Descartes und die menschliche Seele

Philosophisches zum Nachdenken
Benutzeravatar
fin
Beiträge: 1144
Registriert: So 16. Okt 2016, 13:49

#1041 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von fin » Mi 16. Nov 2016, 13:47

-- Einigkeit, Recht & Klone --

fin hat geschrieben:Es ist nachweislich so! Das ist aber auch kein Wunder, denn der Bedeutungsgehalt der Sprache verschwindet (unmerklich), bzw. werden verschiedenste Begriffe in ihren eigentlichen Bedeutungen verfremdet, entstellt und sogar in ihr Gegenteil verkehrt.
closs hat geschrieben:Da sind wir uns extrem einig. - Ich vermute sogar System dahinter.

Davon muß man leider ausgehen!

closs hat geschrieben:Sonst gäbe es nicht den Begriff "Geist" in der Neurowissenschaft und "Ontologie" innerhalb des Materialismus.

Ja, wobei die Vereinnahmung besagter Begriffe mir wie eine zwangsläufige Entwicklung er/scheint, durch eine Selbstbestimmung impliziert, die sich durch eigene (inzestuöse) Methodiken begründet ...

(!)

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#1042 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Mi 16. Nov 2016, 14:16

Pluto hat geschrieben:Eine Sprache basiert immer auf Konsens. Findet euch damit ab, denn die Sprache wird nicht wegen einzelnen Stimmen erstarren.
Das ist nicht das Problem, sondern dass mit Neudefinitionen - ich zitiere zustimmend Fin - Bedeutungsinhalte verschwinden und eigentliche Bedeutungen verfremdet werden können.

fin hat geschrieben:Ja, wobei die Vereinnahmung besagter Begriffe mir wie eine zwangsläufige Entwicklung er/scheint, durch eine Selbstbestimmung impliziert, die sich durch eigene (inzestuöse) Methodiken begründet ...
Auch hierin würde ich zustimmen - und ergänzen, dass dies nicht erkannt wird (sicherlich aber anfangs erkannt wurde).

Benutzeravatar
fin
Beiträge: 1144
Registriert: So 16. Okt 2016, 13:49

#1043 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von fin » Mi 16. Nov 2016, 15:51

-- Robocops --

fin hat geschrieben:Ja, wobei die Vereinnahmung besagter Begriffe mir wie eine zwangsläufige Entwicklung er/scheint, durch eine Selbstbestimmung impliziert, die sich durch eigene (inzestuöse) Methodiken begründet ...
closs hat geschrieben: Auch hierin würde ich zustimmen - und ergänzen, dass dies nicht erkannt wird (sicherlich aber anfangs erkannt wurde).

Ja, das ist ja das Tragische !

Darum sagte MH ja auch zu Recht: "Wissenschaft denkt nicht!" Es mangelt an Bewußtsein. Wir sind mittlerweile so weit, daß man anhand von Computeraufbauten das eigene Wesen zu erklären sucht. Öffentliche Meinung ist Programm der öffentlich-rechtlichen Programme. Was steht auf dem Programm? Zum Beispiel das Wiederholen von "Aus ...tz". Die Meinungsträger machen gerne durch Wiederholungen von sich Reden, zumal die gegenseitigen Bestätigungen Status und soziale Glaubwürdigkeit garantieren. Warum ist das so? Es hält das Programm am Leben.

Es ist aber auch klar, daß diese Meinungsklone empfindlich auf solche Aussagen reagieren (müssen), weil es sie angeht, weil es dasjenige betrifft, was sie in Bewegung hält, weil es Abgründe anspricht, die sie selbst als Programm ausweisen.

