Jenseits von Gut und Böse?

Philosophisches zum Nachdenken
closs
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#181 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von closs » Fr 24. Mär 2017, 00:57

Tyrion hat geschrieben:Kein Wissenschaftler würde das so ausdrücken. Du machst hier erneut den Fehler, Wissenschaftlern Unwissenschaftlichkeit vorzuwerfen und daraus zu schließen, dass sie unwissenschaftlich sind.
Und Du hast erneut nicht verstanden, dass ich nicht Wissenschaft angreife, sondern weltanschauliche Interpretation von Wissenschaft. - Du hättest Dir diesen Absatz wirklich sparen können, weil ich Dir das schon x-mal gesagt habe.

Tyrion hat geschrieben:Und trotzdem kommt der Mist mit dem "bewiesen / nicht bewiesen" wieder.
Das kommt doch normalerweise nicht von Religlösen, sondern von Materiösen gegen Religiöse: "Es ist nachgewiesen, dass .../Bei Euch ist nichts nachgewiesen, deshalb sind wir aufgeklärter" - ein Stockfehler ohnegleichen, aber zäh wie Leder.

Tyrion hat geschrieben:Kennst du Wissenschaftler, die ihn nicht verstehen (und die als Wissenschaftler erfolgreich sind)?
Im privaten Umfeld kenne ich KEINE, weil ich mir wahrscheinlich die richtigen ausgesucht habe. - Sich als Wissenschaftler in den Medien Vorstellende tun es sehr oft - und auch hier auf dem Forum wird reihenweise "Wissenschaft" und "Weltanschauung" verwechselt. - Und dann gibt es hier auf dem Forum Wissenschaftler, die es sehr deutlich NICHT verwechseln - gemischt halt.

Tyrion hat geschrieben: Physiker ist nicht gleich Ideologe.
Natürliche nicht - falls Du Dich am Begriff "naturalistische Welt" störst: Wie würdest Du sie nennen? - "Materielle Welt"? - Nichts dagegen - aber da kommt bestimmt als nächstes ein Schlaumeier, der darauf hinweist, dass Strahlen keine Materie sind :lol: . - Also: Wie wollen wir es nennen?

Tyrion hat geschrieben:Z.B.: die Welt war schon immer vorhanden, sie entstand nicht. (usw.)
Das wäre doch (1) - oder nicht? - Und was meinst Du mit "die Welt"? - Die materielle Strahlenwelt :oops: :oops: /den Kosmos? - Oder alles, was als Entität wirklich ist?

Tyrion hat geschrieben:Ach, der war immer schon da? Warum ist dann nicht möglich, dass auch das andere immer schon da war?
Wenn es eine überzeitliche Form von Materie/"Strahlen" gibt - warum nicht? - Oder kannst Du Dir Materie ohne Zeit vorstellen?

Tyrion hat geschrieben: du suchst üßberall zwanghaft dieses Muster - und: Überraschung... du findest es.
Wenn man ständig drüber stolpert, ist das eher nicht psychologisch bedingt. :lol:

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Tyrion
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#182 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von Tyrion » Fr 24. Mär 2017, 02:00

closs hat geschrieben:Ich rede hier ausschließlich von der faktischen Wirkmacht - also von dem, was heute dominiert.

Und auch das ist Interpretationssache... du nimmst anders wahr als ich und anders als Dritte.

Ich "sehe" nur den Irrweg des materialistischen Denkens (und das meine ich gar nicht so sehr wirtschaftlich, sondern geistig)

Irrweg ist erneut stark wertend. Du findest andere Wege besser, aber andere finden diesen Weg besser. Woher "weißt" du, dass deine Sicht richtig und die andere Sicht falsch ist?

- und wenn man genauso "sieht", dass das alles schon in der Bibel steht (die ich mir übrigens erstmals vor ca. 10 Jahren gelesen habe), möchte man natürlich schon die Aufmerksamkeit dahin lenken.

"das alles steht in der Bibel" - naja... Ein Zirkelschluss - für dich ist es ein Irrweg, weil die Bibel es als Irrweg beschreibt. Und die Begründung ist, dass es in der Bibel steht und man deshalb natürlich schon...

So etwas tut man nicht bewusst, sondern man tut es geistig bewusstlos.

Und selbst das finde ich fraglich. Meine Wahrnehmung ist, dass es fast niemand tut, auch nicht unbewusst ("bewusstlos").

Eigentlich nicht - wie wäre es mit "Materiosität"?

Statt materialistisch einfach materiell. Statt naturalistisch einfach natürlich. Oder das Adjektiv "physisch" statt materiell. Oder physikalisch statt natürlich... Es gibt doch so viele Wörter in unserer Sprache.

Das an sich ist ja nachweislich richtig - Ideologie ist es sicherlich nicht.

Also kein Naturalismus! Zudem hast du ja beschrieben, dass die Sonne Gott ersetzen soll (was nie Ziel Galilies war).

Das klingt harmlos, hat aber folgenden Keim in sich - nämlich die Frage: WER entscheidet? - Entscheidet der Mensch, was zu glauben ist ("Intellego"), oder entscheidet Gott, was zu glauben ist ("Credo").

Klar, theologisch ist das extrem bedeutend, ein Paradigmenwechsel. Für mich ist aber "credo" nicht gleich "Gott entscheidet", sondern nur "ich glaube, dass das, was andere Menschen entschieden haben, die Entscheidung Gottes ist". Ein gewichtiger Unterschied. Denn Gott spricht nicht mit Einzelpersonen und gibt seine Entscheidung bekannt. Menschen sprechen und behaupten, Gott hätte es ihnen "gesagt".

- Im Lauf der Zeit setzt sich natürlich das "Intellego" und der "Nominalismus" durch - aber eben mit diesem Keim des Anthropozentrismus - was in der Früh-Aufklärung noch nicht so sehr eine Rolle spielt, weil sich jeder beeilt zu betonen, dass dies doch alles "Ad maiorem gloriam Dei" sei - und man meint das auch.

Dir ist schon bewusst, dass du fast nur in Ismen schreibst?

Andererseits: Galileo hatte im Vatikan sehr mächtige "Freunde" - andernfalls hätte es richtig Stress geben können

Ist mir bekannt (ich verfüge durchaus über Bildung - und ich weiß auch, dass Galilei selbst sehr provokant den Papst vorgeführt und beleidigt hat, da er ihn in seinen Dialogen die Rolle eines Trottels spielen ließ. Mir geht es nicht darum, sondern um den erzwungenen Widerruf. Und ja, Galilei hatte sehr viel Einfluss, daher auch das extrem milde Urteil.

Aber Hand aufs Herz: Sind die öffentlichen ("aufgeklärten") Darstellungen nicht weit primitiver als mein kleiner Überm-Daumen-Vortrag?

Welche öffentlichen Darstellungen meintst du? Ich kenne noch deutlich differenziertere öffentliche Darstellungen.

