#1 Teilhard de Chardin: Der Mensch im Kosmos
Verfasst: Mi 18. Mär 2015, 23:13
Ein möglicher Ansatz für ein Gespräch zwischen Naturwissenschaft und Spiritualität.
http://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_Teilhard_de_Chardin
Der Mensch im Kosmos
Sein erstes Hauptwerk hat Teilhard 1940 verfasst. Es wurde 1955 kurz nach seinem Tod veröffentlicht, auf Deutsch 1959.[5] Die folgenden vierzehn Thesen versuchen den Inhalt dieses Hauptwerks als auch zentrale Aussagen aus anderen Büchern und Sammelbänden wie Die Zukunft des Menschen, Die menschliche Energie und Mein Universum wiederzugeben.[6]
1. Im Laufe der Erdgeschichte entstanden immer komplexere Formen: Atome, Moleküle, Zellen, Mehrzeller. Teilhard spricht von zunehmender „Verdichtung“ der Materie. Getrieben von einer geheimnisvollen Verwirklichungskraft „knospte“ sich die Materie immer stärker ein, während sich gleichzeitig das Seelisch-Geistige „ausknospte“. So erschienen immer höhere Formen bewussten Seins. Die ganze Evolution ist geprägt durch ein kontinuierliches Streben nach „Mehr-Sein“‘ gemäß der Formel: je komplexer, desto bewusster.
2. Mit dem menschlichen Gehirn erreichte die Komplexität der Materie ihren Höhepunkt. Sie ermöglichte ein Bewusstsein, das sich selber bewusst ist, das sich selber reflektieren kann: das Selbstbewusstsein des Menschen. Physisch scheint die Evolution mit dem homo sapiens sapiens abgeschlossen zu sein. Aber sie geht auf einer anderen Ebene weiter: nämlich auf der psychisch-geistigen, kulturellen und sozialen des Menschen.
3. Während einer längeren Expansionsperiode besiedelte der Mensch sämtliche Kontinente und Landstriche, selbst die unwirtlichsten. So entstand allmählich, zusätzlich zur Biosphäre, eine „Geistsphäre“, ein Bewusstseinsfeld rund um die Erde. Teilhard nannte es die „Noosphäre“.
4. Durch die ständige Zunahme der Weltbevölkerung (gegenwärtig 80 Millionen jährlich) wird es wegen der gekrümmten, nicht ausdehnbaren Erdoberfläche immer enger auf der Erde. Es kommt zu einer neuen Art Verdichtung, diesmal der Menschen untereinander: die „psychische Temperatur“ der Menschheit erhöht sich. Das führt zu großen Spannungen und Konflikten. Heute ist der kritische Punkt erreicht, wo wir uns entscheiden müssen: Untergang oder organische Einswerdung.
5. In diese ungemütliche Situation bringt ein zweiter Prozess Licht, denn die obige Formel gilt auch hier: je komplexer, desto bewusster. Durch die Verdichtung verstärkt sich auch das globale Bewusstseinsfeld. Die Menschen werden einsichtiger, erkennen größere Zusammenhänge. So wird ihnen – auch mit Hilfe der modernen Wissenschaft – allmählich bewusst, dass im Universum alles mit allem zusammenhängt, dass die Zukunft offen ist, und dass jedes Individuum Teilchen eines menschheitlichen Gesamtorganismus ist.
6. Daraus erwächst die Einsicht, dass die Menschheit nur überleben kann, wenn sie sich als ganzheitlichen Organismus sieht und sich entsprechend organisiert. Diese Einsicht führt zu globalem Denken und zu einem Gefühl der Zusammengehörigkeit, der Einmütigkeit.
7. Die ganze Entwicklung muss sinnvoll, irreversibel und unvergänglich sein, sonst würden die Menschen nicht immer und überall nach „Mehr-Sein“ streben; ihr Engagement für eine gemeinsame Zukunft würde rasch erlahmen.
8. Mit dem Bewusstsein, eine spezialisierte Zelle im Menschheitskörper zu sein, wächst in den Individuen der „Sinn fürs Ganze“, das Bedürfnis, diesem Ganzen zu dienen und Mitverantwortung zu übernehmen. Das kosmische Streben nach „Mehr-Sein“ drückt sich also im Menschen aus als Glaube an etwas Ganzes, Vollkommenes. Dahinter stecken die Ur-Sehnsucht nach Vereinigung und das Verlangen, selber ganz zu werden. Individuelle Vervollkommnungsversuche führen jedoch in die Vereinzelung, also in eine Sackgasse. Nur das Bemühen um die gemeinsame Ganzwerdung führt weiter.
