Wird die Philosophie unterschätzt?

Philosophisches zum Nachdenken
Hemul
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#381 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Hemul » Mo 4. Jan 2016, 10:13

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Ich übernehme hier die zwar eigenwillige, aber ontologisch hilfreiche Unterscheidung zwischen Welt und Universum von Markus Gabriel
Finde ich gut - gut nachvollziehbar.

Thaddäus hat geschrieben:Das Universum ist ontologisch also eine Unterkategorie der Welt (denn das Universum ist ein Teil unserer LebensWELT).
Klare Antwort - das war eigentlich meine konkrete Frage.

Thaddäus hat geschrieben:Damit liegt eine Verwechslung der Sinnfelder vor und heraus kommt Unsinn. Denn selbst, wenn der leibliche Jesus und die leibliche Maria sich seit 2000 Jahren mit Lichtgeschwindigkeit in Richtung "Himmel"(?!) bewegen sollten, dann haben sie unsere Galaxie immer noch nicht verlassen.
Erstmal: Zustimmung.

Zweitens: So ist "leibliche Auferstehung" nach meiner Einschätzung nicht gemeint. - "Leiblich" heisst NICHT, mit maximal Lichtgeschwindigkeit, sondern - wenn man das so sagen könnte - instantan. - Auch der "Leib" ist nicht ein Leib, der unterwegs mal aufs Klo muss, wenn es zu lange dauert, sondern ein Geistleib, der - Achtung! - als körperlicher Leib dargestellt wird,.......
Achtung-hier werden Sie geholfen:
http://kath-zdw.ch/maria/maria.leib.seele.html
Mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen und im Himmel gekrönt. Bereits war es der dritte Tag, dass sich die hlst. Seele Maria dieser Herrlichkeit, die sie nie wieder verassen sollte, erfreute. Da eröffnete der Herr den Heiligen seinen göttlichen Willen, dass die Seele Maria auf die Erde zurückkehre, ihren hl. Leib auferwecke und sich mit ihm wiederum vereinige, damit Maria abermals mit Leib und Seele, ohne die allgemeine Auferstehung der Toten abzuwarten, zur Rechten ihres heiligsten Sohnes erhoben werde...
No Kommentar.
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

SilverBullet
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#382 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von SilverBullet » Mo 4. Jan 2016, 11:26

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben: Wahrnehmungssysteme können Existenzen nicht einfach durch das Denken erschliessen.
Erschließen schon - mit dem Risiko, dass die Prämissen des Denkens falsch sind. - Insofern kann man Existenz nicht durch Nachdenken BEWEISEN.
Da entdecke ich bereits eine Mogelpackung, denn „erschliessen“ hat etwas mit „Erfolg“ zu tun.
Man erschliesst nicht, wenn man nicht weiss, ob man etwas erschlossen hat.
Somit kann man sich nicht, über das Denken, Existenzen erschliessen.
Ein Wahrnehmungssystem benötigt eine, von seiner inneren Verarbeitung, unabhängige Bestätigung.

closs hat geschrieben:Das gilt aber - wenn man ganz prinzipiell denkt - für alles außer dem "Cogito".
Das ist genau die Denkhaltung, die ich zuvor bereits angesprochen habe:

Zitat-SilverBullet: „Diese, durch die Praxis bestätigte Haltung, auf reine Denkzusammenhänge zu übertragen und dann ungeachtet der Tatsache, dass dort keine Wahrscheinlichkeit ermittelt werden kann, zu sagen „ich gehe ja auch bei normalen Objekten von einer Existenz aus, ohne dass ich es weiss“, ist „ein Selbstbetrug über den hinaus, nichts Schlimmeres gedacht werden kann“

Du versuchst, durch eine „prinzipielle Abstrahierung“, die eklatanten Qualitätsunterschiede, die sich aus der Bestätigung ergeben, zu vernachlässigen.

