ThomasM hat geschrieben:Aber offensichtlich um zu verstehen, was mit dem Satz gemeint ist, muss man wohl studiert sein.
Denkst du wirklich, dass es so schwer zu versehen ist, dass die Funktionen, die sich aus dem Ablaufen einer Datenverarbeitung ergeben, nicht mit der materiellen Realisierung dieser Datenverarbeitung gleichzusetzen sind?
Ich habe das Buch nicht gelesen, aber aus den Beschreibungen entnehme ich, dass der Philosoph in keiner Weise die Forschungsergebnisse infrage stellt, sondern die darüber hinaus, von den Wissenschaftlern geäusserten Ansichten angehen möchte.
Ich werde das Buch wohl auch nicht lesen, denn ich verspreche mir davon keinerlei neue Ansichten über die Arbeitsweise des Gehirns oder einen Entwurf für eine mögliche „Verbindung“ zwischen Bewusstseinszusammenhängen (z.B. „Ich“) und dem aktiven Gehirn.
Es wird wohl auf eine philosophische Argumentation hinauslaufen:
-viele Aussagen darüber, was "Bewusstsein" nicht sein soll
-Abstrahierungen, die das Bachgefühl in „seine Denkrichtung“ anregen sollen
-viele Beispiele, die davon ablenken sollen, dass er über die „Verbindung“ Bewusstsein/Gehirn
nicht sprechen kann
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Um hier im Thread über konkrete Inhalte sprechen zu können, denke ich, wäre dieser Link hilfreich.
Es handelt sich um ein
Radio-Interview zum Buch „Ich ist nicht Gehirn“
Einige Punkte zum Link, die mir wichtig erscheinen:
(ich habe versucht, die Punkte so zusammenzufassen, wie sie aus Sicht des Autors vertreten werden – es ist also nicht meine Sicht)
00:55
Philosophen behaupten nicht/kaum „Ich ist identisch mit Hirn“, aber einige Neurowissenschaftler
01:20
Körperlosen Geist gibt es nicht. Der ganze Organismus ist eine, biologisch teilweise beschreibbare Voraussetzung, dass wir bewusst sind. Wir sind bewusste Lebewesen.
01:50
Es ist falsch zu fragen, wo das Bewusstsein angesiedelt ist.
Erklärung anhand des Beispiels: Fahrradfahren.
02:30
Wo ist das „Missing Link zwischen Geist und Körper“?
Beispiel: „Etwas wahrnehmen“ ist ein bewusster Zustand. Dazu wird das, in bestimmten Bereichen, aktive Gehirn benötigt. Das was ich sehe, ist dann ja nicht identisch mit einem Gehirnzustand.
Der Gesamtvorgang der Wahrnehmung (mit Gehirn) schliesst also Dinge ein, die sich aus trivialen Gründen nicht im Gehirn abspielen können.
03:15
Postulat als „Dualität zwischen Gehirn und Geist“.
Seele ist nicht vorgesehen.
„Geist“ ist die Fähigkeit sich ein Bild von sich selbst zu machen.
„Ich verstehe mich als…“ ist eine „geistige Einstellung“
05:00
Im Buch wird der „Neurozentrismus“ angegriffen, weil er gefährlich ist.
Neurozentrismus-Irrtum1:
„Wir sollen verstehen können, was Geist ist, indem das Gehirn untersucht wird“
Neurozentrismus-Irrtum2:
„Wir sollen menschliches Verhalten verstehen können, indem evloutionsbiologische Kategorien bemüht werden“
05:55
„das ich“ (aus der Philosophie des Mittelalters) ist die Summe der (für uns) positiven Selbst-Bilder.
(„Rechtfertigungsoberfläche unseres alltäglichen Erlebens“)
07:05
„Ich“ gibt es somit eigentlich gar nicht, weil es die Summe von „etwas Anderem“ ist.
Keine Substanz.
07:30
Spannung mit der Neurowissenschaft…
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Es wird niemanden überraschen, dass ich mich vor allem an Punkt 02:30 stosse (bei 01:20 rümpfe ich auch ein wenig die Nase -> unnötige Abstraktion), weil ich denke, dass der Philosoph hier extrem „naiv“ vorgeht und in keiner Weise nach einer Realisierung der Wahrnehmungssituation sucht.
Er verwendet lediglich den Vorgang der Wahrnehmung, um die Wahrnehmung zu analysieren, ohne Rücksicht auf mögliche Konsequenzen, die sich aus Erkenntnissen der Realisierung ergeben können.
Hierbei verwendet er also eine Voraussetzung, die er nicht bewiesen hat und die sich auch in keiner Weise auf die sensorische Wahrnehmungstechnik abbilden lässt.
Dass die Wahrnehmung durchaus „gerne“ von den eigentlichen Sachverhalten abweicht, ist eigentlich eine Binsenweisheit, die durch unzählige Täuschungssituationen, Verletzungen und Krankheiten experimentell belegt ist.
Dies beachtet er aber nicht. Er sagt letztlich:
„das, was ich feststelle, ist das, was vorhanden ist“ – sozusagen: „auch der Täuschungsinhalt ist ein vorhandenes Ding“
Tatsächlich müsste er sich aber zuerst um „das Feststellen“ kümmern, um sagen zu können, in wie weit es dort auf „vorhandene Dinge“ ankommt.
(Ich vermute, dass er auf diese Zusammenhänge in dem Buch nicht eingeht)