Undogmatischer Atheismus

Philosophisches zum Nachdenken
Novas
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#141 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Novas » Fr 11. Dez 2015, 22:54

Queequeg hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Queequeg hat geschrieben:Denn nur unter dem Aspekt der sinnlichen Wahrnehmung kann man darüber etwas aussagen, hier im Sinnlich-Wahrnehmbaren wie auch in der Zuordnung des Authentischen, denn die erste Ursache des Sprits wäre hier die Entität, der Demiurg, also grundsätzlich Gott.
Gibt es Deiner Ansicht keine nicht-sinnlich-wahrnehmbaren Entitäten?

Richtig, denn du begründest wieder einmal nur den dritten Hauptsatz vom unvollkommenen Seins. Aber als gestandener Retro-Aquinate ist dir das die scholastische Muttermilch des argumentativen Ç›berlebens, hier, und soll dir somit belassen sein.

Wenn Du Aquin gelesen hast, dann weißt Du sicher auch: den christlichen Glauben kann man nicht beweisen, nur bezeugen, verteidigen und als persönliche Lebensform bewahrheiten. Das tun Christen und es ist ihr gutes Recht. Genauso wie es dein Recht ist, ihnen zu widersprechen. Das ist natürlich erlaubt und ich freue mich über gute Gespräche: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort (ἀπολογίαν) zu stehen, der nach der Vernünftigkeit ("λόγος") der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.1 Petr 3,15 EU
Zuletzt geändert von Novas am Fr 11. Dez 2015, 23:10, insgesamt 1-mal geändert.

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#142 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Queequeg » Fr 11. Dez 2015, 23:09

Novalis hat geschrieben: Ein Zeichen von Verständnis und Mitgefühl wäre es, wenn ein Atheist sagen würde: ich habe einfach keine lebendige Empfindung eines Verkehrs mit Gott, wenn es aber andere haben, dann freut mich das, denn soetwas kann bestimmt unendlich hilfreich sein und gut tun.


Es gibt zu viele, absolut zu viele persönliche Götterbilder, persönliche Götterberichte, persönliche Erzählungen über "Gottesbegnungen", zu viele persönliche Auslegungen dieses oder jenes Bibelbuches (von der Apokalypse lieber zu schweigen), und dieses alles in einer tausendfältigen religiösen Egomanie postuliert, die immer wieder Anspruch auf die "absolute und alleinige Wahrheit" erhebt, als das ein Mensch normalen Sinnes daran irgendwelche Freude haben könnte, oder gar ehrlichen Anteil nehmen könnte.

Ich meine, es sind nicht nur die weltanschaulichen Foren, auch die Realität zeigt es immer wieder allzu deutlich, das sich die Christen um Punkt, Komma und Strich von Herzen hassen und hadern, das sich die Christen der verschiedensten Konfessionen und Sekten mehr als nur Spinnefeind sind, und das der Kriege um die Schere in den Köpfen der Christen kein ende findet, als das man sich darüber freuen könnte.

Ich sehe im Konzept des Christentums wenig Sinn, hier in Bezug auf ein Christentum der Sklaven der Kirchen und Konfessionen. Wobei dein Bild des Atheismus ein sehr sonderliches ist, ich schließe das mit einer kleinen Anekdote ab:

Als ich den Leuten in Nordirland erzählte, dass ich Atheist sei, stand eine Frau im Publikum auf und fragte: "Nun gut, aber ist es der katholische oder der protestantische Gott, an den Sie nicht glauben?"
(Quentin Crisp)

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#143 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Queequeg » Fr 11. Dez 2015, 23:13

Novalis hat geschrieben:
Queequeg hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Gibt es Deiner Ansicht keine nicht-sinnlich-wahrnehmbaren Entitäten?

Richtig, denn du begründest wieder einmal nur den dritten Hauptsatz vom unvollkommenen Seins. Aber als gestandener Retro-Aquinate ist dir das die scholastische Muttermilch des argumentativen Ç›berlebens, hier, und soll dir somit belassen sein.