Warum machst du zudem beim „Feststellen des Subjektes“ eine Ausnahme?
Warum soll „dieser Fall“ einen höheren Stellenwert haben, als sonstiges Denken/Verstehen?

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Denken/Bewusstsein wird in Bezug zu Wahrheit gedacht.
Selbstverständlich - wozu denn sonst?
Langsam, die Betonung in meiner Aussage liegt auf „gedacht“ (deshalb habe ich es unterstrichen).
In der Philosophie versucht man das Denken/Bewusstsein zu prüfen, in dem man das Denken als Werkzeug einsetzt.
Um was soll es sich beim Denken/Bewusstsein/Verstehen handeln, dass es sich derart selbst analysieren können soll?

Ich vermute die Antwort wird eingeleitet mit „aus christlicher Sicht…“.

Genau da sitzt meiner Meinung nach das Erbe der Philosophie: der Wahrheitsanspruch des Denkens aus der religiösen Tradition.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Die Idee, dass der Herstellungsprozess des Denkens, massive Konsequenzen für die Gültigkeit des Denkens haben könnte, soll keine Rolle spielen.
Wenn man "Denken" nicht als pure Folge von Materie versteht, sondern Materie als Instrumente des Denkens versteht, spielt das in der Tat keine primäre Rolle.
Das ist die Grundhaltung von Philosophie („geerbt“ von der Religion).

Mir wurde in diesem Forum (ich vermute sogar in diesem Thread) bereits mitgeteilt, dass es keine Rolle spielt, aus was „Gedanken“ sein sollen (bzw. andere Bewusstseinszusammenhänge).

Genau das ist ein Anspruch, den die Naturwissenschaften explizit nicht erheben.
Dort ist es (aus meiner Sicht) niemals irrelevant, aus was „Etwas“ bestehen soll, wenn man es experimentell noch nicht nachweisen kann. Es ist dort sogar so, dass erst mit der Antwort auf diese Frage, die Entwürfe zur experimentellen Bestätigung beginnen können.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:„Ich denke, also bin ich“ ist genau dieser Anspruch.
Denkerisch schwerlich widerlegbar
Solange man nicht klärt, wie man Denken/Bewusstsein/Verstehen herstellen kann bzw. aus was ein Subjekt sein und wie es funktionieren könnte, sollte man zumindest (im Sinne der Wahrheit) dies als eklatante Schwachstelle für den obigen Anspruch darstellen.
Diese Bereitschaft fehlt in der Philosophie (so wie ich das sehe) weitestgehend.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Warum sollte die Logik, angewandt auf Denkzusammenhänge, entscheidend für die Herstellung von Denken sein?
Zur "Herstellung" nicht.- "Hersteller" des Denkens ist das, was man christlich als "Heiliger Geist" bezeichnet - aber das müsste man auch erst wieder auseinander-dröseln. - Vielleicht kann man so sagen: Sprituelles/christliches Denken geht davon aus, dass Materie aus Geist kommt und nicht umgekehrt.
Das wird bestimmt so gedacht, wie du es sagst, aber warum sollte dies eine korrekte Erklärung sein?
Weil es aus dem Denken stammt?

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Warum sollte das Denken/Verstehen nicht eine Funktion sein, die durch ganz andere Zusammenhänge zustande kommt, als durch „Denkexistenzen, die sich selbst erkennen“?
Es werden sich Weltbilder ("Prämissen") finden lassen, bei denen es so ist.
Es geht nicht um Weltbilder, es geht um Qualitäten.

Das aktive Gehirn ist mit einer 100prozentigen Wahrscheinlichkeit vorhanden und durch tausende Aufnahmen wurde bestätigt, dass es zentral und individuell/verschieden am Denken/Verstehen, beteiligt ist.
Einflussnahmen auf das Gehirn haben direkte Auswirkung im Denken.
Andere Existenzen findet man nicht.

