Detlef hat geschrieben:Die Gedanken der Gespenstergläubigen sind wirklich schwer nachvollziehbar.... aber... es ist doch nur ein ForumSamuelB hat geschrieben:Jetzt ist nämlich so ein Notfall. Es wird mit jedem Beitrag hässlicher...
Das Gotteskonzept der meisten Menschen ist für mich tatsächlich nur ein Gespenst bzw. Phantasma. Die von Atheisten abgelehnten Gotteskonzepte lehne ich in der Regel ebenfalls ab. Ich glaube an einen Gott, der sehr viel größer ist, als alle begrenzten menschlichen Konzepte. Jesus selbst sagte:
„Der Vater ist größer als ich.“ (Joh 14, 28)
Mich persönlich erstaunt es, wenn religiöse Menschen einfach davon ausgehen, dass ihr Gotteskonzept richtig ist: denn ein absolutes, ewiges, allumfassendes, grenzenloses und unendliches Wesen transzendiert alle Konzepte und passt in keine Definition. Wer es doch versucht, erschafft sich sein eigenes Götzenbild und verfällt dem Anthropomorphismus. Den Islam würde es heute vermutlich gar nicht geben, wenn nicht seit 1400 Jahren die zahllosen christlichen Sekten über ihre verschiedenen Gotteskonzepte gestritten hätten. Im Grunde handelt es sich dabei um eine Gegenbewegung. Schon der antike Dichter Xenophanes bemerkt in einem berühmten Gedicht, dass Menschen ihre Götter je nach ihrem eigenen Bilde erschaffen:
„Stumpfe Nasen und schwarz; so sind Äthiopias Götter,
Blauäugig aber und blond: so sehn ihre Götter die Thraker,
Aber die Rinder und Rosse und Löwen, hätten sie Hände,
Hände wie Menschen zum Zeichnen, zum Malen, ein Bildwerk zu formen,
Dann würden die Rosse die Götter gleich Rossen, die Rinder gleich Rindern
Malen, und deren Gestalten, die Formen der göttlichen Körper,
Nach ihrem eigenen Bilde erschaffen: ein jedes nach seinem.“
In den Mythen Homers und Hesiods wurden den Göttern menschliche Verhaltensweisen wie Ehebruch, Eifersucht und Betrug zugesprochen. Das koranische Argument, welches gegen derlei Anthropomorphismus ins Feld geführt wird, ist die Sure 42:11:
„Es gibt nichts, was ihm (nämlich Gott) gleich kommen würde“ (laisa ka-mithli-hÄ« Å¡aiʾ)
In der islamischen Theologie werden die beiden arabischen Begriffen taschbÄ«h („Verähnlichung, Anthropomorphismus“) und taÊ¿tÄ«l („Entleerung der Gottesidee von jeglichem mit menschlicher Begrifflichkeit beschreibbaren Inhalt“) verwendet, um beides voneinander abzugrenzen. Der Koran gebraucht zwar für die Umschreibung der Eigenschaften Allahs Vergleiche mit menschlichen Merkmalen, beispielsweise wird gesagt, dass er ein „Antlitz“ habe ...
„Alle, die auf ihr [der Erde] sind, werden vergehen; bleiben wird nur das Antlitz deines Herrn.“ ( Sure 55,26f.)
„Gottes ist der Osten und der Westen. Wohin ihr euch auch wenden möget, dort ist das Antlitz Gottes.“ (Sure 2,115)
... doch das ist metaphorisch zu verstehen. Wenn der Mensch sein „Antlitz“ sieht, so soll gesagt werden: wir können in Meditation und Gebet seine Allgegenwart erfahren, einen Einblick bzw. Durchblick in seine Wirklichkeit gewinnen (und zwar „Wohin ihr euch auch wenden möget“) aber er übersteigt alle Bilder, Begriffe und Konzepte. Christen sprechen von der Menschwerdung (Inkarnation) seines Wortes in Jesus Christus, während Muslime jede „Vermenschlichung“ kritisieren. Murad Wilfried Hoffman schreibt in Ein philosophischer Weg zum Islam:
... dass das gewaltige, unvermenschlichte Gottesbild, dem Muhammad als "Siegel der Propheten" zum Durchbruch verhalf, das dem modernen, naturwissenschaftlich orientierten, emanzipierten Menschen gemäße ist[...]
Vor dem Hintergrund westlich-individualistisch-rationaler Erziehung ist dasjenige Gottesbild das plausibelste, das ein Höchstmaß an göttlicher Intensität mit dem geringsten Maß an theologischer Spekulation und ritualistischen Tabus umgibt: diejenige Gottesvorstellung, die Gott nicht verniedlicht und nicht verinstrumentiert.
Wenn wir sinnvoll von Gott reden wollen, sodass der Glaube für den modernen Menschen wieder zugänglich wird, müssen wir „in“, „hinter“ oder „über“ allen Gottesbildern das Göttliche als vollkommenes Wesen erahnen, unsagbar und unbeschreibbar. Ein alle Vorstellungen übersteigendes reines Geistwesen absoluter Transzendenz (griech. νοῦς, nous) welches durch menschliches Reden über Gott unweigerlich begrenzt und niemals erfasst werden kann. In seinen Göttern malet sich der Mensch, so heißt es. Dieser Anthropomorphismus ist für den modernen Menschen nicht mehr akzeptabel, weil er als Projektion durchschaut wird (-> Feuerbachs Projektionstheorie) Der Islam, der sowohl jede anthropomorphe und polytheistische Gottesvorstellung verwirft, kann aus heutiger Sicht als ein möglicher Lösungsweg verstanden werden. Bestätigt wird das durch diese bemerkenswerten Worte von Goethe. In seinem West-Östlichen Divans heißt es:
Jesus fühlte rein und dachte
Nur den Einen Gott im Stillen;
Wer ihn selbst zum Gotte machte
Kränkte seinen heil'gen Willen.
Und so muß das Rechte scheinen
Was auch Mahomet gelungen;
Nur durch den Begriff des Einen
Hat er alle Welt bezwungen.(WA I, 6, 288 ff)
Im Siebenschläfer-Gedicht des West-Östlichen Divan bezeichnet er Jesus als Propheten und fügt den typischen Friedensgruß der Muslime bei:
Ephesus gar manches Jahr schon, / Ehrt die Lehre des Propheten / Jesus. (Friede sei dem Guten!) (WA I, 6, 269)
Spätestens seit Goethes West-Östlichem Divan gehört der Islam zu Deutschland. Es ist an der Zeit den Dialog als eine Chance zu sehen: der Islam ist eine historisch berechtigte Anfrage und Denkaufgabe für Christen. War der Islam die Folge einer christlichen Verirrung? So lautet die These von Navid Kermani.
Friedenspreisträger Navid Kermani hat ein Buch über das Christentum geschrieben. Seine kühnste These: Erst das Konzil von Nicäa hat das Aufkommen des Islam als reiner Form des Monotheismus provoziert.
Das ist bei Kermani mehr Frage als These, aber immerhin. Für die in Trient unterlegenen Arianer war Jesus kein Gott, sondern Mensch. Und wenn das ins Abseits der Apokryphen gedrängte Thomasevangelium „Leitmedium“ geworden wäre, hätte die Religions- und die Weltgeschichte eine andere Wendung genommen.