Warum sind Menschen nicht mündig?

Philosophisches zum Nachdenken
2Lena
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#11 Re: Warum sind Menschen nicht mündig?

Beitrag von 2Lena » Fr 27. Mär 2015, 14:18

Pluto, du hast nun mal ein außerordentliches Talent Sympathie zu vermitteln :-)
In einem so erzeugten Klima herrscht als Folge davon "Entgegenkommen".

Anders gehen die Reaktionen bei Strenge. Es halten sich da auch Viele an die Regeln, solange die Regel passt. Aber wer Druck hat oder starken Drang verspürt, wird Schwachstellen suchen, ausbrechen, dann keine Konfrontation mehr scheuen, da kein Entgegenkommen ist. Das passiert in der Regel bei Revolutionen und Kriegen. Wenn kein heimlicher Weg mehr offen ist, wird auch das Letzte reglementiert. Doch da ist eine besondere Situation.

Liebe Samatha, es lohnt die "Ehrlichkeit" der Parteien. Ist der "Andere" ehrlich, bin ich über seine Angelegenheit informiert und er über meine. Das führt nie zum Streit, wenn sich die Parteien an "Psalm2" halten: Die bessere Lösung, die hilft gehört genommen. Denn nur bei echter Zustimmung lässt sich ein "Thema" als selbstverständlich führen. Alles andere mündet in Abweichungen, Faxen, höfliche Floskeln, Diskussionen zum Streit. Hier wiederum lohnt sich "Rücksicht", welche die Steigleiter zur Sympathie bildet.

Um nochmal zum Thema zu kommen, warum die Menschen nicht mündig sind:
Weil man sie nicht lässt ...
Und weil man eine Angelegenheit nicht "richtig" richten kann.

closs
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#12 Re: Warum sind Menschen nicht mündig?

Beitrag von closs » So 29. Mär 2015, 17:57

Pluto hat geschrieben:Das mag in einigen Kreisen der Fall sein, wo man auf antiautoritäre oder anthroposophische Erziehung gesetzt hat.
Davon abgesehen, dass "antiautoritär" und "anthroposophisch" in sich außerordentlich unterschiedlich sind, würde ein anderer sagen, dass es da gerade NICHT ist, sondern im gesellschaftlichen Mainstream. - Nicht dass ich das behaupten würde - nur stünde es dann halt 1 : 1.

Pluto hat geschrieben: aber dennoch die gleichen moralischen Werte vertritt.
Das sagt etwas über Dich aus - was ja ein Kompliment sein kann. Zur Frage selbst sagt es nichts aus. Dasselbe gilt bei mir.

Eigentlich bekommt all dies erst Gestalt, wenn es um konkrete Fälle geht: Was würde der eine oder der andere als "moralisch" oder "unmoralisch" ansehen - und da gibt es schnell eklatante Unterschiede.

Samantha

#13 Re: Warum sind Menschen nicht mündig?

Beitrag von Samantha » Do 2. Apr 2015, 10:43

2Lena hat geschrieben:Um nochmal zum Thema zu kommen, warum die Menschen nicht mündig sind:
Weil man sie nicht lässt ...
Und weil man eine Angelegenheit nicht "richtig" richten kann.
Die Menschen haben kein Vertrauen zu anderen, berechtigterweise. Sie handeln dann einfach nach Gutdünken und auch zu ihrem Vorteil. Richtig wäre es, auf Gott zu vertrauen, egal welche Nachteile es hat. Dies funktioniert aber nicht, wenn man nicht sicher weiß, ob es einen Gott gibt. Also werden die Menschen nie mündig werden können in einem solchen System. Kontrolle ist alles, was unser Zusammenleben reguliert.

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Opa Klaus
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#14 Re: Warum sind Menschen nicht mündig?

