Undogmatischer Atheismus

Philosophisches zum Nachdenken
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Savonlinna
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#51 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Savonlinna » Do 10. Dez 2015, 12:32

Pluto hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Gewissheit ist eine diplomatische Formulierung. Ich würde verschiedene Arten und Weisen des Wissens unterscheiden, wozu ich auch spirituelles Wissen zähle, wie es beispielsweise in der Herzensmystik von Augustinus sichtbar wird:
Zur Zeit von Augustinus glaubte man an die Prämisse, dass das Herz der Sitz des Geistes ist.
Wie wir heute wissen, ist aber diese Prämisse falsch, sodass auch daraus entstehenden Schlussfolgerungen falsch sind.
Auch Augustinus war nicht bescheuert.

Genausowenig wie ein Opernsänger aus heutiger Zeit, der beteuernd auf sein Herz schlägt, während er vor seiner Angebetenen niederkniet und singt: "Ewig werde ich dich lieben".
Beide, der Opernsänger und Augustinus, wussten um die übliche Metapher von "Herz".
Das weiß eigentlich jeder.
Der Begriff "Herzensmystik" hat nichts mit einer falschen Prämisse zu tun - das war mal wieder kabarettreif, Plufo.
Die Zuschauer würden kreischen vor Vergnügen.


Pluto hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Ich würde hier von einer inneren Wahrheit sprechen.
Da wir keine Wahrheiten kennen können, ist auch diese Prämisse falsch. Dies trifft dann ebenso auf etwaige daraus entstehenden Schlussfolgerungen.
Wir wollen doch nicht albern werden, Pluto.
Die Alltagssprache benutzt "innere Wahrheit" in einem nicht-naturwissenschaftlichen Sinn.
Wenn man nur noch herumläuft und alles korrgiert, was nicht naturwissenschaftlich korrekt ist, dann arbeitet man am Orwell-Staat.

Pluto
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#52 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Pluto » Do 10. Dez 2015, 12:38

Savonlinna hat geschrieben:Auch Augustinus war nicht bescheuert.
Habe ich das irgendwo behauptet? Natürlich nicht!
Auch er war ein Kind seiner Zeit.

Savonlinna hat geschrieben:Genausowenig wie ein Opernsänger aus heutiger Zeit, der beteuernd auf sein Herz schlägt, während er vor seiner Angebetenen niederkniet und singt: "Ewig werde ich dich lieben".
Beide, der Opernsänger und Augustinus, wussten um die übliche Metapher von "Herz".
Das weiß eigentlich jeder.
Der Begriff "Herzensmystik" hat nichts mit einer falschen Prämisse zu tun - das war mal wieder kabarettreif, Plufo.
Die Zuschauer würden kreischen vor Vergnügen.
Tja.... Manche Meme lassen sich halt schwer ausrotten, vor allem wenn sie sich über die Jahrtausende in den Köpfen großer (und kleiner) Denker "eingenistet" haben.

Savonlinna hat geschrieben:Wir wollen doch nicht albern werden, Pluto.
"Wir"... ? Damit meinst du wohl dich? ;)

Savonlinna hat geschrieben:Die Alltagssprache benutzt "innere Wahrheit" in einem nicht-naturwissenschaftlichen Sinn.
Ja, ich weiß...
es ist einfach noch so ein Mem unserer Sprache. Aber ist dennoch falsch die Existenz einer absoluten Wahrheit zu behaupten.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#53 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von closs » Do 10. Dez 2015, 12:53

Pluto hat geschrieben:Man sollte dabei aber nicht die Intellektuelle als Ganzheit verurteilen, wie es Herr Ratzinger hier offenbar tut.
Das tut er doch nicht - er spricht vom intellektuellen Einfluss auf Glaubensfragen - also von dem EINEN Fall, dass sich Intellektuelle nicht mit den vielen anderen Themen beschäftigen, sondern mit geistigen Dingen. - Da kann ich ihn gut verstehen.

Man stelle sich mal folgendes vor:
Ein intelligenter und intellektueller Mensch untersucht unter der Prämisse "Geist kommt aus Materie" die Bibel - das ist so, als wolle man Fußball unter der Voraussetzung untersuchen, dass der Ball viereckig ist oder auf einem Schachbrett gespielt wird. - Da nützt alle Intelligenz und Intellektualität nichts - es wird immer schief gehen müssen.

