Descartes und die menschliche Seele

Philosophisches zum Nachdenken
Pluto
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#411 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Fr 21. Okt 2016, 12:28

Novalis hat geschrieben:Dazu sei noch gesagt, dass dieser universelle Geist durchaus mit dem Mittel der Meditation und Kontemplation durch Innenschau und Selbsterforschung entdeckt und erfahren werden kann. Es ist eben keine tote Theorie, sondern die Intimität, die ein Mensch mit dem Weltganzen wahrnehmen kann.
Einverstanden. Um wahrzunehmen, braucht der Mensch einen Geist.
Aber inwiefern stützt das deine Hypothese, dass alles aus Geist besteht?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#412 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Fr 21. Okt 2016, 13:19

Pluto hat geschrieben: Alles was untersuchbar ist, ist intersubjektiv nachweisbar.
Dann heisst die in unserem Kontext: Nicht jede Wirklichkeit ist untersuchbar - genau das hast Du aber vorhin anders gesagt.

Pluto hat geschrieben:Das weiß man aus den Geschehnissen der Vergangenheit, wo Menschen wegen ihrer geistigen Leiden weggesperrt und vergessen wurden.
SChon - aber das sagt noch nichts darüber aus, ob Geist von Materie oder Materie von Geist kommt.

Pluto hat geschrieben:aber wie ich dir schon oft gesagt habe, die Evidenz aus den Forschungsergebnissen ist erdrückend.
Aber doch nur deshalb, weil nur EINE Seite untersuchbar ist. - Wenn man fragt, ob es neben Wasser auch Luft gibt, wird man "erdrückende Evidenz" erhalten, dass es nur Wasser gibt, solange man nur unter Wasser arbeitet.

Novas
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#413 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Novas » Fr 21. Okt 2016, 14:34

Pluto hat geschrieben:Einverstanden. Um wahrzunehmen, braucht der Mensch einen Geist. Aber inwiefern stützt das deine Hypothese, dass alles aus Geist besteht?


Die Wahrheit ist, dass ausnahmslos alles bezweifelt werden kann. Doch das Einzige, was wir nicht bezweifeln können, ist die simple Tatsache, dass wir hier und jetzt Erfahrungen erleben, also unsre Bewusstheit. Im Grunde gibt es auch keine wissenschaftlichen Evidenz für Bewusstsein, denn wir können Bewusstsein nicht messen, nicht betrachten wie irgendein Ding; und doch wissen wir von Bewusstsein, weil wir bewusste Wesen sind. Die ganze Welt wird im Licht unsrer Bewusstheit gesehen und erlebt. Jedes andere vermeintliche Wissen kann angezweifelt werden, aber nicht dieses, es ist das primäre und fundamentale Wissen.

Die ganze Welt kann ein Traum sein, wie das Dschuang Dschou mit seinem berühmten Gleichnis beschrieb:


„Einst träumte Dschuang Dschou, dass er ein Schmetterling sei, ein flatternder Schmetterling, der sich wohl und glücklich fühlte und nichts wußte von Dschuang Dschou. Plötzlich wachte er auf: da war er wieder wirklich und wahrhaftig Dschuang Dschou. Nun weiß ich nicht, ob Dschuang Dschou geträumt hat, dass er ein Schmetterling sei, oder ob der Schmetterling geträumt hat, dass er Dschuang Dschou sei, obwohl doch zwischen Dschuang Dschou und dem Schmetterling sicher ein Unterschied ist. So ist es mit der Wandlung der Dinge.“


Die ganze Welt kann ein Traum sein, aber der Träumende ist real. Ich bin. Ich existiere. Das ist vollkommen klar :thumbup: In der Bibel stehen dazu folgenden passenden Worte:

Da sprach Gott zu Mose: "Ich bin, der ich bin." Dann sprach er: So sollst du zu den Söhnen Israel sagen: Der "Ich bin" hat mich zu euch gesandt. (2Mo 3,14; ELB)

und auch dieser bekannte Psalm

Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin. Psalm 46:10

das ist es eigentlich, worum es in der christlichen Meditation geht: still werden und erkennen, dass Gott gegenwärtig ist. Mein eigenes kleines ich bin (menschliches Bewusstsein) ist in seinem großen ICH BIN (ewiges und unendliches Gottesbewusstsein) aufgehoben, wie eine Welle im Ozean.