Wenn Du Aquin gelesen hast, dann weißt Du sicher auch: den christlichen Glauben kann man nicht beweisen, nur bezeugen, verteidigen und als persönliche Lebensform bewahrheiten. Das tun Christen und es ist ihr gutes Recht. Genauso wie es dein Recht ist, ihnen zu widersprechen. Das ist natürlich erlaubt: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort (ἀπολογίαν) zu stehen, der nach der Vernünftigkeit ("λόγος") der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.1 Petr 3,15 EU

Einverstanden.

So sei es jedem Menschen belassen, wie er seinen Gang durch sein Leben definiert. Ich komme mit dem Pantheismus bestens zurecht und wenn Gott wirklich ein schlaulichter Mann ist, dann wird er mich dahingehend wohl nicht weiter behelligen...

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#144 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Novas » Fr 11. Dez 2015, 23:15

Queequeg hat geschrieben:[...]als das ein Mensch normalen Sinnes daran irgendwelche Freude haben könnte, oder gar ehrlichen Anteil nehmen könnte

Menschen sind nun mal sehr verschieden und kein Einheitsbrei. Deswegen akzeptiere ich auch Atheisten. Religiöse Erfahrungen/Gefühle/Vorstellungen gehören zum Menschsein trotzdem unbezweifelbar dazu, man kann sie nicht aus den Menschen heraus operieren. Genauso wenig können sie Dir eingetrichtert werden.

Entweder spürst Du etwas und interessierst Dich dafür oder nicht. Das ist eine Sache der persönlichen Freiheit und Intimität: „Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit“. (2 Kor 3,17.)
Zuletzt geändert von Novas am Fr 11. Dez 2015, 23:16, insgesamt 1-mal geändert.

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#145 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von closs » Fr 11. Dez 2015, 23:16

Queequeg hat geschrieben:Richtig
Ahh - jetzt wird einiges klarer. - "Sein" ist nur möglich in der Reichweite unserer sinnlichen Wahrnehmung. - Richtig interpretiert?

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#146 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Queequeg » Fr 11. Dez 2015, 23:19

closs hat geschrieben:
Queequeg hat geschrieben:Richtig
Ahh - jetzt wird einiges klarer. - "Sein" ist nur möglich in der Reichweite unserer sinnlichen Wahrnehmung. - Richtig interpretiert?

Nein, etwas sehr falsch interpretiert.

Ich meine das mehr in der Richtung:

Was wünschen sich eigentlich Sternschnuppen, wenn sie Menschen sehen?

ich denke, das dürfte dich nun vollends erleuchten!

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#147 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Queequeg » Fr 11. Dez 2015, 23:21

Novalis hat geschrieben:
Queequeg hat geschrieben:[...]als das ein Mensch normalen Sinnes daran irgendwelche Freude haben könnte, oder gar ehrlichen Anteil nehmen könnte

Menschen sind nun mal sehr verschieden und kein Einheitsbrei. Deswegen akzeptiere ich auch Atheisten. Religiöse Erfahrungen/Gefühle/Vorstellungen gehören zum Menschsein trotzdem unbezweifelbar dazu, man kann sie nicht aus den Menschen heraus operieren. Genauso wenig können sie Dir eingetrichtert werden.

Entweder spürst Du etwas und interessierst Dich dafür oder nicht. Das ist eine Sache der persönlichen Freiheit und Intimität: „Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit“. (2 Kor 3,17.)

Ich denke, du solltest meinen vorletzten Beitrag doch noch einmal einer genaueren Betrachtung unterziehen.

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#148 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Novas » Fr 11. Dez 2015, 23:23

Außerdem muss kein Mensch einem bestimmten Konzept von „Normalheit“ entsprechen, jeder darf anders sein. „Liebe“ ist Einheit in Verschiedenheit, die Werschätzung der Andersheit des Anderen bis hin zum Ganz Anderen (Gott). Wenn man Gott nur als abstrakten Begriff verwendet, dann bleibt er kalt. Warm ums Herz wird mir erst, wo das Gefühl ins Spiel kommt. Nähe, Intimität.
Wo Glaube zur Lebensform wird und mit anderen geteilt.

