#1 Plädoyer gegen einen Brachial-Atheismus
Verfasst: So 12. Jun 2016, 03:00
Eine wichtige Kritik (gegen einen einseitigen Brachial-Atheismus und seelenlosen Naturalismus) von einem Professor der Rechtsphilosophie und Ethik, Peter Strasser....
Plädoyer gegen einen Brachial-Atheismus
Andreas Malessa berichtet im Deutschlandradio Kultur vom 27. August 2008 über das neueste Buch von Peter Strasser Warum überhaupt Religion? Der Gott, der Richard Dawkins schuf
„Nun hat aber auch einer die Nase voll von Dawkins, der ist weder gläubig noch kirchenfreundlich. Der hat seinen Immanuel Kant gelesen und protestiert deshalb im Namen eines aufgeklärten Agnostizismus: Peter Strasser, Professor für Rechtsphilosophie und praktische Ethik an den Universitäten Graz und Klagenfurt. (...)
Nur Richard Dawkins und seine ‘Hellen’ wissen immer genau, auf welchen Gott sie schlecht zu sprechen sind. Und weil der sich bestürzend wenig von den magischen oder mindestens mythologischen Gottesbegriffen der religiös Naiven unterscheidet, weil Dawkins die Bibel exakt so liest, wie ein Fundamentalist sie lesen würde, nennt Strasser das ‘Brachial-Atheismus’. Was den Grazer Philosophen außerdem ärgert: Die ‘Totalkompetenzanmaßung der Naturwissenschaft’. Wenn Gott nur eine ehemals nützliche, heute aber verzichtbare Illusion eines bestimmten Gehirnlappens war, Religiosität nur eine fehlerhafte Nebenwirkung der Evolution und Liebe ein hormonelles Dopingergebnis; wenn nicht der Mensch Gene hat, sondern das Gen den Menschen als Wirtstier benutzt - dann, so Strasser, wird es Zeit, diesem brutalen, seelenlosen Naturalismus mit Kant entgegenzutreten.â€
[...]
Der empfahl schon 1784 in seiner Schrift "Was ist Aufklärung" nämlich, "den Menschen, der nun mehr als eine Maschine ist, seiner Würde gemäß zu behandeln." Peter Strasser dazu:
"Die Menschenwürde ist Ausdruck unser Vernunft und Freiheit. Aufklärung nach Kant ist aber nur möglich unter der Voraussetzung, dass es einen metaphysischen Ursprungsort von Würde, Vernunft und Freiheit gibt. Dieser Ort ist zugegebermaßen ein Mysterium. Die Werte, denen die Aufklärung ihre Autorität und Rechtfertigung verdanken, sind nicht innerhalb von Mechanismus und Macht entstanden. Man möchte mit Wittgenstein sagen: Sie sind nur etwas wert, wenn sie nicht von dieser Welt sind."
Gegen welchen Gott ziehen die "neuen" Alt-Atheisten vom Schlage eines John Dupre in Exeter, eines Paul Bloom an der Yale Universität in den USA, eines Michel Onfrays in Frankreich oder Franz Buggles in Deutschland eigentlich zu Felde? "Gegen den Gott des Mythos, den Gott von Descartes, Spinoza und Kant, den Gott der Juden, der Christen oder der Moslems, den Gott aller Menschen oder sogar den abwesenden Gott?", fragt Peter Strasser und legt in seinem Traktat eine Art agnostisches Glaubensbekenntnis ab:
"Mir scheint die am besten vertretbare Antwort auf die Gretchenfrage noch immer die von Goethes Faust zu sein: Wer darf ihn nennen? Und wer bekennen: Ich glaub ihn? Wer empfinden und sich unterwinden zu sagen: Ich glaub ihn nicht?!"
Der österreichische Rechtsphilosoph und Ethiker Strasser - "der Katholizismus war für uns ein verschrumpeltes Gummikrokodil, seine Erbsündenlehre und sein Höllenschlund konnten uns nicht schrecken" - möchte bei aller eigenen Religionskritik trotzdem nicht in jener religionslosen Gesellschaft leben, die die "Brights" anstreben. Zwar verträten sie nicht "die Lehren bisher realisierter atheistischer Gesellschaften von Stalins Reich des Gulag über Maos kulturrevolutionären Terror bis zum Steinzeitkommunismus Nordkoreas", aber: Eine weltanschaulich neutrale, säkularisierte Demokratie sei nun mal etwas anderes als ein mit Staatsmacht ausgestatteter Biologismus und Sozialdarwinismus, wie ihn Richard Dawkins antizipiere.“
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/836799/
Peter Strasser: Warum überhaupt Religion? Der Gott, der Richard Dawkins schuf
Wilhelm Fink Verlag München und Paderborn 2008
112 Seiten. 12, 80 Euro
http://www.ostpreussen.net/ostpreussen/ ... 5314-1.jpg
Plädoyer gegen einen Brachial-Atheismus
Andreas Malessa berichtet im Deutschlandradio Kultur vom 27. August 2008 über das neueste Buch von Peter Strasser Warum überhaupt Religion? Der Gott, der Richard Dawkins schuf
„Nun hat aber auch einer die Nase voll von Dawkins, der ist weder gläubig noch kirchenfreundlich. Der hat seinen Immanuel Kant gelesen und protestiert deshalb im Namen eines aufgeklärten Agnostizismus: Peter Strasser, Professor für Rechtsphilosophie und praktische Ethik an den Universitäten Graz und Klagenfurt. (...)
