Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Philosophisches zum Nachdenken
barbara
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#61 Re: Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Beitrag von barbara » Mo 23. Mär 2015, 14:41

Scrypt0n hat geschrieben:Bezüglich dem Heizen und telefonieren: Auch das Produkte aus wissenschaftlicher Erkenntnis... :)

Geheizt wird seit Urzeiten, längst bevor es auch nur Vorläufer von Wissenschaft gab.

zum Telefon:
http://de.wikipedia.org/wiki/Erfindung_des_Telefons

mal abgesehen von grundlegenden Techniken wie der Bearbeitung von Metall, die ebenfalls in Urzeiten zurück geht und notwendig ist zur Herstellung von Telefonen und Jahrhunderte vor deren wissenschaftlicher Beschreibung praktiziert wird, findet man in dieser Liste mit Erfindungen, die im näheren Sinn mit dem Telefon zu tun haben, durchaus den einen oder andern akademisch gebildeten Herrn (die dann aber oft ihre Forschungen aus Neugier in der Freizeit privat durchführten, und nicht als Teil ihrer Erwerbsarbeit), aber man findet darunter auch diverse Handwerker - Elektriker, Mechaniker vor allem - und eine ganze Menge an Exoten, zum Beispiel Bestattungsunternehmer und Taubstummenlehrer.

Die alle von der Praxis her kamen - und praktisch arbeiteten.

Nein; es ist eine Feststellung schlichter Tatsachen.

In der Scryptonsch'schen Privatwelt vielleicht, wo Kreise und Räder GANZ unterschiedliche Dinge sind, die NICHTS miteinander zu tun haben. schon klar. :lol:

Ein Baumstamm rollt eben auch dann, wenn man PI nicht kennt und sonst nichts rechnen kann.

Genau das ist ja die Aussage, auch in Bezug auf Telefone: es braucht erstaunlich wenig Theorie, um praktisch erfolgreich zu sein.

Viele erfolgreiche Praktiker, auch solche auf Weltklasseniveau, sind keineswegs fähig, zu erzählen oder analysiern, warum sie das, was sie so hervorraend tun, so hervorragend tun. der Torschützenkönig der Weltmeisterschaft (der gut handelt) ist nicht notwendigerweise ein guter Trainer (der darüber sprechen muss, wie man gut handelt)

gruss, barbara

Anton B.
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#62 Re: Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Beitrag von Anton B. » Mo 23. Mär 2015, 14:47

ThomasM hat geschrieben:Mein Punkt war und ist, dass der normale Mensch von heute (und das ist die absolute Mehrheit aller Menschen) Physik/Technik nicht mehr von Scharlatanerie unterscheiden kann, weil sich die Physik/Technik schon längst weit von dem Verständnis normaler Menschen entfernt hat.
Ganz meine Theorie. Und wird so ganz nebenbei durch Foristen und Foristinnen hier immer wieder "bewährt".

ThomasM hat geschrieben:Damit wird auch die Unterscheidung von Physik und Metaphysik zur rein theoretischen Überlegung, die den normalen Menschen nicht mehr betrifft.
Die Unterscheidung ja, lieber Thomas, aber nicht die Verschmelzung. Und um die geht es in dem den Thread eröffnenden Text von TitusPauly. Letztlich die Verschmelzung zu einem einheitlichen, sinnvollen, persönlichen Weltbild. Denn so wird das sonst fremde, sonst unverstandene wieder Teil persönlicher Deutung und damit nach persönlichem Empfinden wieder Teil der eigenen Kontrolle. Durch die Meta-Position darf man sich auch die ansonsten sehr unschöne Auseinandersetzung mit Einzeldetails sparen.

Eine durchaus attraktive Position.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

ThomasM
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#63 Re: Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Beitrag von ThomasM » Mo 23. Mär 2015, 15:11

Anton B. hat geschrieben: Die Unterscheidung ja, lieber Thomas, aber nicht die Verschmelzung. Und um die geht es in dem den Thread eröffnenden Text von TitusPauly. Letztlich die Verschmelzung zu einem einheitlichen, sinnvollen, persönlichen Weltbild. Denn so wird das sonst fremde, sonst unverstandene wieder Teil persönlicher Deutung und damit nach persönlichem Empfinden wieder Teil der eigenen Kontrolle. Durch die Meta-Position darf man sich auch die ansonsten sehr unschöne Auseinandersetzung mit Einzeldetails sparen.