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#149 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Novas » Fr 11. Dez 2015, 23:43

Queequeg hat geschrieben:Wobei dein Bild des Atheismus ein sehr sonderliches ist, ich schließe das mit einer kleinen Anekdote ab

Welches Bild vom Atheismus habe ich denn, deiner Meinung nach? Ein inspirierter Widerspruch ist mir lieber, als Gleichgültigkeit. ;) Dennoch kann kein Atheist bestreiten, dass es erstens eine Vielfalt religiöser Erfahrung gibt und zweitens diese zur menschlichen Natur gehört. Wenn Du einen anderen Menschen willst, musst Du dir erst einen backen.

Noch mal der Bezug zu William James:

„ Die Vielfalt religiöser Erfahrung“ trägt den Untertitel „Eine Studie über die menschliche Natur“. Dies deutet eine Grundannahme von James an, nämlich, dass die Religiosität als Universalie zur natürlichen Grundausstattung aller Menschen gehört. Sein Untersuchungsgegenstand ist die „persönliche Religion“ – oder wie wir heute sagen würden Religiosität bzw. Spiritualität. Seine bekannte Definition zu persönlicher Religion lautet:

„Die Gefühle, Handlungen und Erfahrungen von einzelnen Menschen in ihrer Abgeschiedenheit, die von sich selbst glauben, dasssie in Beziehung zum Göttlichen stehen“ (64). Das Göttliche wiederum ist ausschließlich durch eine besondere menschliche Reaktion ihm gegenüber definiert: „Das Göttliche soll für uns ausschließlich eine solche ursprüngliche Wirklichkeit bedeuten, die das Individuum zu einer feierlichen und ernsthaften Antwort drängt“ (71).

Religion bedeutet also für ihn vor allem eine einzigartige Intensität von Gefühlen, z.B. das Erleben von überfließendem Glück oder eine feierliche Empfindung. James beschränkt sich in seiner Analyse also auf die subjektive Glaubenserfahrung. Gewissheit bekomme der Gläubige ausschließlich über sein Gefühl, welches eine außergewöhnliche Überzeugungskraft besitze. Dies bezeichnet James als „die ontologische Einbildungskraft des Menschen.“
http://eh-tabor.de/fileadmin/eh-tabor/f ... mes_1_.pdf

'Religiosität' gehört als Universalie zur natürlichen Grundausstattung aller Menschen (auch Atheisten) und das vollkommen unabhängig von einem bestimmten Glaubensbekenntnis.

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sven23
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#150 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von sven23 » Sa 12. Dez 2015, 07:52

ThomasM hat geschrieben: Es geht darum, einen Sinn zu finden, einen Sinn, der Hoffnung stiftet, der sich in die Ewigkeit erstreckt. Es geht um ein "es geht weiter und ich existiere darin".
Warum muß der Sinn des Lebens in der Unendlichkeit liegen? Schließlich gibt es eine Leben vor dem Tod. Warum diese Hybris um das ewige Leben?

ThomasM hat geschrieben: Das beste Beispiel dafür sind die Ahnen Vorstellungen der Urvölker. Dieser Glaube besagt ganz einfach: Ich existiere in irgendeiner Form weiter, mindestens darin, dass ich erinnert und verehrt werde.
Der Ahnenkult ist wie Religion im allgemeinen - wie Kahl sagen würde- ein sozialpsychologisches Entlastungsphänomen.
Man wollte und will es bis heute nicht wahrhaben, daß der Tod das Ende des Lebens ist.

ThomasM hat geschrieben: Der Atheismus trifft das Urbedürfnis der Menschen nicht.
Und hat deshalb keine Chance gegen den Theismus.
Das wird erst die Zukunft zeigen. Wichtig ist, daß die Trennung von Religion und Staat durchgehalten wird. Dann sehe ich kein Problem in einer friedlichen Koexistenz, zumindest in unserem Kulturkreis.
Im Islam sind die Probleme anders gelagert.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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