#1 Die göttliche Weisheit bei Sergius Bulgakov
Verfasst: Do 24. Apr 2014, 23:49
Ich verweise auf die "Sophiologie" von Sergius Bulgakov - etwas für an diesem Thema sehr interessierte Geistwesen.
"Der Begriff der Weisheit hat in der philosophischen und der theologischen Lehre Bulgakovs eine zentrale Bedeutung. Er ist der eigentliche Schlüsselbegriff für das Verständnis seines gesamten Werkes, das große "und", das in seinem Denken Gott und Welt, Sein und Geschehen, Himmel und Erde, Ewigkeit und Zeit zusammenbindet. Dieser Begriff ist aber nicht eine neue Erfindung: "unter verschiedenen Namen und unter verschiedenen Gestalten begegnen wir ihm in der Geschichte des Denkens", sagt Bulgakov: "Weltseele, Göttliche Sophia, Pleroma, Natura naturans...". Allein diese Aufzählung zeugt von der Vielgestaltigkeit und vom Reichtum des Inhaltes des Begriffes Sophia. Verschiedene Denker und Schulen gebrauchen ihn im verschiedenen Sinne; aber alle diese Interpretationen sind nur verschiedene Antworten auf dieselbe Frage, auf das Problem, das zu den Fundamenten des Denkens gehört und im Wesen der Dinge liegt. Dies ist die Frage nach dem Verhältnis vom Absoluten und Relativen, von der Einheit und Vielheit, vom Bild und Urbild, von Gott und Welt. Wie ist dies Verhältnis zu denken, damit das Relative vom Absoluten nicht absorbiert wird, aber damit auch das Absolute im Relativen sich nicht auflöst? Jedes philosophische Denken versucht auf diese Frage eine Antwort zu geben, und wenn es die Einseitigkeiten eines Parmenides und eines Heraklit vermeidet, läuft es notwendig in den Bahnen des Platonismus, indem es ein "tertium datur" behauptet, es zu formulieren sucht. Auf dieses bezogen ist die Sophiologie weder ein individuelles Gedankengebäude noch ein isoliertes System und muss als ein besonderer Typ der Lösung des allgemein-philosophischen Problems bezeichnet werden. Die Tatsache, dass das "Tertium datur' als Weisheit Gottes bezeichnet wird, orientiert unser Denken in drei Richtungen: erstens bedeutet es einen mächtigen ontologischen Optimismus; die Weisheit setzt die Realität dessen voraus, der sie besitzt, dem sie angehört; das bedeutet, dass der Bund zwischen Himmel und Erde nicht nur ein Postulat der Vernunft ist, sondern tatsächlich existiert; zweitens weist es darauf hin, dass dieses Problem auf den Wegen des Denkens erkannt werden muss: die Philosophie ist eine wahre Liebe zur Weisheit – zu dem, was die beiden Welten real vereinigt, drittens verbindet der Name Sophia das philosophische Denken mit dem religiösen Glauben, insofern das Grundprinzip des Seins die Weisheit Gottes ist, "die vor der Schöpfung der Welt bei Gott war und deren Ergötzung bei den Menschenkindern war" (Spr. Sal. 8, 22 u. 31)."
Es gibt nämlich eine sophiologische Einstellung (die vielen Denkern, Mystikern, Poeten und Künstlern gemeinsam ist) und es gibt sophiologische Lehren – als verschiedenartige Versuche, die Grundeinstellung in vernünftigen Formen durchzudenken und darzustellen. Die erste kann als das Schauen Gottes in der Welt definiert werden, als ein Erschauen des Schöpfers in der Schöpfung, als ein unaufhörliches Empfinden jenes "gut" oder "schön", die das eigentliche Wesen der ganzen geschaffenen Welt bilden. Es ist also nicht ein Verlangen, nicht ein Suchen der Vollkommenheit – sei es auf den Wegen [des Denkens] oder des Handelns –, sondern eine konkrete und grundlegende Schau dieser Vollkommenheit als der Wurzel und des Wesens von allem, was von Gott geschaffen wurde. Von diesem Standpunkt aus charakterisiert B. seine Sophiologie "nicht als eine neue Doktrin oder eine neue Wahrheit..., sondern als eine theologische und philosophische ‚metanoia', als Veränderung und Erneuerung des Herzens in einem neuen Weltempfinden, durch die sophianische Aufnahme der Welt als der Offenbarung der Weisheit Gottes".
[...]
"Die Welt ist die sich offenbarende göttliche Weisheit, in ihr hat sich der Himmel zur Erde geneigt. Die Welt existiert nicht nur in sich, sondern auch in Gott, und Gott ist gegenwärtig nicht nur im Himmel, sondern auch auf der Erde – in der Natur und im Menschen. Das ist die Antwort, die im Grunddogma des Christentums – in der Wahrheit von der Gottmenschheit – enthalten ist und uns gleichzeitig zur Askese und zum Schaffen ruft, zur Befreiung von der Welt und zur Befreiung der Welt."
Quelle

Es gibt nämlich eine sophiologische Einstellung (die vielen Denkern, Mystikern, Poeten und Künstlern gemeinsam ist) und es gibt sophiologische Lehren – als verschiedenartige Versuche, die Grundeinstellung in vernünftigen Formen durchzudenken und darzustellen. Die erste kann als das Schauen Gottes in der Welt definiert werden, als ein Erschauen des Schöpfers in der Schöpfung, als ein unaufhörliches Empfinden jenes "gut" oder "schön", die das eigentliche Wesen der ganzen geschaffenen Welt bilden. Es ist also nicht ein Verlangen, nicht ein Suchen der Vollkommenheit – sei es auf den Wegen [des Denkens] oder des Handelns –, sondern eine konkrete und grundlegende Schau dieser Vollkommenheit als der Wurzel und des Wesens von allem, was von Gott geschaffen wurde. Von diesem Standpunkt aus charakterisiert B. seine Sophiologie "nicht als eine neue Doktrin oder eine neue Wahrheit..., sondern als eine theologische und philosophische ‚metanoia', als Veränderung und Erneuerung des Herzens in einem neuen Weltempfinden, durch die sophianische Aufnahme der Welt als der Offenbarung der Weisheit Gottes".
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"Die Welt ist die sich offenbarende göttliche Weisheit, in ihr hat sich der Himmel zur Erde geneigt. Die Welt existiert nicht nur in sich, sondern auch in Gott, und Gott ist gegenwärtig nicht nur im Himmel, sondern auch auf der Erde – in der Natur und im Menschen. Das ist die Antwort, die im Grunddogma des Christentums – in der Wahrheit von der Gottmenschheit – enthalten ist und uns gleichzeitig zur Askese und zum Schaffen ruft, zur Befreiung von der Welt und zur Befreiung der Welt."
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