Jenseits von Gut und Böse?

Philosophisches zum Nachdenken
JackSparrow
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#61 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von JackSparrow » Sa 18. Mär 2017, 13:14

closs hat geschrieben:Ansonsten zeigen Deine Zitate, dass im Menschen hell und dunkel eng beieinander sind
und dass Jesus in Luther nichts Gutes bewirkt hat.

closs
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#62 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von closs » Sa 18. Mär 2017, 14:04

sven23 hat geschrieben: Aber auch Luther kann sich auf eine lange Tradition christlichen Antijudaismus berufen, der seine Wurzeln letzendlich im Neuen Testament hat.
Da wären wir wieder beim Thema "Was ist gemeint?" versus "Wie wird es rezipiert?" - welche Irrungen und Wirrungen durchläuft die Kirche, bis sie etwas in der Tiefe verstanden hat. - Das ist normal und hat NICHTS mit der Sachebene selbst zu tun.

Pluto hat geschrieben:Das ist doch längst geschehen!
Denke ich auch - aber die Ergebnisse sind nicht in die Öffentlichkeit durchgedrungen.

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sven23
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#63 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von sven23 » Sa 18. Mär 2017, 16:19

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Aber auch Luther kann sich auf eine lange Tradition christlichen Antijudaismus berufen, der seine Wurzeln letzendlich im Neuen Testament hat.
Da wären wir wieder beim Thema "Was ist gemeint?" versus "Wie wird es rezipiert?" - welche Irrungen und Wirrungen durchläuft die Kirche, bis sie etwas in der Tiefe verstanden hat. - Das ist normal und hat NICHTS mit der Sachebene selbst zu tun.
Der kirchliche Antijudaismus basiert doch auf dem biblischen Antijudaismus, womit wir wieder bei der Veränderung und Verfälschung der Lehre Jesu wären. Der christliche Antijudaismus war sicher nicht im Sinne des Juden Jesus, der einen religiösen Partikularismus vertrat.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Das ist doch längst geschehen!
Denke ich auch - aber die Ergebnisse sind nicht in die Öffentlichkeit durchgedrungen.
Deshalb kann man ja immer wieder mal auf den Theologen Conzelmann verweisen:

Die Kirche lebt davon, daß die Ergebnisse der wissenschaftlichen Leben-Jesu-Forschung in ihr nicht publik sind.


Und das trifft nicht nur auf die Naherwartung zu, sondern auf viele Erkenntnisse, die die neutestamentliche Forschung gewonnen hat, incl. des christlichen Antijudaismus.

Der Antijudaismus war in den Bibelversen des Neuen Testaments geboren, wuchs heran zum Antisemitismus und fand seinen schrecklichen Höhepunkt in den Konzentrationslagern von Auschwitz.
Der Theologe Hans Küng kommt zu dem Schluss, "der Nationalsozialismus wäre unmöglich gewesen, ohne den jahrhundertealten Antisemitismus der christlichen Kirchen."

Quelle: bibelkritik.ch
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#64 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von closs » Sa 18. Mär 2017, 16:53

sven23 hat geschrieben:Der kirchliche Antijudaismus basiert doch auf dem biblischen Antijudaismus
Auch das ist schon wieder eine Interpretation. - Die Sachebene aus Sicht des NT wäre: "Wer Jesus nicht folgt, ist auf dem Irrweg. Die Juden folgen nicht, also sind sie auf dem Irrweg". - Dann kommt lange nichts. - Und dann kommen Phasen der Kirchengeschichte, in denen dieser sachliche Gegensatz zu einer antijudaischen Bewegung gemacht haben.

Wie an anderer Stelle bereits erwähnt: Es gibt eine Kathedrale irgendwo in Spanien, die eine gemeißelte Szene zeigt, in der Jesus den aufgehängten Judas abhängt und "heim" trägt. - So um das 5. Jh.

sven23 hat geschrieben:Deshalb kann man ja immer wieder mal auf den Theologen Conzelmann verweisen
Ich habe "Ergebnisse" in meinem Sinne gemeint. - Hätte sich das durchgesetzt, würde der ideologische Materialismus jaulen und fauchen.