Eine durchaus attraktive Position.
Fragt sich, ob man von Verschmelzung reden kann, wenn ich diese für mich durchgeführt habe, während jemand wie Scryp0n bestreitet, dass eine Verschmelzung überhaupt möglich ist und die Verschmelzung bei jedem Menschen anders aussieht.

Ich weiß, dass es bislang nicht gelungen ist, in der Metaphysik auch nur eine theoretische Objektivierbarkeit, wie in der Physik, hinzubekommen.
Aber ich gebe die Erwartung nicht auf, dass das ein erstrebenswertes Ziel ist.

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

barbara
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#64 Re: Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Beitrag von barbara » Mo 23. Mär 2015, 15:20

ThomasM hat geschrieben:
Ich weiß, dass es bislang nicht gelungen ist, in der Metaphysik auch nur eine theoretische Objektivierbarkeit, wie in der Physik, hinzubekommen.
Aber ich gebe die Erwartung nicht auf, dass das ein erstrebenswertes Ziel ist.

ich zweifle, dass das ein erstrebenswertes Ziel ist.

Das Streben nach Objektivität (das ja eh nie erreicht wird, nie im absoluten Sinne) ist gute wissenschaftliche Methodik - warum sollte das auf der Meta-Ebene gelten? Es ist ja grad das Merkmal von Metaebenen, dass sie andern Regeln folgen, als die untergeordneten Ebenen.

gruss, barbara

Novas
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#65 Re: Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Beitrag von Novas » Mo 23. Mär 2015, 15:20

Anton B. hat geschrieben:Und um die geht es in dem den Thread eröffnenden Text von TitusPauly. Letztlich die Verschmelzung zu einem einheitlichen, sinnvollen, persönlichen Weltbild.
Von Verschmelzung würde ich nicht sprechen, eher von einer Standortbestimmung. Martin Heidegger wies einmal darauf hin, dass die Wissenschaft nicht denken würde, das war aber kein Vorwurf, sondern

eine Feststellung der inneren Struktur der Wissenschaft: daß es zu ihrem Wesen gehört, daß sie einerseits auf das, was die Philosophie denkt, angewiesen ist, sie selbst aber das zu-Denkende vergißt und nicht beachtet” (Martin Heidegger, „Im Denken unterwegs. Ein Film vom Richard Wisser und Walter Rüdel”, in: Richard Wisser, Vom Weg-Charakter philosophischen Denkens, Königshausen & Neumann, Würzburg 1998, S. 445.)



Die Wissenschaft bewegt sich nicht in der Dimension der Philosophie. Sie ist aber, ohne daß sie es weiß, auf diese Dimension angewiesen.”

Die Relativitätstheorie der Physik erwächst der Tendenz, den eigenen Zusammenhang der Natur selbst, so wie er ‘an sich’ besteht, herauszustellen. Als Theorie der Zugangsbedingungen zur Natur selbst sucht sie durch Bestimmung aller Relativitäten die Unveränderlichkeit der Bewegungsgesetze zu wahren und bringt sich damit vor die Frage nach der Struktur des ihr vorgegebenen Sachgebietes, vor das Problem der Materie.”

http://hrcak.srce.hr/file/58494

Die Physik bewegt sich in Raum und Zeit, aber was sind Bewegung, Raum und Zeit? Sie betrachtet Materie und Geist, aber was sind Geist und Materie? Das sind philosophische Fragen, welche die wissenschaftlichen Methodik alleine nicht beantworten kann.

@Anton: wie würdest Du diese Fragen beantworten?

Gruß!
Zuletzt geändert von Novas am Mo 23. Mär 2015, 18:42, insgesamt 1-mal geändert.

Anton B.
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#66 Re: Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Beitrag von Anton B. » Mo 23. Mär 2015, 16:05

Novalis hat geschrieben:Von Verschmelzung würde ich nicht sprechen, eher von einer Standortbestimmung.
Ja, "Verschmelzung" ist nicht korrekt. "Standortbestimmung" in dem Sinne, dass TitusPauly so ganz nebenbei eine positive, konstruktive Beziehung zwischen Metaphysik und (Natur-)Wissenschaft aufbaut.

