 7. Aug 2013, 22:31

Magdalena61 hat geschrieben:"Die Wahrnehmung (k)ein Synonym für Realität".... das ist doch klar... das weiß doch jeder.... :idea:
Na also, es geht doch! Warum nicht gleich? :D
Der ehemalige Direktor des Max Planck Intituts für Hirnforschung, Wolf Singer beschrieb Wahrnehmung einmal so...
Wahrnehmen ist das Verifizieren von vorausgeträumten Hypothesen.
[Quelle: Ein neues Menschenbild - S. 70 - Wolf Singer (2003)]
Sehr prägnant definiert, wie ich meine.
Will heißen, mit der Wahrnehmung lässt sich unsere Vorstellung der Realität verifizieren, also bestätigen!
Da die ontologische Differenz in keinster Weise verifzierbar ist, kann sie auch nicht ein Teil unserer Realität sein, sondern sie endpuppt sich letztlich als nichts weiter als die unbestätigte Träumerei des Martin Heidegger.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#5 Re: Fragen an den (die) Experten: Ontologische Differenz

Beitrag von closs » Mi 7. Aug 2013, 23:33

Pluto hat geschrieben:Will heißen, mit der Wahrnehmung lässt sich unsere Vorstellung der Realität verifizieren
Altes Thema: Ein TEIL der Realität lässt sich damit verfizieren - ein anderer eben nicht.

Wolf Singer ist vermutlich ein Naturwissenschaftler - kein Wunder, dass er Wahrnehmung auf sein methodisches Universum bezieht.

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#6 Re: Fragen an den (die) Experten: Ontologische Differenz

Beitrag von Pluto » Do 8. Aug 2013, 00:26

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Will heißen, mit der Wahrnehmung lässt sich unsere Vorstellung der Realität verifizieren
Altes Thema: Ein TEIL der Realität lässt sich damit verfizieren - ein anderer eben nicht.
Nein. Was Wolf Singer da scrheibt, ist eben kein altes Thema, sondern es ist etwas grundlegend anderes!

Er geht es davon aus, dass Menschen gewisse Vorstellungen (Hypothesen) von der Wirlichkeit haben. Mit der Warhnehmung versuchen sie dann diese Vorstellungen die sie von der Welt haben, zu bestätigen.
Gelingt das, sind ihre Vorstellungen richtig, ansonst sind sie falsch.

Das was du als den "anderen Teil der Realität" bezeichnest, ist aber weder wahrnehmbar, noch lässt es sich in irgendeiner Weise bestätigen.
Das ist ein Problem, um das du dich (imo) schleunigst kümmern müsstest.

Wolf Singer ist vermutlich ein Naturwissenschaftler
Wolf Singer is Arzt und kein Naturwissenschaftler. Dass er lange Jahre dem MPI für Hirnforschung vorstand, hat mit seiner Tätigkeit in der Neurophysiologie zu tun.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#7 Re: Fragen an den (die) Experten: Ontologische Differenz

Beitrag von closs » Do 8. Aug 2013, 00:57

Pluto hat geschrieben:Gelingt das, sind ihre Vorstellungen richtig, ansonst sind sie falsch.
Das ist der falsche Kernsatz Deiner und seiner Hypothese. - Man kann zwar das Gelingen (in Deinem Sinne: das Verifizieren) einer Wahrnehmung als Bestätigung von Realität verstehen, aber man kann nicht das Nicht-Gelingen (in Deinem Sinne: das Nicht-Verifizieren) einer Wahrnehmung nicht als Falsifizierung von Realität verstehen. - Jeder Dackel ist ein Hund, aber nicht jeder Hund ist ein Dackel.

Das ist ein so einfacher Fehlschluss, das ich einigermaßen entsetzt bin. Denn überleg' Dir mal, was das heißt: Es heißt, dass Realität nur stattfindet, wenn sie als solche per Wahrnehmung verifiziert ist. Das ist Egozentrik pur.

Pluto hat geschrieben:Das was du als den "anderen Teil der Realität" bezeichnest, ist aber weder wahrnehmbar, noch lässt es sich in irgendeiner Weise bestätigen.
Auch das hatten wir schon gefühlte 30.000 Mal.

