Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

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Andreas
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#161 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von Andreas » Sa 29. Nov 2014, 23:27

closs hat geschrieben:Was ist an dem Satz ideologisch, dass die Daseins-Wirklichkeit das ist, was man wahrnimmt? - Neutraler geht es doch nicht.
Weil Diesseits ohne Jenseits keinen Sinn macht. Dasein ohne Sein auch nicht. Jetzt hast du es dir (bald?) endgültig vermasselst. ;)

Pluto
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#162 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von Pluto » Sa 29. Nov 2014, 23:36

closs hat geschrieben:Was ist an dem Satz ideologisch, dass die Daseins-Wirklichkeit das ist, was man wahrnimmt? - Neutraler geht es doch nicht.
Das ist Ansichtssache!

Dein Satz impliziert, dass es Gedachtes gibt, was mehr ist das Wahrnehmbare.
Das macht ihn zur Ideologie.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#163 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von closs » Sa 29. Nov 2014, 23:43

Pluto hat geschrieben:Wenn man doch nur den Unterschied rational erklären könnte, zwischen Dasein und Realität...
Das wäre eigentlich keine große Herausforderung:

1) Dasein ist das, was wir im weiteren Sinne des Wortes "Universum" nennen - wenn wir es individuell meinen, betrifft es unsere Lebenszeit auf der Erde.

2) Realität ist all (!) das, was unabhängig von unserer Wahrnehmung ist - sei es im Dasein oder sonstwo.

Pluto hat geschrieben:Was ist "ontologische Differenz" denn, ohne Glaubensbekenntnis?
Heidegger erscheint zwar in seinen späteren Jahren transzendent-philosophisch - seine Ontologie hat er aber im Wesentlichen viel früher geschrieben, die mit "Glaubensbekenntnis" überhaupt nichts zu tun hat.

Es bedeutet nichts anderes, als dass Realität (im obigen Sinne) und Wahrnehmung unterschiedliche Kategorien sind, und dass die Übereinstimmung von Wahrnehmung und Realität nie 100% sein kann - ganz nüchtern. - In seinen früheren Jahren sind seine Gedanken eher "horizontal" angelegt (Wahrnehmung im Dasein ("ich") contra Realität im Dasein ("ein Baum")) - später kippt er seine Überlegungen ins "Vertikale" (Wahrnehmung im Dasein ("ich") contra Realität im transzendenten Seín ("Gott")).

Gerne einige Sätze mit Versuch einer (transzendent angelegten) Erklärung:
• „Das Sein ist die Voraussetzung für das Seiende“
= „Gott/Realität ist Voraussetzung für den Menschen/die Wahrnehmung“

• „Das Sein bleibt also stets das Sein eines Seienden, weshalb eine Differenz zwischen Sein und Seiendem besteht“
= „Gott/Realität bleibt also stets Gott/Realität über dem Menschen/der Wahrnehmung, weshalb es eine grundsätzliche Seins-Differenz zwischen realem Gott und wahrnehmendem Menschen gibt“

• „Das Sein kommt auf der Ebene des Seienden ohne ein Seiendes nicht vor.“
= „Umgekehrt wird Gott im Dasein nur zur Kenntnis genommen, wenn der Mensch ihn benennt, das heißt: Realität/Wahrheit wird nur benennbar über Wahrnehmung“

• „Da deshalb Sein und Seiendes niemals getrennt auftreten, wird das Sein nicht als solches thematisiert.“
= „Da Gott nur zur Kenntnis genommen wird, wenn der Mensch ihn benennt, treten beide, einerseits Gott/Realität und andererseits Mensch/Wahrnehmung, zwangsläufig immer zusammen auf."

