Undogmatischer Atheismus

Philosophisches zum Nachdenken
closs
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#11 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von closs » Di 8. Dez 2015, 23:26

Pluto hat geschrieben:Das Schlimme ist, dass viele Gläubige das was sie glauben, für die absolute Wahrheit halten.
Das tue ich auch - ich GLAUBE, das meinen zu können, weiss es aber natürlich nicht. - Das sollte man aber nur demütig tun und nicht als Triumph vor sich hertragen ("Ätsch - ich weiss mehr als Du") - denn Hochmut kommt vor dem Fall.

Pluto hat geschrieben:Du brauchst die Welt nicht in Angstfüsschen setzen
Ist schwierig, weil wir Unterschiedliches darunter verstehen - das kann man mit "" offenlassen.

Pluto hat geschrieben:Dass das Leben entstehen konnte, verbietet kein Naturgesetz, deshalb konnte es entstehen.
Wo dieses Thema jetzt herkommt, weiss ich nicht - aber Zustimmung: Aus meiner Sicht kann biologisches Leben abiogenetisch entstanden sein - theologisch gibt es dagegen aus meiner Sicht keine Einwände.

Pluto hat geschrieben:Welchen Sinn sollte das Leben denn haben?
Ich habe - ehrlich - nie danach gefragt.

Man wächst als Kind auf (da denkt man eh nicht über solche Fragen nach, sondern lebt einfach) - dann merkt man plötzlich, dass Mädchen eine außerordentliche Anziehungskraft haben - dann ist man beschäftigt mit Beruf und Familie und was so alles passiert - alles mitten im Leben. - Wenn man mitten im Leben ist, denkt man normalerweise nicht über den Sinn des Lebens nach.

Ich habe es immer so genommen, wie es gekommen ist. - Und dann sind natürlich noch innere Interessen - der eine fühlt sich zu Literatur und Kunst hin-GEZOGEN (also man "entscheidet" nicht, sondern wird gezogen, und sucht nach Möglichkeiten, auf diesen Zug aufzusteigen) - der andere will in den nächsten 20 Jahren alle Heimspiele des 1.FC Nürnberg besuchen . -Suum cuique.

Zwischendrin kann es Bifurkations-Punkte, also echte Weichenstellungen geben - ging mir auch so: Da wachst Du senkrecht im Bett auf, weil zu entscheiden ist, ob man solo eine akademische Karriere fortsetzt oder mit Familie einen Wirtschafts-Beruf nimmt - und da denkt man tatsächlich mal für ein paar Wochen über den Sinn der eigenen Existenz nach und versucht, mal ganz tief in das eigene Ich zu gehen - und da kriegt man (meiner Ansicht und Erfahrung nach) auch Antworten.

Aber ins Leben zu gehen mit der Frage: Was will ich erreichen? - Wo will ich in 30 Jahren stehen? --- Nein, das ist und war mir fremd. ---- Eher: Was stolpert einem vor die Füße ("Fügung"!!), wo man gebraucht wird.

"Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan" - einmal einer Oma über die Straße helfen macht bereits einen Lebenssinn. - Meinst Du nicht auch, dass eine solche Auffassung ungeheuer frei macht?

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Münek
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#12 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Münek » Mi 9. Dez 2015, 06:26

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Das ist etwas was man für die meisten spirituell geprägten Menschen nicht sagen kann, die trotz der Faktenlage an ihre "ge-offenbarte" Wahrheiten und Dogmen festhalten.
Das ist eine Fehlwahrnehmung: Gerade spirituell geprägte Menschen GLAUBEN doch, weil sie wissen, dass Gott nicht beweisbar ist. - Sonst würde es doch heißen "Ich weiss Gott" anstelle von "Ich glaube an Gott".

Nee - so ist es nicht. Tiefgläubige Menschen haben die GEWISSHEIT (= WISSEN), dass ihr Gott da ist.

Das ist mehr als glaubendes "Für-Wahr-Halten".

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sven23
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#13 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von sven23 » Mi 9. Dez 2015, 07:07

Savonlinna hat geschrieben: Warum lässt Du die Schelte Kahls auf den Neu-Atheismus weg?
.
Mir ging es erst mal um die Positionen, die Kahl vertritt. Oder hat er sich inzwischen davon distanziert?
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sven23
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#14 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von sven23 » Mi 9. Dez 2015, 07:09

ThomasM hat geschrieben: 2. Es gibt keinen göttlichen Erlöser. Die Welt ist unerlöst und unerlösbar, voller Webfehler und struktureller Unstimmigkeiten, die aus der Bewusstlosigkeit ihrer Gesetzmäßigkeiten herrühren.
Sorry, aber wie kann man diese beiden Punkte "undogmatisch" nennen?
Duktus, Formulierung und und Verwendung sind Dogmen in Reinkultur, also unangreifbare und unbegründete Setzungen, die nicht in Frage gestellt werden dürfen.
[/quote]
Theologen vergleichen Dogmen mit Axiomen. ;)
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#15 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Münek » Mi 9. Dez 2015, 08:01

closs hat geschrieben:"Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan" - einmal einer Oma über die Straße helfen macht bereits einen Lebenssinn. - Meinst Du nicht auch, dass eine solche Auffassung ungeheuer frei macht?

