Intellektuelle Redlichkeit

Philosophisches zum Nachdenken
closs
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#31 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von closs » Sa 9. Mai 2015, 10:37

Pluto hat geschrieben:Metzinger schätzt du übrigens falsch ein: Er ist kein Materialist.
Menschen, die das Geistige als Folge von Materie verstehen, sind strenggenommen immer Materialisten - aber Du hast recht: Im engeren Wortverständnis wird er es nicht sein.

Pluto hat geschrieben:Er plädiert aber für einen vernünftigen Mittelweg zwischen Religion und dem Abdriften in diesen extremen Materialismus.
Dann müsste er genauer erklären, was aus seiner Sicht "Religion" ist. - Aus seinem Mund klang es wie eine psychologische Größe, die man dem Menschen nicht nehmen sollte. - Gott schien er wie Feuerbach zu verstehen.

"Vernünftiger Mittelweg" kling wie weder Fleisch noch Fisch. - Aber ich kenne Metzinger nicht gut genug. - Seinen Ausführungen konnte man entnehmen, dass er geisteswissenschaftlich WIRKLICH durchblickt - sehr beeindruckend. - Seine Herleitung des Wortes "Unredlichkeit" war jedoch geistig vergiftet.

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sven23
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#32 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von sven23 » Sa 9. Mai 2015, 10:49

closs hat geschrieben:Nein - weil derjenige, der es getan hat, nicht rauskommt. - Das gilt selbstverständlich auch für die Geschichte des Christentums.
Da sind wir und einig.

closs hat geschrieben: Hier ging es um etwas anderes - nämlich ob man sich in der Gegenwart darauf beziehen darf, irgendwann mal zu heiß gebadet worden zu sein. - Konkret: Der (hier wiedermal als Topos gebrauchte) Holocaust muss aus sich selbst begründet werden - also aus dem 19. und 20. Jh. -
Es geht nicht nur um den Holocaust als vorläufigen Kulminationshöhepunkt des Antisemitismus, sondern um die gesamte Geschichte des Antisemitusmus, und das nicht erst seit Luther, sondern seit Anbeginn des Christentums, ausgehend vom Mythos der Bibelschreiber, daß die Juden am Kreuzestod des Gottessohns schuld seien und die Römer in Person des Pontius Pilatus ihre Hände in Unschuld waschen können. Daß dieses Bild des Pontius Pilatus nicht haltbar ist, ist auch ein Verdienst der historisch kritischen Methode, die Bibeltexte mit historischen Fakten abgleicht.

closs hat geschrieben: Man kann einen Formel-I-Unfall von Ferrari nicht damit begründen, dass er nicht passiert wäre, hätte Benz nicht das Auto erfunden - obwohl es geschichtlich stimmt.
Und diese unredlichen Muster (siehe Thread) findet man gelegentlich. :angel:
Der Vergleich würde nur dann nicht hinken, wenn man alle Religionen für den Antisemitismus in Sippenhaft nehmen würde. Das tun wir aber nicht, sondern beziehen uns hier klipp und klar auf die Kernkompetenz des Christentums.
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closs
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#33 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von closs » Sa 9. Mai 2015, 11:13

sven23 hat geschrieben:Der Vergleich würde nur dann nicht hinken, wenn man alle Religionen für den Antisemitismus in Sippenhaft nehmen würde.
Es gibt vom Kern her einen älteren Konflikt zwischen Isaak und Ismael - also wäre der Kernkonflikt zwischen Judentum und Islam. - Das behaupte ich selbstverständlich NICHT, möchte aber zeigen, dass man damit nicht weiterkommt.

Es geht hier darum, dass man eine geschichtliche Matrix nicht als Ursache für Geschehnisse nehmen darf, die Jahrhunderte später passieren. - Matrix ja, Ursache nein.

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#34 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von Pluto » Sa 9. Mai 2015, 11:22

closs hat geschrieben:"Vernünftiger Mittelweg" kling wie weder Fleisch noch Fisch. - Aber ich kenne Metzinger nicht gut genug. - Seinen Ausführungen konnte man entnehmen, dass er geisteswissenschaftlich WIRKLICH durchblickt - sehr beeindruckend. - Seine Herleitung des Wortes "Unredlichkeit" war jedoch geistig vergiftet.
Dann schau dir bitte dieses Gespräch an.
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sven23
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#35 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von sven23 » Sa 9. Mai 2015, 11:25

closs hat geschrieben:Es gibt vom Kern her einen älteren Konflikt zwischen Isaak und Ismael - also wäre der Kernkonflikt zwischen Judentum und Islam. - Das behaupte ich selbstverständlich NICHT, möchte aber zeigen, dass man damit nicht weiterkommt.
Doch, ein ganz guter Hinweis. Die Frage ist doch, warum der Islam diesen Kernkonflikt nicht so kultiviert hat wie das Christentum den Antijudaismus. Das ist ganz klar biblisch und kirchengeschichtlich begründet.
http://www.bibelkritik.ch/kirchenkritik/e13.htm

closs hat geschrieben: Es geht hier darum, dass man eine geschichtliche Matrix nicht als Ursache für Geschehnisse nehmen darf, die Jahrhunderte später passieren. - Matrix ja, Ursache nein.
Ursache doch, siehe oben.
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#36 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von closs » Sa 9. Mai 2015, 11:38

