Ich weiß, dass ich nichts weiß

Philosophisches zum Nachdenken
closs
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#251 Re: Ich weiß, dass ich nichts weiß

Beitrag von closs » Di 30. Sep 2014, 22:46

pluto hat geschrieben:Es geht nicht um Falsifizierbarkeit, sondern um die Auswertung der gesammelten empirischen Daten.
Aber alle diese empirischen Daten sagen doch nur, dass es einen Zusammenhang zwischen Hirn-Komplexität und kognitive Fähigkeiten gibt - was doch nun wirklich keiner in Frage stellt. - Dass man diese unter neuro-wissenschaftlichen Gesichtspunkten immer genauer beschreiben kann, ist doch genauso spannend wie zustimmungsfähig.

Aber wie um Himmels Willen will ein Wissenschaftler unterscheiden können,

1) ob geistige Fähigkeiten wachsen, weil sie durch Materie immer mehr geschaffen werden, oder
2) ob geistige Fähigkeiten wachsen, weil für sie durch wachsende Komplexität der Materie mehr Möglichkeiten geschaffen werden.

WIE will man das als Wissenschaftler unterscheiden können? - Doch nicht dadurch, dass man mit wachsender Komplexität mehr kognitive Fähigkeiten nachweisen kann. - Das sagt doch nichts darüber aus, wer Herr und wer Diener ist.

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Demian
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#252 Re: Ich weiß, dass ich nichts weiß

Beitrag von Demian » Di 30. Sep 2014, 22:49

closs hat geschrieben:Reine Interpretations-Sache und wissenschaftlich weder das eine noch das andere falsifizierbar.

Jegliche Erfahrung findet im Hier und Jetzt statt. Spiritualität tut nichts anderes, als die direkte Erfahrung zu betrachten und möglichst nahe und aufrichtig bei ihr zu bleiben. Wenn wir die Realität jeder Erfahrung betrachten, dann sehen wir das BEWUSSTSEIN und EXISTENZ gegenwärtig sind. Die entscheidende Frage ist, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen.
Die materialistische Perspektive ist, dass EXISTENZ unabhängig und getrennt von BEWUSSTSEIN existiert, während die spirituelle Perspektive davon ausgeht, dass beides EINS ist und untrennbar zusammen gehört. Um heraus zu finden, welche der beiden Perspektiven der NATUR der REALITÄT wirklich entspricht, müssen wir unser Verständnis aus der direkten Erfahrung herleiten. Die für mich entscheidende Frage ist deshalb: was ist im gegenwärtigen Moment Hier? Das ist die Basis.

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Demian
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#253 Re: Ich weiß, dass ich nichts weiß

Beitrag von Demian » Di 30. Sep 2014, 23:16

closs hat geschrieben:
pluto hat geschrieben:Es geht nicht um Falsifizierbarkeit, sondern um die Auswertung der gesammelten empirischen Daten.
Aber alle diese empirischen Daten sagen doch nur, dass es einen Zusammenhang zwischen Hirn-Komplexität und kognitive Fähigkeiten gibt - was doch nun wirklich keiner in Frage stellt. - Dass man diese unter neuro-wissenschaftlichen Gesichtspunkten immer genauer beschreiben kann, ist doch genauso spannend wie zustimmungsfähig.

Aber wie um Himmels Willen will ein Wissenschaftler unterscheiden können,

1) ob geistige Fähigkeiten wachsen, weil sie durch Materie immer mehr geschaffen werden, oder
2) ob geistige Fähigkeiten wachsen, weil für sie durch wachsende Komplexität der Materie mehr Möglichkeiten geschaffen werden.

WIE will man das als Wissenschaftler unterscheiden können? - Doch nicht dadurch, dass man mit wachsender Komplexität mehr kognitive Fähigkeiten nachweisen kann. - Das sagt doch nichts darüber aus, wer Herr und wer Diener ist.

