Wird die Philosophie unterschätzt?

Philosophisches zum Nachdenken
Hemul
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#371 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Hemul » So 3. Jan 2016, 18:24

Pluto hat geschrieben:
Hemul hat geschrieben:Alle Geschöpfe haben einen Ursprung-selbst die Dunkle Energie. :wave:
Das ist in der kausalen Welt in der wir Leben, selbstverständlich, ja tautologisch.
Warum macht man bei Gott eine Ausnahme?
Weil der Gott der Bibel-falls Du den meinen solltest nicht in der kausalen Welt als der unsrigen lebt. Der Gott der Bibel ist nach Aussage seines Sohnes in Johannes 4:24 nicht physischer sondern geistiger Natur:
24 Gott ist Geist, und die, die ihn anbeten wollen, müssen dabei von seinem Geist bestimmt und von der Wahrheit erfüllt sein."

Wenn wir von Gottes Wahrheit erfüllt sind-schenkt er uns etwas von seinem Geist u. wir erkennen an was er uns z.B. auch in Jesaja 55:7-9 wie folgt aufzeigt:
7 Der Gottlose verlasse seinen Weg, / der Schurke seine schlimmen Gedanken! / Er kehre um zu Jahwe, damit er sich seiner erbarmt, / zu unserem Gott, denn er ist im Verzeihen groß! 8 "Meine Gedanken sind nicht wie eure Gedanken, / und eure Wege nicht wie meine Wege!", spricht Jahwe. 9 "Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, / so weit reichen meine Gedanken über alles hinaus, was ihr euch denkt, / und meine Möglichkeiten über alles, was für euch machbar ist.
Zuletzt geändert von Hemul am So 3. Jan 2016, 18:28, insgesamt 1-mal geändert.
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

SilverBullet
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#372 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von SilverBullet » So 3. Jan 2016, 18:27

Münek hat geschrieben:Das Phänomen des Selbstbetrugs (Selbsttäuschung, Ignorieren, Verdrängen und Ausblenden missliebiger Tatsachen, sich in die eigene Tasche lügen) ist mir hier im Forum schon des Öfteren begegnet.
Bei Religionen ist es natürlich sehr stark vorhanden.

Das Wort „Glaube“ ist sozusagen nichts anderes, als das Prinzip „mein Denken steht in unmittelbaren Wechselwirkungskontakt mit einer wirklichen Macht-Existenz, die irgendwie in meinem Denken vorzukommen scheint“

Wenn ich es richtig verstehe, ist Philosophie sehr stark von der Religion beeinflusst.
Da wundert es nicht, dass das Denken, als „zentrale Grundlage“, übrig geblieben ist.

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ThomasM hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben: Vor diesem Hintergrund findet man (so sieht es für mich aus) auch heute noch Vertreter aller Philosophierichtungen. Und wenn die einen sagen „das ist aber schon lange nicht mehr gültig“, kommt ein anderer und sagt „doch“.
Im Grunde kann hier Jeder die versteckte Voraussetzung einführen „das, was ich denke, ist gültig, weil ich es denken kann“.
Meiner Beobachtung nach hat sich die Philosophie schon lange von diesem Grundsatz gelöst.
Wie du aus den nachfolgenden Beiträgen entnehmen konntest, ist mein Satz nicht so ganz verkehrt.

Wenn ich es richtig verstanden habe, gehst du selbst von existierenden Farben aus.
Gehst du auch davon aus, dass es ein existierendes Subjekt gibt, das nicht Körper/Gehirn ist (auch wenn es davon abhängig/hergestellt sein sollte) und „hinter deiner Blickrichtung“ steht?

Wenn ja, warum, weil es im Denken, im Verstehen, genauso vorkommt?

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sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Weil ein Gläubiger denkt, „da kann es einen Gott geben“, muss es einen „Gott“ geben
Das wäre ontologisch ein völlig untauglicher Satz - philosophisch nach meinem Verständnis undenkbar.
Danach riecht aber der Gödelsche Gottesbeweis ganz stark:
Genau richtig, im „Gödels Gottesbeweis“ könnte dieses Anzeichen enthalten sein.