SilverBullet
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#414 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von SilverBullet » Fr 21. Okt 2016, 17:30

pluto hat geschrieben:Das habe ich erlebt.
Unser von Geburt an gehörloser Sohn hat vor einigen Jahren ein Cochlea Implantat (CI) erhalten. Leider war die OP aber zu spät. In all den Jahren, wurde nämlich sein Audio-Cortex für andere Zwecke subsumiert.
Die Plastizität des Gehirns ist in jungen Jahren gigantisch und nimmt danach immer mehr ab.
Eine nachträgliche Anpassung geht nicht schnell von statten.

Aktuell wird wohl in der Neurowissenschaft vermutet, dass es eine Art „Ähnlichkeit“ in der Verarbeitung der einzelnen Sinnesdaten gibt, so dass es möglich ist, das sich Gehirnstrukturen anderweitig orientieren, bzw. sich spezialisieren. Das wird aber vermutlich nicht für alle Gehirnstrukturen gelten.

Je nach Trainingsgrad und Interessenrichtung sind Gehirnareale unterschiedlich stark ausgeprägt. Es findet eine enorme Anpassung statt, wodurch die Ergebnisse der bildgebenden Verfahren (als statistischer Durchschnitt über mehrere Probanten) auch einen genauso grossen Fehleranteil enthalten werden.

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closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Du teilst ein, in „das Vorhandene“ („das Bewusstsein“) und das „Fragliche“ („den Körper“).
Aus logischen Gründen - wie wolltest Du Augustinus/Descartes logisch widerlegen?
ganz einfach:
es wurde nicht geklärt, ob „das, was den Körper wahrnimmt“ und als „das Vorhandene“ bezeichnet wird, ungleich des Körpers ist. Das ist aber nur möglich, wenn man analysiert, wie Wahrnehmung funktioniert.

Bei Augustinus und Descartes wird einfach so getan, als läge „dieses Ergebnis“ bereits vor.
Wenn du sonst mit „was der Fall ist“ arbeitest, dann musst du hier erkennen, dass das Vorliegen des Ergebnisses nicht der Fall ist.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Nein das könnte er nicht, denn was „rein-geistiges Wesen“ sein soll, kannst du nicht sagen.
Das ist keine Begründung - was ICH nicht sagen kann, ist nich Grundlage dessen, was der Fall ist.
Wenn du „etwas nicht sagen“ kannst, dann machst du letztlich auch keine „Das-Ist-der-Fall“-Aussage.
„rein geistiges Wesen“ wäre damit eine leere Behauptung, gegen die es keine Begründung geben muss.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Diese so genannte „Erkenntnis“ arbeitet aber leider mit einer Voraussetzung: der Einteilung in ein „geistiges Ich“ und eine körperliche Welt.
Es ist ein logisches Ergebnis, das dann in der Tat für alles weitere gesetzt wird
Wie soll diese Logik aussehen und mit welchen Voraussetzungen arbeitet sie und wie wurden diese abgeklärt?

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Allerdings ist mit dem Gehirn immer noch der Körper vorhanden.
Das Gehirn ist Teil des Körpers - richtig. - Auch das Gehirn ist "Res extensa" - ein rein geistiges Wesen "denkt" ohne körperliches Gehirn.
Vermutlich macht ein „rein geistiges Wesen“ alles was du dir wünschst?
Bei Gelegenheit kannst du dir ja auch noch ausdenken, was ein „rein geistiges Wesen“ überhaupt sein soll.