Um Himmels Willen ... was ist eigentlich Materie? :)

Pluto
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#254 Re: Ich weiß, dass ich nichts weiß

Beitrag von Pluto » Di 30. Sep 2014, 23:16

closs hat geschrieben:Aber wie um Himmels Willen will ein Wissenschaftler unterscheiden können,

1) ob geistige Fähigkeiten wachsen, weil sie durch Materie immer mehr geschaffen werden, oder
2) ob geistige Fähigkeiten wachsen, weil für sie durch wachsende Komplexität der Materie mehr Möglichkeiten geschaffen werden.
Beide Fragen lassen sich sehr leicht anhand von vegleichenden Tierversuchen untersuchen.
Schlussfolgerung: Bewusstsein entsteht durch steigende Komplexität im Gehrin.

closs hat geschrieben:WIE will man das als Wissenschaftler unterscheiden können? - Doch nicht dadurch, dass man mit wachsender Komplexität mehr kognitive Fähigkeiten nachweisen kann. - Das sagt doch nichts darüber aus, wer Herr und wer Diener ist.
Ich empfehle dir dringend, einige der Bücher zu lesen, die ich verlinkt habe. Wenn du willst, kann ich dir auch noch mehr Empfehlungen geben. :)
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Pluto
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#255 Re: Ich weiß, dass ich nichts weiß

Beitrag von Pluto » Di 30. Sep 2014, 23:17

Demian hat geschrieben:Was ist eigentlich Materie? :)
Gute Frage, aber in diesem Zusammenhang OT.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#256 Re: Ich weiß, dass ich nichts weiß

Beitrag von closs » Di 30. Sep 2014, 23:33

Pluto hat geschrieben:Bewusstsein entsteht durch steigende Komplexität im Gehrin.
Bewusstsein wird daseins-präsent durch steigende Komplexität im Gehirn - das ist etwas GANZ anderes.

Pluto hat geschrieben: Wenn du willst, kann ich dir auch noch mehr Empfehlungen geben. :)
Das macht erst dann Sinn, wenn obiges verstanden ist. - Nochmals: Es ist (und war es auch vor diesem Thread) absolut klar, dass man bei steigender Komplexität des Gehirns höheres Bewusstsein messen kann. - Dazu brauche ich keine Literatur, um dies zu erkennen - ist eh klar.

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#257 Re: Ich weiß, dass ich nichts weiß

Beitrag von JackSparrow » Di 30. Sep 2014, 23:53

closs hat geschrieben:Insofern richtig, dass es keine Wahrnehmung ohne Bewusstsein gibt.
Dass man auch ein "Bewusstsein" erstmal wahrnehmen muss, bevor man behaupten kann, eins zu besitzen, ist nur eine vernachlässigbar kleine Unregelmäßigkeit innerhalb einer ansonsten perfekten Theorie.

Aus der Perspektive des Seins ist das sehr wohl unterscheidbar - aber nicht aus Sicht der menschlichen Wahrnehmung.
Die "Perspektive des Seins" ist eins der Dinge, die sich die menschliche Wahrnehmung manchmal konstruiert, wenn ihr langweilig ist. Mit ausreichend Fantasie kann man sich sogar beliebig viele Perspektiven konstruieren und jeder davon einen eigenen Namen geben.


Demian hat geschrieben:Spiritualität tut nichts anderes, als die direkte Erfahrung zu betrachten und möglichst nahe und aufrichtig bei ihr zu bleiben.
Und sich für alltägliche Erfahrungen ganz neue Wörter auszudenken, um sich vom Durchschnittsbürger abzuheben.

Pluto
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#258 Re: Ich weiß, dass ich nichts weiß

Beitrag von Pluto » Mi 1. Okt 2014, 00:04

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Bewusstsein entsteht durch steigende Komplexität im Gehrin.
Bewusstsein wird daseins-präsent durch steigende Komplexität im Gehirn - das ist etwas GANZ anderes.
Pluto hat geschrieben: Nochmals: Es ist (und war es auch vor diesem Thread) absolut klar, dass man bei steigender Komplexität des Gehirns höheres Bewusstsein messen kann. - Dazu brauche ich keine Literatur, um dies zu erkennen - ist eh klar.
Bewusstsein entsteht laut einhelliger Meinung von Experten als emergentes Phänomen der steigenden Komplexität des Gehirns.
Mit anderen Worten, das Gehirn höherer Lebewesen (wie wir) ist in der Lage Bewusstsein zu erzeugen.

