Die Würde des Menschen ist unantastbar

Philosophisches zum Nachdenken
Novas
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#21 Re: Tabu

Beitrag von Novas » Do 30. Jun 2016, 22:35

Janina hat geschrieben:
Andreas hat geschrieben:Meiner Meinung nach ist das Theodizeeproblem ein logisches Problem
Die Theodizee ist ein Problem von Theologen, nicht eines von Mathematikern. Sie fragen, wo Gott in Auschwitz war. Kein Mathematiker hat je gefragt, wo die Logik in Auschwitz war. Es hieß sogar, nach Auschwitz könnte man keine Musik mehr machen. Esther Bejarano hat in Auschwitz Musik gemacht, und macht sie auch heute noch.

Ich denke auch, dass wir gerade deshalb Musik machen sollten. Bekannt sind die Worte von Theodore W. Adorno, der sagte, dass es barbarisch sei, wenn jemand nach Auschwitz noch ein Gedicht schreiben würde, was dann sofort widerlegt wurde, da jüdische Dichter wie Nelly Sachs und Paul Celan die deutsche Literatur sofort wieder reanimierten und verteidigt haben:

Bereits 1948 war der junge Dichter Paul Celan-Antschel aus Czernowitz in der Bukowina, nach kurzen Aufenthalten in Bukarest und Wien, in Paris eingetroffen. Er, der jüdische Dichter, war nur knapp der Vernichtung entkommen, die Deutsche ihm zugedacht hatten. Seine Eltern waren 1942 deportiert und in einem Lager in Transnistrien/Ukraine ermordet worden, ebenso wie viele seiner Bekannten und Verwandten. Jetzt war er allein in der französischen Metropole angekommen und schrieb Gedichte in deutscher Sprache. Sie war das einzige, so wird Celan Jahre später bekennen, was ihm inmitten der Verluste geblieben war, jene deutsche Sprache, in der ihm seine Mutter Verse von Goethe und Schiller vorgesprochen hatte, und die nun zugleich die Sprache ihrer Mörder war. In keiner anderen Sprache hätte er ihr und den anderen Ermordeten gedenken können.

"Kunst kommt nicht vom Können, sondern vom Müssen", dieses Wort Arnold Schönbergs fand Celan Jahre später in Adornos Essay über den Komponisten und strich es sich an. Auch er hatte keine Wahl: Er musste Gedichte schreiben, Gedichte in deutscher Sprache[...]

Der Philosoph wiederum hat sein Verdikt auch unter dem Einfluss der Lyrik Celans langsam zurückgenommen und revidiert. Celan registrierte das sehr genau, wie aus dem Briefwechsel der beiden hervorgeht, der in den "Frankfurter Adorno-Blättern" erscheinen wird. Als im Januar 1962 in der Zeitschrift Merkur Adornos Aufsatz Jene zwanziger Jahre erschien, dankt ihm der Dichter in einem Brief für dessen letzten Sätze, mit denen "über die Entfernung hinweg, Ihre Person nahe und ansprechbar" geworden sei. Jene Sätze lauten: "Der Begriff einer nach Auschwitz auferstandenen Kultur ist scheinhaft und widersinnig, und dafür hat jedes Gebilde, das überhaupt noch entsteht, den bitteren Preis zu bezahlen. Weil jedoch die Welt den eigenen Untergang überlebt hat, bedarf sie gleichwohl der Kunst als ihrer bewusstlosen Geschichtsschreibung. Die authentischen Künstler der Gegenwart sind die, in deren Werken das äußerste Grauen nachzittert."
http://www.hagalil.com/archiv/2000/11/celan.htm


Vermutlich kennst Du sein Gedicht „Todesfuge“ denn damit werden alle Schüler im Abitur gequält. Sehr gut vorgetragen von Ben Becker:

Zuletzt geändert von Novas am Do 30. Jun 2016, 23:03, insgesamt 1-mal geändert.

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#22 Re: Tabu

Beitrag von Novas » Do 30. Jun 2016, 22:52

Janina hat geschrieben:
Andreas hat geschrieben:Meiner Meinung nach ist das Theodizeeproblem ein logisches Problem
Die Theodizee ist ein Problem von Theologen, nicht eines von Mathematikern. Sie fragen, wo Gott in Auschwitz war. Kein Mathematiker hat je gefragt, wo die Logik in Auschwitz war. Es hieß sogar, nach Auschwitz könnte man keine Musik mehr machen. Esther Bejarano hat in Auschwitz Musik gemacht, und macht sie auch heute noch.

