Plausibilität des Seins

Philosophisches zum Nachdenken
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Demian
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#261 Re: Plausibilität des Seins

Beitrag von Demian » So 15. Jun 2014, 00:26

Pluto hat geschrieben:Du meinst also, der Mensch steht mit seinem Glauben über Erkenntis und Wissen

Glaube ist kein „für wahr halten“, sondern ein Wissen, welches in der Lebensform des Glaubens entdeckt und bezeugt wird. Nicht durch eine externe Autorität, sondern durch das „Hören auf die Kraft der internen Autorität der eigenen Vernunft“, die lebendig macht. Der Glaube, der getrennt von der Vernunft gelebt wird, ist eigentlich Aberglaube. Der führt nicht in die Mündigkeit.
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closs
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#262 Re: Plausibilität des Seins

Beitrag von closs » So 15. Jun 2014, 00:27

Pluto hat geschrieben:Wie wärs mit Francis Collins?
"Seiner Ansicht nach sind christlicher Glaube und Evolutionstheorie vollständig miteinander vereinbar" (wik). Das klingt gut - das ist exakt die Haltung der RKK - und meine auch. - Beides interferiert nicht. - Inwieweit wäre er ein Testimonial für Deine Auffassung?

Pluto hat geschrieben:Du meinst also, der Mensch steht mit seinem Glauben über Erkenntis und Wissen?
Moment - Du hast in diesem EINEN Satz soviele Sachen eingebaut, die man klarstellen muss:

1) Nicht der Mensch steht höher oder tiefer, sondern der Gegenstand der Erkenntnis steht höher oder tiefer.
2) Glaube steht nicht ÜBER Erkenntnis, sondern IST Erkenntnis.
3) Wissen gibt es grundsätzlich nur INNERHALB von menschengemachten Systemen.

Jetzt die Antwort auf das, was Du möglicherweise gemeint hast:

Der Gegenstand des Glaubens (nämlich Gott) ist dem Gegenstand der Naturwissenschaft (nämlich die Natur) unter spirituellen Gesichtspunkten übergeordnet. Das sieht das Natura-LISMUS ganz bestimmt anders.

Aus natur-WISSENSCHAFTLICHER Sicht gibt es allerdings KEINEN Grund, es anders zu sehen. Vielleicht würde Collins dazu sagen: "Meiner Ansicht nach sind christlicher Glaube und Naturwissenschaft vollständig miteinander vereinbar". - Würde er es sagen, wäre er voll auf der Linie der RKK - und meiner auch.
Zuletzt geändert von closs am So 15. Jun 2014, 00:31, insgesamt 1-mal geändert.

closs
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#263 Re: Plausibilität des Seins

Beitrag von closs » So 15. Jun 2014, 00:30

Demian hat geschrieben:Glaube ist kein „für wahr halten“, sondern ein Wissen
Ich weiss, was Du meinst - aber da kommt schnell Wortsalat raus (weil jeder "Wissen" anders definiert). - Meine hoffentlich neutrale Ausdrucksweise wäre:

"Es gibt kein Wissen, sondern nur ein "Für-Wahr-Halten" - sowohl für den Glauben als auch für die Naturwissenschaft."

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Demian
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#264 Re: Plausibilität des Seins

Beitrag von Demian » So 15. Jun 2014, 00:31

Glaube ist ein versunkener Schatz, dessen geheimes Wissen erst noch entdeckt und "nach oben" geholt werden muss, damit er lebendig und echt wird. Viele Menschen kreisen einfach um die Stelle, wo dieser Schatz mutmaßlich versunken ist, ohne ihn wirklich zu bergen.

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#265 Re: Plausibilität des Seins

Beitrag von Pluto » So 15. Jun 2014, 00:40

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wie wärs mit Francis Collins?
"Seiner Ansicht nach sind christlicher Glaube und Evolutionstheorie vollständig miteinander vereinbar" (wik). Das klingt gut - das ist exakt die Haltung der RKK - und meine auch. - Beides interferiert nicht. - Inwieweit wäre er ein Testimonial für Deine Auffassung?
Seine Vorgeschichte als Leiter des Human Genome Project zeichnet ihn als brillianten Gentiker aus, der dazu noch in der Lage ist bei der Arbeit ganz klar nach den Richtlinien des ontologischen Naturalismus vorzugehen. — Manchmal habe ich das Gefühl, der Mann müsste schizophren sein. :?