Wenn wir Ausserirdische wären und Menschen untersuchen würden, dann wäre jetzt klar, wie die menschliche Wahrnehmung funktioniert. Analog zu anderen Experimenten/Untersuchungen, braucht man nicht mehr, als eine ursächliche Wirklichkeit (aktives Gehirn) und beobachtbare Auswirkungen (Verhalten).
(Diese Einschätzung haben übrigens auch Menschen, wenn sie Tiere – besonders Kleintiere - untersuchen)

Da wir aber eine Vergangenheit mit lustigen Ideen (religiöser und philosophischer Natur) haben, „kommt es auf das Weltbild an“, wobei man dabei eher nur die behaupteten „unsichtbaren Existenzzusammenhänge“ schützen möchte.

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#383 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Thaddäus » Mo 4. Jan 2016, 12:07

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Das Problem dieses Gottesbeweises liegt in einer Verwechslung von Welt und Universum.
Was meinst Du mit "Welt"? Das, was wir unseren menschlichen Lebensraum nennen?

Was meinst Du mit "Universum"? - Meinst Du es im kosmologischen Sinne (Urknall, Ausbreitung, etc)? Wenn ja: Wie nennst Du ein mögliches Feld, das theoretisch außérhalb dieses physikalischen Universums sein könnte und das unabhängig von menschlicher Vorstellung "ist"?

Vielleicht meint Thaddäus, daß z. B. in der Comicwelt die Existenz von Donald Duck "bewiesen" werden kann. Aber was hat das für einen praktischen Nutzen?
Die Existenz von Donald Duck in der Welt kann dadurch bewiesen werden, dass man ein Mickey Mouse-Heft durchblättert. Da niemand die Existenz Donalds abstreitet, bedarf es aber keines solchen Beweises. ;)
Eine ganz andere Sache ist es, wenn Kurt Gödel in seinem Unvollständigkeitssatz beweist, dass in jedem hinreichend komplexen System (wie z.B. der Arithmetik oder der Prädikatenlogik) Aussagen abgeleitet werden können, die man weder widerlegen, noch deren Richtigkeit man beweisen kann.
Diese Erkenntnis hatte weitreichende Konsequenzen für die Beweistheorie in der Mathematik und für den Versuch von Mathematikern (wie Gottlob Frege und David Hilbert), die gesamte Mathematik logisch konsistent auf möglichst wenige logische Basisannahmen aufzubauen, - weil das nämlich grundsätzlich unmöglich ist. Wegen Gödels Unvollständigkeitssatz wird es auch niemals ein vollständiges funktionales Modell des Gehirns geben, welches in sich konsistent ist.

Zudem mag es keinen praktischen Nutzen haben, die Existenz von Donald Duck im Sinnfeld Comics zu beweisen. Es ist aber für das Sinnfeld Mathematik von erheblicher Bedeutung, ob transzendente Zahlen nicht nur postuliert, sondern auch bewiesen werden können und ob Hilberts Millenniumsprobleme in der Mathematik gelöst werden können oder nicht.

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#384 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Thaddäus » Mo 4. Jan 2016, 12:30

sven23 hat geschrieben:
Solivagus hat geschrieben:Hallo sven23,

sven23 hat geschrieben:[...] Wenn man die Modalllogik geschickt aufbaut, kann man auch von der notwendigen Existenz auf die tatsächliche Existenz von Pumuckel oder Spaghettimonster schließen. Ganz nett, aber im Grunde wertlos.

Ich bin gespannt wie du es schaffst, mithilfe der Modallogik, aus Pumuckel oder dem Spaghettimonster eine notwendige Existenz abzuleiten.

Du hast natürlich Recht, Gödels "Beweis" hat entscheidende Schwächen. Ersetzt man Gott durch Pumuckel oder Spaghettimonster, haben diese dieselben Schwächen.
Ersetzt du in Gödels Def. von Gott ...
Gx ⇔ ∀X(PX → Xx)
... das G durch PuMuckel (PM) oder das SpaghettiMonster (SM),
dann erhältst du lediglich ...
PMx ⇔ ∀X(PX → Xx) bzw. SMx ⇔ ∀X(PX → Xx).