Wenn er ergebnis-orientiert spricht, dann kommen klare Worte.

klar ist nicht gleich abwertend. Erneut: deine Rhetorik ist stark abwertend Andersdenkenden gegenüber. Selbst da, wo du es nicht so ausrücken willst.

aber nimm es einfach mal hin als Richtungs-Knaller, damit überhaupt klar ist, wo die Reise hin geht. - Danach kann man immer nich differenzieren.

Kaum möglich, wenn du erst beleidigst, polemisierst, dann aber plötzlich diferenzieren willst.

Das klingt arg naiv - und voll von Vorurteilen. - Da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll.

Ich beziehe mich auf das Rechtssystem und die Möglichkeiten, Zwang auszuüben. Und Menschenrechte, Folterverbot etc. gab es nicht. Es gab sehr viele Möglichkeiten, Druck auszuüben - das erschwert offenen Dialog. Du willst mir jetzt nicht weismachen, dass man früher auf Meinungsfreiheit pochen durfte. Du willst mich hier falsch verstehen, meine ich.

Es wäre schön, wenn es nur um geistigen Austausch und Dialog handeln würde. Es spielte auch Machtund Politik mit hinein (letzteres ja gerade bei Galilei, da es um viel mehr als seine Forschung geht).

- Aber das zeigt mir, welche Saat aufgegangen ist.

Erneut wertend. Den Spruch "Macht korrumpiert"kennst du vermutlich nicht? Oder "Gib einem Menschen Macht, dann siehst du sein wahres Gesicht" kennst du auch nicht.

aber bei Deinem Bild gerade noch, dass im Vatikan Menschen gefressen werden und alle Menschen dort Hörner und Bocksbeine haben. - Deine Einschätzung hat echt nichts mit Realität zu tun - das ist Fantasy.

Habe ich mit keinem Wort gesagt. Jetzt unterstellst du mir aberwitzige Dinge, um mich vorzuführen. Warum?

Natürlich drücke ich mich auch plakativ aus (machst du ja auch - oder darfst das nur du und andere nicht?). Es gibt auch in der RKK unterschiedliche Strömungen. Von progressiv bis konservativ. Es gibt auch in der RKK Hardliner. Und wenn man der Kirche die weltliche Macht von früher zurückgeben würde, dann würden sich, vermute ich, Hardliner durchsetzen, da Macht von Menschen gesucht wird, die Macht ausüben wollen. Aber lassen wir das, da können wir nicht diskutieren, da du sofort auf das Gegenüber losgehst.

Tyrion hat geschrieben:Ja, aber nur, wenn man offen ist und nicht immer und überall "bloody communist" plärrt.
Davon abgesehen, dass ich ein Leben lang links gewählt habe :D , hoffe ich, dass Dir meine obigen Ausführungen zur mittelalterliche Komplexität ein anderes Bild vermitteln.

Nicht wirklich, weil du nicht von deiner Rhetorik wegkommst, jedem und überall Ismen unterzujubeln. Musst du auch nicht, nur passt dazu nicht deine Illusion, auf Augenhöhe diskutieren zu wollen.

Ich würde mich für unredlich halten, wenn ich die eigene Position verabsolutieren würde.

Genau das machst du immer und immer wieder - du bemerkst es nur nicht, es äuft offenbar unbewusst ab.

- Allerdings wünsche ich mir geistige Disziplin ("In welchem System denke und rede ich gerade") - und wenn das nicht da ist, kann ich aggressiv werden.

Um die Aggression geht es nicht. Jeder wird mal emotional oder verstehst etwas falsch. Es geht ja gerade darum, was und wie du schreibst, wenn du sachlich erklären willst.

Hältst Du Dich für redlich, wenn Du Fantasy-SChauermärchen über Kirche erzählst?

Würde ich schreiben, dass in der RKK böse Menschen nur darauf warten, dass sie wieder Scheiterhaufen anzünden, wäre ich unredlich, ja. Wenn ich aber sschreibe, dass auch in der RKK Menschen am Werk sind mit allen Fehlern und somit auch Machtpolitiker zu finden sind, dann finde ich das nicht unredlich. Und wenn ich Befürchtugnen äußere, die ich als reine Möglichkeit und nicht Ist-Zustand tituliere, halte ich das auch für redlich.
Wenn ich nun glaube, dass Religionsgemeinschaften, denen man weltliche Macht gibt, diese ausnutzen können, um ihre Dogmen mit Gewalt durchzusetzen, dann ist auch das o.k., finde ich. Wenn ich das jetzt begründen müsste, würde ich auf totalitäre islamische Staaten verweisen, würde auf totalitäte christliche Historie verweisen, würde ich auf psychologsiche Zwangssituationen in extremen Splittergruppen verweisen (usw.). Man kann das sehr differenziert diskutieren. Wenn bei einer rein fiktiven Andeutung mir aber vorgweorfen wird, ich würde von Hörnern und Pferdehufen sprechen, dann wird's sinnlos, weiter darüber zu reden.
Und dass gerade du "Fantasy" als Vorwurf äußerst, selbst aber ganz bewusst immer wieder auf eine rein fiktive spirituelle Ebene verweist, ist dann sogar grotesk.

Es sagt mir, dass deine Fantasy die einzige Wahrheit ist, deine Spekulationen richtig sein müssen, andere Spekulationen aber inhaltslos und blödsinnig sind. Ich schreibe wieder plakativ, ich weiß, aber es ist zu ermüdend, das jetzt differenziert aufzudröseln, zumal das zig Fässer aufmachen würde.

Prinzipiell richtig - aber finde mal einen, der nicht an eine spirituelle Ebene glaubt und sie WIRKLICH versteht.

So jemanden werde ich nicht finden können. Allerdings kann immer nur der die spirituelle Ebene verstehen, der sie sich selbst vorstellt. Deine spirituelle Ebene verstehst nur du, du verstehst die einer anderen Person nicht oder nur ansatzweise, denn keine der Ebenen ist erfassbar, messbar, greifbar und du kannst keine Gedanken lesen. Deine "spirituelle Ebene" ist erstmal nur eine Vermutung. Und ich weiß nicht, was du dir gerade zusammenvermutest. Ich meine nur zu erkennen, dass du die physikalische Ebene nicht erfasst, dir das aber anmaßt (oder zumindest meintst, dass viele "deiner" Fraktion das tun - wobei ich dann ja so verwirrt bin, dass du immer wieder Wissenschaft und Populär/Pseudowissenschaft vermengst, das dann anderen vorwirfst etc.). Da werde ich skeptisch.

