Leider wenig beigetragen zur Entmystifizierung des Satans hat der historisch kritisch arbeitende Herrmann Gunkel mit seinem spekulativen Mythos des
Helel ben Sahar in seinem Buch
Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit, S. 132 ff.
Gunkel setzt voraus, dass der vorausgesetzte Autor des Protojesaja (Kapitel 1-39) die Gedanken in Kapitel 14 von einem babylonischen oder phönizischem Mythos übernomme habe. Er gibt zu, dass der Name Helel im babylonischen nicht bezeugt sei, verweist dann aber als Alternative auf phönizische Herkunft. Eine Person namens Helel gibt es weder in der Bibel noch in der phönizischen oder ugaritischen Religion. Die
ugaritische Götterliste ist seit 1929 durch Keilschriftfunde belegt. Gunkel schrieb sein Buch im Jahre 1895. Im Jahre 1900 schlug Hugo Winckler in seiner
Geschichte Israels S. 24 vor, dass der Name Helel für den Neumond stehe, wie das noch im Arabischen erkennbar ist (Hier kann man es hören :
https://translate.google.com/?hl=de#de/ar/Neumond). Nun ja, vorausgesetzt natürlich, dass es sich bei Helel überhaupt um einen Namen handelt. Diese Hypothese aufgrund einem angeblich von einem Protojesaja abgekupferten babylonisch-phönizischen Helel-Mythos als einem Naturgleichnis hat ja noch die weitere vorausgesetzte Verbindung zur griechischen Phaeton-Legende. Dieser Phaeton (der Scheinende) steht in unpräziser Verbindung mit seiner Mutter
Eos, der Göttin der Morgenröte und
Eosphoros, der ebenfalls ihr Sohn sein soll. In der griechischen Übersetzung des AT kommt in Jesaja 14,12 das Wort
Eosphoros vor. Allerdings ist hier nirgendwo von einem Sohn die Rede. Stattdessen wird
ben Shachar dort mit
o proi anatellOn (du früh Aufgehender übersetzt).
Saher bezeichnet im hebräischen (Shachar) in der Regel die Morgenröte, oder besser gesagt die Frühe des Tages und ebenso den Eifer schnell, eben
früh dran sein zu wollen. Der Name Phaeton ist hingegen ein gewisses Äquivalent des hebräischen Helel. Allerdings nicht in Personifikation, sondern in der Bedeutung für scheinen oder glänzen. Nun meint Helel aber nicht tatsächlich etwas Glänzendes, sondern dieser Ausdruck wird oft im Zusammenhang mit den Himmelslichtern benutzt (z.B. sehr deutlich
Psalm 148). Eigentlich steht der Ausdruck für loben (Hallelu-Jah) oder ehrfurchtsvolles Ausdrücken. Das Gotteslob von Sonne, Mond und Sterne äussert sich in ihrem Fall durch ihren Lichtschein und ihren Glanz. Daneben gibt es einige weitere Bibelstellen die belegen, dass es in Verbindung mit Personen auch für das Resignieren vor Gottes Macht steht.
Jesaja 13,6
Jesaja 14,31
Jeremia 47,2
Hesekiel 21,17
Joel 1,5
Sacharja 11,2
In einem Beitrag vom Bayrischen Rundfunk mit dem Titel
Der Teufel hat viele Namen : Der Mythos vom Bösen (hier das
Skript zum nachlesen) lässt man die Autorin Barbara Walker zu Wort kommen. Dort hießt es :
SPRECHER:
Luzifer wird hier allerdings nicht mit Satan gleich gesetzt, wie die Kirchenväter glaubten,
sondern mit dem König von Babel. Aber diese Fehlinterpretation ist begreiflich, denn sie
basiert auf Luzifers ursprünglichem Mythos. Dazu die Kulturhistorikerin Barbara Walker:
ZITATORIN:
Luzifer heißt Lichtbringer und ist der lateinische Name für den Morgensterngott,
den die Kanaaniter Shahar nannten. Ihr Mythos besagte, er habe den Ruhm des
Sonnengottes Elyon begehrt und versucht, dessen Thron zu erobern. Shahar wurde
jedoch besiegt und wie ein Blitzstrahl vom Himmel hinunter gestoßen.
Heidnische Schriften aus dem 7. Jahrhundert vor Christus enthielten einen Klagegesang
für den gefallenen Morgenstern, der mit den Versen identisch ist, die Jahrhunderte später
im Buch Jesaja niedergeschrieben wurden.
Die Worte von Barbara Walker sind ihrem Buch mit dem Titel "The Woman's Encyclopedia of Myths and Secrets" S. 551-553 zum Eintrag
Lucifer entnommen (
hier kostenlos nachschlagbar). Die für diese Stelle entscheidenen Quellen sind mit 4 und 5 angegeben, wovon wiederum nur 5 interessant ist. Es ist das Buch von William Foxwell Albright - "Yahweh and the Gods of Canaan", dessen Inhalt von John Day in "Yahweh and the Gods and Goddesses of Canaan" aufgegriffen wird. Dort steht auf Seite 167 als Quelle : *Trommelwirbel* - Hermann Gunkel - Schöpfung und Chaos, pp. 133-34
Wie schon gesagt unterschlagen die Herren Theologen, dass in der griechischen Übersetzung ein Sohn (
ben Shachar) gar nicht vorkommt. In der lateinischen Vulgata des Hieronymus ist ebenfalls von keinem Sohn die Rede. Dort heißt es : lucifer qui mane oriebaris (Lichtträger der morgens Aufgehende). Erst in der späteren Nova Vulgata hat man dies angepasst zu : lucifer, fili aurorae (Lichtträger, Sohn der Morgenröte / des Ostens).
Wenn man in den Bibeltext mal nicht hinein spekuliert, dass er 1. abgeschrieben wurde, 2. ein Naturgleichnis darstellen soll, bleibt ja gar nichts anderes übrig als dass man hier klipp und klar eine Beschreibung des Königs von Babel aus dem Osten (dem Land des Aufgangs) kommend vorliegen hat. Genau das wird ja auch Eingangs in Jesaja 14,4 gesagt.
Dank Hermann Gunkel wird sein Helel-Luzifer mythos nun scheinbar wissenschaftlich bekräfigt vielfältig in der Literatur umhergetragen und findet so schließlich auch wiederum scheinbar wissenschaftlich fundiert seinen Eingang in die esoterische Literatur. Wobei natürlch wie vom BR richtig gesagt wird, dass die Kirchenväter Luzifer fälschlich mit dem Satan gleich setzten. Aber was nützt diese Erkenntnis, wenn man am Ende einem Protojesaja doch wieder nur unterstellt, dass er einen Mythos aufgriff ?