Pluto hat geschrieben:Dann schau dir bitte dieses Gespräch an.
Danke - puuh - 55 Min - ich nehme es mir vor (Du kannst mich gerne daran erinnern).

sven23 hat geschrieben:warum der Islam diesen Kernkonflikt nicht so kultiviert hat wie das Christentum den Antijudaismus.
Vermutlich, weil Europa und "Moslemien" nicht verwoben waren - außer in Spanien gab es meines Wissens keine Vermengung von Christen und Moslems und Juden.

Die Moslems waren vermutlich sogar das größere Feindbild - aber sie waren nicht "unter uns", also nicht verfolgbar wie die Juden.

sven23 hat geschrieben:Ursache doch, siehe oben.
Das "oben" ist nicht Ursache, sondern Prädisposition.

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#37 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von sven23 » Sa 9. Mai 2015, 11:57

closs hat geschrieben: Das "oben" ist nicht Ursache, sondern Prädisposition.
Wer das Judentum so diskreditiert wie die Bibel und die Kirche, darf sich über Schuldzuweisung nicht wundern.
Noch mal zur Erinnerung:
http://www.bibelkritik.ch/kirchenkritik/e13.htm
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#38 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von Pluto » Sa 9. Mai 2015, 12:20

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Dann schau dir bitte dieses Gespräch an.
Danke - puuh - 55 Min - ich nehme es mir vor (Du kannst mich gerne daran erinnern).
Ich weiß es ist lang, aber es lohnt sich.
Da diskutiert die Creme der postmodernen deutschen Philosophie und sie geben einen guten Überblick über den aktuellen Stand der Forschung.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#39 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von Zeus » Sa 9. Mai 2015, 13:41

closs hat geschrieben:
Zeus hat geschrieben:Wo steht in meinem Posting was vom 2. Weltkrieg?
Wörtlich nirgends - aber nach dem Du Deine Texte selber schreibst, bist Du Dir Deines Zungenschlags sicherlich bewusst.
Ich habe nichts dergleichen gesagt. Also lass bitte deine haltlosen Unterstellungen.
closs hat geschrieben:Es wird nicht direkt gesagt, dass das Christentum für den Holocaust verantwortlich sein,
Es wurde auch nicht INDIREKT gesagt.
Meine Aussage war und ist in Einklang mit diesem Zitat von Swen:
es läßt sich auch nicht abstreiten, daß die Kirche 2000 Jahre lang keine Gelegenheit ausgelassen hat, den Antisemitismus zu kultivieren. Damit hat sie den Boden bereitet, auf dem all die Scheußlichkeiten gedeihen konnten.
closs hat geschrieben:Das kommt davon, wenn Religionen mit der weltlichen Macht verbandelt sind - DER Sündenfall der Kirche seit Theodosius.
Das hat doch gar nichts mit der Judenfeindlichkeit des Christentums zu tun.
Immer wieder bedienst du dich Strohmann-Argumenten. Das ist nicht nur unredlich, sondern widerlich. Ich wiederhole: Es geht um den traditionellen Antisemitismus des Christentums und NICHT um die Verbandelung der Religionen mit der weltlichen Macht.
Nach dem 2.Weltkrieg hat übrigens die alleinseligmachende RKK einer Reihe der schlimmsten NS-Verbrecher geholfen, sich durch Flucht aus Europa der Justiz zu entziehen.
Fluchthilfenetzwerke für Nazi-Verbrecher
Für viele Massenmörder waren sie die Eintrittskarte für ein unbehelligtes Leben in Südamerika: Die als "Rattenlinien" bezeichneten Fluchtroutennetzwerke der NS-Täter. Der Historiker Dr. Daniel Stahl beschreibt im Interview, wie und warum viele Täter, von der Öffentlichkeit unbemerkt, den Weg nach Übersee fanden, und erklärt die Verwicklung der CIA und der katholischen Kirche in diese Operationen.
[...]
Papst Pius XII. [der Stellvertreter Christi, persönlich] beauftragte Bischof Alois Hudal mit der Ausschleusung von NS-Tätern.
closs hat geschrieben:Was sagt das über das Wesen der Lehre Jesu aus?
Paulus Worte geben die Antwort:
Korinther 11.13-15) 16 An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.
Zeus hat geschrieben:Also dein dummes Erwähnen des Materialismus kannst du dir... du weißt ja...
closs hat geschrieben:Das ist genau, was ich oben anspreche: Etwas Ungares wird platziert
Ich denke meine Aussagen und Zitate waren klar genug.
Dass du eine Aussage als "ungar" abtun willst, hat wohl mehr mit deinem Missfallen zu tun als mit deren Wahrheitsgehalt
closs hat geschrieben:"Materialismus" und "Kriege des 20. Jh" hätten nichts mit Materialismus zu tun,
Haben sie auch nicht. Die Motive (Beweggründe) waren ganz gewiss nicht der Materialismus, wie ich dir schon an anderer Stelle erklärt hatte. Schon vergessen?
closs hat geschrieben:denn schließlich gäbe es eine Kriminalgeschichte des Christentums.
Nein, das hast du "falsch verstanden"
Zur Erinnerung:
closs hat geschrieben:[...]und sieht aus anderer Richtung Holocaust und Hiroshima als Folge des Materialismus.
Darauf hatte ich dir zu erklären versucht, dass weder Hiroschima noch der Holocaust etwas mit Materialismus/Atheismus zu tun hatten.
Ich hatte den Theologen Hans Küng zitiert, um dir klar zu machen, dass die traditionelle Judenfeindlichkeit des Christentums, - ich wiederhole - NICHT ABER DER MATERIALISMUS der Wegbereiter für den Holocaust war.
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