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sven23
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#65 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von sven23 » Sa 18. Mär 2017, 18:09

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der kirchliche Antijudaismus basiert doch auf dem biblischen Antijudaismus
Auch das ist schon wieder eine Interpretation. - Die Sachebene aus Sicht des NT wäre: "Wer Jesus nicht folgt, ist auf dem Irrweg. Die Juden folgen nicht, also sind sie auf dem Irrweg". - Dann kommt lange nichts. - Und dann kommen Phasen der Kirchengeschichte, in denen dieser sachliche Gegensatz zu einer antijudaischen Bewegung gemacht haben.
Dann kennst du die Bibel mal wieder nicht. Die Kirchenväter konnten sich auf das Neue Testament berufen.

"Denn es gibt viele Freche, unnütze Schwätzer und Verführer, besonders die aus den Juden, denen man das Maul stopfen muss, weil sie ganze Häuser verwirren und lehren."
(Titus 1,10-11)

"Die haben den Herrn Jesus getötet und die Propheten und haben uns verfolgt und gefallen Gott nicht und sind allen Menschen feind."
(1. Thess 2,15)

Im judenfeindlichsten der Evangelien steht:

"Ihr habt den Teufel zum Vater, und nach eures Vaters Gelüste wollt ihr tun. Der ist ein Mörder von Anfang an und steht nicht in der Wahrheit."
(Joh 8, 44-45)


closs hat geschrieben: Wie an anderer Stelle bereits erwähnt: Es gibt eine Kathedrale irgendwo in Spanien, die eine gemeißelte Szene zeigt, in der Jesus den aufgehängten Judas abhängt und "heim" trägt. - So um das 5. Jh.
Und die Lebensrealität sah eher so aus.

Noch heute hängt in einer Deggendorfer Kirche zur Erinnerung an den dortigen Judenmord vom 30. September 1337 eine Bildtafel mit der - seit Sommer 1961 übermalten - Unterschrift: "Die Juden werden von denen Christen aus rechtmäßigen Gott gefälligen Eifer ermordet und ausgereutet. Gott gebe das von diesem Höllengeschmaiß unser Vaterland jederzeit befreyet bleibe".
(Karlheinz Deschner)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Deshalb kann man ja immer wieder mal auf den Theologen Conzelmann verweisen
Ich habe "Ergebnisse" in meinem Sinne gemeint. - Hätte sich das durchgesetzt, würde der ideologische Materialismus jaulen und fauchen.
In deinem Sinne gibt es kaum Ergebnisse aus der historischen Jesusforschung. Du begehst den Fehler und setzt den verklärten Jesus der Glaubenspropagandaschriften gleich mit dem historischen. Der Unterschied ist aber gravierend.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#66 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von closs » Sa 18. Mär 2017, 21:36

sven23 hat geschrieben:Die Kirchenväter konnten sich auf das Neue Testament berufen.
Das sind biblische Äußerungen aus Sicht derjenigen, die damals Minderheit waren. Ganz sicher sind das keine fundamentaln Aussagen - Du solltest eine Gesamt-Abwägung machen, aber genau das ist es nicht wert, per Veröffentlichungen an die Bevölkerung zu bringen.

