Ist die Teleologie tot?

Philosophisches zum Nachdenken
Pluto
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#51 Re: Peter Russell: Quarks, Quanten und Satori

Beitrag von Pluto » Sa 14. Jun 2014, 23:57

closs hat geschrieben:Im klassischen Sinn ist Teleologie dadurch begründet, dass dem Dasein eine transzendente Causa Finalis zugrundeliegt. - Dieser an der Causa Finalis orientierten Teleologie ist es vollkommen wurscht, ob sich das Dasein in einer ergebnisoffenen Evolution darstellt oder nicht.
Ich glaube du liegst falsch. Ich denke das war schon bei Leukipp nicht der Fall.

closs hat geschrieben:Wie man überhaupt auf die Idee kommen könnte, Teleologie auf Natur-Abläufe anzuwenden, ist mir in der tat schleierhaft. - Weißt Du, wer das jemals gemacht hat? Ich habe nie davon gehört.

Ich habe den Verdacht, dass die Überwindung der Teleologie durch die Evolution nie nötig war, weil es nie eine Teleologie des Daseins gab. Falls doch, waren das idioten (der letzte Satz ist KEINE allgemeingültige Aussage :geek: )
Ich empfehle dir den Wiki Artikel zu lesen. Dürfte erleuchtend sein. :idea:
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#52 Re: Peter Russell: Quarks, Quanten und Satori

Beitrag von closs » So 15. Jun 2014, 00:13

Pluto hat geschrieben:Ich empfehle dir den Wiki Artikel zu lesen. Dürfte erleuchtend sein.
Ja - erleuchtend in Bezug auf den Weg, den EIN Begriff über die Zeiten gehen kann.

Übrigens: Auch die IMMANENTE Zweckmäßigkeit der Natur hat überhaupt nichts mit der Evolution zu tun. Kant hat das erkannt, indem er "objektive"Teleologie "heuristisch" nennt. "Heuristisch" hat übrigens eine Bedeutung, die gut auf Poppers Philosophie passt: Es ist für den Moment als operatives Hilfsinstrument gedacht.

Theologische Teleologie ist nie heuristisch - weshalb sie auch keinen Eingriff in Fragen der Evolution für sich benötigt.

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#53 Re: Peter Russell: Quarks, Quanten und Satori

Beitrag von Pluto » So 15. Jun 2014, 00:25

closs hat geschrieben:Übrigens: Auch die IMMANENTE Zweckmäßigkeit der Natur hat überhaupt nichts mit der Evolution zu tun.
Das Problem womit die Teleologie zu kämpfen hat, ist dass die moderne Evolution durch den Unterprozess der Selektion eine eigene Erklärung für die Zweckmäßigkeit der Entstehung der Arten postuliert, die ganz ohne teleologische Ansätze auskommt.
Das kommt bekannt vor, und klingt allemal nach Simon Laplace ("Diese Annahme habe ich nicht benötigt, Sire.").
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#54 Re: Peter Russell: Quarks, Quanten und Satori

Beitrag von closs » So 15. Jun 2014, 00:34

Pluto hat geschrieben:"Diese Annahme habe ich nicht benötigt, Sire."
Naturwissenschaftlich benötigt man diese Annahme wirklich nicht - deswegen finde ich sie ja so lächerlich. - Allerdings scheint mir übersehen zu werden, dass mit "IMMANENTER Zweckmäßigkeit" keine natürliche, sondern eine geistige Zweckmäßigkeit gemeint ist. - Und dann hat die Teleologie nicht zu kämpfen, weil überhaupt kein Gegner vorhanden ist.

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#55 Re: Peter Russell: Quarks, Quanten und Satori

Beitrag von Pluto » So 15. Jun 2014, 01:54

closs hat geschrieben:Allerdings scheint mir übersehen zu werden, dass mit "IMMANENTER Zweckmäßigkeit" keine natürliche, sondern eine geistige Zweckmäßigkeit gemeint ist.
Verstehe ich so nicht.
"Immanent" bedeutet lediglich "des Wesens", bzw. eine "gebundene" Eigenschaft. Dann kann man durchaus "immanente Zweckmäßigkeit" sowohl geistig als auch naturaistisch verstehen.
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#56 Re: Peter Russell: Quarks, Quanten und Satori

Beitrag von closs » So 15. Jun 2014, 02:02

Pluto hat geschrieben:"Immanent" bedeutet lediglich "des Wesens", bzw. eine "gebundene" Eigenschaft. Dann kann man durchaus "immanente Zweckmäßigkeit" sowohl geistig als auch naturaistisch verstehen.
Das ist richtig. - Und wahrscheinlich hat man sich irgendwann von der geistigen Immanenz weg und zur naturalistischen Immanenz hingewendet. - ODER: Man liest geistig-immanent gemeinte Dinge im heutigen Verständnis als naturalistisch-immanente Dinge - Rezeption ist immer ein großer Umwandler.