Nochmal zur Kirche - ja klar, ich habe das sicher "Vor"Urteile. Oder besser: Erfahrungswerte. Ich habe nicht erst vor 10 Jahren die Bibel gelesen und war länger als 10 Jahre tief in der RKK verwurzelt und aktiv in ihr beteiligt. Es gibt neben dir durchaus Menschen, die sich mit Dingen beschäftigen. Aber gut, dass du weißt welche Saat bei mir aufgegangen ist. Du musst es ja wissen, du erhebst ja einen Absolutheitsanspruch, auch wenn du es abstreitest. :engel:

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#183 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von Tyrion » Fr 24. Mär 2017, 02:36

closs hat geschrieben:Und Du hast erneut nicht verstanden, dass ich nicht Wissenschaft angreife, sondern weltanschauliche Interpretation von Wissenschaft.

Und wer betreibt die weltanschauliche Interpretation? Und warum behauptest du, "die Wissenschaft sollte sich dagegen wehren" - sie macht es ja. Für mich ist das ganze "Beweis hier, Beweis da" ein Trigger, der mich langsam nur noch nervt und aufregt. Mal wird es von "deiner Fraktion" verwendet, um Wissenschaftlichekti zu diskreditieren (schau hier mal in die ET-Threads rein), mal wird genau das als Vorwurf den - wie sagst du gerne - "Materialisten" untergeschoben, Beweisführung von euch zu verlangen (usw.). Dann suggerierst du, Wissenschaftler verstünden selbst Wissenschaftlichkeit nicht...

Du diskutierst gerade mit einem Wissenschaftler - macht aber nichts. Ich lasse mir von dir gerne erklären, wie ich arbeiten sollte, was Wissenschaftlichkeit beinhaltet und inwiefern meine Disziplin kontaminiert wird.

Dass man allerdings alle neuen Erkenntnisse auch weltanschaulich interpretieren will und wird, ist so. Ich hatte dir das Beispiel mit den Aliens genannt. Du kannst das doch nicht verbieten, nur weil es dir nicht in den Kram passt.

- Du hättest Dir diesen Absatz wirklich sparen können, weil ich Dir das schon x-mal gesagt habe.

Dann reden wir offensichtlich aneinander vorbei.

Das kommt doch normalerweise nicht von Religlösen, sondern von Materiösen gegen Religiöse: "Es ist nachgewiesen, dass .../Bei Euch ist nichts nachgewiesen, deshalb sind wir aufgeklärter" - ein Stockfehler ohnegleichen, aber zäh wie Leder.

Zu pauschal, zu plump. Ich würde beispielsweise schreiben "es ist sehr plausibel, dass". Oder anders: mit "nachgewiesen" ist hier immer gemeint, dass es sich nicht um eine Beweisführung, sondern um hohe Plausibilität handelt, da man ein Theoriegebäude entwickelt hat, das das, was man beobachten kann, auch vorausgesagt hat und bisher z. B. nicht falsifiziert wurde. Es ist aber leichter zu sagen, dass "klar sei", dass es weh tut, wenn man mit einem Hammer auf den Daumen schlägt. Da fällt dann auch das Wort "Nachweislich tut es weh, wenn man mit einem Hammer auf den Daumen schlägt".

Du hast analog solche Implikationen von Aussagen wie "es gibt", "ich weiß" usw. für dich in Anspruch genommen. Warum verweigerst du hier solche Implikationen? Aber ja, mir zieht es auch manchmal die Zehennägel hoch, wenn Laien versuchen, zu erklären, dass bewiesen sei, dass Licht sich mit 300000 km/s bewegt (im Vakuum, was auch immer das wieder ist). Für einen Laien klingt das eben einfacher, klarer, besser als "es ist sehr plausibel, dass.... weil... und auch weil ....". Nimm's doch mal so wahr.

Erst wenn Schoten wie "beweise mir, dass ich unrecht habe" kommen, ist endgültig klar, dass hier tewas absolut nicht verstanden wird. Und das lese ich eben eher bei den Gläubigen (ich habe nie Religionisten geschrieben - ich sehe aber, dass du jetzt ismen versuchst zu vermeiden).


Im privaten Umfeld kenne ich KEINE, weil ich mir wahrscheinlich die richtigen ausgesucht habe. - Sich als Wissenschaftler in den Medien Vorstellende tun es sehr oft

Weil ihre Worte in Artikeln von Journalisten falsch wiedergegeben werden? Weil sie versuchen, für Laien vereinfacht zu kommunizieren (Hammer, Daumen, nachweislich)? Oder, weil der Begriff nicht geschützt ist und es wie überall auch die Qualität schwankt?

- und auch hier auf dem Forum wird reihenweise "Wissenschaft" und "Weltanschauung" verwechselt.

Natürlich passiert das - auf beiden Seiten. Es wird auch sehr gerne ständig eine Weltanschauung unterstellt - erklärt man sachlich Evolutionsmechanismen, ist man sofort ein Materialist oder ein Naturalist. Klar, man ist Odeologe, wenn man wertneutral sowas wie innerartliche Variabilität erklärt (dabei glaubt der, der einem da sofort Ideologie vorwirft, selbst, dass z. B. nicht jeder Mensch exakt gleich aussieht).

Begreif doch bitte endlich mal, dass deine "Fraktion" nicht unfehlbar ist und es wenig erbaulich ist, wenn ständig jeder säkular eingestellte Mensch als unwissend runtergemacht wird, weil er entweder einer Ideologie verhaftet ist oder eben unwissend ist (oder zu blöd, die "spiriutelle Ebene" zu erkennen.

Oder soll die Quintessenz hier wirklich sein, dass du absolute Maßstäbe setzt, was relich und unredlich ist, was wahr und unwahr ist und wie die gesamte Welt zu betrachten ist? Und du zugleich genau dieses Vorgehen als "sich zu Gott machen" nennst. Halt! Nein! Wenn jemand, der die spirituelle Ebene wahrzunehmen meint, das macht, ist as was gaaaanz anderes - denn er setzt ja einen Gott über sich. Der Absolutheitsanspruch anderen Menschen gegenübner ist zwar immer noch da, und für das Gegenüber ändert sich nichts, aber es klingt besser. Am Ende hat es noch Gott persönlich so beauftragt und gewollt...

Natürliche nicht - falls Du Dich am Begriff "naturalistische Welt" störst: Wie würdest Du sie nennen? - "Materielle Welt"?

Physische Welt. Physikalische Welt. Wie du willst. Aber bitte nicht "sozialistische Welt", "darwinistische Welt" oder "materialistische Welt". Diese drei Attribute sind ideologisch/politische Attribute. Und das weißt du auch.

- Nichts dagegen - aber da kommt bestimmt als nächstes ein Schlaumeier, der darauf hinweist, dass Strahlen keine Materie sind :lol: . - Also: Wie wollen wir es nennen?

Fast egal wie, solange du nicht politische Wertungen in wissenschaftliche Betrachtugnen hineinmogelst (auch, um diese dann deshalb anzugreifen). Das passt nicht zusammen.

Tyrion hat geschrieben:Z.B.: die Welt war schon immer vorhanden, sie entstand nicht. (usw.)
Das wäre doch (1) - oder nicht?

