Ken Wilber: Plädoyer fuer eine zweite Aufklärung

Philosophisches zum Nachdenken
Novas
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#41 Re: Ken Wilber: Plaedoyer fuer eine zweite Aufklärung

Beitrag von Novas » Di 13. Jan 2015, 14:00

Pluto hat geschrieben:Hmm...Mir scheinen das lediglich private Gedanken zu sein.
Private, menschliche Gedanken. Richtig. Insofern habe ich auch nicht den Anspruch hier das wilbersche System wirklich richtig "verteidigen" zu können oder zu müssen. Es existiert und kann benutzt werden. Die Software steht zum Download bereit. :)

Aber da dir offenbar gelungen ist, dein Bewusstsein zu "transformieren"
Das ist eine Lebensaufgabe, Bewusstheit wächst immer weiter. Ich schaffe es jedenfalls hauptsächlich Freude, Mitgefühl und Liebe zu erleben. Was könnte wertvoller sein?

Wenn die emotionale Negativität der Menschheit, die egozentrische Dummheit, die Ignoranz, in etwas Gutes transformiert werden kann, und wenn dabei ein bestimmtes Gedankenmodell hilfreich ist, weshalb sollte es nicht verwendet werden?

wie man "Sein" definiert, und was du unter "die Gesamtheit von allem, was ist" verstehst? Was befindet sich da drin?
Mich interessieren mehr die Fragen.

barbara
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#42 Re: Ken Wilber: Plaedoyer fuer eine zweite Aufklärung

Beitrag von barbara » Di 13. Jan 2015, 21:27

ThomasM hat geschrieben:Hallo Barbara
Schon wieder so eine Pauschalaussage, die sich klasse anhört, aber nichts sagt. Wie willst du denn so etwas machen?

So ist mein Sohn auf die Idee gekommen, Germanistik zu studieren, weil er in der Oberstufe einen Lehrer hatte, der meinte "Wir konzentrieren uns jetzt auf die Frage, was der Text MIR sagt".
Also der Rückzug auf die individuelle Sichtweise.
Ich (als Naturwissenschaftler) hätte Fragen erwartet wie "Was wollte der Autor sagen?" (kann man nicht mehr beantworten, wenn der Autor tot ist) oder "was sagt der Autor?" (absolute Frageweise, die objektive Kriterien zur Beantwortung erfordert. Aber siehe da: es gibt keine objektiven Kriterien).

Es gibt jede Menge Kriterien, auch wenn die in der Schule aus einem mir unerfindlichen Grund nicht mehr gelehrt und gelernt werden. Am Schluss geht es daraus, nach der Untersuchung des Gegenstands mit allen verfügbaren Methoden, subjektiven wie objektiven, ein Gesamtbild zu gewinnen.


Dieser Rückzug auf das "Ich" sehe ich typisch für die Geisteswissenschaften, weil bislang jeder Versuch einer Objektivierung gescheitert ist.

Man muss das Subjektive nicht objektivieren. Man muss ja auch nicht das Objektive subjektivieren. Beides besteht in eigenem Recht.

Geisteswissenschaften sollten vor allem therapeutisch tätig sein, darin sind sie gut. Die Literatur der Welt ist auch immer Selbsthilfeliteratur, sie beschreibt menschliche Konflikte und mögliche Handlungsweisen.




Du kannst Naturwissenschaft durch individuelle Sichten ergänzen, aber dann hast du keine Naturwissenschaft mehr, mit allen Vorteilen (Vordringen in individuell relevante Erkenntnisbereiche), aber auch den Nachteilen (Fähigkeit zur Vorhersage und technischen Ausnutzung geht verloren, Objektivität geht verloren).

Es geht eben NICHT darum bei der Naturwissenschaft zu bleiben, sondern darum, über sie hinauszugehen, sie in einen umfassenderen Kontext einzubetten.


Wenn du zwei unvereinbar nebeneinander stehende Dinge hast, dann hast du keine Einheit. Dein Spruch zur Einheit ist leer.

Sie sind ja vereinbar.

gruss, barbara

Novas
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#43 Re: Ken Wilber: Plaedoyer fuer eine zweite Aufklärung

Beitrag von Novas » Mi 14. Jan 2015, 07:57

barbara hat geschrieben:Man muss das Subjektive nicht objektivieren. Man muss ja auch nicht das Objektive subjektivieren. Beides besteht in eigenem Recht.
Das ist der springende Punkt.

Es geht eben NICHT darum bei der Naturwissenschaft zu bleiben, sondern darum, über sie hinauszugehen, sie in einen umfassenderen Kontext einzubetten.
Genau – es gibt verschiedene Daseinsbereiche, die verschiedene Perspektiven beschreiben und auch alle real praktiziert werden. Die Frage ist nicht, welche Perspektive die alleinig „richtige“ ist, relevant ist, dass all diese verschiedenen Perspektiven existieren und erlebt werden.
Zuletzt geändert von Novas am Mi 14. Jan 2015, 08:41, insgesamt 1-mal geändert.

barbara
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#44 Re: man muß aber reden können

Beitrag von barbara » Mi 14. Jan 2015, 08:04

ThomasM hat geschrieben: Das, was du beschreibst ist kein integrales Modell.
Es ist DEINE, individuelle Sicht auf die Dinge, dein Verständnis, dein Empfinden, deine Gedanken, dein Bewusstsein.