Am Beweis ändert sich also überhaupt nichts, da du lediglich andere Namensymbole für G=GOTT einsetzt.

Wenn du allerdings GOTT versuchst mit Eigenschaften von Pumuckel (z.B. hat rote Haare und kann sich unsichtbar machen) und dem Spaghettimonster (z.B. hat Pasta-Tentakel und kann fliegen) zu definieren, dann wird der ganze Beweis falsch.


sven23 hat geschrieben: Aus meiner Sicht liegen bei solchen Beweisen die Schwachstellen schon ganz am Anfang bei der Definion der Begrifflichkeiten.
Welche Eigenschaften bewertet man als positiv? Ist die Farbe Blau positiv, ...
Das ist ein weitaus besserer Ansatz für Kritik ...
Zuletzt geändert von Thaddäus am Mo 4. Jan 2016, 12:43, insgesamt 1-mal geändert.

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#385 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von sven23 » Mo 4. Jan 2016, 12:40

Thaddäus hat geschrieben: Die Existenz von Donald Duck in der Welt kann dadurch bewiesen werden, dass man ein Mickey Mouse-Heft durchblättert. Da niemand die Existenz Donalds abstreitet, bedarf es aber keines solchen Beweises. ;)

Richtig, in der Comicwelt ist die Existenz unbestritten. Um den Bogen zur Religion zu schlagen, wäre es vergleichbar, wenn Walt Disney behaupten würde, Donald Duck wäre ein echtes Lebewesen, geboren von der immerwährenden Jungfrau Donaldine, dessen Echtheit sich nur nicht nachweisen lasse.
Zur Krönung wird das ganze in ein Dogma verpackt und wer nicht dran glaubt, muß dran glauben, bzw. wird überm Feuer geröstet. Analogien zum historischen Christentum sind wohl rein zufällig. ;)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#386 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von closs » Mo 4. Jan 2016, 12:48

SilverBullet hat geschrieben:Man erschliesst nicht, wenn man nicht weiss, ob man etwas erschlossen hat.
Man setzt/definiert aus einem Vorwissen (meinetwegeh die Kenntnis der Bibel, der man auf den Zahn fühlen will), was man erschließen will. - Daraufhin denkt man und stellt fest, dass es logisch widerspruchsfrei erschließbar ist. - Konkret: Man hat geistige Hinweise, dass es "etwas" gibt, das allmächtig und allwissend ist und denkt nach, welchen Kriterien es gerecht werden muss, um sein zu können. - Das ist ein ganz normaler hermeneutischer Prozess.

SilverBullet hat geschrieben:Ein Wahrnehmungssystem benötigt eine, von seiner inneren Verarbeitung, unabhängige Bestätigung.
Das ist zwar wünschenswert, aber nicht notwendig. - Bei Gott geht es nicht, weil er möglicherweise in unserem naturalistischen Dasein nicht naturalistisch bestätigt werden kann. - Trotzdem kann er eine Entität sein.

SilverBullet hat geschrieben:Du versuchst, durch eine „prinzipielle Abstrahierung“, die eklatanten Qualitätsunterschiede, die sich aus der Bestätigung ergeben, zu vernachlässigen.
Was Du "Qualität" nennst, entspringt modellhaftem Denken. - Die Methodik, die diesem Denken als Basis dient, gilt aber nur für naturalistische Fragestellungen - WENN es also geistige Entitäten gibt, ist diese Methodik ungeeignet.

SilverBullet hat geschrieben:Warum machst du zudem beim „Feststellen des Subjektes“ eine Ausnahme?
Weil hier Subjekt und Objekt identisch sind - es gibt also nicht die Notwendigkeit einer Methodik, die die Differenz zwischen Subjekt und Objekt überbrückt.

