Pluto hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Die Kopenhagener Interpretation der Quantenphysik z.B. ist selbstverständlich keine empirische Theorie, sondern eine philosophische Interpretation dessen, was auf subatomarer Ebene festgestellt wird. Und auch, was eine Theorie ist, ist nicht naturwissenschaftlich messbar, sondern muss wissenschaftstheoretisch geklärt werden.
Auch wenn die Kopenhagener Deutung eine Intepretation ist, sind ihre Auswirkungen nicht philosophisch, sondern physikalisch.
Da fängt es schon an ...
"Auswirkungen" der Kopenhagener
Interpretation sind ganz gewiss nicht physikalisch! Wie sollte die Auswirkung einer
Interpretation auch
physikalisch sein können? Was auf subatomarer Ebene faktisch beobachtbar ist, also die feststellbare Unschärfe oder der Zusammenbruch der Wellenfunktion, muss
interpretiert werden und das geht offensichtlich gerade nicht durch physikalische Methodik (also durch Beobachtung und Experiment).
Die Unschärfe und der Zusammenbruch der Wellenfunktion sind keine
physikalischen Auswirkungen einer bestimmten Interpretation. Du verwechselst da was ...
Nur physikalische Ereignisse können auch physikalische Auswirkungen haben. Die Kopenhagener Interpreation ist dagegen eine Theorie der Natur, in der die Unschärfe und der Zusammenbruch der Wellenfunktion sinnvoll beschrieben werden können. Die Kopenhagener Interpretation ist damit Naturphilosophie!
Pluto hat geschrieben:
Sie wurde erstmals von Werner Heisenberg und Niels Bohr formuliert, und es war gar kein Philosoph dabei.
Da irrst du dich lieber Pluto. Es waren zwei Philosophen anwesend. Nämlich Heisenberg und Bohr!
Heisenberg war sogar ein ziemlich guter Philosoph, und er hat eine ganze Menge zum Themenkreis Physik und Philosophie geschrieben, wie ein Blick auf einen Auszug seiner Veröffentlichungen belegt. Zudem war er sich stets im Klaren, dass seine Suche nach einer Weltformel, ein urphilosophisches Anliegen ist.
Lit.
Die mathematische Gesetzmäßigkeit der Natur. In: Wolfgang Dennert (Hrsg.): Die Natur – das Wunder Gottes. Bonn 1950.
Der Teil und das Ganze. Gespräche im Umkreis der Atomphysik. Piper, München 1969 (7. Auflage. 2001, ISBN 3-492-22297-8).
Ordnung der Wirklichkeit. Piper, München 1989, ISBN 3-492-10945-4.
Physik und Philosophie. Hirzel, Stuttgart 2000, ISBN 3-7776-1024-0.
Wandlungen in den Grundlagen der Naturwissenschaft. Hirzel, Stuttgart 1947, ISBN 3-7776-1366-5
Heisenberg: Die Entwicklung der Deutung der Quantentheorie. Physikalische Blätter, Juli 1956 (online).
Heisenberg: Die Rolle der modernen Physik in der Entwicklung des Denkens. Physikalische Blätter, Mai 1961 (online).
Heisenberg: Gespräche über das Verhältnis von Naturwissenschaft und Religion. Physikalische Blätter, Juli 1970 (online). PDF.
Heisenberg: Die Bedeutung des Schönen in der exakten Naturwissenschaft. Physikalische Blätter, März 1971 (online).
Heisenberg: Naturwissenschaftliche und religiöse Wahrheit. Rede zur Verleihung des Romano-Guardini-Preises. Physikalische Blätter, August 1973
Die philosophisch bedeutsamste Arbeit von Niels Bohr war übrigens
„The quantum theory of radiation“.
Pluto hat geschrieben:
Ich unterstelle sogar, dass der durchschnittliche Philosoph (dessen Background in den Geisteswissenschaften ist) gar nicht in der Lage ist die Tragweite der Kopenhagener Deutung in vollem Umfang zu verstehen. Mit den Phänomenen der Quantenmechanik konfrontiert bewegt sich ein Philosoph deshalb wie "die Kuh auf dem Eis".
Nun, auf dem gefährlich dünnen Eis der philosophischen Disziplinen Erkenntnistheorie und Ontologie z.B., bewegen sich sogar nicht nur die durchschnittlichen heutigen Physiker wie klobige Kühe, sondern auch die überdurchschnittlichen, wie Stephen Hawking oder Lawrence M. Krauss, die in ihren Büchern, insofern sie philosophisch werden, ganz fürchterlich dumme Fehler machen, vor allem Krauss in
"Ein Universum aus nichts". Die Biologen sind da übrigens nicht viel besser, denn auch was Dawkins z.B. in der
Gotteswahn an Philosophischem schreibt, ist philosophisch gesehen eher dürftig und strotzt vor einfachen - vor allem philosophiehistorischen - Fehlern.