Welcher Mensch mit Herz und Verstand möchte schon Programm sein? :idea:

fin

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#1044 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Mi 16. Nov 2016, 16:45

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Eine Sprache basiert immer auf Konsens. Findet euch damit ab, denn die Sprache wird nicht wegen einzelnen Stimmen erstarren.
Das ist nicht das Problem, sondern dass mit Neudefinitionen...
Genau das ist es was passiert in einer lebendigen Sprache, wenn sie sich im Konsens der Bevölkerung verändert.
Wen soll man du dafür anklagen? Mitmachen lautet mE hier die Devise.

closs hat geschrieben:
fin hat geschrieben:Ja, wobei die Vereinnahmung besagter Begriffe mir wie eine zwangsläufige Entwicklung er/scheint, durch eine Selbstbestimmung impliziert, die sich durch eigene (inzestuöse) Methodiken begründet ...
Auch hierin würde ich zustimmen - und ergänzen, dass dies nicht erkannt wird (sicherlich aber anfangs erkannt wurde).
Dabei geht es gar nicht um Vereinnahmung, es sei denn du meinst Veränderung per quasi einstimmigem Beschluss der Vielleser und -schreiber in der Gesellschaft.
Schau dir dazu folgenden Text an. Man muss heute schon sehr genau lesen um zu verstehen was er meinte.
  • Man ist außerdem genötiget zu bekennen daß die perception und dasjenige was von ihr dependieret auf mechanische Weise das ist durch die Figuren und durch die Bewegungen nicht könne erkläret werden. Und erdichteten Falls daß eine Machine wäre aus deren Structur gewisse Gedanken Empfindungen Perceptionen erwüchsen; so wird man dieselbe denkende Machine sich concipieren können als wenn sie ins große nach einerlei darinnen beobachteter Proportion gebracht worden sei dergestalt daß man in dieselbe wie in eine Mühle zugehen vermögend wäre. Wenn man nun dieses setzet so wird man bei ihrer innerlichen Besichtigung nichts als gewisse Stücke deren eines an das andere stosset niemals aber etwas antreffen woraus man eine Perception oder Empfindung erklären könnte. Dahero muß man die Perception in der einfachen Substanz und keines weges in dem Composito oder in der Machine suchen.
    [Gottfried Wilhelm Leibniz 1714: Monadologie §17]
Sehr viele heutige Leser werfen die Hände in die Luft und geben nach den ersten Zeilen auf.

Es steht jedem frei, die Worte in ihrer alten Bedeutung (Archaismen) zu verwenden. Er/sie sollte sich aber nicht wundern oder gar beschweren, wenn der alte Sinn nicht mehr (oder anders) verstanden wird. Wenn wir uns mit anderen verständigen und austauschen wollen, ist die Verwendung von Archaismen deshalb mE ein Schuss ins eigene Knie — wir leben nun mal im 21. Jahhundert und nicht mehr im 17. oder 18.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#1045 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Mi 16. Nov 2016, 18:02

Pluto hat geschrieben:Genau das ist es was passiert in einer lebendigen Sprache, wenn sie sich im Konsens der Bevölkerung verändert.
Umgekehrt: Der Konsens wird geschaffen durch weltanschauliche Änderungen.

Pluto hat geschrieben:Wen soll man du dafür anklagen?
Sicherlich nicht die Bevölkerung. - Und es ist doch auch der falsche Ansatz, dass Sprachveränderung verwerflich sei - es geht um die inhaltlichen Verluste, die durch die Veränderungen entstehen.

Unsere konkreten Beispiele (und viele mehr): "Geist" und "Bewusstsein" und vieles mehr werden SEMANTISCH verändert - so als würde man im "Bevölkerungs-Konsens" zukünftig für "Auto" "Klo" sagen - und plötzlich meinen die Leute, wenn einer "Auto" sagt, er meine "Klo". - Das Problematische: Es gibt kein Wort mehr für "Auto", obwohl es noch welche gibt.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#1046 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Mi 16. Nov 2016, 18:21

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Genau das ist es was passiert in einer lebendigen Sprache, wenn sie sich im Konsens der Bevölkerung verändert.
Umgekehrt: Der Konsens wird geschaffen durch weltanschauliche Änderungen.
Der Punkt ist, Sprache verändert sich, also heißt es mitmachen oder man wird nicht mehr verstanden.

closs hat geschrieben:Unsere konkreten Beispiele (und viele mehr): "Geist" und "Bewusstsein" und vieles mehr werden SEMANTISCH verändert.
Ah... jetzt verstehe ich was du meinst.