Nein, wäre es eben nicht. Die Urknalltheorie geht davon aus, dass im Urknall auch die Zeit entstand, es also einen echten Anfang gibt.

- Und was meinst Du mit "die Welt"?

Alles zusammen. Ich gehe davon aus, dass die physikalische Welt alles umfasst. Sollte es mehr geben, dann auch das.

Wenn es eine überzeitliche Form von Materie/"Strahlen" gibt - warum nicht?

Du sprichst in Rätseln. Was ist überzeitlich? Zeit ist nach meinem Verständnis eine Eigenschaft des Raums, aber auch das ist nur eine Theorie. Was ist dann überzeitlich?

Oder kannst Du Dir Materie ohne Zeit vorstellen?

Warum muss ich das, wenn ich darüber nachdenke, dass es vielleicht schon immer Zeit gab (und Raum), was der Urknalltheorie widerspräche (die kein Dogma ist, im Gegensatz zu deinen Annahmen, die du dir ausdenkst).

Witzig ist, dass für dichklar ist, dass Gott schon immer war, denn er soll ja nicht geschöpft worden sein. Wenn ich annehme, dass Raumzeit und Energie / Materie schon immer waren, dann geht das nicht, da ich mir Materie ohne Zeit vorstellen muss? Da komme ich an Grenzen.

Verstehst du jetzt, warum ich mit Argwohn reagiere, wenn mir von thologischer Seite weisgemacht wird, dass viele Theologen / Philosophen die moderne Sichtweise der Naturwissenschaften kennen, nur die Naturwissenschaftler die ihre nicht - aber meist schon bald herauskommt, dass die Theologen nur Fehlvorstellungen haben (diese aber oft weder ändern wollen noch belehrbar sind und dann den Naturwissenschaftlern auch nioch erklären, wo diese irren müssen undwo sie verblendet sind)? Ersetze gerne Theologen mit "Glaubensfundis" oder sonstwas passendem.

Tyrion hat geschrieben: du suchst üßberall zwanghaft dieses Muster - und: Überraschung... du findest es.
Wenn man ständig drüber stolpert, ist das eher nicht psychologisch bedingt. :lol:
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Man sieht nur, was man sehen will.

Novas
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#184 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von Novas » Fr 24. Mär 2017, 08:14

Tyrion hat geschrieben:@closs: An Novalis' Beitrag erkennst du gut, weshalb ich der Meinung bin, nicht auf Augenhöhe diskutieren zu können, da das Gegenüber mich nicht auf Augenhöhe kommen lässt

Rein menschlich sind wir alle auf Augenhöhe. Das bedeutet aber nicht, dass alle Weltanschauungen gleichwertig sind. Das sind sie nicht. Beispielsweise bin ich der Ansicht, dass der Mensch nicht nur ein materielles, sondern darüber hinaus ein spirituelles Wesen ist, welches an einer spirituellen Realität Anteil hat, was im Materialismus von vornherein ausgeschlossen wird. Wenn wir nach den Sinn des Menschseins fragen, so kann darauf theologisch geantwortet werden, dass wir leben um Gott zu erkennen, ihn zu lieben und anzubeten und uns nicht nur materiell, sondern auch spirituell zu entwickeln. Wenn ich mich nicht irre, so spielt das in deinem Weltbild keine Rolle. Ich hingegen denke, dass das ein zentraler Aspekt unsres Menschseins ist. Rein inhaltlich sind unsre Weltanschauungen nicht gleichwertig.

Menschen stellen sich die Frage nach dem Ursprung und Ziel ihrer Existenz und dessen, was sie umgibt. Der Materialismus nimmt diese Frage nicht wirklich, nicht ausreichend ernst, meiner Ansicht nach. Im Großen und Ganzen halte ich diese Weltanschauung für sehr unbefriedigend. Der Mensch wird mit einem großen Potenzial geboren. Zu diesem Potenzial gehört auch, dass wir unseren Schöpfer erkennen können; durch Gebet und Meditation können wir uns mit ihm verbinden. Dieses Verbundensein ist die wahre Bedeutung von Religion und das halte ich für absolut wichtig. Die Wissenschaft kann hier keinen Ersatz bieten, weil sie von vornherein eine ganz andere Funktion erfüllt.

Tyrion hat geschrieben:Man sieht nur, was man sehen will.

Richtig, das ist ein Gesetz der Wahrnehmung (welches für uns alle gilt). Nur das sehen, was man sehen will, und alles andere bestreiten und leugnen, dafür gibt es im Englischen inzwischen sogar einen Begriff: Denialism.

In the psychology of human behavior, denialism is a person's choice to deny reality, as a way to avoid a psychologically uncomfortable truth.[1] Denialism is an essentially irrational action that withholds the validation of a historical experience or event, by the person refusing to accept an empirically verifiable reality.[2] In the sciences, denialism is the rejection of basic facts and concepts that are undisputed, well-supported parts of the scientific consensus on a subject, in favor of radical and controversial ideas.[3]

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Denialism

Nun eine passende Frage dazu: ist es nicht auch ein klarer Fall von Denialism, wenn Atheisten behaupten, dass Religion unwichtig ist, obwohl das sehr viele Menschen anders sehen? Es gibt sogar eine Religionswissenschaft, die sich vollkommen wissenschaftlich mit religiöser Erfahrung auseinandersetzt. William James (Harvard-Professor für Psychologie und Philosophie und als einer der Pioniere der Religionspsychologie gilt) schrieb ein Werk mit dem Titel Die Vielfalt religiöser Erfahrungen, in dem er sehr ausführlich darüber spricht. Wir können zweierlei feststellen:

1) religiöse Erfahrung existiert
2) damit kann man sich wissenschaftlich beschäftigen

Wenn das so ist, weshalb behaupten dann manche New Atheists, dass das alles nur sinnloser Blödsinn ist, der unwichtig ist, nichts mit der Realität zu tun hat und nicht der Rede wert ist? Wobei sie das gleich wieder dadurch widerlegen, dass sie ständig darüber reden :lol: wenn man keinen besonders ausgeprägten Sinn dafür hat, dann empfiehlt sich diese Sichtweise von William James:

"Ich habe keine lebendige Empfindung eines Verkehrs mit Gott. Ich beneide die, die eine solche haben, da ich weiß, dass sie mir unendlich helfen würde. Das Göttliche ist für mein aktives Leben auf abstrakte Begriffe beschränkt, die mich als Ideale interessieren und beeinflussen, aber sie tun es nur schwach im Vergleich mit einem Gottesgefühl, wenn ich ein solches hätte."

http://www.deutschlandfunk.de/william-j ... _id=233250

Halten wir fest: es gibt Menschen die ein lebendiges Gefühl eines Verkehrs mit Gott/dem Göttlichen haben, während andere das nicht haben. William James ist hier so ehrlich und gibt zu, dass soetwas unendlich hilfreich ist und er beneidet Menschen, die so empfinden können. Das finde ich rational. Wie erklärst Du dir die irrationalen Aggressionen und Feindseligkeit die manche Atheisten im Hinblick auf Religion verspüren? Einerseits fordern sie Rationalität ein, aber ihr Umgang mit Religion ist erstaunlich irrational.