Novalis hat geschrieben:Martin Heidegger wies einmal darauf hin, dass die Wissenschaft nicht denken würde, das war aber kein Vorwurf, sondern „eine Feststellung der inneren Struktur der Wissenschaft: daß es zu ihrem Wesen gehört, daß sie einerseits auf das, was die Philosophie denkt, angewiesen ist, sie selbst aber das zu-Denkende vergißt und nicht beachtet”
Wird wohl genau so sein. Diese Abgrenzung ist m.E. sauber und wichtig: Ganz Wissenschaft!

Novalis hat geschrieben:Die Relativitätstheorie der Physik erwächst der Tendenz, den eigenen Zusammenhang der Natur
selbst, so wie er ‘an sich’ besteht, herauszustellen. Als Theorie der Zugangsbedingungen zur
Natur selbst sucht sie durch Bestimmung aller Relativitäten die Unveränderlichkeit der Bewegungsgesetze zu wahren und bringt sich damit vor die Frage nach der Struktur des ihr vorgegebenen Sachgebietes, vor das Problem der Materie.
”

http://hrcak.srce.hr/file/58494
Ja, da hatte der Max Planck so seine Probleme mit. Natürlich bringt sie sich " ... damit vor die Frage der Struktur von x und vor das Problem von y." Aber (1) tut sie das nicht mehr als andere naturwissenschaftliche Theorien auch und (2) hat der gute Meister Popper Jahre nach diesen Bemerkungen Plancks dem Ganzen seinen Segen und ein gutes Fundament gegeben.

Und wenn Du wirklich an Begriffen wie Raum und Zeit interessiert bist und was die die Philosophen heute dazu sagen, dann schaue in Oliver Pooley (2008): Space and Time. -- In: Statis Psillos & Martin Curd [Ed.], The Routledge Companion to Philosophy of Scciene. -- Routledge (London and New York).
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

JackSparrow
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#67 Re: Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Beitrag von JackSparrow » Mo 23. Mär 2015, 22:47

ThomasM hat geschrieben:Was stellen denn die Physiker im Cern her?
Ohne Physiker hätten wir keinen Fernseher. Der Esoteriker behauptet, ein Magnetfeld könne Elektronen ablenken. Der Physiker macht es. Der Esoteriker labert, und der Physiker handelt.

Klar, da gibt es diese Milliardenschwere Magnetschwebebahn für Elementarteilchen, aber ist das ein Beweis dafür, dass die Higgs Theorie korrekt ist?
Der Physiker will rausfinden, ob seine Theorien stimmen. Der Esoteriker ergreift die Flucht, wenn jemand seine Theorien prüfen will. Der Physiker ist ein Forscher, und der Esoteriker ist ein Feigling.

barbara
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#68 Re: Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Beitrag von barbara » Di 24. Mär 2015, 06:49

JackSparrow hat geschrieben: Der Physiker will rausfinden, ob seine Theorien stimmen. Der Esoteriker ergreift die Flucht, wenn jemand seine Theorien prüfen will. Der Physiker ist ein Forscher, und der Esoteriker ist ein Feigling.

Vorurteile sind ja so was Schönes, sie teilen die Welt in die Guten und die Bösen ein und lasst gar keine Fragen und Zweifel mehr offen...

Ob dies dann irgend etwas mit der Realität zu tun hat, ist schliesslich komplett irrelevant, gell?

gruss, barbara

JackSparrow
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#69 Re: Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Beitrag von JackSparrow » Di 24. Mär 2015, 09:39

barbara hat geschrieben:Vorurteile sind ja so was Schönes, sie teilen die Welt in die Guten und die Bösen ein
Ich hab noch ein anderes Vorurteil: Getroffene Hunde bellen.

Ob dies dann irgend etwas mit der Realität zu tun hat, ist schliesslich komplett irrelevant, gell?
Wenn jemand damit prahlt, dass er regelmäßig mit Jesus redet, Astralreisen durchführt oder die freie Energie nutzt, interessiert mich stark, ob das irgend etwas mit der Realität zu tun hat. Niemand will gern auf einen Heuchler reinfallen.

Pluto
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#70 Re: Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Beitrag von Pluto » Di 24. Mär 2015, 10:50

Novalis hat geschrieben:
eine Feststellung der inneren Struktur der Wissenschaft: daß es zu ihrem Wesen gehört, daß sie einerseits auf das, was die Philosophie denkt, angewiesen ist, sie selbst aber das zu-Denkende vergißt und nicht beachtet”
Mit anderen Worten, Heideggers Philosophie lässt sich auf reines Denken über Gedanken reduzieren.

Ein Zirkelschluss?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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