Geist und Bewusstsein haben immer noch die gleiche Bedeutung wie vor 100 oder 200 Jahren.
Es hat in den letzten Jahrzehnten ein Paradigmenwechsel stattgefunden in der Art und Weise wir wir mit Geist, Bewusstsein und dem Selbst umgehen. Diese Begriffe werden nicht mehr als mystisch oder unerklärbar gesehen, sondern als Dinge angesehen, die man untersuchen kann.
Es ist verständlich, dass dies bei einigen Leuten Ängste hervorruft weil Weltbilder zertrümmert werden, aber es hat mit der semantischen Veränderung der Sprache überhaupt nichts zu tun — andere Baustelle!
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Benutzeravatar
fin
Beiträge: 1144
Registriert: So 16. Okt 2016, 13:49

#1047 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von fin » Mi 16. Nov 2016, 18:45

-- Konsens & Trojanische Pferde --

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Eine Sprache basiert immer auf Konsens. Findet euch damit ab, denn die Sprache wird nicht wegen einzelnen Stimmen erstarren.
Das ist nicht das Problem, sondern dass mit Neudefinitionen - ich zitiere zustimmend Fin - Bedeutungsinhalte verschwinden und eigentliche Bedeutungen verfremdet werden können.

Zumal es sich genau anders herum verhält: Die tradierte Sprache der Mehrheit wird durch Minderheiten (siehe zB. Rechtschreibreformen) manipuliert. Im Zuge der Industriealisierung und Globalisierung sind inzwischen Mittel, Medien und Wege wirksam geworden, die den Menschen (auf immer mehr Ebenen) konditionieren. Das spiegelt sich nicht nur in der Verflachung der Sprache wieder, sondern zB. auch in der Art, wie heutzutage Betriebe und Foren geführt werden.

:idea:

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#1048 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Mi 16. Nov 2016, 19:04

Die Art und Weise wie Geist und Bewusstsein betrachtet werden hängt unumstritten mit dem Zeitgeist in der wir leben zusammen. Es hat aber mit der Veränderung der Sprach nicht viel zu tun, sondern mehr mit der Sachlichkeit, mit der man heute die Welt betrachtet.
Deshalb bezeichne ich die letzten 100-150 Jahre Wissenschaftsgeschichte gerne als eine Zeit der Entmystifizierung der Welt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

SilverBullet
Beiträge: 2414
Registriert: Mo 17. Aug 2015, 19:04

#1049 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von SilverBullet » Mi 16. Nov 2016, 19:09

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Du behauptest hier ja eine regelrechte Funktion, eine Fähigkeit.
Ja, eine geistige Fähigkeit der Res Cogitans.
…
Zweitens ist der Blick auf elektrische Impulse des Gehirns schon wieder eine WIE-Frage, um die es gar nicht geht.
Also Fähigkeit und keine Fähigkeit direkt nebeneinander.

Blöd nur, dass die elektrischen Impulse zu der ständigen Beschäftigung gehören müssten, um mit dem Körper in Kontakt zu stehen.

Das philosophische Phantasieren à la „Ich bin (auch ohne Körper)“ kommt hingegen sehr selten vor.

Die Zusammenhänge einer Fähigkeit, die eigentlich da sein müssten, damit irgendetwas am Lebewesen halbwegs plausibel funktioniert (auch wenn das Ganze nur eingebildet/geträumt sein sollte), stehen nicht zur Verfügung und können auch nicht durch kraftvolles In-Sich-Hineinfühlen abgerufen werden (keine Chance), während die Zusammenhänge einer philosophischen Spinnerei zur besten Sicherheit gehören sollen, die erreicht werden kann.

