closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:In dem ganzen Artikel steht nichts von Wahrnehmung.
Deshalb habe ich ja irgendwo gesagt, dass man Sein - Seiendes in gewisser Weise mit Realität - Wahrnehmung bzw. Objekt - Subjekt assoziieren kann. - Genau ist diese Eselsbrücke nicht.
Es sind zwei Dinge:
Das, was Heidegger schreibt, und das, was Du schreibst.
Entweder ich entscheide mich dafür, Heidegger verstehen zu wollen, oder Dich verstehen zu wollen.
Da es für Dich möglicherweise existentiell wichtig ist, wie Du das im Laufe des Lebens reflektiert hast, werde ich daran vermutlich auch nicht rütteln können.
Ich halte es auch für legitim, dass man sich einen Autor nimmt, der einem dazu verhelfen kann, seine eigene Weltsicht aufzubauen, auch wenn man den Autor selber inzwischen innerlich verändert hat.
Dennoch bin ich daran nicht gebunden; ich kann ganz neu, und so wie ich gewohnt bin, philosophische Werke zu erschließen, die Begrifflichkeiten Heideggers nach meiner Erfahrung mit philosophischer Lektüre zu klären suchen. Ich benutze dazu möglichst nicht meine eigenen Assoziationen, da ich mir durch Heidegger kein Weltbild aufbauen will, sondern sein Denken in sich selber nachvollziehen möchte.
Würde ich darüber eine Seminararbeit oder einen Artikel in einer philosophischen Zeitschrift schreiben, könnte ich es mir auch nicht erlauben, ihn so auszulegen, wie es gut ist für den Aufbau meiner Weltsicht: ich darf ihn also nicht aus persönlichen Gründen verfälschen.
Legitim ist diese Art "Anpassung" eines Autors an mein schon bestehendes oder aufzubauendes Weltbild aber trotzdem, wie gesagt, weil Philosophen auch zur Abklärung der eigenen Lebensfragen dienen dürfen: und im letzteren Falle spielt es keine Rolle, ob das philosophische Werk das letzten Endes hergibt oder nicht.
Nur wäre das dann kein Beitrag zur Heidegger-Forschung.
Bei letzterem müsste man allerdings auch die bisherigen Heidegger-Deuter einbeziehen und bei Abweichung von ihnen belegen, dass die eigene Deutung aus dem und dem Grund von der bisherigen Deutungsgeschichte abweicht.
Das ist auch normal, darin besteht ja gerade eine lebendige Forschung: dass man immer wieder neue Sichtweisen ins Spiel bringt, die je nach Plausibilität die gesamte Forschung zu neuen Sichtweisen bringen kann.
Da Du Heidegger anders deutest als der Wikipedia-Schreiber, müsste man eben an Heidegger selber überprüfen, ob das eine persönliche Weiterentwicklung Heideggscher Gedanken ist oder den Nagel auf den Heidegger-Kopf trifft.
Folgenden Satz des Artikelschreibers fast am Ende Deines Zitierten finde ich darum wichtig, weil ich genau diese Sache in anderen Threads immer wieder gerade bei dem Begriff "Sein" ausführlichst reflektiert habe:
Durch die Substantivierung „Sein“ erscheint es, als sei das Sein ein innerweltliches Ding. Dies ist ein Problem, welches jede Repräsentation des Seins, auch die nicht-sprachliche, mit sich bringt und welches in der Heidegger-Rezeption zu vielen Missverständnissen geführt hat. Heidegger versuchte es beispielsweise dadurch zu vermeiden, dass er sagt, „es gibt sein“, statt „das Sein ist.“ Denn mit ist sagt man ja etwas über ein Seiendes aus, das ist. Das Sein ist gerade nicht das Seiende.
Genau dieses Missverständnis - entstanden durch unsaubere Anwendung von Sprache - habe ich immer wieder versucht zu thematisieren.
"es gibt sein" ist eben etwas ganz Anderes als "das Sein ist".
Und damit wäre dann auch eine Übersetzung ins Englische möglich. Deine Deutung von "Sein" wäre nicht übersetzbar und mittels englischer Grammatik auch nicht "denk"-bar. Es ist möglicherweise nur Sprachakrobatik.
Aber Heideggers "es gibt sein" - und damit nähmen wir alles als seiend wahr - ist logisch und verständlich. Das ist eine wirklich philosophische Aussage und keine bloße Sprachakrobatik.
Das jetzt nur zu dem, was ich dem Artikel entnommen habe.
Ansonsten wäre jetzt eigene Lektüre meinerseits angesagt.
Aber wann die eintritt, weeß keener.