Hallo Thomas!
Danke für das Thema.
ThomasM hat geschrieben:Nachdem ich ja ein Laie bin, was Philosophie angeht und ich an mehreren Diskussionen hier gemerkt habe, dass jeder unter Dialektik etwas anderes versteht, würde ich gerne mal fragen, was ihr denn darunter versteht.
Bitte kurz und verständlich charakterisieren
Dialektik heißt - unter anderem -, über den Daumen gepeilt folgendes Schlichtes:
die zwei Seiten einer Sache sehen.
Die Methode ist also leicht zu beschreiben, aber nicht immer leicht durchzuführen.
Dialektisches Denken ist dem abendländischen Denken eher feind, da das abendländische Denken dem Einseitigen verschrieben ist.
Dennoch finden wir seit Beginn der abendländischen Philosophie
auch immer eine philosophisch-dialektische Unterströmung.
Schon bei den Vorsokratikern - den Naturphilosophen vor Sokrates, die unsere abendländische Philosophie begründet haben - gibt es das dialektische Denken bei Heraklit.
Und ich meine zu beobachten, dass heute das dialektische Denken mehr Raum gewinnt.
Um ein Beispiel dafür zu bringen, was ich mit dem "Sehen der beiden Seiten einer Sache" meine,
wähle ich mal das Werk
Dialektik der Aufklärung von Max Horkheimer/Theodor Adorno.
Der Einfachheit halber zitiere ich erst mal aus Wikipedia, gegebenenfalls werde ich später aus meinem Exemplar dieses Werkes das eine oder andere abtippen.
Jetzt also erst mal Wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/Dialektik ... %C3%A4rung ->
Wikpedia hat geschrieben:
Angesichts des Triumphs von Faschismus und Monopolkapitalismus als neuen Herrschaftsformen, denen die Gesellschaft keinen nennenswerten Widerstand entgegensetzt, unterziehen die Autoren den Vernunftbegriff der Aufklärung einer radikalen Kritik. Sie formulieren die These, dass sich bereits zu Beginn der Menschheitsgeschichte mit der Selbstbehauptung des Subjekts gegenüber einer bedrohlichen Natur eine instrumentelle Vernunft durchgesetzt habe, die sich als Herrschaft über innere und äußere Natur befestigte. Aufgrund dieses „Herrschaftscharakters“ der Vernunft sei die Aufklärung, obwohl sie eigentlich die mythische Weltsicht überwinden wollte, in der modernen Gesellschaft in eine neue Mythologie zurückgeschlagen.
Mit anderen Worten:
die eine Seite der Aufklärung sei positiv: die Vernunft habe sich gegen eine bedrohliche Natur und gegen eine mythische Weltsicht durchsetzen wollen.
die andere Seite der Aufklärung sei negativ: die Vernunft schlug in ihr Gegenteil um: sie ließ sich irgendwann selber nicht mehr kritisieren und
wurde zu einer neuen Mythologie.
Die Vernunft und die Aufklärung also hätten jeweils zwei Seiten, eine aufbauende und eine zerstörerische:
Eine Sache bleibe so lange positiv, wie sie sich selber nicht auf den Thron setze.
Sie wird in dem Moment negativ, wo sie in ihr Gegenteil umschlage und nun selber das tut, was sie eigentlich kritiseren wollte:
herrschen.
Weiter im Text:
Wikpedia hat geschrieben:
Diese „Verschlingung von Mythos und Aufklärung“ (Habermas)[1] habe nicht einen Befreiungs-, sondern einen universellen Selbstzerstörungsprozess der Aufklärung in Gang gesetzt. Diesem Prozess durch „Selbstbesinnung“ und Selbstkritik der Aufklärung Einhalt zu gebieten, ist ein zentrales Motiv der Autoren.
Hier wird bereits ein Ausweg aus dem Dilemma angedeutet:
Man müsse den Umschlag des Konstruktiven ins Destruktive nicht einfach hinnehmen, sondern könne das Destruktive stoppen, indem man genau untersuche, was Aufklärung könne und was nicht, was Vernunft könne und was nicht.
Und hier noch einmal ganz knapp zusammengefasst ->
Wikpedia hat geschrieben:Sie [die Autoren] erzählen „die Geschichte vom Glanz und Elend der Aufklärung“.[9]
Der
Glanz der Aufklärung sei die eine Seite, das
Elend der Aufklärung sei die andere Seite.
Wenn man diese beiden Seiten nicht nur sehen, sondern auch in ihrer notwendigen Verbundenheit beschreiben könne, konne man auch den dritten Schritt tun: die destruktive Seite auflösen. ->
Wikpedia hat geschrieben:Die an der Aufklärung geübte Kritik verwirft keineswegs deren Idee, sondern will „einen positiven Begriff von ihr vorbereiten, der sie aus ihrer Verstrickung in blinder Herrschaft löst“.[15][16]
Alle Zitate stammen aus dem oben genannten Link.