Kompliment, du hast das absolute Ende der Glaubwürdigkeitsskala gefunden :-)

closs hat geschrieben:Genau das lässt Descartes offen, wenn er sich auf die ontologische Kernaussage beschränkt, dass bei radikalem Zweifel als Einziges das übrigbleibt, das zweifelt - er nennt es "ICH".
Er entwirft eine Suggestionsszene, bei der er sich auf die „ontologische Kernaussage“ beschränkt, weil er diese Aussage anstrebt.

Aber nicht, weil es einen begründeten Weg dorthin gibt, sondern weil er auf die Phantasie geprägt ist.

Tatsache ist, dass es keinen Anlass gibt, innerhalb des Zweifels eine Reihenfolge zu suggerieren, bei der die Aussage „es ginge ja auch ohne dies und das“ zu einer Art Filterfunktion führt.
Es kann nicht "gesiebt" werden, so dass es am Ende zu einem „übrig bleiben“ kommen könnte, denn es fehlt das Wissen, um zu sieben.
Das fehlende Wissen bestreitest du ja auch gar nicht. Du scheinst nur nicht die Konsequenzen ziehen zu wollen – das sehe ich als allgemeine philosophische Schwäche an.

Es kann durchaus Zweifel eingesetzt werden, aber auf Basis des klar ersichtlichen, fehlenden Einblickes, muss dieser Zweifel gleich verteilt sein, also alle Existenzzusammenhänge stehen in Frage – dabei unterscheidet sich der „Ich“-Zusammenhang in keiner Weise von den Körperzusammenhängen.

Auch die Suggestionsfrage „wer zweifelt“, kann nicht beantwortet werden (schon gar nicht auf Basis von Sprache).

Was übrig bleibt ist allein ein Umgang mit Zusammenhängen.
Wer oder was „dies“ durchführt und für wen „es“ durchgeführt wird, ist die spannende Frage.
Das zur Aufstellung einer Antwort notwendige Konzept, kann nur im Umgang mit Zusammenhängen liegen.

Unbekannte Zusammenhänge anzunehmen, führt nirgendwo hin, denn wie soll beurteilt werden, dass „dort“ eine höhere Gültigkeit liegen könnte, als in den bekannten Zusammenhängen?

Die vernünftigste Strategie lautet: die bekannten Zusammenhänge auf Korrektheit zu prüfen (je mehr unterschiedliche Blickwinkel, desto besser) und eine Funktionalitätsanalyse durchzuführen.
Wenn dabei am Ende eine stabile, geschlossen Korrektheit vorliegt, können diese Zusammenhänge als verlässlich angesehen werden.

Genau dies ist beim Körper (und Gehirn) auf einem sehr guten Weg:
einziger Kandidat, extrem viele Blickwinkel und eine geschlossene Korrektheit – das passt.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#1050 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Mi 16. Nov 2016, 19:34

Pluto hat geschrieben:Geist und Bewusstsein haben immer noch die gleiche Bedeutung wie vor 100 oder 200 Jahren.
NEIN - das ist doch das Problem.

SilverBullet hat geschrieben:Blöd nur, dass die elektrischen Impulse zu der ständigen Beschäftigung gehören müssten, um mit dem Körper in Kontakt zu stehen.
Sehe ich in der von mir geglaubten Praxis genauso - aber was hat das hier zu suchen?

SilverBullet hat geschrieben:Aber nicht, weil es einen begründeten Weg dorthin gibt, sondern weil er auf die Phantasie geprägt ist.
Das sieht nur aus Deiner Startposition (= Körper) so aus - da Du Dir nicht vorstellen kannst, dass man weiter hinten starten muss, wenn man vom Anfang an starten muss, ist alles das, was "hinten" ist, "Phantasie".

Gesperrt