Pluto
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#54 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Pluto » Do 10. Dez 2015, 13:02

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Man sollte dabei aber nicht die Intellektuelle als Ganzheit verurteilen, wie es Herr Ratzinger hier offenbar tut.
Das tut er doch nicht - er spricht vom intellektuellen Einfluss auf Glaubensfragen - also von dem EINEN Fall, dass sich Intellektuelle nicht mit den vielen anderen Themen beschäftigen, sondern mit geistigen Dingen. - Da kann ich ihn gut verstehen.
Ich kann es überhaupt nicht verstehen.
Auch spricht er nicht von einzelnen Glaubensfragen, sondern vom Schutz des gesamten Glaubens vor "dem Einfluss der Intellektuellen".
Das ist eine Aburteilung eines ganzen Zweigs der Philosophie, und somit völlig inakzeptable Beeinflussung der Massen. Das sollte einer Person die "in der ersten Reihe" steht nicht passieren.
Kardinal Ratzinger hat geschrieben: "Der christliche Gläubige ist eine einfache Person. Aufgabe der Bischöfe ist es deshalb, den Glauben dieser kleinen Leute vor dem Einfluss von Intellektuellen zu bewahren."


closs hat geschrieben:Ein intelligenter und intellektueller Mensch untersucht unter der Prämisse "Geist kommt aus Materie" die Bibel
Es ist immer dasselbe: Falsche Prämisse ==> falsche Schlussfolgerung.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#55 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von closs » Do 10. Dez 2015, 13:25

Pluto hat geschrieben:Auch spricht er nicht von einzelnen Glaubensfragen, sondern vom Schutz des gesamten Glaubens vor "dem Einfluss der Intellektuellen".
Ja - es geht um "Glaube" und "Intellektualität".

Pluto hat geschrieben:Das ist eine Aburteilung eines ganzen Zweigs der Philosophie
Wenn sich dieser Zweig nicht mit Glauben beschäftigt, ist er nicht gemeint.

Pluto hat geschrieben: Falsche Prämisse ==> falsche Schlussfolgerung.
Ja - exakt das ist gemeint. - Wenn eine weltanschaulich anders aufgestellte Philosophie im Gewand neutral erscheinender Intellektualität über "Glauben" spricht - wenn also in Bezuig auf das "Objekt" (hier "Glaube") unter falschen Prämissen gesprochen wird. - Das muss in die Hose gehen UND kann verführen.

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Janina
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#56 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Janina » Do 10. Dez 2015, 13:28

Pluto hat geschrieben:Warum glaubst du sonst, dass die Azteken und Inkas jeden Tag das Herz einer Jungfrau ihrem Sonnengott opferten?
Muss ich das überhaupt glauben?

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Queequeg hat geschrieben:Benedikt XVI. alias Kardinal Ratzinger: "Der christliche Gläubige ist eine einfache Person. Aufgabe der Bischöfe ist es deshalb, den Glauben dieser kleinen Leute vor dem Einfluss von Intellektuellen zu bewahren."
Intellektuelles Halbzeug kann auf sehr beredte Weise irreführend sein.
Man sollte dabei aber nicht die Intellektuellen als Ganzheit verurteilen, wie es Herr Ratzinger hier offenbar tut.
Das würde ich nicht "Verurteilung" nennen. Er sieht nur mit schwindender Dummheit seine Felle wegschwimmen. :roll:

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#57 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von closs » Do 10. Dez 2015, 13:34

Janina hat geschrieben: Er sieht nur mit schwindender Dummheit seine Felle wegschwimmen.
"Schwindende Dummheit" hat was. :thumbup:

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Savonlinna
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#58 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Savonlinna » Do 10. Dez 2015, 13:40

Pluto hat geschrieben: Tja.... Manche Meme lassen sich halt schwer ausrotten, vor allem wenn sie sich über die Jahrtausende in den Köpfen großer (und kleiner) Denker "eingenistet" haben.
Warum sollten sie denn überhaupt ausgerottet werden?
Mir graut vor den Vorstellungen einiger, die eine "brave new world" anstreben, wo man menschliche Begriffe auszurotten bestrebt ist.