closs hat geschrieben:Entscheidet/glaubt man, wie Descartes, dass der Körper wirklich existent ist, ist die Äußerung von Geist im Res-extensa-Bereich (= naturalistische Welt) ohne Gehirn schlechtweg nicht möglich.
Das ist keine Entscheidung.
Entscheide dich gegen das Vorhandensein eines Tisches – geht nicht.
Entscheide dich gegen die Schräge in den „schrägen Linien“ – geht nicht.
Wenn man schon ein „(rein) geistiges Wesen“ phantasiert, dann gibt es offenbar etwas Körperliches, das weitaus stärker ist. Wenn es das aber gibt, wozu braucht man dann die Behauptung eines „(rein) geistiges Wesens“?

closs hat geschrieben:denn es SOLL ja nicht "rein geistig" gehen, sondern es soll im Res-Extensa-Bereich Kommunikation möglich sein.
Warum ist im „rein geistigen Bereich“ keine Kommunikation möglich?
Hast du vielleicht gar keine Ahnung, was ein „rein geistiger Bereich“ sein soll?
Warum und von Wem aus „soll“ es nicht „rein geistig“ gehen?

closs hat geschrieben:Wie kann ein von Geburt an Blinder in Träumen SEHEN? (wenn man wissenschaftlichen Vermutungen Glauben schenkt, wäre das so)
Ich kann in luziden Träumen auch „sehen“ und verstehe gleichzeitig, dass ich die Augen geschlossen habe und es komplett dunkel ist. Ich hatte das schon mehrmals und seit ich mich mit dem Gehirn beschäftige, versuche ich geradezu nachzuschauen, was alles möglich ist. Farbige Szenen (gestochen scharf) sind z.B. gar kein Problem.

Es gibt wohl Schlaganfallpatienten, die überzeugt sind „Sehen zu können“ und man muss ihnen regelrecht beweisen, dass dem nicht so ist.

Der Hinweis, wie das funktioniert, liegt in den „schrägen Linien“:
Es geht nicht darum, dass eine Szene vorliegt, sondern um das Überzeugungsverhalten, dass eine Szene vorliegt.
Das Gehirn kann keine (farbigen) Welten erzeugen, aber es kann eine Überzeugungsreaktion durchführen.

Deshalb war ja meine Frage an dich.
Was geschieht deiner Meinung nach beim Träumen und wie funktioniert „das Sehen im Traum“?

Anschlussfrage:
Was denkst du, warum muss ein „rein geistiges Wesen“ überhaupt träumen und hat zudem danach nur selten eine Ahnung, was es in dieser Zeit geträumt hat?

Pluto
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#415 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Fr 21. Okt 2016, 17:53

Novalis hat geschrieben:Die Wahrheit ist, dass ausnahmslos alles bezweifelt werden kann. Doch das Einzige, was wir nicht bezweifeln können, ist die simple Tatsache, dass wir hier und jetzt Erfahrungen erleben, also unsre Bewusstheit.
Einverstanden. Ohne Bewusstsein wärst du ein philosophischer Zombie.

Novalis hat geschrieben:Im Grunde gibt es auch keine wissenschaftlichen Evidenz für Bewusstsein, denn wir können Bewusstsein nicht messen, nicht betrachten wie irgendein Ding; und doch wissen wir von Bewusstsein, weil wir bewusste Wesen sind.
Sehe ich genauso.

Novalis hat geschrieben:Die ganze Welt kann ein Traum sein, wie das Dschuang Dschou mit seinem berühmten Gleichnis beschrieb:

„Einst träumte Dschuang Dschou, dass er ein Schmetterling sei, ein flatternder Schmetterling, der sich wohl und glücklich fühlte und nichts wußte von Dschuang Dschou. Plötzlich wachte er auf: da war er wieder wirklich und wahrhaftig Dschuang Dschou. Nun weiß ich nicht, ob Dschuang Dschou geträumt hat, dass er ein Schmetterling sei, oder ob der Schmetterling geträumt hat, dass er Dschuang Dschou sei, obwohl doch zwischen Dschuang Dschou und dem Schmetterling sicher ein Unterschied ist. So ist es mit der Wandlung der Dinge.“
Auch das scheint mir vollkommen richtig zu sein. Alles was wir wahrnehmen, wird durch unser Gehirn konstruiert (ich bin ein radikaler Konstruktivist).
Das Bewusstsein spielt dabei die Rolle des Richters, der in Sekundenruchteilen entscheiden muss, was richtig ist, und was Illusion.
Das Wunderbare am Gehirn, ist, dass es so oft richtig liegt.