closs hat geschrieben: 1) Nicht der Mensch steht höher oder tiefer, sondern der Gegenstand der Erkenntnis steht höher oder tiefer.
2) Glaube steht nicht ÜBER Erkenntnis, sondern IST Erkenntnis.
3) Wissen gibt es grundsätzlich nur INNERHALB von menschengemachten Systemen.
ad 1. - ich verstehe das nicht wirklich
ad 2. - Glaube ist "Fürwahrhalten"; Erkenntnis ist Wissen. Dadurch sind Glaube und Erkennntnis zwei ganz unterschiedliche Kategorien.
ad 3. - Einverstanden. Das ist sehr logisch.

Der Gegenstand des Glaubens (nämlich Gott) ist dem Gegenstand der Naturwissenschaft (nämlich die Natur) unter spirituellen Gesichtspunkten übergeordnet. Das sieht das Naturalismus ganz bestimmt anders.
Ja. Da kann ich nicht mehr folgen.

Aus natur-WISSENSCHAFTLICHER Sicht gibt es allerdings KEINEN Grund, es anders zu sehen. Vielleicht würde Collins dazu sagen: "Meiner Ansicht nach sind christlicher Glaube und Naturwissenschaft vollständig miteinander vereinbar".
Collins könnte das vielleicht sagen, aber das ist nicht allgemein gültig, denn es gibt erfahrungsgemäß sehr viele Christen die sich auf die wörtlichkeit der Bibel berufen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#266 Re: Plausibilität des Seins

Beitrag von Demian » So 15. Jun 2014, 00:45

closs hat geschrieben:"Es gibt kein Wissen, sondern nur ein "Für-Wahr-Halten" - sowohl für den Glauben als auch für die Naturwissenschaft."

Glaube ist für mich ganz radikal und im ursprünglich Sinne Jesu eine Existenzmitteilung und kein Glaubenskonzept – er ist eine Lebensform, die sich durch die Kraft zum Leben bewahrheitet. Eine Entdeckungsreise in das Herz der Schöpfung.

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#267 Re: Plausibilität des Seins

Beitrag von closs » So 15. Jun 2014, 01:32

Pluto hat geschrieben:Seine Vorgeschichte als Leiter des Human Genome Project zeichnet ihn als brillianten Gentiker aus, der dazu noch in der Lage ist bei der Arbeit ganz klar nach den Richtlinien des ontologischen Naturalismus vorzugehen.
So wie er wahrscheinlich methodischer Atheist ist - das fordert seine Disziplin. - Vollkommen in Ordnung.

Pluto hat geschrieben:Manchmal habe ich das Gefühl, der Mann müsste schizophren sein.
Nein - er ist einfach ein Wissenschaftler, der die Koordinaten seiner Arbeits-Disziplin unterscheiden kann von den Koordinaten seiner Existenz. - Einfaches (und selbstverständlich wie immer ein hinkendes Beispiel): Ein Metzger kann privat Vegetarier sein.

Oder anders: Wissenschaft ist ein Handwerk und keine Weltanschauung.

Pluto hat geschrieben:ich verstehe das nicht wirklich
Mmmh - und ich verstehe nicht, was Du nicht verstehst.

Pluto hat geschrieben: Glaube ist "Fürwahrhalten"; Erkenntnis ist Wissen. Dadurch sind Glaube und Erkennntnis zwei ganz unterschiedliche Kategorien.
Jetzt wird es aber ganz durcheinander.

Wenn Du recht hast, ist "Erkenntnis" ein Mosaikstein innerhalb eines Systems - wie Wissen auch. - Nun ist aber Spiritualität ebenfalls ein System - warum sollte es darin keine Erkenntnisse geben?

Eigentlich liegt das Problem wo ganz anders: Du definierst das Wort einfach im Sinne Deines Systems. - Auch die künstliche Polarisierung von "Erkenntnis" und "Für-Wahr-Halten" ist willkürlich. - Denn jede Erkenntnis hat die Eigenschaft, dass der Betroffene sie für wahr hält.

Jeder kann Worte definieren, wie er will - aber dann versteht man sich nicht mehr. - In meinem Denksystem ist "Erkenntnis" geistige Erkenntnis - was Du als "Wissen" und "Erkenntnis" bezeichnest, wäre in meinem Jargon "System-Wissen".