9. Der einzelne Mensch wird nicht untergehen in diesem Ganzen, sondern darin aufgehen; er wird darin aufgehoben sein, nicht damit verschmelzen, sondern sich darin sogar differenzieren.
10. Sich selber hingeben kann er nur einem Größeren als er selbst, also einem Über-Menschlichen.
11. Dieses Größere kann nicht ein Etwas, sondern muss ein Jemand, also personhaft sein im Sinn von „vollständig bei sich sein“.
12. Aus christlicher Sicht ist diese Person göttlich; es ist der kosmische Christus (Christus universalis), die Kraftquelle und Anziehungskraft für den nach Erfüllung strebenden Menschen. Er beginnt aus dieser Kraft zu leben und sein Leben danach auszurichten.
13 So findet dieser Mensch zu einer neuen Form der Liebe: zur wahren Nächstenliebe. Seine egozentrischen Bedürfnisse vermindern sich allmählich. Das ist sowohl ein schmerzhafter wie ein freudvoller Prozess. Er fügt sich immer mehr dem mystischen Leib Christi ein, und durch diese Eingliederung wird er vollendet. Denn im Verlauf dieses Prozesses verwandelt sich sein ganzes Wesen (Auferstehung).
14. Da die ganze kosmische Entwicklung konvergent ist, strebt alles zusammen (con-vertere, uni-vertere). In einem solchen Universum konvergieren auch die Menschen; sie streben zu einem konvergenten Zielpunkt (Omega), der ebenfalls personhaft sein muss. Das heißt, das Drängen von unten und die Anziehungskraft von oben zieht und treibt die Menschheit in einem sich verjüngenden Spiralengang auf ein höchstes personales Zentrum hin zu ihrer Vollendung.
15. Durch das freiwillige, liebevolle Einswerden vieler Menschen wird die Anziehungskraft des über–menschlichen Brennpunkts immer stärker, bis in einem kosmo–logischen Moment ein gewaltiger Impuls alle Menschen guten Willens erfasst (die Wiederkunft Christi) und sie als ein geeintes Wesen in eine höhere, göttliche Dimension durchbrechen.
16. Naturwissenschaftliche Entwicklungstheorie und christliche Heilslehre sind zwei verschiedene Ansichten desselben Prozesses. (Ausführlichere Inhaltsübersicht von Der Mensch im Kosmos im Beitrag von Vera Haag, Kap. 2.2, siehe Weblink)
http://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_Teilhard_de_Chardin
Der Mensch im Kosmos
Sein erstes Hauptwerk hat Teilhard 1940 verfasst. Es wurde 1955 kurz nach seinem Tod veröffentlicht, auf Deutsch 1959.[5] Die folgenden vierzehn Thesen versuchen den Inhalt dieses Hauptwerks als auch zentrale Aussagen aus anderen Büchern und Sammelbänden wie Die Zukunft des Menschen, Die menschliche Energie und Mein Universum wiederzugeben.[6]
1. Im Laufe der Erdgeschichte entstanden immer komplexere Formen: Atome, Moleküle, Zellen, Mehrzeller. Teilhard spricht von zunehmender „Verdichtung“ der Materie. Getrieben von einer geheimnisvollen Verwirklichungskraft „knospte“ sich die Materie immer stärker ein, während sich gleichzeitig das Seelisch-Geistige „ausknospte“. So erschienen immer höhere Formen bewussten Seins. Die ganze Evolution ist geprägt durch ein kontinuierliches Streben nach „Mehr-Sein“‘ gemäß der Formel: je komplexer, desto bewusster.
2. Mit dem menschlichen Gehirn erreichte die Komplexität der Materie ihren Höhepunkt. Sie ermöglichte ein Bewusstsein, das sich selber bewusst ist, das sich selber reflektieren kann: das Selbstbewusstsein des Menschen. Physisch scheint die Evolution mit dem homo sapiens sapiens abgeschlossen zu sein. Aber sie geht auf einer anderen Ebene weiter: nämlich auf der psychisch-geistigen, kulturellen und sozialen des Menschen.
3. Während einer längeren Expansionsperiode besiedelte der Mensch sämtliche Kontinente und Landstriche, selbst die unwirtlichsten. So entstand allmählich, zusätzlich zur Biosphäre, eine „Geistsphäre“, ein Bewusstseinsfeld rund um die Erde. Teilhard nannte es die „Noosphäre“.