Merkwürdig, dass ich Vieles was du postest, bestätigen muss.
Leider sind deine Schlussfolgerungen falsch.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#416 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Fr 21. Okt 2016, 18:10

SilverBullet hat geschrieben: Das ist aber nur möglich, wenn man analysiert, wie Wahrnehmung funktioniert.
Irrelevant - es muss erst geklärt werden, ob man per Wahrnehmung festlegen kann, dass Res extensa wirklich sind (Kleines Geheimnis: Geht grundsätzlich nicht).

SilverBullet hat geschrieben:Bei Augustinus und Descartes wird einfach so getan, als läge „dieses Ergebnis“ bereits vor.
Nein - sie denken logisch nach und kommen zu ihrem Ergebnis. - Das hat NICHT aber auch gar nichts damit zu tun, wei Wahrnehmung funktioniert (und Du meinst ja damit die körperliche Wahrnehmung).

SilverBullet hat geschrieben:Wenn du „etwas nicht sagen“ kannst, dann machst du letztlich auch keine „Das-Ist-der-Fall“-Aussage.
Möglich - aber das ist MEIN Problem und das Problem dessen, was der Fall ist. - Selbst wenn ich strunz-doof bin, bleibt das, was der Fall ist, der Fall.

SilverBullet hat geschrieben:Wie soll diese Logik aussehen und mit welchen Voraussetzungen arbeitet sie und wie wurden diese abgeklärt?
Die einzige Voraussetzungen sind:
* Es gibt "ICH"
* Logik ist verläßlich.

Ansonsten besteht die Logik darin, dass Wahrnehmung sich nicht selbst überprüfen kann - aber google Dir mal die Argumentation (da gibt es Serien von Dr. Wilthold auf Youtube, die ich allerdings selber noch nicht angehört habe). - Ich kann es Dir in eigenen Worten sagen, aber Descartes macht es selbst besser.

SilverBullet hat geschrieben:Vermutlich macht ein „rein geistiges Wesen“ alles was du dir wünschst?
Dazu braucht es mich nicht.

SilverBullet hat geschrieben:Bei Gelegenheit kannst du dir ja auch noch ausdenken, was ein „rein geistiges Wesen“ überhaupt sein soll.
Das hat Descartes schon gemacht. - Für ihn ist es das "Ich", das mit einem reinen Denken, reiner Vernunft ausgestattet ist, und das nach jedem methodischen Skeptizismus übrigbleibt. - "Ich" steht somit da als etwas, was - modern gesprochen - erkenntnis-theoretisch nicht in Frage gestellt werden kann.

SilverBullet hat geschrieben:Entscheide dich gegen das Vorhandensein eines Tisches – geht nicht.
Doch - der Tisch könnte eine Fiktion Deiner Vorstellung sein - und dass Du Dir das Knie daran anstößt, ebenfalls. - Aber Descartes sagt: Selbst wenn es erkenntnis-theoretisch kein Tisch sein könnte, folge ich meiner Wahrnehmung, die mir sagt, dass hier ein Tisch ist, weil ich GLAUBE, dass einem nicht Wahrnehmung (dazu gehört auch wissenschaftliche Wahrnehmung) gegeben ist, damit man getäuscht wird. - Er drückst es aus mit dem Begriff "wohlwollender Gott". - Gott könnte mich damit verarschen, aber ich glaube an einen wohlwollenden Gott, der dies nicht tut.