Aber genauso fällt (aus meiner Sicht) das „Hineinfühlen“ darunter.
Ich habe schon zahlreiche Gläubige gefragt, warum Menschen einfach durch ihr Denken, auf einen „unsichtbaren Gesamtzusammenhang“ schliessen können sollen.
Dann kommt als Antwort: der „menschliche Geist“ ist das Abbild von „Gott“ und findet somit letztlich zur Quelle zurück.

Ich vermute, dass die Philosophie diese „grundlegende Denkgültigkeit“ nie wirklich infrage gestellt hat.

Ich erkenne dies auch in diesem Thread, wenn „Gedanken, Zahlen, literarische Figuren usw.“ in einem Strich, als wirkliche Existenzen behauptet werden, dann ist der Hintergrund: weil es im Denken vorkommt.

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closs hat geschrieben:Das Argument ist ein anderes: Wenn es so viele Menschen gibt, die ähnliche persönliche geistige Erkenntnis haben (zumal in völlig verschiedenen Kulturen und über alle Zeiten), ist es nicht naheliegend, dass es sich um eine massenhafte Selbsttäuschung handelt
Für dieses Argument solltest du in der Lage sein, die Schnittmenge aus möglichst allen Religionen zu liefern – ich bin gespannt.

Warum sollte es keine massenhafte Selbsttäuschung geben?

Haben sich Menschen an vielen Stellen aus tierischen Vorfahren entwickelt, oder geschah dies an einem Ort, so dass es dadurch zu einer einheitlichen Tendenz kam, in der Umwelt ein „Gegenüber zu sehen“?

Aus dieser Tendenz haben sich dann, auf Basis von Ortsunterschieden, eigenen Entwürfe gebildet. Man muss auch bedenken, dass das Rätsel des Bewusstseins mit Leichtigkeit jeder Menschengruppe auffällt, wodurch es zu „Lösungsversuchen“ kommt.

Sobald es aber etwas konkret wird, unterscheiden sich Religionen durchaus sehr stark.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Der entscheidende Punkt ist, dass dieser Satz von einem Wahrnehmungssystem formuliert wird, das keinen wahrnehmungsunabhängigen Zugang zu einer Aussenwelt hat.
Was ändert das an dem Satz:
closs hat geschrieben:"Sein"/"Realität" ist keine abhängige Größe von Wahrnehmung (lassen wir hier QM-Sonderfälle mal weg).
---???---
Wahrnehmungssysteme können Existenzen nicht einfach durch das Denken erschliessen.

Dein Satz ist (wie ich geschrieben habe) als Wahrscheinlichkeitseinschätzung, für praktisch bestätigte Fälle, OK, aber das Universalkonzept „ich spüre etwas Unsichtbares, also gehe ich von seiner Existenz aus“ ist nicht vertretbar, zumal im Falle von Religion eine „saftige Suggestion“ vorausgeht.

closs hat geschrieben:Mit dem Ergebnis, dass etwa Sokrates sagt "Ich weiss, dass ich nichts weiss" (das hat er WIRKLICH gemeint - das war kein Bonmot) - oder das Descartes sagt, dass das einzig sichere Wissen das "Cogito" ist (aus meiner Sicht ontologisch nicht widerlegbar) - oder dass Hegel in der Erkenntnis die Vollendung des Vollkommenen versteht (siehe auch 1.Kor. 13,12). - DAS ist "echte" Philosophie: Die Thematisierung von Wahrheit im Bewusstsein, sie nicht greifen zu können.
Hier wird genau der Anspruch deutlich, den ich anspreche.
Philosophie: Denken/Bewusstsein wird in Bezug zu Wahrheit gedacht.
Das Denken soll das ultimative Werkzeug sein.

Die Idee, dass der Herstellungsprozess des Denkens, massive Konsequenzen für die Gültigkeit des Denkens haben könnte, soll keine Rolle spielen.

Diesen Anspruch schiebt die Philosophie (aus meiner Sicht) unterschwellig vor sich her.