Hier nur ein Beispiel von Vielen Forschunsberichten welches die ganze Problematik anspricht:
We then propose a theoretical framework that synthesizes those facts: the hypothesis of a global neuronal workspace. This framework postulates that, at any given time, many modular cerebral networks are active in parallel and process information in an unconscious manner. An information becomes conscious, however, if the neural population that represents it is mobilized by top-down attentional amplification into a brain-scale state of coherent activity that involves many neurons distributed throughout the brain. The long-distance connectivity of these `workspace neurons' can, when they are active for a minimal duration, make the information available to a variety of processes including perceptual categorization, longterm memorization, evaluation, and intentional action. We postulate that this global availability of information through the workspace is what we subjectively experience as a conscious state.
[Stanislas Dehaene, Lionel Naccache, 2001]
Hier ein weiterer Artikel über den Stand der Hirnforschung heute, mit vielen Expertenmeinungen. Auf der Suche nach dem Geist im Gehirn, und noch ein Interview mit Prof. Singer zum Thema Wahrnehmung.

Die Ergebnisse aus 50 Jahren Hirnforschung kann man nicht einfach negieren, und unter den Teppich kehren. Irgendwann solltest du dir die erdrückende Indizienlast "zur Brust" nehmen.
Ohne konkrete Gegenargumente läuft deine Argumentation immer mehr auf "Was nicht sein kann, darf nicht sein" hinaus.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#259 Re: Ich weiß, dass ich nichts weiß

Beitrag von closs » Mi 1. Okt 2014, 00:39

JackSparrow hat geschrieben:Dass man auch ein "Bewusstsein" erstmal wahrnehmen muss, bevor man behaupten kann, eins zu besitzen
Genau das ist das "Cogito ergo sum" - hier fallen Subjekt und Objekt zusammen (der einzige Fall, in dem das so ist).

JackSparrow hat geschrieben: Mit ausreichend Fantasie kann man sich sogar beliebig viele Perspektiven konstruieren und jeder davon einen eigenen Namen geben.
Stimmt - aber das ist dann Wahrnehmung (wir haben ja nichts anderes).

Gemeint ist jedoch mit "Perspektive des Seins" etwas, was wir gar nicht wissen müssen - allenfalls finden können, nie aber er-finden können.

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#260 Re: Ich weiß, dass ich nichts weiß

Beitrag von closs » Mi 1. Okt 2014, 00:51

Pluto hat geschrieben:Bewusstsein entsteht laut einhelliger Meinung von Experten als emergentes Phänomen der steigenden Komplexität des Gehirns.
Unterscheidet man dabei zwischen:

a) "Entstehen" und
b) "daseins-präsent werden"

Wenn man es NICHT tut, sind das stillschweigende Synonyme - ist es so gemeint?

Pluto hat geschrieben:Die Ergebnisse aus 50 Jahren Hirnforschung kann man nicht einfach negieren, und unter den Teppich kehren.
Nochmals: DAS TUT KEINER. - Keiner stellt die Ergebnisse der Hirnforschung in Frage. Nochmals: Keiner stellt die Ergebnisse der Hirnforschung in Frage.

Wenn mit "entstehen" gemeint ist, dass etwas messbar wird, sind wir uns sogar semantisch einig.

1) Ob existierender Geist sich Materie schafft, um über die Materie im Dasein zu "entstehen", oder
2) ob Materie Geist schafft, der vorher nicht existent war,
steht nicht im Widerspruch zu den Ergebnissen aus 50 Jahren Hirnforschung. - Weil Hirnforschung sich - wie sich das für Wissenschaft gehört - auf Daseins-Dinge beschränkt und deshalb die Frage 1) oder 2) überhaupt nicht beantworten KANN (und auch nicht will).

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