SilverBullet hat geschrieben:Wenn man schon ein „(rein) geistiges Wesen“ phantasiert, dann gibt es offenbar etwas Körperliches, das weitaus stärker ist.
Exakt umgekehrt. - Bei Dir wackelt der Schwanz mit dem Hund.

closs
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#417 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Fr 21. Okt 2016, 18:18

SilverBullet hat geschrieben:Warum ist im „rein geistigen Bereich“ keine Kommunikation möglich?
Wer sagt das? - Ich sprach vom Res-extensa-Bereich.

SilverBullet hat geschrieben:Ich kann in luziden Träumen auch „sehen“ und verstehe gleichzeitig, dass ich die Augen geschlossen habe
Das ist etwas anderes - Du hast schon mal gesehen - Dein Hirn "weiß" also, was Sehen ist.

Meine Frage bezog sich auf VON GEBURT AN BLINDEN Menschen.

SilverBullet hat geschrieben:„Was geschieht deiner Meinung nach beim Träumen und wie funktioniert „das Sehen im Traum“?“
Was beim Träumen geschieht, ist eine geistige Frage - wie es funktioniert: Solange wir im Dasein sind, per Gehirn. - Nochmal meine Frage:

Kann das Gehirn den Träumenden im Traum sehen lassen, selbst wenn der Träumende von Geburt an blind ist?

SilverBullet hat geschrieben:Was denkst du, warum muss ein „rein geistiges Wesen“ überhaupt träumen und hat zudem danach nur selten eine Ahnung, was es in dieser Zeit geträumt hat?
Weil es unterbewusst verarbeitet wird - was zur Frage führt, was überhaupt "Unterbewusstsein" ist und was dort passiert.

Da ich im Dasein kein "rein geistiges Wesen" bin, sondern mit den Res-Extensa verbunden bin (glaube ich zumindest), weiss ich nicht, ob es im reinen Bereich überhaupt Träume und ein Unterbewusstsein gibt - ich vermute nein.

JackSparrow
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#418 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von JackSparrow » Fr 21. Okt 2016, 19:39

closs hat geschrieben:Ist Materie Folge von Geist oder Geist Folge von Materie.
Weder noch. Alles, was man erlebt, darf man prinzipiell nennen wie man will.

Je nach dem, wie man diese Frage beantwortet, bekommt komplett unterschiedliche ERgebnisse in Bezug auf Wissenschaft, Philosophie, Geist, Bewusstsein, etc.
Zur Gewährleistung einer erfolgreichen Kommunikation sollte man sich im Zweifelsfall an der in einer aktuellen Ausgabe des Dudens festgehaltenen Varietät der deutschen Sprache orientieren.


ThomasM hat geschrieben:der Begriff "Materialismus" beinhaltet ja die Setzung, dass Materie alles ist und alles begründet
Würden Materialisten behaupten, dass Geist alles ist, würde sich rein gar nichts ändern. Die würden dann bloß nicht mehr "Materialisten" heißen.

Leider fällt mir absolut kein vernünftiger Grund ein, wieso ich einen Toaster oder eine Spanholzplatte ab morgen unbedingt als "geistig" bezeichnen sollte. Nur um den ganzen anderen bösen Materialisten eins auszuwischen? Oder um ein Buch rauszubringen à la "das Universum erfüllt deine Wünsche und Himbeeren helfen gegen Krebs?"

SilverBullet
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#419 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von SilverBullet » Fr 21. Okt 2016, 20:24

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben: Das ist aber nur möglich, wenn man analysiert, wie Wahrnehmung funktioniert.
Irrelevant - es muss erst geklärt werden, ob man per Wahrnehmung festlegen kann, dass Res extensa wirklich sind
Wenn du derart extrem abstrahierst, dann stellt sich de Frage: wer ist „man“?
Du suggerierst doch von vornherein was du als Ergebnis sehen möchtest.

Ohne Kenntnis darüber, wie Wahrnehmung funktioniert und abläuft, entwirfst du eine Situation, in der „Wahrnehmung“ ein Werkzeug für eine freie unsichtbare Instanz sein soll.

Wie kannst du „per Wahrnehmung“ darauf kommen, dass dies der Fall sein soll?