„Ich denke, also bin ich“ ist genau dieser Anspruch. Auch wenn heute viele Philosophen den Geist-Körper-Dualismus ablehnen möchten, gehen sie dennoch von „wirklich existierenden Denkzusammenhängen“ aus.

Du sagst selbst: „Die Logik besteht hier darin, dass es beim "Ich" nicht um eine Differenz zwischen Subjekt und Objekt geben kann.“.
Warum sollte die Logik, angewandt auf Denkzusammenhänge, entscheidend für die Herstellung von Denken sein?

Warum sollte das Denken/Verstehen nicht eine Funktion sein, die durch ganz andere Zusammenhänge zustande kommt, als durch „Denkexistenzen, die sich selbst erkennen“?

Solivagus
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#373 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Solivagus » So 3. Jan 2016, 19:17

Hallo Scrypt0n,

Scrypt0n hat geschrieben:
Solivagus hat geschrieben:Ich bin gespannt wie du es schaffst, mithilfe der Modallogik, aus Pumuckel oder dem Spaghettimonster eine notwendige Existenz abzuleiten. [...]
Nichts einfacher als das. [...]

perfekt. Ich bin gespannt...

Scrypt0n hat geschrieben: Da es sich aber um das "Wesen" bzw. das "Seiende" von etwas willkürlich ausgedachten, frei erfundenen und der Fantasie entsprungenen handelt, landet man auch mit der Ontologie unweigerlig und prinzipiell in einen Zirkelschluss.
Na wenigstens hat Kant das erkannt. [...]

Wie nimm Kant auf den "Zirkelschluss" Bezug?

Scrypt0n hat geschrieben:Gott als allmächtiges und allwissendes Wesen: Da Allwissenheit das Wissen um die eigenen zukünfigen Handlungen umfasst, führt Allwissenheit zu Statik; die Handlungsfreiheit wird auf genau eine mögliche Zukunft beschränkt. [...]

Allwissenheit ist nicht nur die Kenntnis der eigenen zukünftig möglichen Wahrheit, sondern aller Wahrheiten (alle notwendigen Wahrheiten, alle möglichen Wahrheiten, alle kontigenten Wahrheiten und alle Kontrafaktualen Wahrheiten). Eine Einschränkung kann ich hier nicht erkennen.

Wie du auch schon in deinem Entscheidungsbeispiel mit der Wandfarbe feststellt, determiniert nicht das Allwissen die Entscheidung und damit die Handlung, sondern die Entscheidung determiniert das Allwissen. So findet auch von dieser Seite her, keine Einschränkung statt.

Scrypt0n hat geschrieben:Gott als allwissendes Wesen ohne Allmacht: [...] Ein Bewustsein kann nicht statisch sein, es muss sich verändern. [...]

Kannst du diese Notwendigkeit zur Bewusstseinsveränderung näher begründen?

Scrypt0n hat geschrieben:Gott als Schöpfer: Wenn Existenz nur durch Erschaffen möglich wäre, [...]

Wer behauptet dies?

Scrypt0n hat geschrieben:Des Weiteren kann mir Gott trotz seiner unterstellten Allmacht sowie Allwissenheit nicht vorhersagen, welche (freie!) Entscheidung ich zukünftig treffen werde wenn er ebenfalls weiß, dass ich mich bewusst für etwas anderes als vorhergesagt entscheiden werde/möchte!

Allmacht bedeutet nicht, dass logisch Unmögliche zu tun! Gott kann dir keine Entscheidung vorhersagen, zu der dich entscheidest, dich nicht zu entscheiden (vgl. Satz vom Widerspruch).
"Du kannst ganz unmöglich nicht sein, denn Du bist aus Dir selbst Notwendigsein."
(Duns Scotus, Tractatus de primo principio, 91, Übs. W. Kluxen)
The Ontological Argument (engl.)

Pluto
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#374 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Pluto » So 3. Jan 2016, 19:23

Solivagus hat geschrieben:Allmacht bedeutet nicht, dass logisch Unmögliche zu tun!
Natürlich hast du da völlig Recht. Auch Gott kann nicht den Kreis quadrieren.