SilverBullet hat geschrieben:Genau da sitzt meiner Meinung nach das Erbe der Philosophie: der Wahrheitsanspruch des Denkens aus der religiösen Tradition.
Du könntest hier auch "philosophische Tradition" sagen - Sokrates und Platon waren keine Christen.

SilverBullet hat geschrieben:Genau das ist ein Anspruch, den die Naturwissenschaften explizit nicht erheben.
Habe hierzu Deine Ausführungen nicht verstanden.

SilverBullet hat geschrieben:Diese Bereitschaft fehlt in der Philosophie (so wie ich das sehe) weitestgehend.
Sie geht logisch vor. - Dazu braucht man keine Kenntnis über naturalistische Funktionsweisen. - Zumal die Frage der naturalistischen Funktionsweise dann eh nicht mehr substantiell wichtig ist, wenn man Materie als Überbringer von Geist und nicht als Produzent von Geist versteht.

SilverBullet hat geschrieben: aber warum sollte dies eine korrekte Erklärung sein? Weil es aus dem Denken stammt?
Es ist nicht falsifizierbar - wie umgekehrt auch. - Man kann es nur denkerisch begründen. - Und da es nicht falsifizierbar ist, nennt man es "Glauben" (gilt übrigens für den naturwissenschaftlichen Ansatz umgekehrt auch).

SilverBullet hat geschrieben:Einflussnahmen auf das Gehirn haben direkte Auswirkung im Denken.
Natürlich. - Aber damit ist nicht geklärt, ob der Produzent von Geist oder der Vermittler von Geist beeinflusst wird.

SilverBullet hat geschrieben:Andere Existenzen findet man nicht.
Im naturalistischen Sinne ist das richtig.

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#387 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Pluto » Mo 4. Jan 2016, 13:21

closs hat geschrieben:Man setzt/definiert aus einem Vorwissen (meinetwegeh die Kenntnis der Bibel, der man auf den Zahn fühlen will), was man erschließen will.
Eben in diesem "was man erschließen will" liegt die Willkür der Erkenntnis.

closs hat geschrieben:Daraufhin denkt man und stellt fest, dass es logisch widerspruchsfrei erschließbar ist. - Konkret: Man hat geistige Hinweise, dass es "etwas" gibt, das allmächtig und allwissend ist und denkt nach, welchen Kriterien es gerecht werden muss, um sein zu können. - Das ist ein ganz normaler hermeneutischer Prozess.
Ja. Man setzt sich Ziel welches man erreichen will, und sucht dann nach Bestätigungen der These.
Ein völlig verkehrter und zirkelschlüssiger Vorgang.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Andere Existenzen findet man nicht.
Im naturalistischen Sinne ist das richtig.
Das ist in JEDEM Sinn richtig.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Thaddäus
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#388 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Thaddäus » Mo 4. Jan 2016, 14:02

SilverBullet hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Wo und an welcher Stelle genau, mein lieber SilverBullet, "kümmere ich mich bis hierhin nicht darum, um was es sich bei Plutos Äußerung handelt und stelle vorschnelle Behauptungen auf", wie du oben schreibst?
Du hast die Behauptung aufgestellt, dass man die Aussage „Gedanken gehören nicht auf dieselbe Ebene wie die Wirklichkeit“ mit dem „Retorsionsargument“ unmittelbar widerlegen könne.
Ich habe nicht die Behauptung aufgestellt, das Retorsionsargument (Retorsion = zurückdrehen) widerlege den propositionalen Gehalt von Plutos Aussage, sondern das Retorsionsargument widerlegt den propositionalen Gehalt von Plutos Aussage.

Denn seine Aussage ist der schriftlich geäußerte Gedanke, dass (A) "Gedanken nicht auf dieselbe Ebene, wie die Wirklichkeit gehören", womit (A) nach eigenem Aussagegehalt selbst nicht der Ebene der Wirklichkeit angehört, womit (A) also nicht der Wirklichkeit angehört; - was offenkundig falsch ist, denn wenn (A) nicht der Wirklichkeit angehören würde, könnte ich Pluto auf (A) nicht antworten. Also ist die Satzaussage von (A) offenkundig falsch.