Ganz einfach:
Indem du den Zusammenhang des „aktiven Körpers als Ausgangspunkt“ noch einmal in die Wahrnehmung hineininterpretierst, so dass eine unsichtbare Steuerinstanz entstehen soll.

Genau für diesen Deutungsschritt gibt es keinen Anlass.
Es ergeben sich deshalb keine Antworten, aber viele neue Fragen.

Wenn man sich jedoch fragt, wie Wahrnehmung funktioniert und ob man diesen Deutungsschritt überhaupt machen muss, denn klärt sich plötzlich die Lage auf:

=> „Ich“ zielt auf den aktiven Körper ab.

closs hat geschrieben:Nein - sie denken logisch nach und kommen zu ihrem Ergebnis.
Wenn du hättest schreiben können, wie das gehen soll, dann hättest du es jetzt gemacht.

closs hat geschrieben:Selbst wenn ich strunz-doof bin, bleibt das, was der Fall ist, der Fall.
Aber es hat dann mit dir und deinen Aussagen rein gar nichts zu tun.

closs hat geschrieben:Die einzige Voraussetzungen sind:
* Es gibt "ICH"
* Logik ist verläßlich.
Ansonsten besteht die Logik darin, dass Wahrnehmung sich nicht selbst überprüfen kann
Wenn sich Wahrnehmung nicht selbst prüfen kann, mit welchem Recht stellt man dann „es gibt ICH“ (im Sinne von unsichtbarer Denk-Instanz) auf und leitet sich ein Recht ab, dass dieses „Ich“ die Wirklichkeit des Körpers beurteilen könnte?

Das ist doch eine komplett entworfene Wunschsituation.

closs hat geschrieben:Für ihn ist es das "Ich", das mit einem reinen Denken, reiner Vernunft ausgestattet ist, und das nach jedem methodischen Skeptizismus übrigbleibt.
Klar er wünscht sich „ein Übrigbleibendes“ mit dem er seine religiöse Motivation erfüllen kann.
Wenn die Wahrnehmung durch Skeptizismus aber letztlich nichts mehr ausführt, was bleibt dann noch von ihr übrig?
=> Nicht ein einziger Zusammenhang, d.h. man kann über nichts mehr sprechen.
=> dein „übrig bleibt“ ist also eine reine Suggestion

Da haben wir doch sehr grosses Glück, dass mit „Ich“ der Körper gemeint ist, denn dadurch bleibt der Körper übrig, der zu reinem Denken und reiner Vernunft fähig ist- das passt.

Zitat-closs: "Ich" steht somit da als etwas, was - modern gesprochen - erkenntnis-theoretisch nicht in Frage gestellt werden kann.

Das ist der Körper…

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Entscheide dich gegen das Vorhandensein eines Tisches – geht nicht.
Doch - der Tisch könnte eine Fiktion Deiner Vorstellung sein - und dass Du Dir das Knie daran anstößt, ebenfalls.
Dennoch kannst du dich nicht dagegen entscheiden – du bist nicht frei, sondern „es ist entschieden“.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Wenn man schon ein „(rein) geistiges Wesen“ phantasiert, dann gibt es offenbar etwas Körperliches, das weitaus stärker ist.
Exakt umgekehrt.
Nimm dir Zeit, starre mit voller Kraft auf die „schrägen Linien“ und versuche, dich gegen „das Sehen der Schräge“ zu entscheiden.
Ich prophezeie dir, dass du die Reinkarnation erfinden wirst, weil du es in einer Lebenszeit nicht erreichen wirst. (natürlich nützt Reinkarnation dabei auch nichts :-))

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Warum ist im „rein geistigen Bereich“ keine Kommunikation möglich?
Wer sagt das? - Ich sprach vom Res-extensa-Bereich.
Das sagt die Erfindung, dass der Körper zur Kommunikation dienen soll.

closs hat geschrieben:Kann das Gehirn den Träumenden im Traum sehen lassen
Nein, es gibt keinen „Träumenden“ dem das Gehirn „zuarbeitet“.