Beitrag von Opa Klaus » Do 2. Apr 2015, 11:29

http://www.dhg-westmark.de/immakant3.html
Immanuel Kant 1724 – 1804 3. TEIL Kritik der praktischen Vernunft - Was soll ich tun?
(Gegenstand der Untersuchung: Wollen, Ethik, Sittlichkeit)
Nach Kant ist der Mensch ein Vernunftwesen. Mit der Vernunft ist zweierlei - das Sollen und die Freiheit - gegeben.
Das Sollen (auch: Pflicht, Sittengesetz, Gewissen, kategorischer Imperativ) ist für Kant ein unleugbares Faktum der Vernunft, dem menschlichen Wesen einverleibt. Sollen hat Gesetzescharakter, ist allgemeingültig, ohne Rücksicht auf Zeit, Umstände und Individuen. D.h. ohne Rücksicht auf Erfahrung. Die Freiheit ist eine Folgerung aus dem Sollen oder (wie Sollen) ebenso ein Faktum der Vernunft.
Daraus leitet Kant das Prinzip der Sittlichkeit ab:
Prinzip der Sittlichkeit:
"Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte."
Der Gesetzescharakter des Sollens ergibt sich einzig und allein aus der Vernunft und ist unabhängig von der Erfahrung. Der Mensch ist ganz frei, steht aber doch unter dem Gesetz, nämlich der Vernunft. D.h. die Autonomie ist nicht selbstherrliche Willkür.
Sittlich gut ist einzig die Handlung, die aus Pflicht und um der Pflicht willen (Achtung vor dem Gesetz) geschieht. (Ethischer Rigorismus Kants)
Das Gesetz ist die Grundlage der Sittlichkeit, nicht die Glückseligkeit. Diese ist nur Folge der Sittlichkeit.
In der Kritik der praktischen Vernunft postuliert Kant: Unsterblichkeit, Freiheit und Gott: Der Mensch erreicht das sittliche Ideal nie vollkommen, er wird immer danach streben. Nur Gott ist das Gute, das Vollkommene, die höchste Vernunft. Wie Leibniz spricht Kant vom "Reich der Gnaden" mit Gott an der Spitze. (Nach Kant einzig möglicher Gottesbeweis)
Rechtsverständnis:
Nach Kant ist Recht der "Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen bei einem allgemeinen Gesetz der Freiheit vereinigt werden kann". Recht wird zu einer Sache der äußeren Zwangsmaßnahmen. Kant macht eine scharfe Trennung zwischen Recht und Moral.
Staatsverständnis:
Der Staat ist Kant zufolge eine Vereinigung von Menschen unter Rechtsgesetzen. Wie das Recht ist auch der Staat eine äußere Institution, mit einer Dreigewaltenteilung, um Freiheit der Individuen zu schaffen.
Mündigkeit / Unmündigkeit
In einem Aufsatz der Berlinischen Monatszeitschrift, dem führenden Organ der deutschen Aufklärung, beantwortet Immanuel Kant 1784 die Frage "Was ist Aufklärung?":
"Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines andern zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht aus Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. 'Sapere aude!
Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!' ist also der Wahlspruch der Aufklärung. "Mit dieser Antwort weicht Kant von den traditionellen Definitionen von "Aufklärung" ab. Er unterscheidet drei Formen von Unmündigkeit: Natürliche Unmündigkeit: unreifes Alter Gesetzliche oder bürgerliche Unmündigkeit: wenn jemand, der seine Angelegenheiten selbst nicht mehr führen kann, vom Staat entmündigt wird Moralische Unmündigkeit: selbstverschuldete Unmündigkeit (siehe obiges Kant-Zitat)
Die moralische Mündigkeit muss vom Menschen selbst erworben werden, schließt also einen Willensakt mit ein, der am Beginn des Ausgangs aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit steht.
Aufklärung ist nach Kant nicht nur eine Sache des Verstandes, sondern auch eine Sache des Selbsttuns, der Selbstverantwortung, der Entschlossenheit, der Risikobereitschaft und des Mutes. Sie ist nicht nur eine Leistung des Intellekts, sondern auch des Charakters.
Die Aufklärung ist nicht nur durch Vorurteile, Zeitströmungen, veröffentlichte Meinungen und Ideologien gefährdet, sondern sie ist auch gefährdet durch Feigheit, Bequemlichkeit und Trägheit.Eine Entmündigung des Bürgers geschieht auch durch den Sozial- und Wohlfahrtsstaat sowie durch Versicherungen. Kant spricht vom "despotischen Staat", weil der Staat seine Untertanen zwingt, nach seinen eigenen Vorstellungen glücklich zu werden.
Wohltätig ist des Geistes macht, wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht. Wer die Vernunft ausschaltet, findet im Dunkeln den Schalter zum Wiedereinschalten nicht mehr. http://www.prueter.eu

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#15 Re: Warum sind Menschen nicht mündig?