Nur Richard Dawkins und seine ‘Hellen’ wissen immer genau, auf welchen Gott sie schlecht zu sprechen sind. Und weil der sich bestürzend wenig von den magischen oder mindestens mythologischen Gottesbegriffen der religiös Naiven unterscheidet, weil Dawkins die Bibel exakt so liest, wie ein Fundamentalist sie lesen würde, nennt Strasser das ‘Brachial-Atheismus’. Was den Grazer Philosophen außerdem ärgert: Die ‘Totalkompetenzanmaßung der Naturwissenschaft’. Wenn Gott nur eine ehemals nützliche, heute aber verzichtbare Illusion eines bestimmten Gehirnlappens war, Religiosität nur eine fehlerhafte Nebenwirkung der Evolution und Liebe ein hormonelles Dopingergebnis; wenn nicht der Mensch Gene hat, sondern das Gen den Menschen als Wirtstier benutzt - dann, so Strasser, wird es Zeit, diesem brutalen, seelenlosen Naturalismus mit Kant entgegenzutreten.â€
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Der empfahl schon 1784 in seiner Schrift "Was ist Aufklärung" nämlich, "den Menschen, der nun mehr als eine Maschine ist, seiner Würde gemäß zu behandeln." Peter Strasser dazu:
"Die Menschenwürde ist Ausdruck unser Vernunft und Freiheit. Aufklärung nach Kant ist aber nur möglich unter der Voraussetzung, dass es einen metaphysischen Ursprungsort von Würde, Vernunft und Freiheit gibt. Dieser Ort ist zugegebermaßen ein Mysterium. Die Werte, denen die Aufklärung ihre Autorität und Rechtfertigung verdanken, sind nicht innerhalb von Mechanismus und Macht entstanden. Man möchte mit Wittgenstein sagen: Sie sind nur etwas wert, wenn sie nicht von dieser Welt sind."
Gegen welchen Gott ziehen die "neuen" Alt-Atheisten vom Schlage eines John Dupre in Exeter, eines Paul Bloom an der Yale Universität in den USA, eines Michel Onfrays in Frankreich oder Franz Buggles in Deutschland eigentlich zu Felde? "Gegen den Gott des Mythos, den Gott von Descartes, Spinoza und Kant, den Gott der Juden, der Christen oder der Moslems, den Gott aller Menschen oder sogar den abwesenden Gott?", fragt Peter Strasser und legt in seinem Traktat eine Art agnostisches Glaubensbekenntnis ab:
"Mir scheint die am besten vertretbare Antwort auf die Gretchenfrage noch immer die von Goethes Faust zu sein: Wer darf ihn nennen? Und wer bekennen: Ich glaub ihn? Wer empfinden und sich unterwinden zu sagen: Ich glaub ihn nicht?!"
Der österreichische Rechtsphilosoph und Ethiker Strasser - "der Katholizismus war für uns ein verschrumpeltes Gummikrokodil, seine Erbsündenlehre und sein Höllenschlund konnten uns nicht schrecken" - möchte bei aller eigenen Religionskritik trotzdem nicht in jener religionslosen Gesellschaft leben, die die "Brights" anstreben. Zwar verträten sie nicht "die Lehren bisher realisierter atheistischer Gesellschaften von Stalins Reich des Gulag über Maos kulturrevolutionären Terror bis zum Steinzeitkommunismus Nordkoreas", aber: Eine weltanschaulich neutrale, säkularisierte Demokratie sei nun mal etwas anderes als ein mit Staatsmacht ausgestatteter Biologismus und Sozialdarwinismus, wie ihn Richard Dawkins antizipiere.“
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/836799/
Peter Strasser: Warum überhaupt Religion? Der Gott, der Richard Dawkins schuf
Wilhelm Fink Verlag München und Paderborn 2008
112 Seiten. 12, 80 Euro
http://www.ostpreussen.net/ostpreussen/ ... 5314-1.jpg