Lieber Kurt - Ohne jede Abstriche - volle Zustimmung! :Herz:

Nichts anderes praktiziere ich als Mensch den (allen) Menschen gegenüber...

Solche Gelegenheiten ergeben sich immer wieder im Alltag...(mal jeden Tag, mal alle paar Wochen)

Neulich lief ich an einem regnerischen Tag an einer alten Frau (85 Jahre) vorbei, die an einer verkehrsbelebten Straße geschützt unter dem Vordach eines Discounters völlig allein ihren in Plastik eingehüllten "Wachtturm" und "Erwachet" vor sich hielt. Starr wie eine Statue.

Also `ne Zeugin Jehovas.

Ich kehrte um und habe sie einfach angesprochen (weil es ja sonst keiner tat) und dann kamen wir ins Gespräch. Erst wollte sie mich missionieren: "Denken Sie nicht auch angesichts der schreckliche Kriege, dass..." Habe ich weggedrückt und sie gefragt, wie alt und wie lange sie denn schon bei den "Zeugen Jehovas" sei.

"Ich bin 85 und schon seit 55 Jahren bei den Zeugen Jehovas." Wir haben uns noch eine viertel Stunde gemütlich unterhalten. Und ich habe mich nicht gescheut, dieser alten, mir völlig fremden Frau wie vertraut meinen Arm begütigend/beschützend/liebevoll um ihre Schulter zu legen - und wir haben auch viel gelacht. Sie fühlte sich sehr wohl - und ich wollte ihr auch dieses Gefühl des Wohlfühlens auch vermitteln. Mitten in der umtriebigen Stadt.

Ich kehrte kurz darauf zurück und natürlich ging ich nochmal auf diese nette 85jährige tapfere alte Dame zu (sie hat im Stehen und im Sitzen Schmerzen) und wir redeten noch ein bisschen - und sicher war sie überrascht, dass ein Atheist (als solcher hatte ich mich natürlich geoutet) so lieb sein kann.

Ja doch Kurt, Menschsein ist alles. Ich hatte ein gutes Gefühl und die alte Dame, die ich in ihrer Einsamkeit bewusst anredete und ihr gut zuhörte, mit Sicherheit auch. Mit so einem wie mich :devil: hat sie nie gerechnet. Umso besser.
Zuletzt geändert von Münek am Mi 9. Dez 2015, 09:07, insgesamt 2-mal geändert.

Novas
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#16 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Novas » Mi 9. Dez 2015, 08:02

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Der Essayist und Kritiker Ashleigh Brilliant hat mal gesagt: "Es ist besser, das Leben hat keinen Sinn, als das es einen Sinn hat, dem ich nicht zustimmen kann."
Das sind diese Bonmots ohne Wert, die sich bei einem Glas Wein leicht sagen lassen.

Für einen Christen ist es eben anders. :thumbup: Liebende Menschen leben mehr in einer liebenden Welt und feindselige Menschen leben mehr in einer feindseligen Welt usw. Es ist die selbe Welt, die unterschiedlich wahrgenommen wird. Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass sich die „spirituelle Dimension des Sinns“ gerade dann erschließt, wenn man das Ego zurück nimmt, um dem Heiligen Geist im Inneren mehr Raum zu geben.
Schnell kann der Schatten des Ego das Licht der Welt verdecken. Ich denke an das Höhlengleichnis von Plato. Aus der begrenzten Sicht des Ego (Höhle) ist das Leben wohl ziemlich sinnlos und bedeutungslos.

Sehr treffend formulierte es Kahlil Gibran:

Verzweiflung trübt unser Auge und verschließt unser Ohr. Wir sehen dann nur noch die Geister des Verhängnisses und hören nur noch das Schlagen unserer beklommenen Herzen.

Dieses Geisteszustand kenne ich, da ich ihn in tiefer Depression selbst ausgiebig kennenlernte. Doch ich bin bei den Geistern des Verhängnisses nicht stehen geblieben, ich lernte hindurch zu gehen; und ich habe die Höhle verlassen und wurde neu geboren. Da ist etwas im Menschen - ich nenne es das wahre Selbst - was intuitiv weiß, dass das nicht alles sein kann.