(Apg. 13, 46 ff.): „Euch musste das Wort Gottes zuerst gesagt werden; da ihr es aber von euch stoßt und haltet euch selber nicht für würdig des ewigen Lebens, siehe so wenden wir uns zu den Heiden.“ - Im Grunde beschreibt das motivisch, was geschah - und damit gab es natürlich eine Schere zwischen "bekehrten Christen" und "unbekehrbaren Juden". - Wären die Juden in Mehrzahl geblieben, wären die Christen gemobbt worden - in der Geschichte war es dann umgekehrt, weil die Christen die Oberhand bekamen.

sven23 hat geschrieben:Und die Lebensrealität sah eher so aus.
Typisch Deschner: Er reißt eine Sache aus den Zusammenhang und beurteilt sie nach heutigen Empörungs-Liturgien. - Redlich wäre, würde Deschner sagen: "Es gibt sowohl das eine (Spanische Säule) als auch das andere - beides war aus der Zeit her verständlich". - Das ist alles schwanz-gesteuert.

sven23 hat geschrieben: Du begehst den Fehler und setzt den verklärten Jesus der Glaubenspropagandaschriften gleich mit dem historischen.
Ist nicht in meinem Sinne. - Es geht darum, den wirklichen Jesus auf hermeneutischen Wege durch das Rezeptions-Irrungungs-Gestrüpp zurück in die historische Wahrheit zu erkennen.

Das ist das eine. - Erst wenn das klar ist, kommt die nächste Erkenntnis, die da lautet: Bei weitem nicht alles, was danach geschrieben wurde, ist historisch authentisch. - Es muss aber gleichzeitig klar sein: Nicht alles, was nach Schema F historisch-kritisch herauskommen müsste, ist historisch. - Wenn man soweit wäre, die Verzwicktheit dieses singulären Falles unter methodischen Gesichtspunkten zu erkennen, wäre viel gewonnen.

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sven23
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#67 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von sven23 » So 19. Mär 2017, 07:38

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Kirchenväter konnten sich auf das Neue Testament berufen.
Das sind biblische Äußerungen aus Sicht derjenigen, die damals Minderheit waren. Ganz sicher sind das keine fundamentaln Aussagen - Du solltest eine Gesamt-Abwägung machen, aber genau das ist es nicht wert, per Veröffentlichungen an die Bevölkerung zu bringen.
Das tun wir doch unentwegt und stellen Forschungsergebnisse vor. Man kann aber die Pferde nur zur Tränke führen, saufen müssen sie schon selber. :roll:

closs hat geschrieben: (Apg. 13, 46 ff.): „Euch musste das Wort Gottes zuerst gesagt werden; da ihr es aber von euch stoßt und haltet euch selber nicht für würdig des ewigen Lebens, siehe so wenden wir uns zu den Heiden.“ -
Auch das ist ja schon eine Verfälschung der Lehre des jüdischen Wanderpredigers, der keine Heidenmissionierung oder Weltmissionierung wollte. (Ich bin gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel).
Damit kein Mißverständnis aufkommt. Es ist ja nicht gesetzlich verboten, die Lehre Jesu zu verändern, aber dann sollte man sich redlicherweise nicht mehr auf ihn berufen. Das ist Etikettenschwindel und aus heutiger Sicht der Forschungslage unredlich.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und die Lebensrealität sah eher so aus.
Typisch Deschner: Er reißt eine Sache aus den Zusammenhang und beurteilt sie nach heutigen Empörungs-Liturgien. - Redlich wäre, würde Deschner sagen: "Es gibt sowohl das eine (Spanische Säule) als auch das andere - beides war aus der Zeit her verständlich". - Das ist alles schwanz-gesteuert.
Ich würde aber behaupten, dass Deschners Zitat die Wirklichkeit im Umgang mit den Juden eher abbildete als die spanische Säule, die ja auch wieder so etwas gönnerhaftes ausdrückt nach dem Motto: wir bringen euch schon auf den rechten Weg. (siehe auch Ratzingers Karfreitagsfürbitten), die auch ein Zenger kritisierte.
Jedenfalls ändert das nichts an der Befundlage: Der christliche Antijudaismus ist schon im NT angelegt und wurde durch die Kirche wieder aufgegriffen und als Krebsgeschwür in die Gesellschaft eingepflanzt. Fortan war die Legende von den Gottesmördern fest in die Köpfen der Christen eingebrannt, mit allen fatalen Folgen, die sich daraus ergaben.