SilverBullet hat geschrieben: Pluto hat in Wirklichkeit (und darum geht es uns ja gerade) keinen Gedanken geäussert, sondern er hat eine Codierung bereitgestellt, die in deiner Wahrnehmung in Bedeutungszusammenhänge umgewandelt und als „Gedanke“ verstanden wird.
:lol:
Wenn Pluto "eine Codierung bereitgestellt" (was immer das heißen soll), die "in meiner Wahrnehmung in Bedeutungszusammenhänge umgewandelt und als Gedanke verstanden wird", wie du schreibst, dann äußert er in meiner - wie auch in seiner eigenen Wahrnehmung und deiner übrigens - ganz offensichtlich einen Gedanken! :lol: :lol:
Nichts anderes behaupte ich. Allerdings äußert Pluto den Gedanken, sein Gedanke gehöre nicht zur Wirklichkeit, was offensichtlich falsch ist, denn unsere Diskussion über diese Aussage seines Gedankens gehört ganz offensichtlich zur Wirklichkeit, sonst könnten wir nicht über ihn diskutieren.

SilverBullet hat geschrieben: Wie ich geschrieben habe, sehe ich Gedanken nicht als Existenzen der Wirklichkeit, sondern als Bedeutungszusammenhänge innerhalb eines Wahrnehmungsvorganges an -> virtuell.
Und wie ich bereits geschrieben habe, ist es völlig egal, welche Theorien und Erklärungen du dir für das Vorhandensein von Gedanken zurechtkonstruierst, feststeht, dass du, ich und Pluto hier sehr munter Gedanken austauschen und diese auch prinzipiell verstehen können, wiewohl du meine offenbar nicht verstehst.

Der Begriff "Gedanke" gehört zur normalen Alltagssprache und wird von jedem verstanden, der die deutsche Sprache erlernt hat.
"Gedanke" bezeichnet im Duden ...
1.
a. etwas, was gedacht wird, gedacht worden ist; Überlegung
b. das Denken an etwas

2. Meinung, Ansicht
3. Einfall; Plan, Absicht
4. Begriff, Idee
5. in »[um] einen Gedanken«
und in Wiki ...

Ein Gedanke ist, was gedacht worden ist oder das Denken an etwas; eine Meinung, eine Ansicht oder ein Einfall bzw. ein Begriff oder eine Idee.[1] Der Gedanke ist ein Ergebnis, ein Produkt des Denkprozesses in Form eines Urteils oder eines Begriffs, der im idealen Fall das Allgemeine in der Masse der Einzeldinge widerspiegelt oder das Wesentliche, das Gesetzmäßige in der Vielfalt der Erscheinungen der den Menschen umgebenden Welt fixiert. Nach Freges Psychologismus­kritik im 19. Jahrhundert und nach Husserl wird wissenschaftssprachlich systematisch zwischen dem Gedanken im subjektiv-psychologischen und dem Gedanken im objektiven Sinn unterschieden.[2][3]

Gedanken als Denkoperationen, also als bewusste psychische Handlung, sprich Gedanken im subjektiven Sinn, sind Gegenstand der kognitiven Psychologie. Die (moderne) Logik hingegen befasst sich mit den Gedanken im objektiven Sinn. Der Gedanke im subjektiven Sinn betrifft die tatsächliche Entstehung (bei Frege: das Fassen) eines Gedankens. Der Gedanke im objektiven Sinn betrifft seine Geltung
Diese Alltagsdefintion von Gedanke liegt auch unserem Schreiben hier über Gedanken stets zugrunde.
Das heißt Silverbullet: auch, wenn du neue Definitionen des Begriffs Gedanke hier treffen und einführen möchtest, musst du auf die obigen Begriffsbestimmungen stets zurückgreifen. Du kannst gar nicht anders!
Zudem müsstest du erst einmal begründen, warum du überhaupt neue Definitionen des Begriffs einführen möchtest und was an der obigen falsch sein soll.
Und wie Gedanken etwa neuronal erklärt werden, spielt überhaupt keine Rolle für die Verwendung des Begriffs.