"Integral" bedeutet nicht "eine Sicht, mit der alle Leute einverstanden sind, insbesondere auch ThomasM"

Sondern "eine Sicht, die bestrebt ist, das Ganze zu erfassen" - im Unterschied zB zu Naturwissenschaft, die ihr Streben lediglich auf die objektiven Aspekte der Welt richtet. Im Unterschied auch zum Poeten, der reine Fantasiegeschichten schreibt.

Wobei - wirklich gute Wissenschaftler haben Sinn für Poesie und Schönheit und nehmen dies in Forschungen durchaus als eine erste gefühlsmässige Prüfung - was sich schön und elegant anfühlt, wird als plausibler erachtet als was vermurkst und kompliziert ist. und andererseits gute Künstler sich durch die Realität inspirieren lassen - Salvador Dali malte absurde Traumwelten, aber wenn er einen Tiger malte in diesem Traum, so stimmte die Anatomie, der handwerkliche Teil stimmte.

gruss, barbara

ThomasM
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#45 Re: Ken Wilber: Plaedoyer fuer eine zweite Aufklärung

Beitrag von ThomasM » Mi 14. Jan 2015, 09:32

barbara hat geschrieben:
Wenn du zwei unvereinbar nebeneinander stehende Dinge hast, dann hast du keine Einheit. Dein Spruch zur Einheit ist leer.
Sie sind ja vereinbar.
Das ist eine Behauptung. Bisher bleibst du aber jeglichen Hinweis schuldig, wie das geschehen kann. Und meine Argumente, warum das meines Erachtens nicht geht, hast du auch einfach durch Behauptungen beantwortet.

Das ist aber keine Diskussion. Ich könnte mich jetzt auch hinstellen und sagen "es geht nicht", aber das ist mir zu kindisch. Ich würde mich ja auch gerne korrigieren, wenn mir das jemand argumentieren könnte. Und zwar in Worten, die man auch verstehen kann.
Aber du bleibst bei reinen Behauptungen und Novalis ist schon in Richtung Nirwana abgedriftet und hat kaum noch Kontakt mit der Erde.

Es ist traurig, aber das bestätigt mir meine bisherigen sehr negativen Erfahrungen mit Geisteswissenschaftlern. Sie behaupten, etwas großartiges an Erkenntnis erlangt zu haben, aber letztlich befindet sich hinter den Wortungetümen nur heiße Luft. DAS ist der eigentliche Grund, warum die beiden Denkweisen nicht vereinbar sind.

Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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#46 Re: Ken Wilber: Plaedoyer fuer eine zweite Aufklärung

Beitrag von Novas » Mi 14. Jan 2015, 09:37

ThomasM hat geschrieben:Das ist eine Behauptung. Bisher bleibst du aber jeglichen Hinweis schuldig, wie das geschehen kann
Durch dein Bewusstsein und praktische Anwendung, so wie alles im Leben. Es ist auch eine Behauptung, dass wir bei einem nicht-integralen Weltbild stehen bleiben müssen. Ein kluger Mann sagte, dass wir Probleme nicht durch die Denkweise lösen können, durch sie entstanden sind.
Aber du bleibst bei reinen Behauptungen und Novalis ist schon in Richtung Nirwana abgedriftet und hat kaum noch Kontakt mit der Erde.
Ich lebe sehr geerdet und himmlische Erleuchtung habe ich noch nicht erreicht, aber ich arbeite daran. Achtsamkeit und Mitgefühl ist ein guter Weg.
Zuletzt geändert von Novas am Mi 14. Jan 2015, 12:52, insgesamt 2-mal geändert.

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#47 Re: Ken Wilber: Plaedoyer fuer eine zweite Aufklärung

Beitrag von Novas » Mi 14. Jan 2015, 09:58

ThomasM hat geschrieben:Sie behaupten, etwas großartiges an Erkenntnis erlangt zu haben, aber letztlich befindet sich hinter den Wortungetümen nur heiße Luft. DAS ist der eigentliche Grund, warum die beiden Denkweisen nicht vereinbar sind.

Thomas
Nicht die Worte sind wichtig, sondern das gelebte Bewusstsein. Ich strebe nach einem bewussten Leben, was genau stört Dich daran? Und was stört Dich an positiven Visionen für die Zukunft? Ein Leben ohne Visionen gleicht mehr einer Wüste.

