Pluto hat geschrieben:Wenn man doch nur den Unterschied rational erklären könnte, zwischen Dasein und Realität...
Das wäre eigentlich keine große Herausforderung:
1) Dasein ist das, was wir im weiteren Sinne des Wortes "Universum" nennen - wenn wir es individuell meinen, betrifft es unsere Lebenszeit auf der Erde.
2) Realität ist all (!) das, was unabhängig von unserer Wahrnehmung ist - sei es im Dasein oder sonstwo.
Pluto hat geschrieben:Was ist "ontologische Differenz" denn, ohne Glaubensbekenntnis?
Heidegger erscheint zwar in seinen späteren Jahren transzendent-philosophisch - seine Ontologie hat er aber im Wesentlichen viel früher geschrieben, die mit "Glaubensbekenntnis" überhaupt nichts zu tun hat.
Es bedeutet nichts anderes, als dass Realität (im obigen Sinne) und Wahrnehmung unterschiedliche Kategorien sind, und dass die Übereinstimmung von Wahrnehmung und Realität nie 100% sein kann - ganz nüchtern. - In seinen früheren Jahren sind seine Gedanken eher "horizontal" angelegt (Wahrnehmung im Dasein ("ich") contra Realität im Dasein ("ein Baum")) - später kippt er seine Überlegungen ins "Vertikale" (Wahrnehmung im Dasein ("ich") contra Realität im transzendenten SeÃn ("Gott")).
Gerne einige Sätze mit Versuch einer (transzendent angelegten) Erklärung:
• „Das Sein ist die Voraussetzung für das Seiende“
= „Gott/Realität ist Voraussetzung für den Menschen/die Wahrnehmung“
• „Das Sein bleibt also stets das Sein eines Seienden, weshalb eine Differenz zwischen Sein und Seiendem besteht“
= „Gott/Realität bleibt also stets Gott/Realität über dem Menschen/der Wahrnehmung, weshalb es eine grundsätzliche Seins-Differenz zwischen realem Gott und wahrnehmendem Menschen gibt“
• „Das Sein kommt auf der Ebene des Seienden ohne ein Seiendes nicht vor.“
= „Umgekehrt wird Gott im Dasein nur zur Kenntnis genommen, wenn der Mensch ihn benennt, das heißt: Realität/Wahrheit wird nur benennbar über Wahrnehmung“
• „Da deshalb Sein und Seiendes niemals getrennt auftreten, wird das Sein nicht als solches thematisiert.“
= „Da Gott nur zur Kenntnis genommen wird, wenn der Mensch ihn benennt, treten beide, einerseits Gott/Realität und andererseits Mensch/Wahrnehmung, zwangsläufig immer zusammen auf."
• „Daher ist das Sein zwar das Nächste, weil es im Umgang mit der Welt immer schon vorausgehend und mitgängig ist; andererseits erweist es sich als das Fernste, da es als Unthematisches nie explizit wird.“
= „Daher ist Gott/die Realität zwar einerseits das Nächste, weil wirksam, andererseits erscheint es aus Sicht des Menschen/der Wahrnehmung als das Fernste, wenn es wahrnehmungsmäßig unbekannterweise nicht existiert.“
• „Solange das Dasein als Seiendes ‚ist‘, hat es seine ‚Gänze‘ nie erreicht. Gewinnt es sie aber, dann wird der Gewinn zum Verlust des In-der-Welt-Seins schlechthin. Als Seiendes wird es dann nie mehr erfahrbar.“
= „Solange der Mensch Teil des Daseins ist, ist die Entwicklung zum Ganzen nicht erreichbar. – Die Entwicklung zum Ganzen ist dem Menschen nur über den Tod möglich, nach dem seine Existenz nicht mehr durch die Ferne von Gott, sondern durch das Schauen in Gott definiert ist – also die ontologische Differenz zwischen „Sein und Seiendem“, „Realität und Wahrnehmung“, „Gott und Mensch“ aufgehoben ist – die christliche Sprache verwendet dafür den Begriff „Erlösung“.
Als ich diese Sätze von Heidegger (in einer Zusammenfassung) gelesen habe (ich habe ihn NICHT studiert), war mir klar, dass er exakt das ontologisch sagt, was sich mir vorher als geistig klar gezeigt hat - war damals eine große Überraschung für mich.
Lieber Pluto, erklärt das Deine Frage überm Daumen?