Der Theologe Hans Küng kommt zu dem Schluss, "der Nationalsozialismus wäre unmöglich gewesen, ohne den jahrhundertealten Antisemitismus der christlichen Kirchen."
Quelle: bibelkritik.ch

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Du begehst den Fehler und setzt den verklärten Jesus der Glaubenspropagandaschriften gleich mit dem historischen.
Ist nicht in meinem Sinne.
Genau das forderte Ratzinger, wofür ihn auch Zenger kritisierte.

closs hat geschrieben: - Es geht darum, den wirklichen Jesus auf hermeneutischen Wege durch das Rezeptions-Irrungungs-Gestrüpp zurück in die historische Wahrheit zu erkennen.
Und das geht eben nur historisch-kritisch. Hermeneutik basiert doch gerade auf dem Rezeptionsgestrüpp, ohne Anspruch darauf, authentisches von nicht authentischem unterscheiden zu wollen. Man versucht lediglich, den nachträglich vergotteten und verklärten Wanderprediger zu begründen. Keine besonders große Leistung, weil man diesen ja schon in den Texten vorfindet.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#68 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von closs » So 19. Mär 2017, 10:34

sven23 hat geschrieben:Das tun wir doch unentwegt und stellen Forschungsergebnisse vor.
Jetzt verbinde das mal mit den weltanschaulichen Präjudizierungen - dann bist Du am eigentlichen Problem. - Anders formuliert: Würde unsere Zeit weltanschaulich anders ticken, würden ebenfalls "unentwegt" Forschungsergebnisse kommen, nur halt mit anderem Ergebnis. - Wissenschaft bekommt Antworten auf Fragen, die sie stellt - mit anderen Worten: Man kann auch Fragen anders stellen und schon hat man andere Antworten.

sven23 hat geschrieben:Es ist ja nicht gesetzlich verboten, die Lehre Jesu zu verändern, aber dann sollte man sich redlicherweise nicht mehr auf ihn berufen.
Natürlich wollte Jesus erst "das auserwählte Volk" missionieren - aber auch dann gilt das, was unter Gen. 18,18 steht (= Torah!!!).

sven23 hat geschrieben:Das ist Etikettenschwindel und aus heutiger Sicht der Forschungslage unredlich.
Immer dasselbe: Sobald etwas den eigenen Horizont verlässt, ist es "unredlich".

sven23 hat geschrieben:Der christliche Antijudaismus ist schon im NT angelegt und wurde durch die Kirche wieder aufgegriffen und als Krebsgeschwür in die Gesellschaft eingepflanzt.
Ja -das kann man der Spur nach so sagen: Hier eine (natürliche!) Anlage (Christentum und Judentum trennen sich) - dort die politische Aktivierung durch Kirche und Gesellschaft.

Damit hat man das Judentum in die Rolle des Minderheiten-Außenseiters geführt, die immer dann virulent wurde, wenn irgendwas im Busch war (= gruppen-dynamische Phänomene). - So ähnlich habe ich es auch schon von Rabbis gehört: "Wir, die Juden, sind vertrieben in die Ferne <Urmotiv des AT> und werden von Gott für unsere 'Halsstarrigkeit' <ebenfalls Urmotiv des AT> bestraft. - Aber Gott ist versprochenerweise auch in der Ferne bei uns, wenn auch strafend".

sven23 hat geschrieben:Der Theologe Hans Küng kommt zu dem Schluss, "der Nationalsozialismus wäre unmöglich gewesen, ohne den jahrhundertealten Antisemitismus der christlichen Kirchen."
Er wäre "so" unmöglich gewesen. - Aber es hätte nicht KEINEN Nationalismus gegeben ohne die Juden. -