"Wahrnehmbar" sind geistige Dinge selbstverständlich (hier als Beispiel: Wahrnehmung von Gott). - "Bestätigen" (in Deinem Sinne von: objektiv nachweisen) lassen sie sich SELBSTVERSTÄNDLICH nicht im Dasein - und jetzt wäre wir wieder bei der "ontologischen Differenz", die es zwischen göttlichem Sein und menschlichem Dasein gibt.

Richtig ist, dass damit aus naturwissenschaftlicher Warte Gott auf gleicher Ebene steht wie ein Krümelmonster - aber die naturwissenschaftliche Warte der Realitäts-Definition ist halt nicht die einzige, erweckt aber gelegentlich diesen Eindruck und wird damit zur Ideologie. - Warum kann ein Naturwissenschaftler nicht zumindest zugestehen, dass nicht Wahrnehmung, sondern die Realität das letzte Wort hat? - Dann wird sich nämlich herausstellen, was naturalistisch nachweisbare Realität ist, was geistige Realität ist und was Krümelmonster sind (und davon wird es sicherlich auch einige geben).

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#8 Re: Fragen an den (die) Experten: Ontologische Differenz

Beitrag von Pluto » Do 8. Aug 2013, 01:31

closs hat geschrieben:Das ist ein so einfacher Fehlschluss, das ich einigermaßen entsetzt bin. Denn überleg' Dir mal, was das heißt: Es heißt, dass Realität nur stattfindet, wenn sie als solche per Wahrnehmung verifiziert ist.
Das Problem liegt ganz woanders, lieber closs.
Es liegt in der Beliebigkeit der Behauptung, dass es einen "anderen Teil" der Realität überhaupt gibt. Das eigentliche Problem ist, dass dieser "andere Teil" gar nicht falsifizierbar ist. Kleines Besipiel:
In der Hitze des Gefechts, bist du gar nicht dazu gekommen zu fragen, ob ich mein rosarotes Einhorn wieder gefunden habe. Aber zu deiner Beruhigung, er ist wohlauf.
Daran siehst du, wie beliebig unsere Welt wird, wenn wir völlig grundlos gewisse Phantasien einfach hinzuaddieren.

Pluto hat geschrieben:Das was du als den "anderen Teil der Realität" bezeichnest, ist aber weder wahrnehmbar, noch lässt es sich in irgendeiner Weise bestätigen.
Auch das hatten wir schon gefühlte 30.000 Mal.
Und zum 30'000'ten Mal, es besteht keine Möglichkeit der Falsifizierung. Daher ist es stets ds gute Recht eines Skeptikers, für in den Raum gestellte Beahptungen eine Bestätigung in Form von zu fordern, ansonst wir in die Beliebigkeitfall des rosaroten Einhorns tappen.

Richtig ist, dass damit aus naturwissenschaftlicher Warte Gott auf gleicher Ebene steht wie ein Krümelmonster - aber die naturwissenschaftliche Warte der Realitäts-Definition ist halt nicht die einzige, erweckt aber gelegentlich diesen Eindruck und wird damit zur Ideologie.
"Vorsicht Falle!", kann ich da nur sagen, weil der Vorwurf der Ideologisierung in beide Richtungen wirksam ist; vergiss das nicht.

Warum kann ein Naturwissenschaftler nicht zumindest zugestehen, dass nicht Wahrnehmung, sondern die Realität das letzte Wort hat? -
Gerne mache ich dieses Zugenständnis, aber kannst du mir dann zeigen woraus diese Realität besteht?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Lamarck
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#9 Re: Fragen an den (die) Experten: Ontologische Differenz

Beitrag von Lamarck » Do 8. Aug 2013, 02:26

Hi closs!

closs hat geschrieben: Du bist so intelligent. - Warum kannst Du damit nicht produktiv umgehen?

Der soziale Vorwurf ist auch nur ein ad hominem. Nichts gegen ad hominems - ich kann damit umgehen. Wie sieht es da mit Dir aus?




closs hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: wenn Seiendes kein Synonym zu SEIN darstellt
Du meinst also, das Seiende sei ein Synonym für Sein ?!?! - Die Wahrnehmung sei Synonym für Realität?