Zum Glück würden immer wieder neue Menschen heranwachsen, die etwas "im Herzen spüren", was der Herr Doktor niemals finden kann.
Das Voilk wird sich eurem "Bereinigungswahn" der Sprache widersetzen - es sei denn, ihr werdet Strafe darauf stellen, dass man "naturwissenschaftlich unkorrekte" Metaphern benutzt.
Dann werden sich einige danach richten, aber wie in den Vierziger Jahren wird euer Bestreben letztendlich zusammenbrechen.


Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Die Alltagssprache benutzt "innere Wahrheit" in einem nicht-naturwissenschaftlichen Sinn.
Ja, ich weiß...
es ist einfach noch so ein Mem unserer Sprache. Aber ist dennoch falsch die Existenz einer absoluten Wahrheit zu behaupten.
Eine innere Wahrheit ist nun einmal keine absolute Wahrheit.
Man wird auch hier durch Sprachverbot keine Verarmung der Sprache erzielen.

ThomasM
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#59 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von ThomasM » Do 10. Dez 2015, 13:48

Savonlinna hat geschrieben: Warum sollten sie denn überhaupt ausgerottet werden?
Mir graut vor den Vorstellungen einiger, die eine "brave new world" anstreben, wo man menschliche Begriffe auszurotten bestrebt ist.

Zum Glück würden immer wieder neue Menschen heranwachsen, die etwas "im Herzen spüren", was der Herr Doktor niemals finden kann.
Das Voilk wird sich eurem "Bereinigungswahn" der Sprache widersetzen - es sei denn, ihr werdet Strafe darauf stellen, dass man "naturwissenschaftlich unkorrekte" Metaphern benutzt.
Dann werden sich einige danach richten, aber wie in den Vierziger Jahren wird euer Bestreben letztendlich zusammenbrechen.
Dazu brauchst du nicht in die "brave new world" zu schauen, sondern einfach in den Gegenwartsjournalismus.
Formuliere einfach mal ganz normale Ansichten zu konservativen Standpunkten etwas ungeschickt.
Und du wirst dich vor dem Empörungs Shit Storm nicht mehr retten können. Die Links-Gender-Theoretiker werden dich in der Luft zerreißen. Und da sich niemand einer solchen Behandlung aussetzen will, werden die entsprechenden Begriffe auch kaum noch gebraucht.
Beispiele dafür gab es im letzten Jahr einige.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

Pluto
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#60 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Pluto » Do 10. Dez 2015, 13:54

Savonlinna hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Tja.... Manche Meme lassen sich halt schwer ausrotten, vor allem wenn sie sich über die Jahrtausende in den Köpfen großer (und kleiner) Denker "eingenistet" haben.
Warum sollten sie denn überhaupt ausgerottet werden?
Weil das mit allen anderen widerlegten Hypothesen geschieht, so z. Bsp. auch mit der Astrologie oder dem Geozentrismus — Wenn etwas falsifiziert wird, gehört es (wie so vieles anderes auch) in den Mülleimer der Geschichte.

Savonlinna hat geschrieben:Mir graut vor den Vorstellungen einiger, die eine "brave new world" anstreben, wo man menschliche Begriffe auszurotten bestrebt ist.
Mir sind beim Ausräumen gerade etliche Basteleien meiner Kinder in die Hände gefallen. Sie haben sämtliche Umzüge überstanden, und ich werde sie als wertvolle Erinnerungen an frühere Zeiten behalten, aber irgendwann wird Jemand sie entsorgen, weil sie nur für mich einen ideellen Wert haben.

panta rhei — Alles verändert sich.

Eine Begleiterscheinung davon ist, dass man widerlegte Hyopthesen loslässt. Nur so kann uns Erkenntnis voran bringen. Traditionen sind etwas schönes, und bei Manchen fällt es mir auch schwer los zu lassen.

Wenn dir aber davor graut, dann legst zu großen Wert auf Traditionen. Wir müssen mutig in die Zukunft blicken, und uns nicht unnötig von einer falschen Vergangenheit aufhalten lassen.

Pluto hat geschrieben:Eine innere Wahrheit ist nun einmal keine absolute Wahrheit.
Aha?!
Wenn du meinst... :)
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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