Trotzdem mal eine Frage zum Inhalt selbst: Welchen Sinn sollte eine naturalistische teleologische Immanenz überhaupt haben? WENN es sie gibt - wie kann sie denn NICHT-geistiger Natur sein? - Ich verstehe das wirklich nicht.

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#57 Re: Peter Russell: Quarks, Quanten und Satori

Beitrag von Pluto » So 15. Jun 2014, 02:11

closs hat geschrieben:Trotzdem mal eine Frage zum Inhalt selbst: Welchen Sinn sollte eine naturalistische teleologische Immanenz überhaupt haben? WENN es sie gibt - wie kann sie denn NICHT-geistiger Natur sein? - Ich verstehe das wirklich nicht.
Von der Bedeutung her führt sie über den Essentialismus (ein Hase war schon immer ein Hase) direkt zu Kreationismus, bzw. "Intelligent Design". Das ist die Hauptrichtung der Urhmacher-Analogie, und gilt unter Kreationisten als "teleologischer" Gottesbeweis.
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#58 Re: Peter Russell: Quarks, Quanten und Satori

Beitrag von Zeus » So 15. Jun 2014, 09:03

closs hat geschrieben:
Zeus hat geschrieben:Sorry, wer das sagt, hat nicht verstanden, wie die Evolution funktioniert.
Sei getrost - Evolution und Teleologie (im spirituellen Sinn des Wortes) interferieren tatsächlich nicht.
Tun sie aber doch, denn diesen "spirituellen Sinn" des Wortes gibt es leider nur als closs'sche Erfindung.

Deutschland ist zwar ein freies Land, es ist aber nicht jedem erlaubt, deutsche Worte ad libitum umzudefinieren.

Duden: Teleologie: Auffassung, nach der Ereignisse oder Entwicklungen durch bestimmte Zwecke oder ideale Endzustände im Voraus bestimmt sind und sich darauf zubewegen

wiki:Teleologie ist die Lehre, dass Handlungen oder überhaupt Entwicklungsprozesse an Zwecken orientiert sind und durchgängig zweckmäßig ablaufen.

Also nix geistig oder naturalistisch, sondern ganz allgemein. :x
Zuletzt geändert von Zeus am So 15. Jun 2014, 10:09, insgesamt 2-mal geändert.
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Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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#59 Re: Peter Russell: Quarks, Quanten und Satori

Beitrag von closs » So 15. Jun 2014, 09:57

Zeus hat geschrieben:Die Evolution der Spezies verlief und verläuft keineswegs durchgängig zweckmäßig.
So ist es - deshalb interferieren ja christliche Teleologie und Evolution nicht.

Aber ich habe jetzt verstanden: Der Begriff "Teleologie" scheint auch im materialistischen Dunstkreis eine Rolle zu spielen/gespielt zu haben - das wusste ich nicht (und verstehe es auch heute noch nicht). Dann gibt es natürlich Stress zwischen Teleologie und Evolution.

Pluto hat geschrieben:Von der Bedeutung her führt sie über den Essentialismus (ein Hase war schon immer ein Hase) direkt zu Kreationismus, bzw. "Intelligent Design".
Ok - das ist in der Tat nachvollziehbar.

"Essentialismus" gab es schon bei Plato - und auch ich bin Anhänger davon - und trotzdem gibt es keine Gefahr, mit der Evolution zu kollidieren. Das hat einen Grund: Weil geistige Strukturen und deren materielle Umsetzung vollkommen autonome Kategorien sind. - Insofern sind "Essentialismus" und "Evolution" vereinbar, weil sie sich gar nicht in die Quere kommen KÖNNEN.

Dieser "Komfort" ist den Materialisten abhanden gekommen, weil sie Geist als Folge von Materie setzen - und damit gibt es nur noch EIN System - und somit auch Kollisionskurse. - Und dann gibt es auch keine "Fügung" mehr, sondern nur noch "Kausalität" oder "Zufall". - Und dann hast Du recht.

Und somit passiert zwischen uns dasselbe: Ich sehe KEINEN Kollisionskurs zwischen uns, weil Dein materialistisches System aus meiner geistigen Sicht ein abgeleitetes System ist, das mit meinem System nicht kollidieren KANN. - Bei Dir gibt es nur EIN System - und somit auch Kollisionskurse.

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#60 Re: Peter Russell: Quarks, Quanten und Satori

Beitrag von Zeus » So 15. Jun 2014, 10:23

closs hat geschrieben:Aber ich habe jetzt verstanden: Der Begriff "Teleologie" scheint auch im materialistischen Dunstkreis[...]
Es handelt sich bei Teleologie um ein klar definiertes deutsches (weltanschaulich freies) Wort (griechischer Abstammung) und nicht ein Begriff aus irgendeinem Dunstkreis.
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