Beitrag von Opa Klaus » Do 2. Apr 2015, 12:21

Adam und Eva wurden von Gott nicht bevormundet, genau so wenig, wie die Aufklärung eines Kindes von seiner Mutter: "Fasse nicht an den heißen Ofen, du verbrennst deine Finger".
Der Griff zum Baum der Erkenntnis sollte ein Zeichen vom Verlust der Erkenntnis sein. Denn über den Verdauungskanal ist noch nie jemand schlauer geworden.
Die "Schlange" bevormundete Menschen mit einer Halbwahrheit. Wahr ist, dass sie die Lüge der Schlange "erkannten" und dass sie nicht SOFORT starben. Lüge ist, "dass sie so sein würden wie Gott", denn vor dem Übergriff zum Baum waren sie schon "nach Gottes Gleichnis und Bilde erschaffen" worden. Durch ihren Realitätsverlust verloren sie aber diese Gleichheit und wurden zu dummen Deppen. Dieses Verhalten haben sie dann an ihre Nachkommen (mit Ausnahmen) bis heute weiter gegeben.
Der Realitätsverlust, also in Luftschlössern wohnen, scheint wie eine Droge zu wüten und genau so schwer heilbar zu sein.
Je mehr Probleme die Realität verursacht, um so stärker die Realitätsflucht ... und diese verschlimmert die realen Probleme dann um so mehr.
= ein Teufelskreislauf.
Außerdem erleichtert der Realitätsverlust es jeglichen "Führern" Not und Elend unter der Menschheit anzurichten ohne Protest zu ernten.
Nicht die "Führer", sondern die Verführten müssen die eingebrockte Suppe stets auslöffeln. Da sehen die "Blinden" leider nie.
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#16 Re: Warum sind Menschen nicht mündig?

Beitrag von piscator » Do 2. Apr 2015, 12:23

Opa Klaus hat geschrieben:Aufklärung ist nach Kant nicht nur eine Sache des Verstandes, sondern auch eine Sache des Selbsttuns, der Selbstverantwortung, der Entschlossenheit, der Risikobereitschaft und des Mutes. Sie ist nicht nur eine Leistung des Intellekts, sondern auch des Charakters.
Die Aufklärung ist nicht nur durch Vorurteile, Zeitströmungen, veröffentlichte Meinungen und Ideologien gefährdet, sondern sie ist auch gefährdet durch Feigheit, Bequemlichkeit und Trägheit.Eine Entmündigung des Bürgers geschieht auch durch den Sozial- und Wohlfahrtsstaat sowie durch Versicherungen. Kant spricht vom "despotischen Staat", weil der Staat seine Untertanen zwingt, nach seinen eigenen Vorstellungen glücklich zu werden.
Hallo Opa Klaus, Kant war ein Kind seiner Zeit, was bedeutet, dass die damalige Gesellschaft und auch die politischen Verhältnisse anders waren als heute.
Natürlich fördert unser Sozialstaat bis zu einem bestimmten Punkt die "Faulheit" oder besser gesagt die selbst gewählte Passivität, er bietet die Möglichkeit, sich in eine Art sozialen Kokon zurückzuziehen und am gesellschaftlichen oder politischen Leben nicht mehr teilzunehmen, da eine - wenn auch auf geringem Niveau - mögliche Alimentation ohne eigene Anstrengungen möglich ist.

Allerdings ist es aus meiner Sicht auch eine Form der Selbstverantwortung und Mündigkeit, bestimmte Dinge anderen Menschen oder Organisationen zu überlassen, die einfach besser damit umgehen können. Es spricht absolut nichts dagegen, bestimmte Risiken, denen jeder Mensch unterliegt, einer Gemeinschaft von vielen Menschen zu übertragen, wie dies in beispielsweise bei den Versicherungen Usus ist. Im Gegensatz zu den gesellschaftlichen Zwängen zu Lebzeiten Kants haben wir heute die Wahl, unter vielen Möglichkeiten das herauszusuchen, was uns geeignet scheint.
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#17 Re: Warum sind Menschen nicht mündig?