Eine weitere (sehr talentierte) christliche Musikerin hat das selbe getan.... Sarah Brendel ist ihr Name .... ;)



Hier ein Gespräch mit ihr und Jens Böttcher, wo sie auch darüber spricht:


ThomasM
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#23 Re: Tabu

Beitrag von ThomasM » Fr 1. Jul 2016, 08:53

Novalis hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:"Danke lieber Gott, dass du so gut bist und mich in der Sintflut ertrinken hast lassen." sagte der Gläubige, nachdem er durch Gott wieder zum Leben in Gottes Reich erweckt wurde.
Das glauben und bekennen wir :thumbup:
Tatsächlich geht die Geschichte ein wenig anders:

Ein altes Ehepaar stirbt und wird gemeinsam von Petrus durch den Himmel geführt. Staunend sehen sie all die herrlichen Dinge, die sie nun eine Ewigkeit lang erleben dürfen. Sie sind noch nicht ganz fertig mit ihrer Besichtigungstour, da stubst der Mann seine Frau an und sagt:
"Also wirklich. Ohne dein ganzes TamTam um gesundes Essen und Fitness hätten wir das alles auch schon zehn Jahre früher haben können".
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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#24 Re: Tabu

Beitrag von sven23 » Fr 1. Jul 2016, 09:20

JackSparrow hat geschrieben:
Andreas hat geschrieben:Die eigentlichen Grundfragen sind vielleicht folgende:
Die Grundfrage ist, wieso Gläubige ständig behaupten, Gott sei gut, obwohl er in der Bibel doch kaum je etwas Gutes tut.

"Danke lieber Gott, dass du so gut bist und mich in der Sintflut ertrinken lässt." Das entbehrt jeglicher Logik.
.
Tja, wie wir von Savonlinna gelernt haben, wollten die Schreiber mit der Sintflutgeschichte ausdrücken, dass man Gott nicht für Naturkatastrophen verantwortlich machen soll. Das nennt man wohl messerscharfe Logik. :lol:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#25 Re: Tabu

Beitrag von sven23 » Fr 1. Jul 2016, 09:25

Andreas hat geschrieben:Meiner Meinung nach ist das Theodizeeproblem ein logisches Problem, weil....

Theodizee wird ja nur dann zu einem Problem, wenn man von einem personalen Gott ausgeht, der in die Geschichte eingreift.
Einer rein literarischen Figur kann man ja nicht vorwerfen, dass sie nicht in die Geschichte eingreift.
Es sind Theologen und Gläubige, die von einem liebenden und gütigen Gott ausgehen, die in Erklärungsnöte kommen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#26 Re: Tabu

Beitrag von JackSparrow » Fr 1. Jul 2016, 09:51

Janina hat geschrieben:Stimmt, wer in der Sintflut ertrunken ist, betet nicht mehr. Logisch.
"Du lässt" ist aber Präsens und nicht Perfekt.


ThomasM hat geschrieben:"Danke lieber Gott, dass du so gut bist und mich in der Sintflut ertrinken hast lassen." sagte der Gläubige, nachdem er durch Gott wieder zum Leben in Gottes Reich erweckt wurde.
Vielleicht sollten wir Freizeitparks eröffnen, wo sich die Leute gegen Bezahlung auf barbarischste Weise niedermetzeln lassen dürfen. Nur zum Lobpreis des HERRN, versteht sich.


Novalis hat geschrieben:Das glauben und bekennen wir
§ 131 StGB (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Schrift, die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildert, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt,
- verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht
- eine Schrift des in Nummer 1 bezeichneten Inhalts herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt

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#27 Re: Tabu

Beitrag von ThomasM » Fr 1. Jul 2016, 14:30

JackSparrow hat geschrieben: Vielleicht sollten wir Freizeitparks eröffnen, wo sich die Leute gegen Bezahlung auf barbarischste Weise niedermetzeln lassen dürfen. Nur zum Lobpreis des HERRN, versteht sich.
Bedenke, dass es Leute wie du waren, die dergleichen Freizeitbeschäftigung gefrönt haben. Die Christen waren die Opfer.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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Janina
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#28 Re: Tabu

Beitrag von Janina » Fr 1. Jul 2016, 15:22

Wer ist denn bitte "Leute wie du"? Werden hier nicht die gaaaaanz falschen Schubladen aufgemacht? :?

JackSparrow
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#29 Re: Tabu

Beitrag von JackSparrow » Fr 1. Jul 2016, 17:18

ThomasM hat geschrieben:Bedenke, dass es Leute wie du waren, die dergleichen Freizeitbeschäftigung gefrönt haben.
Andererseits kämen Leute wie ich auch nicht auf die bemerkenswerte List, das Ertränken der globalen Flora und Fauna als eine gute Tat zu bezeichnen, nur um der Theodizee-Frage zu entgehen.

Helmuth
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#30 Re: Tabu

Beitrag von Helmuth » Sa 2. Jul 2016, 08:45

JackSparrow hat geschrieben: Außer der HERR selbst ließ es seiner Hand widerfahren. Dann geht es in Ordnung. Wie wir aus 2Mo21:13 erfahren können.
Was willst du hiermit sagen?
Der Herr steht zu mir, deshalb fürchte ich mich nicht. Was kann ein Mensch mir anhaben?
Ps 118:6

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