Pluto hat geschrieben: Da kann ich nicht mehr folgen.
Inwiefern? - Du musst ja nicht zustimmen - aber warum kannst Du nicht folgen?

Pluto hat geschrieben:Collins könnte das vielleicht sagen, aber das ist nicht allgemein gültig
Die Frage ist, ob es wahr ist - und das kann niemand entscheiden, sondern immer nur anstreben. Da spielen Begriffe wie "allgemein gültig" keine Rolle, wenn man diesen Begriff mit "konsens-fähig" übersetzt. - Übersetzt man "allgemein-gültig" ontologisch mit "universal", ist es etwas anderes. - Also auch hier spielt uns die Sprache einen Streich.

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#268 Re: Plausibilität des Seins

Beitrag von Pluto » So 15. Jun 2014, 01:43

closs hat geschrieben:"Es gibt kein Wissen, sondern nur ein "Für-Wahr-Halten" - sowohl für den Glauben als auch für die Naturwissenschaft."
In der Wissenschaft hat Glaube eine ganz andere Bedeutung. Es bedeutet lediglich vermuten und impliziert, dass man jederzeit bereit ist, sich anzupassen wenn neue Erkenntnisse bekannt werden.

In der Spiritualität hingegen ist Glaube = Fürwahrhalten, d.h. etwas für bedingungslos wahr halten. Damit habe ich aber meine Probleme, weil durch die Unbedingtheit des Glaubens historische Irrtümer sowie unzeitgemäße Moralvorstellungen in die Zukunft festgeschreiben werden. Beispiele hierfür sind die Ablehnung der Homosexualität oder die Verweigerung von Rechten von Frauen bei vielen Fundamentalisten.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#269 Re: Plausibilität des Seins

Beitrag von closs » So 15. Jun 2014, 01:58

Pluto hat geschrieben:In der Spiritualität hingegen ist Glaube = Fürwahrhalten, d.h. etwas für bedingungslos wahr halten. Damit habe ich aber meine Probleme, weil durch die Unbedingtheit des Glaubens historische Irrtümer sowie unzeitgemäße Moralvorstellungen in die Zukunft festgeschreiben werden.
Warum das? - Für-wahr-halten ist doch ein Moment-Ausschnitt der gegenwärtigen Erkenntnis.

Man erkennt etwas und sagt NICHT "Das IST wahr", sondern "Ich halte es für wahr". Jeder spirituelle Mensch sollte wissen, dass Wahrnehmung nie endgültig ist - wie auch Erkenntnis nie endgültig ist. - Und er sollte es deshalb "wissen", weil es sein Wahrnehmungs-System so vorgibt, wenn es ein spirituelles System ist - es handelt sich also dabei um System-Wissen (= unveränderbar im Sinne seines Systems).

Der Naturwissenschaftler sollte im Sinne SEINES Systems ebenfalls wissen, dass seine Aussagen unter dem Vorbehalt der Spielregeln dieses Systems sind. Bei Einhaltung seiner System-Regeln wird er dementsprechende Erkenntnisse gewinnen.

Sowohl der spirituelle wie der naturwissenschaftliche Mensch halten ihre Erkenntnisse für wahr, weil sie an die Grundlagen ihres Systems glauben. - Ich sehe in den erkenntnis-theoretischen Wechselwirkungen keine strukturellen Unterschiede.

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#270 Re: Plausibilität des Seins

Beitrag von Pluto » So 15. Jun 2014, 02:07

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:In der Spiritualität hingegen ist Glaube = Fürwahrhalten, d.h. etwas für bedingungslos wahr halten. Damit habe ich aber meine Probleme, weil durch die Unbedingtheit des Glaubens historische Irrtümer sowie unzeitgemäße Moralvorstellungen in die Zukunft festgeschreiben werden.
Warum das? - Für-wahr-halten ist doch ein Moment-Ausschnitt der gegenwärtigen Erkenntnis.
Du siehst es nicht weil du tolerant und nicht fundamentalistisch denkst.
Allerdings herrscht unter Fundamentalisten eine andere Haltung zur Wahrheit. Diese wird als absolute (unerschütterliche) Offenbarung Gottes gesehen. Dehalb wird auch (aus meiner Sicht) an falschen Prinzipien festgehalten, wie bspw. die Verurteilung der HS.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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