Beitrag von Opa Klaus » Do 2. Apr 2015, 12:26

Realitätsverlust
Aus Stupidedia, der sinnfreien Enzyklopädie!
Der Realitätsverlust ist ein psychisches Phänomen, welches zu sozialer Desintegration und absoluter politischer Unkontrollierbarkeit führt (chaotischer Realitätsverlust) oder aber Voraussetzung für das Gegenteil ist (Verblendung).
Hintergrund
Schon in den frühen Stunden des menschlichen Daseins kam es zu vereinzelten Fällen von Realitätsverlust. Heute sind beide Arten verbreitet. Viele Betroffene sind der Ansicht, nicht unter Realitätsverlust zu leiden. Sie genießen ihn.
Verblendung
Realitätsverlust durch Verblendung wird durch eine Lüge verursacht und kann schwerwiegende Folgen am menschlichen Gehirn nach sich ziehen. So waren schon die Nazis des Bronze- und Kruppstahlzeitalters der Überzeugung, die Krone der Schöpfung zu sein und sich daher bis heute nicht weiterentwickeln zu müssen.
Chaotischer Realitätsverlust[Bearbeiten]
Wird auch als personeller Realitätsverlust bezeichnet. Wird meist ohne direktes Einwirken anderer Personen verursacht. Gründe können Drogenkonsum, Schockerlebnisse oder Killerspiele sein.
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JackSparrow
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#18 Re: Warum sind Menschen nicht mündig?

Beitrag von JackSparrow » Do 2. Apr 2015, 19:29

Opa Klaus hat geschrieben: "Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte."
Wenn man Adolf Eichmann heißt und der Meinung ist, eine "Endlösung der Judenfrage" müsse zum allgemeinen Gesetz werden, handelt man demzufolge vernünftig und sittlich.

Das Gesetz ist die Grundlage der Sittlichkeit, nicht die Glückseligkeit. Diese ist nur Folge der Sittlichkeit.
Warum will jemand sittlich handeln? Weil er sich dann gut fühlt. Die Sittlichkeit wird also durch Emotionen gesteuert. Außerdem erlaubt der kategorischen Imperativ prinzipiell alles. Man muss die eigene Maxime eben bloß passend formulieren.

closs
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#19 Re: Warum sind Menschen nicht mündig?

Beitrag von closs » Do 2. Apr 2015, 20:03

JackSparrow hat geschrieben:Wenn man Adolf Eichmann heißt und der Meinung ist, eine "Endlösung der Judenfrage" müsse zum allgemeinen Gesetz werden, handelt man demzufolge vernünftig und sittlich.
Formal richtig - allerdings lebte Kant in einer Zeit, die das "innere Gesetz" kannte - also das, was man altmodisch "Gewissen" nennt. - Fällt dessen Legitimation weg, sind alle Schleusen offen - ein Grundporblem aller induktiven Bastel-Systeme.

JackSparrow hat geschrieben:Man muss die eigene Maxime eben bloß passend formulieren.
Eben - das ist dann die Folge davon.

Samantha

#20 Re: Warum sind Menschen nicht mündig?

Beitrag von Samantha » Sa 4. Apr 2015, 23:06

@Opa Klaus

Wie soll der Menschen jemals mündig werden, wenn er doch die (An)Leitung durch einen Gott oder ansonsten andere Menschen braucht? Die Menschen sind doch gar nicht in der Lage, ohne Fehler zu machen zu agieren, auch nicht in der Rechtsprechung. Der Mensch will sein Wissen erweitern und vieles verbessern, muss aber trotzdem auch ungerechte Entscheidungen treffen, damit ein Zusammenleben möglich ist. Es ist schwer, sich zu orientieren bei den vielen Religionen und verschiedenen Weltbildern - Einigung und Frieden scheint unmöglich. Wie soll da ein Menschen zufrieden leben und gleichzeitig mündig sein?

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