"Ohne die Karolingische Teilung hätte es keine deutsch-französischen Kriege in den Jahrhunderten gegeben". - Ist deshalb Karl der Große der größte Verbrecher aller Zeiten, weil er seinen Nachlass nicht auf die Reihe gekriegt hat? - Irgendwann kann man sich nicht mehr dahinter verstecken, als Kind zu heiß gebadet worden zu sein. - Oder theologisch: Das Böse hätte sich in egal welcher Konstellation ausgebreitet - dazu braucht es weder die Kirche noch Karl den Großen.

sven23 hat geschrieben:Genau das forderte Ratzinger, wofür ihn auch Zenger kritisierte.
Ob er ihn DAFÜR kritisierte, müsste ich überprüfen.

sven23 hat geschrieben:Und das geht eben nur historisch-kritisch.
Das ist FALSCH - zumindestens dann, wenn sich HKM rein säkular versteht und geistige Kontexte methodisch ausschließt. - Anders gesagt: Hätte sich Ratzinger mit seiner "geistigen HKM" durchgesetzt, könntest Du recht haben - so aber mit Sicherheit nicht.

Denn: Wie will die HKM GEISTIG unterscheiden, ob eine spätere Veränderung GEISTIG authentisch zu Jesus ist oder nicht, wenn die HKM gleichzeitig so tun muss, als sei Jesus nur ein Wanderprediger gewesen ("Wir untersuchen die Bibel, als sei Jesus nur ein Wanderprediger gewesen") -?????-

Das kann die HKM nicht - und deshalb ist Deine Aussage irrig.

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sven23
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#69 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von sven23 » So 19. Mär 2017, 15:48

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das tun wir doch unentwegt und stellen Forschungsergebnisse vor.
Jetzt verbinde das mal mit den weltanschaulichen Präjudizierungen - dann bist Du am eigentlichen Problem. - Anders formuliert: Würde unsere Zeit weltanschaulich anders ticken, würden ebenfalls "unentwegt" Forschungsergebnisse kommen, nur halt mit anderem Ergebnis. - Wissenschaft bekommt Antworten auf Fragen, die sie stellt - mit anderen Worten: Man kann auch Fragen anders stellen und schon hat man andere Antworten.
Nein, das ist ja gerade der Vorteil einer guten, wissenschaftlichen Methodik. Die Ergebnisse sind reproduzierbar und belastbar. Vergleiche es mit den Doppelblindstudien bei der Homöopathie. Die Wirkungslosigkeit der HP ist nicht Schuld der Methodik, sondern liegt allein an den Zuckerkügelchen, die über den Placeboeffekt nicht hinauskommen.
So ergeben die Textquellen die bekannte Ergebnisse, was nicht Schuld der Methodik ist, sondern einfach an den Quellen liegt.
Du verwechselst das mit Glaubensdogmatik und Hermeneutik, wo alles so hingebogen werden kann, wie man es gerne hätte.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist ja nicht gesetzlich verboten, die Lehre Jesu zu verändern, aber dann sollte man sich redlicherweise nicht mehr auf ihn berufen.
Natürlich wollte Jesus erst "das auserwählte Volk" missionieren - aber auch dann gilt das, was unter Gen. 18,18 steht (= Torah!!!).
Nicht unbedingt. Da Jesus an das nahe Gottesreich glaubte, war für die Missionierung der ganzen Welt eh keine Zeit mehr. (ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen....) Das ist seit 150 Jahren Stand der Forschung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das ist Etikettenschwindel und aus heutiger Sicht der Forschungslage unredlich.
Immer dasselbe: Sobald etwas den eigenen Horizont verlässt, ist es "unredlich".
Redlich wäre, der Befundlage der Forschung Rechnung zu tragen. Dazu fehlen Kirche und Christentum offenbar der Mut und die Innovationskraft.