4. Durch die ständige Zunahme der Weltbevölkerung (gegenwärtig 80 Millionen jährlich) wird es wegen der gekrümmten, nicht ausdehnbaren Erdoberfläche immer enger auf der Erde. Es kommt zu einer neuen Art Verdichtung, diesmal der Menschen untereinander: die „psychische Temperatur“ der Menschheit erhöht sich. Das führt zu großen Spannungen und Konflikten. Heute ist der kritische Punkt erreicht, wo wir uns entscheiden müssen: Untergang oder organische Einswerdung.
5. In diese ungemütliche Situation bringt ein zweiter Prozess Licht, denn die obige Formel gilt auch hier: je komplexer, desto bewusster. Durch die Verdichtung verstärkt sich auch das globale Bewusstseinsfeld. Die Menschen werden einsichtiger, erkennen größere Zusammenhänge. So wird ihnen – auch mit Hilfe der modernen Wissenschaft – allmählich bewusst, dass im Universum alles mit allem zusammenhängt, dass die Zukunft offen ist, und dass jedes Individuum Teilchen eines menschheitlichen Gesamtorganismus ist.
6. Daraus erwächst die Einsicht, dass die Menschheit nur überleben kann, wenn sie sich als ganzheitlichen Organismus sieht und sich entsprechend organisiert. Diese Einsicht führt zu globalem Denken und zu einem Gefühl der Zusammengehörigkeit, der Einmütigkeit.
7. Die ganze Entwicklung muss sinnvoll, irreversibel und unvergänglich sein, sonst würden die Menschen nicht immer und überall nach „Mehr-Sein“ streben; ihr Engagement für eine gemeinsame Zukunft würde rasch erlahmen.
8. Mit dem Bewusstsein, eine spezialisierte Zelle im Menschheitskörper zu sein, wächst in den Individuen der „Sinn fürs Ganze“, das Bedürfnis, diesem Ganzen zu dienen und Mitverantwortung zu übernehmen. Das kosmische Streben nach „Mehr-Sein“ drückt sich also im Menschen aus als Glaube an etwas Ganzes, Vollkommenes. Dahinter stecken die Ur-Sehnsucht nach Vereinigung und das Verlangen, selber ganz zu werden. Individuelle Vervollkommnungsversuche führen jedoch in die Vereinzelung, also in eine Sackgasse. Nur das Bemühen um die gemeinsame Ganzwerdung führt weiter.
9. Der einzelne Mensch wird nicht untergehen in diesem Ganzen, sondern darin aufgehen; er wird darin aufgehoben sein, nicht damit verschmelzen, sondern sich darin sogar differenzieren.
10. Sich selber hingeben kann er nur einem Größeren als er selbst, also einem Über-Menschlichen.
11. Dieses Größere kann nicht ein Etwas, sondern muss ein Jemand, also personhaft sein im Sinn von „vollständig bei sich sein“.
12. Aus christlicher Sicht ist diese Person göttlich; es ist der kosmische Christus (Christus universalis), die Kraftquelle und Anziehungskraft für den nach Erfüllung strebenden Menschen. Er beginnt aus dieser Kraft zu leben und sein Leben danach auszurichten.
13 So findet dieser Mensch zu einer neuen Form der Liebe: zur wahren Nächstenliebe. Seine egozentrischen Bedürfnisse vermindern sich allmählich. Das ist sowohl ein schmerzhafter wie ein freudvoller Prozess. Er fügt sich immer mehr dem mystischen Leib Christi ein, und durch diese Eingliederung wird er vollendet. Denn im Verlauf dieses Prozesses verwandelt sich sein ganzes Wesen (Auferstehung).
14. Da die ganze kosmische Entwicklung konvergent ist, strebt alles zusammen (con-vertere, uni-vertere). In einem solchen Universum konvergieren auch die Menschen; sie streben zu einem konvergenten Zielpunkt (Omega), der ebenfalls personhaft sein muss. Das heißt, das Drängen von unten und die Anziehungskraft von oben zieht und treibt die Menschheit in einem sich verjüngenden Spiralengang auf ein höchstes personales Zentrum hin zu ihrer Vollendung.
15. Durch das freiwillige, liebevolle Einswerden vieler Menschen wird die Anziehungskraft des über–menschlichen Brennpunkts immer stärker, bis in einem kosmo–logischen Moment ein gewaltiger Impuls alle Menschen guten Willens erfasst (die Wiederkunft Christi) und sie als ein geeintes Wesen in eine höhere, göttliche Dimension durchbrechen.
16. Naturwissenschaftliche Entwicklungstheorie und christliche Heilslehre sind zwei verschiedene Ansichten desselben Prozesses. (Ausführlichere Inhaltsübersicht von Der Mensch im Kosmos im Beitrag von Vera Haag, Kap. 2.2, siehe Weblink)