Descartes und die menschliche Seele

Philosophisches zum Nachdenken
closs
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#621 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Do 27. Okt 2016, 12:22

Novalis hat geschrieben:Wobei wir hier auch ein Sprachspiel spielen. Wenn wir „Geist“ sagen, meinen wir offenbar nicht das selbe. Wenn der Physikalist von „Geist“ spricht, so meint er die geistige Aktivität des Gehirns, die sich auf ein mathematisch-physikalisches Modell reduzieren lässt. Wir meinen transzendenten Geist.
Das ist es ja - das ist doch der Grund, warum ich diese Sprachschlamperei kritisiere. - Warum musste die Naturwissenschaft ausgerechnet dasselbe Wort annektieren, das bereits geisteswissenschaftlich über Jahrtausende semantisch ganz anders besetzt ist? - Da hätte man sich doch ein eigenes Wort ausdenken können, wenn man schon was anderes meint.

Novalis hat geschrieben: Die interessante Frage ist für mich: warum gibt es überhaupt denkende Wesen, die Fragen stellen und eine Weltsicht haben?
So ist. - Die Antwort darauf, die ich bisher naturalistischerseits gehört habe, war, dass diese Fähigkeit ein Kollateral-Schaden der Evolutions-Theorie sei - sozusagen eine Entgleisung der Neugierde an der Welt.

Novas
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#622 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Novas » Do 27. Okt 2016, 12:39

closs hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben: Die interessante Frage ist für mich: warum gibt es überhaupt denkende Wesen, die Fragen stellen und eine Weltsicht haben?
So ist. - Die Antwort darauf, die ich bisher naturalistischerseits gehört habe, war, dass diese Fähigkeit ein Kollateral-Schaden der Evolutions-Theorie sei

Ja, das ist für mich keine befriedigende Antwort :D

„Patrick Spät zeigt im ersten Teil seiner Dissertation die Schwierigkeiten auf, mit denen sich der physikalische Naturalismus konfrontiert sieht. Als Fazit zum ersten Teil schreibt er auf Seite 103f.: "Der physikalistische Naturalismus hat drei Möglichkeiten, das Geistige in seine Welt des rein Physischen zu integrieren: (1) Er kann die Existenz geistiger Eigenschaften leugnen und so das Leib-Seele-Probleme umgehen. Dieser eliminative Physikalismus scheitert an der Unbezweifelbarkeit des bewussten Erlebens und der implizierten Selbstwidersprüchlichkeit: Nur ein geistbegabtes Wesen kann überhaupt erst eine Theorie formulieren, die die Existenz des Geistigen negiert. (2) Er kann versuchen, die geistigen Eigenschaften auf physische zu reduzieren. Dieser reduktive Physikalismus scheitert an den qualitativen und subjektiven Eigenschaften des Geistigen, die der rein physische Bereich nicht aufweist. (3) Er kann die besonderen Eigenschaften des Geistigen anerkennen und zugleich postulieren, dass sie aus dem rein Physischen hervorgehen. Der hierbei implizierte qualitative Sprung ist jedoch nicht intelligibel und verletzt sämtliche uns bekannten naturwissenschaftlichen und metaphysischen Überlegungen."

Der Panpsychismus

Als Alternative zu einem solchen Naturalismus sieht Patrick Spät den Panpsychismus, dessen Kernargumentation er wie folgt darstellt:

"Die bisherige Kritik am physikalistischen Naturalismus kann in ihrer Struktur als eine abgeschlossene Argumentation für einen Panpsychismus angesehen werden. Konkret lässt sich die Kernargumentation für den Panpsychismus wie folgt darstellen:

(T1) Es gibt physische Eigenschaften.
(T2) Es gibt geistige Eigenschaften.
(T3) Geistige Eigenschaften sind nicht identisch mit physischen Eigenschaften.
(T4) Geistige Eigenschaften sind keine emergenten Produkte der physischen Wirklichkeit.
--
(F) Die gesamte physische Wirklichkeit birgt geistige Eigenschaften." (Spät 2010, S. 107)“

http://www.argumentarium.ch/philosophie ... psychismus


Auf der Webseite wird allerdings auch folgendes angesprochen:

Der Panpsychismus ist logisch unmöglich

"Das Problem mit dem Panpsychismus liegt in (F). Spät spricht wohl nicht ohne Grund von "geistigen Eigenschaften" ohne näher zu klären, was man sich darunter vorzustellen hat. Damit das Argument aufgeht, muss es sich dabei aber auf jeden Fall um etwas grundsätzlich Nichtphysisches handeln. Das bedeutet aber, dass (F) auch so formuliert werden kann: "Die gesamte physische Wirklichkeit birgt nichtphysische Eigenschaften." Oder um es noch klarer auf den Punkt zu bringen: "Die gesamte Wirklichkeit ist zugleich physisch und nichtphysisch", was einen offenen Widerspruch darstellt. Dies ist wohl auch der Grund, warum ein Panpsychismus kaum disktuiert wird und warum sich der Naturalismus in den Wissenschaften durchgesetzt hat: lässt sich das Nichtphysische nicht auf etwas Physisches zurückführen bleiben nur die folgenden Optionen: das Physische lässt sich auf das Geistige zurückführen (»Idealismus) oder Physisches und Nichtphysisches können nicht interagieren (»Dualismus)."


Dem stimme ich zu. Ich gehe davon aus, dass Materie - als die Substanz aus der unsre gesamte Welt besteht - nur scheinbar materiell ist („Maya“), alles existiert viel mehr im Bewusstsein und Bewusstsein ist die fundamentale Kraft im Kosmos. Etwas schärfer formuliert: es gibt keine Materie. Ein Wissenschaftler, der das ganz ähnlich gesehen hat, und zu den "Querdenkern" gehört, die wussten, dass Widerspruch eine wichtige Eigenschaft ist, ist Hans Peter Dürr. In diesem Vortrag spricht er daüber:



Ich wünsche mir mehr solche Wissenschaftler. Er hat zeitlebens immer den Missbrauch der Wissenschaft (etwa durch den Bau der Atombombe) kritisiert, sie solle stattdessen in den Dienst der Menschheit gestellt werden. Das hat auch etwas mit Bewusstsein zu tun, nicht wahr?

„Die Wissenschaftler sitzen heute im gleichen Boot wie die andern und müssen sagen: 'So genau weiss ich's auch nicht.“ (H.-P. Dürr)

closs
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#623 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Do 27. Okt 2016, 15:28

Novalis hat geschrieben: Ich gehe davon aus, dass Materie - als die Substanz aus der unsre gesamte Welt besteht - nur scheinbar materiell ist („Maya“)
Ich würde es noch etwas anderes ausdrücken: Es gibt sehr wohl Materie - aber sie ist nur ein besonderer Aggregatszustand des Geistes.

Novalis hat geschrieben: Ein Wissenschaftler, der das ganz ähnlich gesehen hat, und zu den "Querdenkern" gehört, die wussten, dass Widerspruch eine wichtige Eigenschaft ist, ist Hans Peter Dürr.
Typisch, was dann hier passiert ist: Man unterstellt ihm so etwas Ähnliches wie Alters-Demenz ("Schade, dass ein Mensch mit solchen Verdiensten sich im Alter so diskrediert". :devil: )

Ich habe Dürr übrigens eher im Sinne meiner Version verstanden.

Counterweight
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#624 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Counterweight » Do 27. Okt 2016, 15:38

closs hat geschrieben:Ich würde es noch etwas anderes ausdrücken: Es gibt sehr wohl Materie - aber sie ist nur ein besonderer Aggregatszustand des Geistes.
Du hast eine nette Fantasie.
:lol:

Novas
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#625 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Novas » Do 27. Okt 2016, 15:41

Counterweight hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Ich würde es noch etwas anderes ausdrücken: Es gibt sehr wohl Materie - aber sie ist nur ein besonderer Aggregatszustand des Geistes.
Du hast eine nette Fantasie.
:lol:

Vielleicht ist die Wirklichkeit einfach sehr viel fantastischer, als es manche Zeitgenossen für möglich halten :wave: eigentlich sagt Kurt hier nur das, was alle spirituellen Traditionen sagen: GEIST ist der Ursprung aller Dinge. Demnach ist das, was wir „Materie“ nennen eine Manifestation dieses GEISTES. Es gibt demnach Materie, aber nicht so, wie das für gewöhnlich gedacht wird. Es gibt sie nicht, als ein Ding an sich, unabhängig vom GEIST.
Zuletzt geändert von Novas am Do 27. Okt 2016, 15:44, insgesamt 1-mal geändert.