SilverBullet hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Und wenn ich nun aus der TATSACHE, dass Pluto diesen Gedanken hier geäußert hat und der TATSACHE, dass der propositionale Gehalt dieser Äußerung ist: dass Gedanken nicht auf derselben Ebene wie die Wirklichkeit stehen
logisch präzise schlussfolgere,
dass dann auch genau dieser Gedanke Plutos [Plutos Gedanke = "Denn Gedanken kann man nun mal nicht auf dieselbe Ebene wie die Wirklichkeit stellen"], selbst nicht auf derselben Ebene wie die Wirklichkeit steht und also selbst nicht-wirklich ist und damit irrelevant und bedeutungslos,
dann ...
... ist das so präzise und klar, wie man es sich nur wünschen kann und ganz sicher keine vorschnelle Behauptung!
“.
Doch, denn du liegst falsch.

Du liegst also falsch, denn „Plutos Gedanke“ gehört tatsächlich nicht zur Wirklichkeit und die „Schlussfolgerung der Irrelevanz“ ist genauso falsch.
Könntest du vielleicht mal erklären, wie du hier über Plutos Gedanken (also seine obige Aussage) selbst die Aussage treffen kannst, er gehöre "tatsächlich nicht zur Wirklichkeit", wenn er nicht zu Wirklichkeit gehört?
:clap:
:lol:

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#389 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Thaddäus » Mo 4. Jan 2016, 15:45

SilverBullet hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Das Phänomen des Selbstbetrugs (Selbsttäuschung, Ignorieren, Verdrängen und Ausblenden missliebiger Tatsachen, sich in die eigene Tasche lügen) ist mir hier im Forum schon des Öfteren begegnet.
Bei Religionen ist es natürlich sehr stark vorhanden.

Das Wort „Glaube“ ist sozusagen nichts anderes, als das Prinzip „mein Denken steht in unmittelbaren Wechselwirkungskontakt mit einer wirklichen Macht-Existenz, die irgendwie in meinem Denken vorzukommen scheint“

Wenn ich es richtig verstehe, ist Philosophie sehr stark von der Religion beeinflusst.
Da wundert es nicht, dass das Denken, als „zentrale Grundlage“, übrig geblieben ist.
:shock: :shock: :shock:
Hast du eigentlich jemals Philosophieunterricht gehabt oder ein Philosophiebuch oder eine Philosophiegeschichte in der Hand gehabt? Ich vermute nicht!
Und ausgerechnet der Religion zuzuschreiben, sie sei verantwortlich für das Denken als der zentralen Grundlage der Philosophie, zeugt von ziemlicher geistesgeschichtlicher Einfalt. ;)

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#390 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von closs » Mo 4. Jan 2016, 16:05

Pluto hat geschrieben:Eben in diesem "was man erschließen will" liegt die Willkür der Erkenntnis.
Verstehe Dich - aber ist es nicht auch in der Naturwissenschaft so, dass man aus Vor-Erkenntnissen eine Behauptung aufstellt, die man dann belegt?

Pluto hat geschrieben:Man setzt sich Ziel welches man erreichen will, und sucht dann nach Bestätigungen der These.
Das ist der Hermeneutische Zirkel. - Man hat Vorwissen, dass man zu bestätigen sucht - im Vorgang des Bestätigen erhärtet sich das Vorwissen ODER wird korrigiert (!!!), so dass man dann das Ziel ändert (Zielkontrolle). - Das ist auch in der WIrtschaft gang und gäbe.

Pluto hat geschrieben:Das ist in JEDEM Sinn richtig.
Nicht falsifizierbar.

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