Münek hat geschrieben:Das Phänomen des Selbstbetrugs (Selbsttäuschung, Ignorieren, Verdrängen und Ausblenden missliebiger Tatsachen, sich in die eigene Tasche lügen) ist mir hier im Forum schon des Öfteren begegnet.
Bei Religionen ist es natürlich sehr stark vorhanden.
Das Wort „Glaube“ ist sozusagen nichts anderes, als das Prinzip „mein Denken steht in unmittelbaren Wechselwirkungskontakt mit einer wirklichen Macht-Existenz, die irgendwie in meinem Denken vorzukommen scheint“
Wenn ich es richtig verstehe, ist Philosophie sehr stark von der Religion beeinflusst.
Da wundert es nicht, dass das Denken, als „zentrale Grundlage“, übrig geblieben ist.
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ThomasM hat geschrieben:SilverBullet hat geschrieben: Vor diesem Hintergrund findet man (so sieht es für mich aus) auch heute noch Vertreter aller Philosophierichtungen. Und wenn die einen sagen „das ist aber schon lange nicht mehr gültig“, kommt ein anderer und sagt „doch“.
Im Grunde kann hier Jeder die versteckte Voraussetzung einführen „das, was ich denke, ist gültig, weil ich es denken kann“.
Meiner Beobachtung nach hat sich die Philosophie schon lange von diesem Grundsatz gelöst.
Wie du aus den nachfolgenden Beiträgen entnehmen konntest, ist mein Satz nicht so ganz verkehrt.
Wenn ich es richtig verstanden habe, gehst du selbst von existierenden Farben aus.
Gehst du auch davon aus, dass es ein existierendes Subjekt gibt, das nicht Körper/Gehirn ist (auch wenn es davon abhängig/hergestellt sein sollte) und „hinter deiner Blickrichtung“ steht?
Wenn ja, warum, weil es im Denken, im Verstehen, genauso vorkommt?
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sven23 hat geschrieben:closs hat geschrieben:SilverBullet hat geschrieben:Weil ein Gläubiger denkt, „da kann es einen Gott geben“, muss es einen „Gott“ geben
Das wäre ontologisch ein völlig untauglicher Satz - philosophisch nach meinem Verständnis undenkbar.
Danach riecht aber der Gödelsche Gottesbeweis ganz stark:
Genau richtig, im „Gödels Gottesbeweis“ könnte dieses Anzeichen enthalten sein.
Aber genauso fällt (aus meiner Sicht) das „Hineinfühlen“ darunter.
Ich habe schon zahlreiche Gläubige gefragt, warum Menschen einfach durch ihr Denken, auf einen „unsichtbaren Gesamtzusammenhang“ schliessen können sollen.
Dann kommt als Antwort: der „menschliche Geist“ ist das Abbild von „Gott“ und findet somit letztlich zur Quelle zurück.
Ich vermute, dass die Philosophie diese „grundlegende Denkgültigkeit“ nie wirklich infrage gestellt hat.
Ich erkenne dies auch in diesem Thread, wenn „Gedanken, Zahlen, literarische Figuren usw.“ in einem Strich, als wirkliche Existenzen behauptet werden, dann ist der Hintergrund: weil es im Denken vorkommt.
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closs hat geschrieben:Das Argument ist ein anderes: Wenn es so viele Menschen gibt, die ähnliche persönliche geistige Erkenntnis haben (zumal in völlig verschiedenen Kulturen und über alle Zeiten), ist es nicht naheliegend, dass es sich um eine massenhafte Selbsttäuschung handelt
Für dieses Argument solltest du in der Lage sein, die Schnittmenge aus möglichst allen Religionen zu liefern – ich bin gespannt.
Warum sollte es keine massenhafte Selbsttäuschung geben?
Haben sich Menschen an vielen Stellen aus tierischen Vorfahren entwickelt, oder geschah dies an einem Ort, so dass es dadurch zu einer einheitlichen Tendenz kam, in der Umwelt ein „Gegenüber zu sehen“?
Aus dieser Tendenz haben sich dann, auf Basis von Ortsunterschieden, eigenen Entwürfe gebildet. Man muss auch bedenken, dass das Rätsel des Bewusstseins mit Leichtigkeit jeder Menschengruppe auffällt, wodurch es zu „Lösungsversuchen“ kommt.
Sobald es aber etwas konkret wird, unterscheiden sich Religionen durchaus sehr stark.
closs hat geschrieben:SilverBullet hat geschrieben:Der entscheidende Punkt ist, dass dieser Satz von einem Wahrnehmungssystem formuliert wird, das keinen wahrnehmungsunabhängigen Zugang zu einer Aussenwelt hat.
Was ändert das an dem Satz:
closs hat geschrieben:"Sein"/"Realität" ist keine abhängige Größe von Wahrnehmung (lassen wir hier QM-Sonderfälle mal weg).
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Wahrnehmungssysteme können Existenzen nicht einfach durch das Denken erschliessen.
Dein Satz ist (wie ich geschrieben habe) als Wahrscheinlichkeitseinschätzung, für praktisch bestätigte Fälle, OK, aber das Universalkonzept „ich spüre etwas Unsichtbares, also gehe ich von seiner Existenz aus“ ist nicht vertretbar, zumal im Falle von Religion eine „saftige Suggestion“ vorausgeht.
closs hat geschrieben:Mit dem Ergebnis, dass etwa Sokrates sagt "Ich weiss, dass ich nichts weiss" (das hat er WIRKLICH gemeint - das war kein Bonmot) - oder das Descartes sagt, dass das einzig sichere Wissen das "Cogito" ist (aus meiner Sicht ontologisch nicht widerlegbar) - oder dass Hegel in der Erkenntnis die Vollendung des Vollkommenen versteht (siehe auch 1.Kor. 13,12). - DAS ist "echte" Philosophie: Die Thematisierung von Wahrheit im Bewusstsein, sie nicht greifen zu können.
Hier wird genau der Anspruch deutlich, den ich anspreche.
Philosophie: Denken/Bewusstsein wird in Bezug zu Wahrheit
gedacht.
Das Denken soll das ultimative Werkzeug sein.
Die Idee, dass der Herstellungsprozess des Denkens, massive Konsequenzen für die Gültigkeit des Denkens haben könnte, soll keine Rolle spielen.
Diesen Anspruch schiebt die Philosophie (aus meiner Sicht) unterschwellig vor sich her.
„Ich denke, also bin ich“ ist genau dieser Anspruch. Auch wenn heute viele Philosophen den Geist-Körper-Dualismus ablehnen möchten, gehen sie dennoch von „wirklich existierenden Denkzusammenhängen“ aus.
Du sagst selbst: „Die Logik besteht hier darin, dass es beim "Ich" nicht um eine Differenz zwischen Subjekt und Objekt geben kann.“.
Warum sollte die Logik, angewandt auf Denkzusammenhänge, entscheidend für die Herstellung von Denken sein?
Warum sollte das Denken/Verstehen nicht eine Funktion sein, die durch ganz andere Zusammenhänge zustande kommt, als durch „Denkexistenzen, die sich selbst erkennen“?