• „Daher ist das Sein zwar das Nächste, weil es im Umgang mit der Welt immer schon vorausgehend und mitgängig ist; andererseits erweist es sich als das Fernste, da es als Unthematisches nie explizit wird.“
= „Daher ist Gott/die Realität zwar einerseits das Nächste, weil wirksam, andererseits erscheint es aus Sicht des Menschen/der Wahrnehmung als das Fernste, wenn es wahrnehmungsmäßig unbekannterweise nicht existiert.“

• „Solange das Dasein als Seiendes ‚ist‘, hat es seine ‚Gänze‘ nie erreicht. Gewinnt es sie aber, dann wird der Gewinn zum Verlust des In-der-Welt-Seins schlechthin. Als Seiendes wird es dann nie mehr erfahrbar.“
= „Solange der Mensch Teil des Daseins ist, ist die Entwicklung zum Ganzen nicht erreichbar. – Die Entwicklung zum Ganzen ist dem Menschen nur über den Tod möglich, nach dem seine Existenz nicht mehr durch die Ferne von Gott, sondern durch das Schauen in Gott definiert ist – also die ontologische Differenz zwischen „Sein und Seiendem“, „Realität und Wahrnehmung“, „Gott und Mensch“ aufgehoben ist – die christliche Sprache verwendet dafür den Begriff „Erlösung“.

Als ich diese Sätze von Heidegger (in einer Zusammenfassung) gelesen habe (ich habe ihn NICHT studiert), war mir klar, dass er exakt das ontologisch sagt, was sich mir vorher als geistig klar gezeigt hat - war damals eine große Überraschung für mich.

Lieber Pluto, erklärt das Deine Frage überm Daumen?

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Savonlinna
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#164 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von Savonlinna » Sa 29. Nov 2014, 23:45

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ideologie
Was ist an dem Satz ideologisch, dass die Daseins-Wirklichkeit das ist, was man wahrnimmt?
Weil ich eine andere Vorstellung davon habe. Du hast doch meinen Begriff korrigiert, auf der Basis Deines Denksystems. Das nennt man gemeinhin Missionierungsversuch.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Du wirst mich nicht bekehren.
Wenn ich nur wüsste, von was.
'Von meinen Begriffen, denen Du Deine entgegensetzt, auf der Basis Deines Gedankensystems.

closs hat geschrieben:- Es ist mir noch nicht ersichtlich, wo Dein Weltbild steckt - außer dass Du das Leben frei von Weltbildern halten willst. -
Das musst Du falsch verstanden haben. Ich selber habe natürlich ein Menschenbild - Weltbild eher weniger, weil ich nicht weiß, was "Welt" ist. Aber ein Menschenbild habe ich. Das habe ich auch oft erläutert.
Falls ich aber wissenschaftlich forschen wollte, dann kann ich meine Ergebnisse nicht nach meinem Menschenbild ausrichten, das heißt, nur scheinbar forschen, um am Ende das rauszukriegen, was ich vorher schon entschieden habe.

closs hat geschrieben:Und das ist wahrlich nicht das Schlechteste - aber möglicherweise auch nicht der Schlusspunkt.
Natürlich nicht der Schlusspunkt. Ich bin hier im Forum unterwegs, um im Dialog mit anderen herauszufinden, was alles noch verstehbar ist.
Deine "Verhärtung" - nenne ich jetzt mal so, weil Du mich immer mit denselben Begriffen konfrontierst, die richtiger seien als meine und die Du als ideologische nicht erkennen kannst - schreckt mich inzwischen eher ab.
Zuletzt geändert von Savonlinna am Sa 29. Nov 2014, 23:49, insgesamt 1-mal geändert.

closs
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#165 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von closs » Sa 29. Nov 2014, 23:47

Pluto hat geschrieben:Dein Satz impliziert, dass es Gedachtes gibt, was mehr ist das Wahrnehmbare.
Es schließt es nicht aus - richtig. - Dasein ist nicht notwendigerweise die einzige Plattform für Realität. - Würde man das postulieren, wäre dies *ähm* Ideologie.

Andreas hat geschrieben:Weil Diesseits ohne Jenseits keinen Sinn macht. Dasein ohne Sein auch nicht.
Da würde ich auf wörtliches Verständnis beschränken: Da-Sein. - Wir sind hier, wo wir sind - ganz diszipliniert formuliert. - Es kann auch ein Anderswo geben, muss aber nicht. - Es reicht schon, wenn man aus dem "Da-wo-man-ist-Sein" nicht zwanghaft schließt, es könne kein Woanders-Sein geben.