Es ist eine Binsenwahrheit, dass wir Menschen tagtäglich unsere Meinung ändern. Wir sind ganz normale fehlbare Wesen, die weder Allmacht noch Allwissenheit beanspruchen.

Es ist aber scheinbar für Gott unmöglich, seine künftige Meinung zu ändern. Der Grund liegt, wie ich schon zuvor sagte, nicht eine Frage der Logik, sondern weil Allmacht und Allwissenheit unverträgliche Eigenschaften sind.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#375 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von closs » So 3. Jan 2016, 20:55

SilverBullet hat geschrieben:Warum sollte es keine massenhafte Selbsttäuschung geben?
Theoretisch denkbar.

SilverBullet hat geschrieben: „ich spüre etwas Unsichtbares, also gehe ich von seiner Existenz aus“ ist nicht vertretbar
Korrekt - behauptet so auch keiner. - Ich kapiere immer noch nicht den Kontext zu
Closs hat geschrieben:"Sein"/"Realität" ist keine abhängige Größe von Wahrnehmung (lassen wir hier QM-Sonderfälle mal weg).
Das eine hat doch mit dem anderen überhaupt nichts zu tun.

SilverBullet hat geschrieben:Wahrnehmungssysteme können Existenzen nicht einfach durch das Denken erschliessen.
Erschließen schon - mit dem Risiko, dass die Prämissen des Denkens falsch sind. - Insofern kann man Existenz nicht durch Nachdenken BEWEISEN. - Das gilt aber - wenn man ganz prinzipiell denkt - für alles außer dem "Cogito".

SilverBullet hat geschrieben: Denken/Bewusstsein wird in Bezug zu Wahrheit gedacht.
Selbstverständlich - wozu denn sonst?

SilverBullet hat geschrieben:Die Idee, dass der Herstellungsprozess des Denkens, massive Konsequenzen für die Gültigkeit des Denkens haben könnte, soll keine Rolle spielen.
Wenn man "Denken" nicht als pure Folge von Materie versteht, sondern Materie als Instrumente des Denkens versteht, spielt das in der Tat keine primäre Rolle.

SilverBullet hat geschrieben:„Ich denke, also bin ich“ ist genau dieser Anspruch.
Denkerisch schwerlich widerlegbar. - Alle bisherigen Versuche waren Schin-Versuche, weil sie auf Basis eines Nicht-Dualismus agiert haben, also mit einer Prämisse gearbeitet haben. - Wenn man diesen Ausspruch widerlegen wollte, müsste man es auf dualistischer Ebene tun (davon abgesehen, dass es sich eigentlich gar nicht um einen Dualismus handelt).

Solivagus hat geschrieben:Warum sollte die Logik, angewandt auf Denkzusammenhänge, entscheidend für die Herstellung von Denken sein?
Zur "Herstellung" nicht.- "Hersteller" des Denkens ist das, was man christlich als "Heiliger Geist" bezeichnet - aber das müsste man auch erst wieder auseinander-dröseln. - Vielleicht kann man so sagen: Sprituelles/christliches Denken geht davon aus, dass Materie aus Geist kommt und nicht umgekehrt.

SilverBullet hat geschrieben:Warum sollte das Denken/Verstehen nicht eine Funktion sein, die durch ganz andere Zusammenhänge zustande kommt, als durch „Denkexistenzen, die sich selbst erkennen“?
Es werden sich Weltbilder ("Prämissen") finden lassen, bei denen es so ist.

closs
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#376 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von closs » So 3. Jan 2016, 21:02

Solivagus hat geschrieben:! Gott kann dir keine Entscheidung vorhersagen, zu der dich entscheidest, dich nicht zu entscheiden
Richtig.

Pluto hat geschrieben: weil Allmacht und Allwissenheit unverträgliche Eigenschaften sind.
Diese Unverträglichkeit ist eine Schein-Erkenntnis aufgrund falscher Prämissen.