2Lena
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#40 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von 2Lena » Sa 9. Mai 2015, 16:41

Zeus hat geschrieben:Ich hatte den Theologen Hans Küng zitiert, um dir klar zu machen, dass die traditionelle Judenfeindlichkeit des Christentums, - ich wiederhole - NICHT ABER DER MATERIALISMUS der Wegbereiter für den Holocaust war.
Zum Zweck der "intellektuellen Ehrlichkeit" sollte man beides gelten lassen. Denn das erste Problem mit dem "Judentum" war zur Zeit des Römischen Reiches deren Uneinigkeit über die Auslegung der heiligen Schriften gewesen.

Mehrere Gruppen stritten sich um die Methoden - und das über "Jahrhunderte". Die orthodoxe Richtung, sich streng an Mose haltend, akzeptierte den "äußeren Sinn" (Opfergaben, Reinheitsregeln, hatte die natürliche Vorstellung) und ging kaum auf die Feinheiten der Dichtkunst und den "inneren Sinn" ein. Die Schriftgelehrten, die im neuen Tempel tätig waren, hatten teilweise andere Vorstellungen. Durch die babylonische Gefangenschaft fehlten Elemente, aber es war auch eine Entwicklung geschehen. Im Krieg mit den Samaritern war deren Heiligtum in Judäa geschliffen worden und viel war zerstört. Eine andere Gruppe, die der Essener, zu denen auch Jesus Kontakt hatte, kannte das Gesetz Mose, aber bewahrte noch ältere Heiligtümer von David her. Man kam selbst in den Konzilen um 400 nicht zu einer einheitlichen und verständlichen Regel, weshalb dann auch vermutlich die *Auslegung aufgegeben wurde.

Die Lehrinhalte gab es auf der einen Seite. Im Grunde sind es die Moralregeln. Nicht mehr ganz so verständlich ist alles mit dem anders ausgedrückten Gottesglauben, weil wiederum hier eine Schiene keine Beachtung fand durch all das Gezänk, die nirgends mehr erzählt wurde. Die Bibel lief als Erzählung auf der anderen Schiene. Sie wurde aufgefasst im historischen Sinn. Auf diesem "Gleis" mit zwei Schienen, das nicht mehr durch die *Auslegung verbunden war, bewirkten die polemisierenden jüdischen Schriften eine Massenverurteilung des jüdischen Volkes. Aus deren Sicht - wird der Antisemitismus bemängelt. Dazu "verstecken" sie ihren Talmud, der schon zu vielen Gerichtsurteilen und Bücherverbrennungen geführt hat. Trotzdem lassen sie nicht davon - weil er ja richtig ist!

Um dir zu zeigen, was du tun musst, da du auf einem "Bildungs-Seil" rumhängst:
Du sagst Juden sind menschlich. Die Bibel aber und alle Religionen sind "Lügner". Das ist natürlich ein viel größerer Betrug - Christen gibt es schließlich mehr als Juden.

Eine korrekte Ausbildung würde dir das Bindeglied liefern, also die richtige Textlage - die sowohl im Judentum als auch im Christentum wieder zu den richtigen Rückschlüssen führt.

P.S. Materialismus, das hätte ich fast vergessen, war eine Konsequenz des Nichtauslegenkönnens des Schriftgutes. Es ist ein eierndes, etwas eckiges neu erfundenes Radl, mit dem gackernde Philosophiehühner meinten: stolz können sie nun Runden drehen.

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