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Detlef
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#185 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von Detlef » Fr 24. Mär 2017, 10:15

closs hat geschrieben:
Tyrion hat geschrieben: die "bösen Naturalisten"
Unter einem "Guten Naturalisten" verstehe ich, dass sich einer herstellt und sagt "Ich GLAUBE, dass die Welt als Ganzes naturalistischer Natur ist, und ich GLAUBE somit nicht, dass etwas darüber ist." - Da habe ich echt keine Probleme - ich schwör's.Der Ideologie-Vorwurf kommt daher, dass Naturalistien dazu neigen, sich nicht zu ihrem Glauben zu bekennen, weil sie meinen, ihr Glaube sei kein Glaube". - Denn dann - und das ist oft der Fall - werden "Glaube" (= Illusion, Erfindung, etc) und "Naturalismus (= "Realität", Wissen) gegenübergestellt, als sei der Naturalismus etwas ganz anderes als andere - naja - Glaubens-Bewegungen. - Nur DAS begründet den Vorwurf der Ideologie - würde man sich zu seinem Glauben als Glauben bekennen, wäre alles in Butter.
Du hast also immer noch nicht den Unterschied zwischen glauben im Sinne von "für wahr halten" und Glaube als religiöses Bekenntnis gerafft? Oder es bereits schon wieder vergessen! 8-) Was so alles passiert im -ismus-Wahn. :oops:, Das betrifft auch dich, @novalis - Du und auch Closs offerieren hier eigentlich peinliches Nichtwissen: Denn "Materialismus" ist, für sich gesehen, keine Weltanschauung, sondern nur die Teilmenge unter vielen andereren Betrachtungsweisen, mit denen man als Mensch die Welt sieht bzw. sehen kann. Strohmänner abzufackeln ist einfach nur billig und zeugt nun nicht gerade von der Überlegenheit eines "spirituellen Wesens" oder von "geistigen Fragestellungen".
Die Wahrheit lässt sich pachten, mit dem Glauben an des Gottes Sohn, doch die Thesen sind vergänglich, allen Gläubigen zum Hohn! (Gert Reichelt)

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#186 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von closs » Fr 24. Mär 2017, 10:44

Tyrion hat geschrieben:Und auch das ist Interpretationssache... du nimmst anders wahr als ich und anders als Dritte.
Klar. - Die Frage ist letztlich: Welche Interpretation ist am authentischsten zu "dem, was der Fall ist"?

Tyrion hat geschrieben:Du findest andere Wege besser, aber andere finden diesen Weg besser.
Auch klar. - Das kann auch jeder machen, wie er will. - Es geht mir letztlich um das, was Schiller im "Wallenstein" sagen lässt: "Es gibt kein Unrecht als den Widerspruch mit sich selbst" (objektiv gemeint und nicht psychologisch) - und da sehe ich Widersprüche bei Materiösen.

Tyrion hat geschrieben: Ein Zirkelschluss
Da hast Du jetzt nicht genau gelesen: Ich habe VORHER ein Weltbild erlangt, das ich DANACH in der BIbel bestätigt gefunden habe.

Tyrion hat geschrieben:Meine Wahrnehmung ist, dass es fast niemand tut, auch nicht unbewusst
Möglicherweise, weil Du die Sache nicht durchschaust?

Tyrion hat geschrieben:Statt materialistisch einfach materiell.
Du hat mich ja zum Nachdenken gebracht, was zum Wort "materiös" geführt hat - finde ich echt gut - sollte man in den allgemeinen Sprachschatz einführen. - "Physikalisch" ist gut - da hätte ich selber drauf kommen können - wie auch immer: So war "naturalistisch" gemeint.

Tyrion hat geschrieben:Klar, theologisch ist das extrem bedeutend, ein Paradigmenwechsel.
So ist es - das ist sozusagen die Weichenstellung von Theozentrik zu Anthropozentrik - und das haben einige geistig fitte Herrn aus dem Vatikan gecheckt. - Und man muss ihnen ja insofern zustimmen, dass wir heute eine komplett anthropozentrische Weltsicht haben.

Dem wird natürlich widersprochen mit dem Argument: "Wieso, Wissenschaft ist doch objektiv" - aber das ist nicht die Lösungsebene. - Die Lösungsebene liegt eher im Buch "Hiob". - Das wäre ein eigenes Thema, dessen erfolgreiche Diskussion meistens daran scheitert, dass das Buch "Hiob" oft vollkommen falsch verstanden wird (Komm mir jetzt nicht mit "Meinungs-Freiheit" - es gibt wirklich so etwas wie geistige Verbindlichkeit).

Tyrion hat geschrieben:Dir ist schon bewusst, dass du fast nur in Ismen schreibst?
In diesem Fall geht es ja um philosophische Überzeugungs-Strömungen - übrigens: "Realist" ist auch ein Ismus. - Da ist doch soviel in unsere Sprache eingeströmt, dass man zur Vermeidung von Ismen in Serie Neologismen anbieten müsste - "materiös" haben wir ja schon.

Tyrion hat geschrieben:Welche öffentlichen Darstellungen meintst du?
Nehmen wir als willkürliches Beispiel dieses Forum hier. - Und im Generellen die Volks-Medien von ARD bis BILD. - Dass es auch anspruchsvolle Meinungs-Bilder gibt, weiß ich auch - aber doch nur in Fachmedien (wenn man Glück hat - selbst da findet man das Gegenteil).

Tyrion hat geschrieben:Erneut: deine Rhetorik ist stark abwertend Andersdenkenden gegenüber.
ISt eigentlich nicht so gemeint. - Selbstkritisch würde ich vermuten: Ich hasse intellektuelles Halbzeug - und das könnte unbewusst durchschlagen. - Konkret:

Es gibt - auch hier auf dem Forum - Menschen, die es faustdick drauf haben, ohne in jeglicher Form "intellektuell" zu sein bsw. sein zu wollen. Auch mit solchen Leuten gibt es in Einzelfragen unterschiedliche Meinungen, aber eben - und jetzt kommt das Wort wieder: "auf Augenhöhe". - Ich spreche hier beileibe nicht nur von geistig-religiösen Dingen, sondern auch von anspruchsvollen Alltagsfragen - logisch: Hängt ja irgendwie zusammen. - Und dann erinnere ich mich an viele Gespräche außerhalb des Forums, wo - die beiden letzten mir erinnerlichen Fällen - ein Gärtner und eine Krankenschwester aus sich heraus philosophische Hämmer rauslassen, ohne sich bewusst zu sein, dass es philosophische Hämmer sind. - Wo ich mir dann denke: "Hui - die sind ja geistig viel weiter als ich selbst". - Solche Leute nenne ich "geistige Instinktler".