Pluto hat geschrieben:Es ist aber scheinbar für Gott unmöglich, seine künftige Meinung zu ändern.
"Gott ändert seine Meinung" ist eine Satz wie "ein Kreis ist viereckig". - Mit anderen Worten: Gott als über-zeitliche "Einrichtung" hat kein früher und später in seinem Wesen - er sieht nur Vergangenheit in dem, das der Zeit unterworfen ist.

Mit anderen Worten: Wenn Gott aus Sicht des zeit-unterworfenen Menschen seine Meinung ändert, dann hat das allein Offenbarungs-Charakter dem Menschen gegenüber. - In seiner eigentlichen Wirklichkeit steht dies schon "seit den Urtagen" fest, weil Gott "seit den Urtagen" bereits alles seit dem Urknall ("Weltzeit") weiß - und auch weiß, wann er offenbarungs-mäßig eingreift.

Gott wird mir in der Regel viel zu klein dargestellt - WÄRE er so klein, wie es oft durchklingt, würde er mich nicht die Bohne interessieren.

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#377 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Solivagus » So 3. Jan 2016, 21:04

Hallo Pluto,

Pluto hat geschrieben:
Solivagus hat geschrieben:Allmacht bedeutet nicht, dass logisch Unmögliche zu tun!
Natürlich hast du da völlig Recht. Auch Gott kann nicht den Kreis quadrieren.

Es ist eine Binsenwahrheit, dass wir Menschen tagtäglich unsere Meinung ändern. Wir sind ganz normale fehlbare Wesen, die weder Allmacht noch Allwissenheit beanspruchen.

Es ist aber scheinbar für Gott unmöglich, seine künftige Meinung zu ändern. Der Grund liegt, wie ich schon zuvor sagte, nicht eine Frage der Logik, sondern weil Allmacht und Allwissenheit unverträgliche Eigenschaften sind.

vielleicht kommen wir ja weiter, wenn du erst einmal beschreibst, was du unter einer Meinungsänderung verstehst und welche Vorraussetzungen dafür erfüllt sein müssen.
"Du kannst ganz unmöglich nicht sein, denn Du bist aus Dir selbst Notwendigsein."
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#378 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Halman » So 3. Jan 2016, 21:40

Pluto hat geschrieben:
Hemul hat geschrieben:Alle Geschöpfe haben einen Ursprung-selbst die Dunkle Energie. :wave:
Das ist in der kausalen Welt in der wir Leben, selbstverständlich, ja tautologisch.

Warum macht man bei Gott eine Ausnahme? Um einem infiniten Regress auszuweichen?
Das scheint mir ein guter Grund zu sein. Unendlich viele Vorgängeruniversum anzunehmen ist alles andere als sparsam. Wo wir gerade beim Thema sind: Warum machen immer mehr Kosmologen beim Universum/Multiversum eine Ausnahme? Der ewige Kosmos kommt immer mehr in Mode.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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Thaddäus
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#379 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Thaddäus » Mo 4. Jan 2016, 08:52

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Das Problem dieses Gottesbeweises liegt in einer Verwechslung von Welt und Universum.
Was meinst Du mit "Welt"? Das, was wir unseren menschlichen Lebensraum nennen?

Was meinst Du mit "Universum"? - Meinst Du es im kosmologischen Sinne (Urknall, Ausbreitung, etc)? Wenn ja: Wie nennst Du ein mögliches Feld, das theoretisch außerhalb dieses physikalischen Universums sein könnte und das unabhängig von menschlicher Vorstellung "ist"?
Ich übernehme hier die zwar eigenwillige, aber ontologisch hilfreiche Unterscheidung zwischen Welt und Universum von Markus Gabriel, wie er sie in Warum es die Welt nicht gibt (2014), trifft.
Demnach existiert in der Welt alles, was wir in ihr vorfinden, wozu Staatsverfassungen, Tische und Ampeln, Frodo Beutlin und Faust, die Menschenwürde, transzendente Zahlen, Grigori Perelmanns Beweis der Poincare-Vermutung, Sonnenauf- und -untergänge, Traumgesichte, Meerjungfrauen, Odin, Schutzengel, das Spaghettimonster, alle qualitativen Sinneseindrücke, "rosa Einhörner in Polizeiuniform auf der Rückseite des Mondes", der Weihnachtsmann, die Ehre und der Stolz usw. usf. gehören. Kurz, zur Welt gehört alles, was man gemeinhin unter die geistigen und also immateriellen Inhalte fassen kann.