Jesus spoke of rivers of living water which would flood out from our innermost being. So don't pray to be filled. Pray for overflowing! - Graham Cooke

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sven23
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#17 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von sven23 » Mi 9. Dez 2015, 10:00

sven23 hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben: 2. Es gibt keinen göttlichen Erlöser. Die Welt ist unerlöst und unerlösbar, voller Webfehler und struktureller Unstimmigkeiten, die aus der Bewusstlosigkeit ihrer Gesetzmäßigkeiten herrühren.

Sorry, aber wie kann man diese beiden Punkte "undogmatisch" nennen?
Duktus, Formulierung und und Verwendung sind Dogmen in Reinkultur, also unangreifbare und unbegründete Setzungen, die nicht in Frage gestellt werden dürfen.
Theologen vergleichen Dogmen mit Axiomen. ;)
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Savonlinna
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#18 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Savonlinna » Mi 9. Dez 2015, 11:53

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Warum lässt Du die Schelte Kahls auf den Neu-Atheismus weg?
.
Mir ging es erst mal um die Positionen, die Kahl vertritt. Oder hat er sich inzwischen davon distanziert?
Er hat Stellung zu dem Neu-Atheismus bezogen.

Ich suche irgendwann den Text raus, er wäre aber wirklich leicht hier im Forum zu finden. Jetzt habe ich keine Zeit leider.

Hemul
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#19 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Hemul » Mi 9. Dez 2015, 12:00

Münek hat geschrieben: Solche Gelegenheiten ergeben sich immer wieder im Alltag...(mal jeden Tag, mal alle paar Wochen)
Neulich lief ich an einem regnerischen Tag an einer alten Frau (85 Jahre) vorbei, die an einer verkehrsbelebten Straße geschützt unter dem Vordach eines Discounters völlig allein ihren in Plastik eingehüllten "Wachtturm" und "Erwachet" vor sich hielt. Starr wie eine Statue.
Also `ne Zeugin Jehovas.
Ich kehrte um und habe sie einfach angesprochen (weil es ja sonst keiner tat) und dann kamen wir ins Gespräch. Erst wollte sie mich missionieren: "Denken Sie nicht auch angesichts der schreckliche Kriege, dass..." Habe ich weggedrückt und sie gefragt, wie alt und wie lange sie denn schon bei den "Zeugen Jehovas" sei.
"Ich bin 85 und schon seit 55 Jahren bei den Zeugen Jehovas." Wir haben uns noch eine viertel Stunde gemütlich unterhalten. Und ich habe mich nicht gescheut, dieser alten, mir völlig fremden Frau wie vertraut meinen Arm begütigend/beschützend/liebevoll um ihre Schulter zu legen - und wir haben auch viel gelacht. Sie fühlte sich sehr wohl - und ich wollte ihr auch dieses Gefühl des Wohlfühlens auch vermitteln. Mitten in der umtriebigen Stadt.
Ich kehrte kurz darauf zurück und natürlich ging ich nochmal auf diese nette 85jährige tapfere alte Dame zu (sie hat im Stehen und im Sitzen Schmerzen) und wir redeten noch ein bisschen - und sicher war sie überrascht, dass ein Atheist (als solcher hatte ich mich natürlich geoutet) so lieb sein kann.
Warum hast Du Wolf im Schafspelz Dich nicht als der geoutet der Du in Wirklichkeit bist-nämlich als Gottes u. ZJ Hasser? :roll:

Warum hast Du der Oma eigentlich folgende Wahrheit vorenthalten?
Münek hat geschrieben:Unglaublich!! Tolle Sektenbosse, die die Kinderschänder in ihren eigenen Reihen schützen... :chapeau:
Jehova freut sich angesichts der Missbrauchsopfer :thumbup: und Jesus ist ganz begeistert! :clap:
Für Deine Offenheit wäre sie Dir sicherlich sehr dankbar gewesen-meinste nicht auch? :roll:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

ThomasM
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#20 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von ThomasM » Mi 9. Dez 2015, 12:59

sven23 hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben: 2. Es gibt keinen göttlichen Erlöser. Die Welt ist unerlöst und unerlösbar, voller Webfehler und struktureller Unstimmigkeiten, die aus der Bewusstlosigkeit ihrer Gesetzmäßigkeiten herrühren.

Sorry, aber wie kann man diese beiden Punkte "undogmatisch" nennen?
Duktus, Formulierung und und Verwendung sind Dogmen in Reinkultur, also unangreifbare und unbegründete Setzungen, die nicht in Frage gestellt werden dürfen.
Theologen vergleichen Dogmen mit Axiomen. ;)
Von mir aus.
Aber dennoch ist der Begriff "undogmatischer Atheismus" schlicht selbstwidersprüchlich.
Denn es gibt sehr wohl Axiome. Und die dürfen auch nicht in Frage gestellt werden.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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