Auf der anderen Seite gibt es relativ wenige "geistige Instinktler", die es gleichzeitig schaffen, ihren geistigen Instinkt intellektuell zu ordnen und zu formulieren. - Luxus. --- Aber dazwischen gibt es die Masse an "Halbzeug", bei denen nicht zu Ende Gedachtes in Weltanschauungen gegossen und offensiv vertreten wird - dieses "Halbzeug" erscheint mir gesellschaftlich normativ zu sein. - Und das schmerzt, ist aber selbst bei größtem intellektuellem Einsatz nicht änderbar - als wäre da ein Brett.

Kein Grund für überbordendes Mitleid - ich sage es Dir nur, weil Du bei mir "latente Abwertung" zu erkennen glaubst. - Kann sein - achte trotzdem mal drauf, in welchen Fällen dieser Eindruck entsteht.

Tyrion hat geschrieben:Kaum möglich, wenn du erst beleidigst, polemisierst, dann aber plötzlich diferenzieren willst.
Um "Ad hominem" geht es nicht - ich halte es einfach für sinnvoll, erst einmal zu zeigen, wo die Reise hingeht. - Denn es ist bei aller Härte ja nicht einfach so dahingesagt, sondern hat schon Fazit-Charakter - vielleicht bisweilen undiplomatisch formuliert.

closs
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#187 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von closs » Fr 24. Mär 2017, 10:44

Tyrion hat geschrieben:Du willst mir jetzt nicht weismachen, dass man früher auf Meinungsfreiheit pochen durfte. Du willst mich hier falsch verstehen, meine ich.
Es gab damals in theologischen Fragen keine Meinungsfreiheit - ganz recht. - So ähnlich, wie man heute nicht in den USA öffentlich auf eine amerikanische Flagge pissen sollte - da kann man sich schnell im Knast wiederfinden. - Oder wie man Erdogan in der Türkei nicht beleidigen sollte. - Aber im Alltag ging es vergleichsweise "normal" zu - da gibt es schöne Werke zur Sozialgeschichte (wir haben damals "Arnold" gelesen).

Oder um es allgemein zu sagen: Die Rezeption des Mittelalters ist bei uns geprägt vom 19. Jh. und extrem unsachlich. - Und wenn dann noch Gassenhauer wie Deschner kommen, verbunden mit dem Glauben an eigene Aufgeklärtheit, darf man davon ausgehen, dass das Ergebnis Jauche ist. - Mit anderen Worten: Es wäre schon die Sache wert, sich dem Mittelalter sachlich und mit redlichen Absichten zu nähern. - Nur soviel: Du darfst davon ausgehen, dass ein durchschnittlicher Stadtbewohner im Spätmittelalter nicht weniger aufgeklärt war (und das ist noch wohlwollend ausgedrückt) als ein durchschnittlicher BILD-Leser heute. - Und geistiges Halbzeug gab es damals prozentual auch nicht so viel (wiewohl es immer noch zu viel war), weil man sich im Überlebenskampf gar nicht den Luxus einer Meinungs-Gesellschaft ("Worüber, wovon ich keine Meinung habe, bilde ich mir heute eine Meinung?" :devil: ) leisten konnte.

Tyrion hat geschrieben:Es spielte auch Machtund Politik mit hinein (letzteres ja gerade bei Galilei, da es um viel mehr als seine Forschung geht).
Richtig. - Macht und Politik spielt aktuell auch bei Erdogan eine Rolle, wenn man ihn nicht zu Wahlkampfveranstaltungen einreisen läßt (bitte jetzt nicht das Argument, dass Erdogan kein Wissenschaftler sei) - mit anderen Worten: In einer spannungsfreien Zeit würde er einreisen dürfen.

Tyrion hat geschrieben:Oder "Gib einem Menschen Macht, dann siehst du sein wahres Gesicht" kennst du auch nicht.
Wie kommst Du darauf? - Das ist eine universale Menschen-Wahrheit - deshalb war es doch so fatal, dass die Kirchen weltliche Macht hatten. - Und natürlich gilt es für die Religiösen genauso wie für die Materiösen.

Tyrion hat geschrieben: Und wenn man der Kirche die weltliche Macht von früher zurückgeben würde, dann würden sich, vermute ich, Hardliner durchsetzen, da Macht von Menschen gesucht wird, die Macht ausüben wollen.
Weltliche Macht darf man ihr nicht zurückgeben - und zwar deshalb, weil die Kirche nicht "ein Reich von dieser Welt" zu vertreten hat.

Tyrion hat geschrieben: jedem und überall Ismen unterzujubeln.
Da scheinst Du ja aber ziemlich traumatisiert zu sein.

Tyrion hat geschrieben:Genau das machst du immer und immer wieder
Das ist jetzt wieder so eine Logik-Frage: Ist jemand ein Verabsolutierer, wenn er darauf besteht, dass jede Position relativ ist? - Denn wenn man absolut der Meinung ist, dass jede Position relativ ist, ist man ja ein Verabsolutierer - gell?

Nochmals: Mir geht es nicht um eine Positionierung, sondern um das konsequente Eigenverständnis seiner Position. - Und da sehe ich in der Tat eklatante Mängel - nicht nur bei den Materiösen, aber da auffallend oft.

Tyrion hat geschrieben:Und dass gerade du "Fantasy" als Vorwurf äußerst, selbst aber ganz bewusst immer wieder auf eine rein fiktive spirituelle Ebene verweist, ist dann sogar grotesk.
Da bricht jetzt wieder die offene oder verdeckte Annahme durch, dass "Fantasy" und "spirituelle Ebene" kategorial dasselbe seien. - Für einen Materiösen funktioniert diese Logik - andererseits reagierst Du eher empfindlich, wenn man Dich als Materiösen bezeichnet.

Tyrion hat geschrieben: Deine spirituelle Ebene verstehst nur du
En detail mag das sein - prinzipiell ist es falsch. - Der Aufklärer (!!!) Chr.M.Wieland hat mal sinngemäß geschrieben: "Geist ist nicht nachweisbar. - Ist aber auch nicht nötig: Er erkennt sich gegenseitig". - Das kann ich aus der Praxis voll bestätigen.

Du triffst Leute erstmals (egal ob männlich oder weiblich, in Europa, Asien oder Afrika) und "erkennst" sie - und sie Dich umgekehrt auch. - Ich habe das oft (leider nicht oft genug) erlebt - egal ob in Europa, Russland oder Kasachstan. - Da kommt man mit jemandem ins Quatschen (auch über "normale" Dinge) und stellt plötzlich aufgrund eines Details fest: "Hoppla - die/der hätte das nicht sagen können, wenn da nicht die Wucht einer tiefgehenden geistigen Substanz dahinter stehen würde" - gegenseitig. - Auch in Musik und Kunst ist das so.