closs hat geschrieben: Damit hat man das Judentum in die Rolle des Minderheiten-Außenseiters geführt, die immer dann virulent wurde, wenn irgendwas im Busch war (= gruppen-dynamische Phänomene). - So ähnlich habe ich es auch schon von Rabbis gehört: "Wir, die Juden, sind vertrieben in die Ferne <Urmotiv des AT> und werden von Gott für unsere 'Halsstarrigkeit' <ebenfalls Urmotiv des AT> bestraft. - Aber Gott ist versprochenerweise auch in der Ferne bei uns, wenn auch strafend".
Das hat wieder so einen religiös-fatalistischen Beigeschmack nach dem Motto: Gott hat eben diese Rolle für die Juden vorgesehen und da sie ja auch noch halsstarrig sind, sind sie am Ende auch noch selber Schuld. Da hat man den Verdacht, dass sich Christen ihrer Verantwortung noch nachträglich entziehen wollen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der Theologe Hans Küng kommt zu dem Schluss, "der Nationalsozialismus wäre unmöglich gewesen, ohne den jahrhundertealten Antisemitismus der christlichen Kirchen."
Er wäre "so" unmöglich gewesen. - Aber es hätte nicht KEINEN Nationalismus gegeben ohne die Juden. -
Das ist ja auch nicht das Thema, sondern der christliche Antisemitismus, der im Holocaust endete.

Der Philosoph Karl Jaspers urteilte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges über Luthers Judenschrift: "Da steht das ganze Programm der Hitler-Zeit schon!"
Quelle: bibelkritik.ch

closs hat geschrieben: "Ohne die Karolingische Teilung hätte es keine deutsch-französischen Kriege in den Jahrhunderten gegeben". - Ist deshalb Karl der Große der größte Verbrecher aller Zeiten, weil er seinen Nachlass nicht auf die Reihe gekriegt hat? - Irgendwann kann man sich nicht mehr dahinter verstecken, als Kind zu heiß gebadet worden zu sein. - Oder theologisch: Das Böse hätte sich in egal welcher Konstellation ausgebreitet - dazu braucht es weder die Kirche noch Karl den Großen.
Nicht nur die Kirche hat Verbrechen begangen, auch die Weste des großen Karl ist nicht unbefleckt geblieben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Genau das forderte Ratzinger, wofür ihn auch Zenger kritisierte.
Ob er ihn DAFÜR kritisierte, müsste ich überprüfen.
Tu das!

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und das geht eben nur historisch-kritisch.
Das ist FALSCH - zumindestens dann, wenn sich HKM rein säkular versteht und geistige Kontexte methodisch ausschließt. - Anders gesagt: Hätte sich Ratzinger mit seiner "geistigen HKM" durchgesetzt, könntest Du recht haben - so aber mit Sicherheit nicht.
Denn: Wie will die HKM GEISTIG unterscheiden, ob eine spätere Veränderung GEISTIG authentisch zu Jesus ist oder nicht, wenn die HKM gleichzeitig so tun muss, als sei Jesus nur ein Wanderprediger gewesen ("Wir untersuchen die Bibel, als sei Jesus nur ein Wanderprediger gewesen") -?????-
Das kann die HKM nicht - und deshalb ist Deine Aussage irrig.
Das widerspricht aller Erfahrung, die die Forschung auch auf anderen Gebieten gemacht hat. Die ältesten Quellen sind meist die zuverlässigsten. Danach beginnt ein Prozess der Veränderung und legendenhaften Verklärung, der eine Eigendynamik entwickelt und immer unhistorischer wird.
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#70 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von Novas » So 19. Mär 2017, 15:51

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist ja nicht gesetzlich verboten, die Lehre Jesu zu verändern, aber dann sollte man sich redlicherweise nicht mehr auf ihn berufen.
Natürlich wollte Jesus erst "das auserwählte Volk" missionieren - aber auch dann gilt das, was unter Gen. 18,18 steht (= Torah!!!)

Es ist ziemlich anmaßend, wenn ausgerechnet Sven anderen Menschen die Lehre Jesu erklären möchte.Sollte man das nicht denen überlassen, die sich als seine Nachfolger verstehen? Mal ganz davon abgesehen, dass es hier um ein anderes Thema geht, aber scheinbar muss er zwanghaft darüber reden :roll:

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