Diese aktuelle Philosophieinkompetenz von Physikern und überhaupt sehr vielen Naturwissenschaftlern, gilt übrigens dezidiert nicht für fast alle älteren Physikergrößen zu Beginn des 20. Jahrh. (und davor)! Newton, Einstein, Heisenberg, Bohr, Erwin Schrödinger, Wolfgang Pauli, Dirac, Max Planck, Rutherford u.v.a. verfügten über ausgezeichnete philosophische und philosophiehistorische Kenntnisse. Da diese Physiker sehr wohl wussten, dass ihre Arbeiten wesentlich auf erkenntnistheoretischen, wissenschaftstheoretischen und ontologischen Grundannahmen und Voraussetzungen aufbaut, haben sich diese Weltklassephysiker oftmals sogar in eigenen Aufsätzen zu genuin philosophischen Themen geäußert.
Vor allem Carl Friedrich von Weizsäcker, bezeichnenderweise eine Heisenbergschüler, hat diese Tradition fortgesetzt und war ebenso Physiker wie Philosoph.
Aber es ist ohnehin so: Ob ein Durchschnittsphilosoph oder auch ein Weltklassephilosoph über gute Kenntnisse in Physik (oder anderen Naturwissenschaften) verfügt, hängt vor allem davon ab, auf welche philosophische Unterdiziplin er sich spezialisiert. So hat heute jeder bekanntere Naturphilosoph, selbstverständlich nicht nur Philosophie, sondern auch Physik oder eine andere Naturwissenschaft studiert. Lesch ist einer davon, Wolfgang Stegmüller, Bernulf Kanitscheider (
"Kosmologie"), Franz Wuketits und Franz von Kutschera sind anderere, und Ulrich Nortmann hat ein ganz bemerkenswertes und mathematisch ziemlich schwieriges, vielbeachtetes Buch über Quantenmechanik geschrieben (
"Unscharfe Welt? Was Philosophen über Quantenmechanik wissen möchten"), obwohl er eigentlich ein Aristotelesspezialist ist.

Umgekehrt meinen allerdings viele heutige Physiker in einer Art Hybrisanfall, sie könnten selbstverständlich auch stichhaltig über philosophische Themen schreiben, was dem Zeitgeist geschuldet ist, der die Physik gerne als Leitwissenschaft missversteht. Was sie freilich produzieren, ist zumeist Lei
dwissenschaft, denn sie dilletieren sich philosophisch einen Murks zurecht, dass sich die Balken biegen (s. Hawking und Krauss) und jedem Fachphilosophen die Haare zu Berge stehen.
Pluto hat geschrieben:
Das Problem ist, dass es in der Quantenphysik oft unmöglich ist, Dinge mit vertrauten Modellen zu beschreiben, schon gar nicht mit irgendeinem philosophischen Modell. Z. Bsp. enthält die Quantentheorie formale Objekte, deren unmittelbare Abbildung auf die Realität zu Schwierigkeiten führt. So wird in der Quantentheorie der Aufenthaltsort eines Teilchens nicht durch Orts- bzw. Zeitkoordinaten beschrieben, sondern durch eine Wellenfunktion, u. a. mit der Möglichkeit von scharfen Maxima an mehr als einer Stelle.
Philosophisch sind solche Funktionen gar nicht erfassbar. Die QM lässt sich mathematisch mit Hilfe von Wahrscheinlichkeiten beschreiben und bedarf keiner philosophischen Interpretation.
Die Beschreibung, die du hier gerade verfasst hast, IST genau eine mögliche wissenschaftstheoretische, also philosophische, Erklärung als einer statistischen Interpretation der Quantenmechanik. Dass es nur
eine Theorie unter mehreren möglichen ist, zeigt sich daran, dass es hierzu alternative Theorien gibt, wie z.B. die
bohmsche Mechanik, die den physikalischen Zustand eines Teilchens nicht nur durch die Wellenfunktion, sondern durch die Kombination aus Wellenfunktion und Teilchenposition
vollständig definiert.
Pluto hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Der Begriff der Kausalität, ist kein empirisches Messergebnis.
Das nicht. — Wie kann etwas Abstraktes wie ein
Begriff überhaupt messbar sein?
Aber die Kausalität ist ohne Kräfte die an Körper wirken nicht zu beschreiben.
Diese Kräfte lassen sich nur physikalisch beschreiben, und nicht philosophisch.
Diese "Kräfte" bedeuten physikalisch noch gar nichts, denn Kräfte zu messen erbringt lediglich Zahlen. Sollen diese Zahlenmesswerte irgendeinen Sinn ergeben, müssen sie interpretiert werden. Aber dein Beispiel ist ohnehin falsch, denn was Kausalität ist, kann grundsätzlich nicht beobachtet werden!
Wenn eine Billardkugel auf eine andere stößt und diese sich dann in eine bestimmte Richtung wegbewegt, dann hat man keine Kausalität beobachtet! Denn es mag sein, dass sich die angestoßene Kugel nicht deshalb bewegt, weil sie von einer anderen getroffen wurde, sondern weil z.B. Gott das so wollte oder ein Schmetterling in China mit den Flügeln geschlagen hat.
Zudem kannst du dich entschließen, einen Kaffee trinken zu möchten, was dich dazu bewegt, aufzustehen und dir einen zu kochen. Dann ist dein
Wunsch, Kaffee zu trinken der
kausale Auslöser für deine körperliche Aktion.