Das Universum definiert Gabriel demgegenüber als den Gegenstandsbereich der Physik und anderer empirischer Wissenschaften. Es ist der Bereich der hard facts und des Messbaren. Das Universum als der Bereich der empirischen Wissenschaften gehört (wie diese) selbstverständlich ebenfalls zur Welt, die empirischen Wissenschaften stellen aber eigene Sinnfelder dar, insofern es in ihnen eben besonders um die hard facts des Universums und des Messbaren geht. Das Universum ist ontologisch also eine Unterkategorie der Welt (denn das Universum ist ein Teil unserer LebensWELT).

Schnittmengen zwischen den Sinnfeldern sind jederzeit möglich, z.B. wenn der Physiker Fritjof Capra in Das Tao der Physik das Sinnfeld Physik mit dem Sinnfeld Esoterik verknüpft (vgl. auch Tipler u.a.). Inwiefern solche Sinnfeldüberschneidungen auch sinnvoll sind, ist eine andere Frage und muss jeweils überprüft werden.

Nach Gabriel existiert alles, was in einem Sinnfeld erscheint (Das knüpft an den Begriff der "Erscheinung" bei Kant an). Auf welche Weise etwas existiert, hängt davon ab, in welchem Sinnfeld es erscheint.

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So existieren Zahlen real und wirklich in der Welt als Gegenstände im Gegenstandsbereich des Sinnfeldes Mathematik, in dem sie erscheinen. Man rechnet real mit ihnen und kann z.B. die Existenz von transzendenten Zahlen mathematisch auch beweisen. Das heißt, Zahlen gehören zur Wirklichkeit der Mathematik und sie gehören damit zu unserer Welt. Selbstverständlich können wir auch reale Erfahrungen mit Zahlen machen (so mag ich die Zahl 17 nicht, aber die Zahlen 5 und 33).

Zahlen existieren aber nicht im Universum als materielle Dinge und als Gegenstände von Physik oder Biologie etc., die man vermessen könnte oder in die Hand nehmen. Sucht man Zahlen also im Universum und im Gegenstandsbereich der Physik, verwechselt man schlicht die Sinnfelder und es ist ausgeschlossen, dass man Erfolg damit haben kann!

Macht man sich andererseits archeologisch auf die Suche nach Hobbingen, um dort Ausgrabungen zu machen und die Existenz von Hobbits als reale Personen der Zeitgeschichte auf unserer Erde nachzuweisen, verwechselt man ebenfalls Sinnfelder (nämlich die Sinnfelder phantastische Literatur mit Real-Geschichte/Archeologie) und kann also keinen Erfolg haben.

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Theologie und Glaube verwechseln nun zumeist das Existieren in der Welt mit dem Existieren im Universum. Im besonderen tun das die Gottesbeweise. Der Gott der Gottesbeweise existiert in der Welt und gehört zum Gegenstandsbereich der Sinnfelder Religionsphilosophie, Theologie und Glaube. Er gehört aber nicht zum Gegenstandsbereich der Physik oder anderer Naturwissenschaften und damit existiert er auch nicht im Universum.

Die katholische Kirche hat die Himmelfahrten Marias und Jesu als reale historische Ereignisse der Weltgeschichte zum Dogma erklärt. Diese Himmelfahrten erscheinen in den Sinnfeldern Glaube, christl. Religion, Theologie und sie existieren damit in der Welt als Gegenstände des Gegenstandsbereichs dieser Sinnfelder. Sie sind Dogmen und man kann über diese Himmelfahrtsgeschichten oder eben diese Dogmen Doktorarbeiten in Theologie verfassen.