Tyrion hat geschrieben:du erhebst ja einen Absolutheitsanspruch
Genau. :lol: - Meine Tochter hat mich mit 5 übrigens mal gefragt, ob ich "der Chef der Welt bin". - Was will man da antworten? :lol: :lol: :lol:

Aber im Ernst: Es geht hier gar nicht um Gesinnungs-Ansprüche, sondern eigentlich um intellektuelle Konsistenz bzw. Konsequenz. - Wenn jemand sagt "Ich bin aus Glaubensgründen materiös", wirst Du von mir kein giftiges Wort hören - wenn aber jemand beansprucht, weltanschaulich ungebunden zu sein, da er/sie das Objektive vertrete - sich also über Religiöse stellt, weil er/sie nicht erkennt, dass er/sie selber "religiös" (im Sinne von "materiös") ist, läuft das bei mir unter "Halbzeug", weil es nicht zu Ende gedacht ist. - Das ist das Eigentliche, was stört - nicht eine Gesinnung an sich.

closs
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#188 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von closs » Fr 24. Mär 2017, 11:18

Tyrion hat geschrieben:Und wer betreibt die weltanschauliche Interpretation? Und warum behauptest du, "die Wissenschaft sollte sich dagegen wehren" - sie macht es ja.
Meistens Menschen, die meinen, sie sprächen im Namen der Wissenschaft. - Das Problem: Es gibt so viele Wissenschaftler, die den Eindruck erwecken, NICHT den Unterschied zwischen Wissenschaft und Weltanschauung zu kennen, dass gelegentlich überhaupt kein Bedarf gesehen wird, die Wissenschaft zu verteidigen.

Tyrion hat geschrieben:Ich lasse mir von dir gerne erklären, wie ich arbeiten sollte, was Wissenschaftlichkeit beinhaltet und inwiefern meine Disziplin kontaminiert wird.
Das passiert sicherlich nicht in Deinem Labor - so meine ich das nicht. - Es passiert, wenn bspw. nicht erkannt wird, das bspw. Widerlegungen nur im Sinne einer Fragestellung und deren Grundlagen gelten - aber das wäre wieder mal ein neues Fass.

Tyrion hat geschrieben: mit "nachgewiesen" ist hier immer gemeint, dass es sich nicht um eine Beweisführung, sondern um hohe Plausibilität handelt, da man ein Theoriegebäude entwickelt hat, das das, was man beobachten kann, auch vorausgesagt hat und bisher z. B. nicht falsifiziert wurde.
Solange solche Sachen rein physische Bereiche betrifft, stimme ich Dir zu.

Ich stimme NICHT zu, wenn es als nachgewiesen gilt, dass es für den Menschen keine Teleologie gäbe, weil dies innerhalb der Evolutions-Theorie nachweisbar ist (was ich übrigens unbesehen glaube). - Ich stimme deshalb nicht zu, weil Naturwissenschaft nur über die pyhsikalische Welt sprechen kann und nicht darüber befinden kann, ob es "darüber" etwas gibt - das interessiert sie gar nicht, wenn sie diszipliniert ist.

Ergo ist der Satz FALSCH, dass das Vorhandensein von Teleologie wissenschaftlich widerlegt ist - evolutions-theoretisch gewiss, aber eben nicht universal. - Das wäre meines Erachtens ein gutes Beispiel für das, worum es hier geht.

Tyrion hat geschrieben:Für einen Laien klingt das eben einfacher, klarer, besser als "es ist sehr plausibel, dass.... weil... und auch weil ....". Nimm's doch mal so wahr.
In der Alltagssprache mache ich es genauso - aber wenn es tiefer geht, passieren halt Schoten wie s.o. "Teleologie". - Von höchster intellektueller Stelle - siehe materiöse Philosophie.

Tyrion hat geschrieben:Weil ihre Worte in Artikeln von Journalisten falsch wiedergegeben werden? Weil sie versuchen, für Laien vereinfacht zu kommunizieren (Hammer, Daumen, nachweislich)? Oder, weil der Begriff nicht geschützt ist und es wie überall auch die Qualität schwankt?
Es erscheint mir wie ein "Halb zog sie ihn, halb sank er hin" - also ein Einvernehmen zwischen Wissenschaft und materlöser Weltanschauung, das um so inniger ist, als dass die Übergänge zwischen dem einen und dem anderen von vielen (auch im Profibereich) nicht klar getrennt sind.

Und gerade in den Medien tauchen ja meistens Menschen auf, die in Personalunion Wissenschaftler und Weltanschauler sind - ich erinnere mich an meinen ersten diesbezüglich Schöck, als damals ein Wissenschaftler namens Bublath aus der Tatsache, dass man Nahtod-Ereignisse physikalisch erklären könne, gegenüber dem Publikum geschlussfolgert hat, dass damit solche Ereignisse im spirituellen Sinne widerlegt seien. - So Ähnliches hört man auch noch aus wissenschaftlichem Mund (zu verschiedenen Theman), obwohl es ein GAU-Stockfehler ist. - Aber es hat sich durchgesetzt - wobei wir wieder bei "Halbzeug" wären.

Tyrion hat geschrieben: erklärt man sachlich Evolutionsmechanismen, ist man sofort ein Materialist oder ein Naturalist
Nur DANN, wenn man damit eine "Widerlegung" verbindet, die weltanschaulicher Natur ist. - Ansonsten ist man nichts als ein Wissenschaftler.

Tyrion hat geschrieben:Oder soll die Quintessenz hier wirklich sein, dass du absolute Maßstäbe setzt, was relich und unredlich ist?
Das ist EXAKTISSIMO das Problem der Materiösen, die genau das nachhaltig tun - mit Hilfe ihres Schutzpatrons Metzinger. - Aber dazu bist Du wahrscheinlich in zu wenigen Threads unterwegs.

Aber da können wir uns einig werden. - Es würde schon reichen, wenn jeder seine Aussagen zu Ende gedacht begründet. Das ist am Anfang nicht schwer und wird dann schnell zur Routine.

Tyrion hat geschrieben: Die Urknalltheorie geht davon aus, dass im Urknall auch die Zeit entstand, es also einen echten Anfang gibt.
Das ist bekannt - und woraus ist dieser Anfang?

Tyrion hat geschrieben:Alles zusammen. Ich gehe davon aus, dass die physikalische Welt alles umfasst. Sollte es mehr geben, dann auch das.
Kann man so machen - aber da gibt es ganz ohne bösen Willen sehr unterschiedliche Wort-Verwendungen.

Tyrion hat geschrieben:Du sprichst in Rätseln. Was ist überzeitlich?
Erstens eine theoretische Größe, die sich dialektisch erschließt. - Zweitens kannst Du einen Hauch davon verstehen, wenn Du Dir mal den "Omegapunkt" anschaust, eine Singularität. - Dieser Omegapunkt (Tipler) scheint zur Zeit widerlegt zu sein - kann gut sein. - Aber das sollte Dich nicht abhalten, daraus abzuleiten, was mit "Überzeitlichkeit" gemeint sein kann.