Selbstverständlich! Heidegger behauptet also, dass das "Sein des Seienden" "nicht selbst ein Seiendes" "'ist'". Das Seiende hat somit hier die Eigenschaft des SEINs; mithin IST das Seiende; das Seiende existiert. Genausogut könnte er nach der Existenz des Existierenden fragen. Damit würde er einem Ding 'Existierendes' mit der Eigenschaft 'Existenz' aufladen. Analog also könnte er dem spezifischen Ding 'Seiendes' mit der Eigenschaft 'Sein' aufladen. Das Seiende wird aber nicht vom SEIN gemacht, diese Eigenschaft eines Etwas ist binär. Denn etwas existiert oder es existiert nicht; ein bißchen schwanger ist hier nicht möglich. Wenn ein Etwas eine Eigenschaft aufweist, dann bedeuted die Frage nach der Eigenschaft der Eigenschaft, aus einer Eigenschaft ein Etwas zu machen. Schon dies also ein Kategorienfehler. Zudem bedeuted die Rede vom Seienden, von all dem zu reden, was IST. Das Seiende ist also ein Mengenbegriff. Dieses SEIN des Seienden verfügt über kein eigenständigs SEIN; sein SEIN ist mit dem SEIN identisch; sein SEIN in der Menge des Seienden unwiderruflich, eine Differenz zwischen SEIN und SEIN ist nicht im SEIN [sic!]. Aus der Eigenschaft des SEINs lässt sich das Etwas des SEINs nicht ablesen - dies also wäre der Zirkelschluss! - sondern nur ein Zustand.

Daher: Eine sinnvolle Frage ist aber, auf welche Weise ein Etwas existiert. So existiert zwar sowohl Heideggers Tafel, der Weihnachtsmann oder die Ziffer 'Vier'. Das SEIN von Heideggers Tafel ist real, das SEIN des Weihnachtmanns als Fantasiegestalt ist nicht real, aber virtuell, das SEIN der Ziffer 'Vier' ist weder real, noch virtuell, sondern als Symbol abstrakt. Die Realität im SEIN von Heideggers Tafel ist wiederum beobachterabhängig. Die Realität der Heideggerschen Tafel findet sich hier in der Form eines zweistelligen Tupel, bestehend aus dem geordneten Paar (Tafel, Position). Die Wahrnehmung der Tafel ist verschieden, die Beobachter sprechen aber doch immer von der gleichen Tafel. Die Identität der Tafel ist jedoch das, was mit Realität bezeichnet wird, nicht aber die untergeordnete Relation der Position. Das Wahrgenommene hingegen bezieht sich ebenfalls auf die Identität, obgleich es doch unterschiedlich 'wahrgenommen' wird ... .




Cheers,

Lamarck
„Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)

„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)

„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)

barbara
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#10 Re: Fragen an den (die) Experten: Ontologische Differenz

Beitrag von barbara » Do 8. Aug 2013, 06:59

Pluto hat geschrieben: Er geht es davon aus, dass Menschen gewisse Vorstellungen (Hypothesen) von der Wirlichkeit haben. Mit der Warhnehmung versuchen sie dann diese Vorstellungen die sie von der Welt haben, zu bestätigen.
Gelingt das, sind ihre Vorstellungen richtig, ansonst sind sie falsch.

Das mag auf Erwachsene zutreffen. Kleinkinder haben allerdings noch keine Vorstellungen von der Wirklichkeit. Kleinkinder haben Wahrnehmungen. Erst die Erwachsenen, die sie erziehen, verknüpfen erst Vorstellungen mit den Wahrnehmungen - Papa, Mama, Baum, Auto, Haus, Mann, Frau...

Und selbstverständlich kann man auch als Erwachsener, sollte man von den Eltern teilweise ungünstige Vorstellungen mitgekriegt haben, wieder zur Wahrnehmung zurück gehen und sich neue Vorstellungen bilden, oder vorhandene Vorstellungen modifizieren. Wobei das natürlich schwerer fällt als dem Kind.

Es ist keineswegs so, dass es ein gegebenes Set von Vorstellungen gibt und ein Mensch unweigerlich in diese eingesperrt ist und nicht raus kann.

grüsse, barbara

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