ThomasM
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#48 Re: Ken Wilber: Plaedoyer fuer eine zweite Aufklärung

Beitrag von ThomasM » Mi 14. Jan 2015, 10:27

Novalis hat geschrieben: Nicht die Worte sind wichtig, sondern das gelebte Bewusstsein. Ich strebe nach einem bewussten Leben, was genau stört Dich daran? Und was stört Dich an positiven Visionen für die Zukunft? Ein Leben ohne Visionen gleicht mehr einer Wüste.
Worte sind erheblich wichtiger als du denkst. Worte (allgemein Sprache) sind die Verbindungen zwischen Menschen. Solange das mit der Telepathie ein Traum bleibt kann man nur über Worte, über Sprache, kommunizieren, Verbindungen aufbauen, Verständnis herstellen.
Dein Bewusstsein oder auch dein Versuch, ein bewusstes Leben zu leben, ist alleine deine Angelegenheit und geht mich weder etwas an, noch ist es von Bedeutung für mich, wenn du es nicht schaffst, das, was dein Bewusstsein ausmacht, in Sprache zu transportieren.

Genauso sieht deine Aufforderung an mich aus "bewusst zu leben" oder "mein Bewusstsein zu erweitern". Egal wie und ob ich so etwas mache, für dich bleibt es ohne Bedeutung, ohne Wichtigkeit, solange ich das für mich mache und nicht kommuniziere.

Die Sprache der Naturwissenschaft ist die Mathematik, Sprache reduziert auf reine Logik, ohne Emotionen, ohne Analogien. Das ist eine reduzierte Sprache, die auf Grund dieser Reduktion sehr viel Macht hat, ein gemeinsames Verständnis zwischen verschiedenen Menschen herzustellen. Darin liegt ihre Stärke und ihre Aufgabe. Aber eben auch ihre Begrenzung.

In der Philosophie wird mit natürlicher Sprache gearbeitet. Das bringt erhebliche Probleme mit sich. So sahen sich meines Erachtens alle Philosophen gezwungen, ihre eigenen Wörter zu erfinden, um das auszudrücken, was sie meinten und scheiterten dann in der Kommunikation. Denn die anderen Menschen verstanden sehr oft diese Worte nicht oder anders. Womit sie den Inhalt dessen, was kommuniziert wurde, veränderten. Bei manchen Philosophen wurde dieses Problem mit Lehre beantwortet (z.B. Kant), d.h. es entwickelten sich Schulen der Interpretation der Worte, aber auch das sind eben nur Schulen. Ein wahhaft gesamthaftes Verständnis, wie im Bereich der Naturwissenschaft ist so nicht möglich.

So bleibt das Gesamthafte halt Stückwerk und ist nicht mehr Gesamthaft. Deine Betonung des Bewusstseins kann zwar zur Folge haben, dass du das Gefühl hast, ein holistische Verständnis entwickelt zu haben, aber solange du im eigenen Saft schmorst und weder fähig noch willens bist, dich der Kritik anderer Menschen auszusetzen, bist du vielleicht glücklich, aber du erreichst gar nichts.

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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#49 Re: Ken Wilber: Plaedoyer fuer eine zweite Aufklärung

Beitrag von Novas » Mi 14. Jan 2015, 12:02

ThomasM hat geschrieben:Worte sind erheblich wichtiger als du denkst.
Sie sind sogar sehr wichtig, aber dennoch ist es die Bewusstheit, auf die es ankommt. Denn das Bewusstsein versteht und lebt sie. Gebraucht sie.

Dein Bewusstsein oder auch dein Versuch, ein bewusstes Leben zu leben, ist alleine deine Angelegenheit und geht mich weder etwas an
Richtig. Das, was Du „heiße Luft“ nennst, ist für mich vielleicht äußerst hilfreich. Das ist sehr subjektiv. Jedes Modell ist nutzlos, wenn es niemanden gibt, der es benutzt.

Das ist eher eine praktische Sache, würde ich sagen.

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#50 Re: Ken Wilber: Plaedoyer fuer eine zweite Aufklärung

Beitrag von Novas » Mi 14. Jan 2015, 12:23

ThomasM hat geschrieben: aber solange du im eigenen Saft schmorst und weder fähig noch willens bist, dich der Kritik anderer Menschen auszusetzen, bist du vielleicht glücklich, aber du erreichst gar nichts.
Nicht ich, sondern Du bist es gerade, der nicht fähig und willens ist, die Perspektive des anderen für wertvoll zu halten und einseitig verneint. Als Integraler muss ich Dich von vornherein akzeptieren, weil deine Perspektive ebenso ein Teil des Ganzen ist ;) Ich habe lediglich Informationen geteilt und es ist mir gleichgültig, wer damit etwas etwas anfangen kann.

Eine systematische Kritik fände ich interessant und lesenswert, aber ich bin nicht Wilber und auch nicht Anhänger einer wilberianischen Glaubensgemeinschaft, weshalb eine solche Kritik nichts mit meiner Person zu tun hat. Ich finde es nur bedenklich, wenn man sofort dagegen ist, bevor man sich damit eingehend beschäftigt hat.

Da hat einer der klügsten Denker unsrer Zeit ein Leben lang gebraucht, um großartige Gedanken zusammen zu führen - und dann ist die Reaktion: "Klappt eh nicht, will ich nicht". Klappt denn das derzeitige Weltbild, ist das vernünftig und lösungsorientiert?

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