Tyrion hat geschrieben:Witzig ist, dass für dichklar ist, dass Gott schon immer war, denn er soll ja nicht geschöpft worden sein.
Genau da liegt ein Denkfehler: Wenn man "immer" als zeitliche Größe versteht, passt das nicht zur Gott (denn dann gäbe es einen infiniten Regress). - Hier ist gemeint: Ohne Zeit als Zustand, aus dem Zeit "ist".

Aber da kommt man relativ schnell an Vorstellungs-Grenzen - aber so ist es halt, wenn man das Anthropozentrische verlässt - was wiederum nötig ist, wenn man nicht nur SEINE Wahrnehmung, sondern mehr verstehen will. - Und dann kommt irgendwann die Aussage, die Sokrates zugeschrieben wird: "Ich weiß, dass ich nichts weiß" - nicht galant-rhetorisch, sondern ontologisch hart gemeint. - Und dann sind wir im Grunde bei "Hiob".

Tyrion hat geschrieben:Man sieht nur, was man sehen will.
Das ist zu wenig - man kann Dinge nicht einfach weg-psychologisieren.

Novas
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#189 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von Novas » Fr 24. Mär 2017, 11:29

Detlef hat geschrieben:Das betrifft auch dich, @novalis - Du und auch Closs offerieren hier eigentlich peinliches Nichtwissen: Denn "Materialismus" ist, für sich gesehen, keine Weltanschauung, sondern nur die Teilmenge unter vielen andereren Betrachtungsweisen, mit denen man als Mensch die Welt sieht bzw. sehen kann. Strohmänner abzufackeln ist einfach nur billig und zeugt nun nicht gerade von der Überlegenheit eines "spirituellen Wesens" oder von "geistigen Fragestellungen".

An dieser Reaktion kann ich ablesen, dass ich ins Schwarze getroffen habe :P und doch, Materialismus ist eine Weltanschauung, die heute auf so ziemlich allen Kanälen verkündigt wird. Das beinhaltet die systematische Abwertung anderer Betrachtungsweisen und die Erziehung ist heute primär materialistisch. Wenn ich mir den Zustand der heutigen Welt anschaue, so komme ich zu der Auffassung, dass es dringend einen moralischen Kompass braucht (wie Hans Küng mit seinem Projekt Weltethos versucht). In den spirituellen Traditionen finden wir die positiven moralischen Werte, die in Zukunft die Grundlage für ein globales Gemeinwesen bilden werden.

Mit der Idee des Weltethos strebt Hans Küng an, den Grundkonsens bereits bestehender Gemeinsamkeiten im Ethos den Menschen immer wieder neu bewusst zu machen. Und zwar religiösen wie nicht religiösen Menschen weltweit in allen Lebensbereichen. Er ist überzeugt: Für ein friedliches Zusammenleben sind Menschen auf einen solchen Konsens über ethische Normen und Maßstäbe angewiesen.

In seiner Programmschrift „Projekt Weltethos“, die er 1990 veröffentlicht, formuliert Küng drei Grundüberzeugungen:

„Kein Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen.

Kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen.

Kein Dialog zwischen den Religionen ohne Grundlagenforschung in den Religionen.“


Seine Grundlagenforschung findet drei Jahre später, am 4. September 1993, ihr erstes großes Resultat in der „Erklärung zum Weltethos“ des Parlaments der Weltreligionen. Mit deren Unterzeichnung verständigen sich erstmals Repräsentanten aller Weltreligionen auf Kernelemente eines gemeinsamen Ethos:


das Prinzip Menschlichkeit,
die »Goldene Regel« der Gegenseitigkeit,
die Verpflichtung auf Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit und die Partnerschaft von Mann und Frau.

Um diese Werte den Menschen neu bewusst zu machen und sie weiterzugeben, so dass sie schließlich gelebt werden, braucht es nach Küng:


Dialog der Religionen und Kulturen, besonders das Wissen um Gemeinsamkeiten im Ethos.
Kulturübergreifende Werteerziehung. Schon Kinder müssen lernen, dass friedliches Zusammenleben auf allen Ebenen vom Einhalten elementarer Regeln abhängt. Keine Gesellschaft kann ohne ein verbindendes Wertefundament funktionieren.
Ethische und interkulturelle Kompetenz in Wirtschaftsunternehmen. Akteure im internationalen Wettbewerb sind mehr denn je auf kulturübergreifende Normen angewiesen.
In Recht und Ethos verankerte internationale Politik: Kooperation und Integration statt militärischer Konfrontation.

http://www.weltethos.org/

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Eine Beispiel für eine typische Sichtweise, die gerne als unhinterfragbare Wahrheit verkauft wird: die Sicht, dass das Gehirn Erzeuger des Bewusstseins ist. Dabei handelt es sich um eine Interpretation, aber es gibt keinen Beweis dafür. Oder um ein weiteres Beispiel zu geben: der Spiegel veröffentlichte mal einen Artikel mit dem Titel "Der gedachte Gott" (Heft 21/2002) in dem beschrieben wurde, dass die Erfahrung, einem Gott nahe zu sein, mit einer speziellen Aktivität im Gehirn verbunden sei. Das ist zweifellos richtig, aber allein aus dieser Korrelation haben Wissenschaftler in dem Artikel geschlossen, dass dies ein Beweis für die Nicht-Existenz Gottes sei. Was für ein erbärmlicher logischer Fehlschluss :silent:
Zuletzt geändert von Novas am Fr 24. Mär 2017, 12:08, insgesamt 1-mal geändert.

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#190 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von sven23 » Fr 24. Mär 2017, 12:07

closs hat geschrieben:
Tyrion hat geschrieben: die "bösen Naturalisten"
Unter einem "Guten Naturalisten" verstehe ich, dass sich einer herstellt und sagt "Ich GLAUBE, dass die Welt als Ganzes naturalistischer Natur ist, und ich GLAUBE somit nicht, dass etwas darüber ist." - Da habe ich echt keine Probleme - ich schwör's.

Der Ideologie-Vorwurf kommt daher, dass Naturalistien dazu neigen, sich nicht zu ihrem Glauben zu bekennen, weil sie meinen, ihr Glaube sei kein Glaube". - Denn dann - und das ist oft der Fall - werden "Glaube" (= Illusion, Erfindung, etc) und "Naturalismus (= "Realität", Wissen) gegenübergestellt, als sei der Naturalismus etwas ganz anderes als andere - naja - Glaubens-Bewegungen. - Nur DAS begründet den Vorwurf der Ideologie - würde man sich zu seinem Glauben als Glauben bekennen, wäre alles in Butter.
Wie wäre es mit folgender Formulierung?

Wir haben nicht die geringsten Hinweise darauf, dass es außerhalb der naturalistischen Welt "supranaturale Phänomene" (Götter etc. eingeschlossen) gibt.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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