Andreas hat geschrieben:Jetzt hast du es dir (bald?) endgültig vermasselst.
O yeah. 8-) Das macht einen Mann erst stark. 8-) 8-) 8-) 8-) 8-) 8-) 8-)

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Savonlinna
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#166 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von Savonlinna » Sa 29. Nov 2014, 23:48

Andreas hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Was ist an dem Satz ideologisch, dass die Daseins-Wirklichkeit das ist, was man wahrnimmt? - Neutraler geht es doch nicht.
Weil Diesseits ohne Jenseits keinen Sinn macht. Dasein ohne Sein auch nicht. Jetzt hast du es dir (bald?) endgültig vermasselst. ;)
Andreas, Du hast ein sehr feines Empfinden. Dein post lese ich erst jetzt, nachdem ich das meine schon abgeschickt habe.

closs
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#167 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von closs » Sa 29. Nov 2014, 23:55

Savonlinna hat geschrieben:Du hast doch meinen Begriff korrigiert, auf der Basis Deines Denksystems.
NAtürlich - ich kritisiere dabei, dass der Begriff "Realität" extrem schwammig ist (das fängt bei den mittelalterlichen Realien an und hört bei der Definition auf, Realität können nur mit den (körperlichen) Sinnen wahrnehmbares sein - als fast genau das Gegenteil der Realien-Definition). - Deshalb mein Neutralisierungs-Vorschlag: Daseins-bezogene Realität. - Oder hast Du eine darüber hinausgehende gedacht? - Dann sorry.

Savonlinna hat geschrieben: Ich selber habe natürlich ein Menschenbild
Ja - das kommt auch wirklich gut rüber.

Savonlinna hat geschrieben: Weltbild eher weniger
Eben - davon sprach ich.

Savonlinna hat geschrieben:Falls ich aber wissenschaftlich forschen wollte, dann kann ich meine Ergebnisse nicht nach meinem Menschenbild ausrichten
Das unterstellt auch keiner. - Aber nach einem Weltbild schon - denn sonst kannst Du nicht forschen.

Savonlinna hat geschrieben:Deine "Verhärtung" - nenne ich jetzt mal so, weil Du mich immer mit denselben Begriffen konfrontierst, die richtiger seien als meine und die Du als ideologische nicht erkennen hast - schreckt mich inzwischen eher ab.
Du wirst Dich erholen. ;) - Im übrigen: Versuche doch mal genau das zu lesen, was da steht und NICHT zu interpretieren. - Das mit dem "Da-Sein" ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine neutrale Aussage ideologisiert werden kann - wahrscheinlich vorauseilend in der Erwartung, sie sei ideologisch gemeint.

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Andreas
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#168 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von Andreas » So 30. Nov 2014, 00:02

Closs, Savonlinna will nicht Top-Down auch nicht Down-Top sondern von Down-"Mal sehen, wie weit die Füße tragen". Jetzt geschnallt?

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#169 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von Savonlinna » So 30. Nov 2014, 00:17

closs hat geschrieben:Im übrigen: Versuche doch mal genau das zu lesen, was da steht und NICHT zu interpretieren. - Das mit dem "Da-Sein" ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine neutrale Aussage ideologisiert werden kann - wahrscheinlich vorauseilend in der Erwartung, sie sei ideologisch gemeint.
Letzteres ist eine Unterstellung.
Was ich als ideologisch wahrnehme, hast Du gerade erneut wiederholt:

closs hat geschrieben:1) Dasein ist das, was wir im weiteren Sinne des Wortes "Universum" nennen - wenn wir es individuell meinen, betrifft es unsere Lebenszeit auf der Erde.

2) Realität ist all (!) das, was unabhängig von unserer Wahrnehmung ist - sei es im Dasein oder sonstwo.
Du weißt, dass ich letzteren Punkt nicht teile, trotzdem willst Du ihn als neutral behaupten.

Mich geht das aber nichts an; mich ging es nur solange etwas an, als ich glaubte, dass Du offen bist und wir ein gutes Gespräch führen können.

Salome23
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#170 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von Salome23 » So 30. Nov 2014, 00:37

closs hat geschrieben:
JackSparrow hat geschrieben:Reale Wirklichkeit ist das, was man wahrnimmt.
Daseins-Wirklichkeit ist, was man wahrnimmt.
Ich versteh nicht....
Wenn ich eine Fata Morgana "wahrnehme"-mir aber dessen nicht bewusst bin, dass es nur eine Fata Morgana ist, ist die Fata Morgana dann eine reale Wirklichkeit oder eine Daseins-Wirklichkeit oder eine Jenseits -Wirklichkeit oder gar keine Realität... 8-)

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