Das Gehirn entwickelt (egal ob Traum oder Wachsein) eine Reaktion, bei der die Zusammenhänge des Körpers als Ausgangspunkt dominieren und auf die Zusammenhänge von Weltsituationen angewandt werden („subjektive Perspektive“).

Es geht also nicht um „das Sehen lassen eines Träumenden“ sondern direkt um „die Überzeugung: zu Sehen“.

Die Schlafphase ist nun etwas ganz Spezielles, denn hier verändert sich das Gehirn und bildet neue Strukturen, mit denen Zusammenhänge erfasst werden können (das ist die eigentliche Lernwirkung).
Eine selbstorganisierende Struktur muss diese Veränderungen ausprobieren (nur so kann die Korrektheit bestimmt werden).
Dies geschieht extrem parallel, weshalb das Gehirn in manchen Schlafphasen fast mehr aktiv ist, als im Wachzustand.
Die „Vermengung“ der Zusammenhänge mit denen des aktiven Körpers, wird auch getestet – das ist das eigentliche Träumen. D.h. das Gehirn spielt die Überzeugungssituationen durch.

Ein Blinder, der von anderen erfährt, wie sie sich mit „dem Sehen“ durch die Welt bewegen können, hat sofort Zusammenhänge über das zur Verfügung, was er nicht erreichen kann: eine sehr einfache und effektive Verhaltensmöglichkeit bei der Navigation durch die Welt.
Es ist leicht vorstellbar, dass das Gehirn (im Traum) diesen Zusammenhang durchspielt und die Überzeugung austestet, genauso „leicht“ durch die Welt gehen zu können bzw. die gleichen emotionalen Erfahrungen machen zu können, wie „tatsächlich Sehende“.

Des Weiteren ist das Sehen eine evolutionär verankerte Funktion. Es können also sogar vordefinierte Überzeugungen stattfinden. Ein Blinder kann diese Gehirnfunktion genauso zur Verfügung haben, wie ein Sehender.
D.h. sein Gehirn kann genau wie bei mir, die Überzeugung eines gestochen scharfen, farbigen Bildes ablaufen lassen, obwohl die Augen geschlossen sind.

Ich gehe davon aus, dass weder bei einem Blinden noch bei mir ein Bild im Gehirn erzeugt wird, das dann von einem unsichtbaren Etwas angesehen wird. (siehe „schräge Linien“ – diese können gar nicht berechnet werden)

closs hat geschrieben:Weil es unterbewusst verarbeitet wird - was zur Frage führt, was überhaupt "Unterbewusstsein" ist und was dort passiert.
Naja, es ist auf jeden Fall etwas, was der Körper durchführt.

Merkst du es:
mit dem Wort „Unterbewusstsein“ musst du schon wieder „die Hoheit“ an den Körper übergeben.

Auch bei den „bewussten Trauminhalten“ dominiert der Körper, denn wozu sollte das „geistige Wesen aus extremer Höhe abstürzen“, also verrückt entworfene angenehme oder unangenehme Situationen durchstehen müssen?

Da bleibt keine Funktion übrig, die du dem „geistigen Wesen“ zuschreiben könntest.

Wozu hast du es dir dann aber ausgedacht?

Novas
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#420 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Novas » Fr 21. Okt 2016, 21:25

Pluto hat geschrieben:Merkwürdig, dass ich Vieles was du postest, bestätigen muss.
Leider sind deine Schlussfolgerungen falsch.

Ich kann verstehen, dass das aus der Perspektive deines Weltbildes so erscheinen muss, ja. Umgekehrt denke ich exakt das Gleiche über Dich :lol: ich kann damit leben, da ich weiß, dass auch all unsre verschiedenen Perspektiven in dem Raum des einen Geistes auftauchen dürfen und von ihm zugelassen werden. Seinem Wesen nach ist der Geist einfach dieser offene weite Raum. „Du stellst meine Füße auf weiten Raum“, so heißt es in einem Psalm.

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