Indem die kath. Kirche aber dogmatisch betont, dass es sich bei diesen Himmelfahrten um real-gegenständliche Ereignisse der Weltgeschichte handelt, und Jesus und Maria also angeblich real-körperlich in den "Himmel" geflogen sind, behauptet sie diese Ereignisse als im Universum und im Gegenstandsbereich der Physik erscheinend und also auch in diesem Sinnfeld existierend (denn Jesus und Maria sind angeblich leiblich in den Himmel aufgefahren)!

Damit liegt aber eine Verwechslung der Sinnfelder vor und heraus kommt Unsinn. Denn selbst, wenn der leibliche Jesus und die leibliche Maria sich seit 2000 Jahren mit Lichtgeschwindigkeit in Richtung "Himmel"(?!) bewegen sollten, dann haben sie unsere Galaxie immer noch nicht verlassen.
:shock: :lol:

closs
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#380 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von closs » Mo 4. Jan 2016, 09:11

Thaddäus hat geschrieben:Ich übernehme hier die zwar eigenwillige, aber ontologisch hilfreiche Unterscheidung zwischen Welt und Universum von Markus Gabriel
Finde ich gut - gut nachvollziehbar.

Thaddäus hat geschrieben:Das Universum ist ontologisch also eine Unterkategorie der Welt (denn das Universum ist ein Teil unserer LebensWELT).
Klare Antwort - das war eigentlich meine konkrete Frage.

Thaddäus hat geschrieben:Damit liegt eine Verwechslung der Sinnfelder vor und heraus kommt Unsinn. Denn selbst, wenn der leibliche Jesus und die leibliche Maria sich seit 2000 Jahren mit Lichtgeschwindigkeit in Richtung "Himmel"(?!) bewegen sollten, dann haben sie unsere Galaxie immer noch nicht verlassen.
Erstmal: Zustimmung.

Zweitens: So ist "leibliche Auferstehung" nach meiner Einschätzung nicht gemeint. - "Leiblich" heisst NICHT, mit maximal Lichtgeschwindigkeit, sondern - wenn man das so sagen könnte - instantan. - Auch der "Leib" ist nicht ein Leib, der unterwegs mal aufs Klo muss, wenn es zu lange dauert, sondern ein Geistleib, der - Achtung! - als körperlicher Leib dargestellt wird, weil man nur so die eigentliche Message auf Offenbarungs-Ebene vermitteln kann, dass der Mensch nach dem (Daseins-)Tod intakte Ich-Identität bleibt. - Würdest Du "(geist-)leiblich" auferstehen, würdest Du weder Deine Warze am Ohr noch Deine Menstruation mitnehmen. - Das ist nicht einfach zu verstehen - Dir traue ich es zu.

"Schnittmengen der Sinnfelder" empfinde ich als spannenden Ausdruck - übrigens ein ganz einfaches Beispiel dafür: Der Mensch selbst, der "Welt" und "Universum" in sich vereinigt - oder nicht?

Die entscheidende Frage scheint mir allerdings zu sein (wo Du schon den Begriff "ontologisch" verwendest), ob Du die nicht-physikalischen Sinnfelder als "Kopf-Kino" verstehst oder als Entität (= das, was auch ohne die Wahrnehmung des Menschen existiert). - WENN Entität: In welcher Welt hätte sie ihren wesensmäßigen Platz? (Nur im Kopf des Menschen kann es ja nicht sein, weil dieser mit dem (Daseins-) Tod des Menschen stirbt).

Und dies scheint mir der Kontext zu sein, warum die RKK von "real" spricht. - Sie meint NICHT damit eine Körperlichkeit, die an das Universum (im Sinne Gabriels) gebunden ist, sondern an eine dritte Welt gebunden ist, deren Ableger "Welt" und "Universum" sind - nenne diese Welt "Himmel" oder "Gott". - Würde Gabriel eine solche Welt ausschließen? Wenn ja, warum? --- Oder ist diese Welt so uninteressant im 21.Jh., dass sie nicht einmal diskutiert wird?

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