Counterweight
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#626 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Counterweight » Do 27. Okt 2016, 15:44

Novalis hat geschrieben:Selbst wenn Du der Annahme folgst, dass das Gehirn Geist erzeugt, so besteht die Frage, wie es dazu überhaupt imstande ist.
Signalübertragungen.
Um so komplexer die Struktur dieser, umso komplexer der "Geist". Ist ein bestimmtes Niveau an Komplexität davon erreicht, spricht man von Bewusstsein.

Novalis hat geschrieben:
Counterweight hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Ich würde es noch etwas anderes ausdrücken: Es gibt sehr wohl Materie - aber sie ist nur ein besonderer Aggregatszustand des Geistes.
Du hast eine nette Fantasie.
:lol:
Vielleicht ist die Wirklichkeit einfach sehr viel fantastischer, als es manche Zeitgenossen für möglich halten
Fantastisch ist sie zweifelsfrei. Nur entspricht etwas fantastisches nicht zwingend den Inhalten irgendeiner Fantasievorstellung.

Novas
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#627 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Novas » Do 27. Okt 2016, 15:46

Counterweight hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Selbst wenn Du der Annahme folgst, dass das Gehirn Geist erzeugt, so besteht die Frage, wie es dazu überhaupt imstande ist.
Signalübertragungen.
Um so komplexer die Struktur dieser, umso komplexer der "Geist". Ist ein bestimmtes Niveau an Komplexität davon erreicht, spricht man von Bewusstsein.

Novalis hat geschrieben:
Counterweight hat geschrieben:Du hast eine nette Fantasie.
:lol:
Vielleicht ist die Wirklichkeit einfach sehr viel fantastischer, als es manche Zeitgenossen für möglich halten
Fantastisch ist sie zweifelsfrei. Nur entspricht etwas fantastisches nicht zwingend den Inhalten irgendeiner Fantasievorstellung.

Damit bin ich einverstanden. Doch dann kann Materie nicht geistlos und tot sein, wie häufig behauptet wird. Geistlose Materie bringt keinen Geist hervor.
Zuletzt geändert von Novas am Do 27. Okt 2016, 15:47, insgesamt 1-mal geändert.

Counterweight
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#628 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Counterweight » Do 27. Okt 2016, 15:46

Novalis hat geschrieben:Doch dann kann Materie nicht bewusstlos sein
Im Gegenteil kann Materie kein Bewusstsein besitzen.
Tot ist sie per Definition ebenfalls, es sei denn wir reden von organischer Materie, wobei dann Organismus die richtige Begriffswahl wäre.

Novalis hat geschrieben:Geistlose Materie bringt keinen Geist hervor.
Eine nette Behauptung ohne Bedeutung.
Zuletzt geändert von Counterweight am Do 27. Okt 2016, 15:50, insgesamt 2-mal geändert.

Novas
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#629 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Novas » Do 27. Okt 2016, 15:49

Counterweight hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Doch dann kann Materie nicht bewusstlos sein
Im Gegenteil kann Materie kein Bewusstsein besitzen.

Kannst Du diese Annahme beweisen?

Tot ist sie per Definition ebenfalls, es sei denn wir reden von organischer Materie, wobei dann Organismus die richtige Begriffswahl wäre.

Stimmt. Es ist lediglich eine Defintion.
Zuletzt geändert von Novas am Do 27. Okt 2016, 15:51, insgesamt 1-mal geändert.

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#630 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Counterweight » Do 27. Okt 2016, 15:50

Novalis hat geschrieben:
Counterweight hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Doch dann kann Materie nicht bewusstlos sein
Im Gegenteil kann Materie kein Bewusstsein besitzen.
Kannst Du diese Annahme beweisen?
Fehlende Nervenzellen. :)

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