Ein Plädoyer für eine erkenntnisbasierte Spiritualität

Philosophisches zum Nachdenken
Pluto
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#11 Re: Ein Plädoyer für eine erkenntnisbasierte Spiritualität

Beitrag von Pluto » Mi 21. Jan 2015, 23:48

Novalis hat geschrieben:Weshalb können beide Sichtweisen nicht einfach einander ergänzen oder wenigstens ko-existieren?
Es wäre sehr hilfreich, sie mal nebeneinader zu stellen, und ihre Aussagen rational zu prüfen, z. Bsp. anhand von verifizierbaren Vorhersagen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#12 Re: Ein Plädoyer für eine erkenntnisbasierte Spiritualität

Beitrag von closs » Mi 21. Jan 2015, 23:54

Novalis hat geschrieben:Die bestreiten natürlich umgekehrt das materialistische Weltbild
Das ist missverständlich - mir wäre lieber: Die Mystiker erkennen wissenschaftliche Beobachtungen als solche vollumfänglich an, ziehen aber andere Schlüsse daraus als der Materialismus.

Pluto hat geschrieben:Kannst du mir erklären worin sich faktisch ein geistiger und ein zerebraler Prozess unterscheiden?
Geistige Prozesse im menschlichen Gehirn sind selbstverständlich neurowissenschaftlich ("zerebraler Prozess") abgebildet und somit bobachtbar. - Das Problem liegt nicht in der Beobachtbarkeit, sondern in der Interpretation des Wortes "Geist".

"Geist" im spirituellen Sinne ist das, woraus Materie/Universum/Dasein ist, und das sich in der Materie dementsprechend abbildet. - "Geist" im materialistischen Sinne ist das, was der Neurowissenschaftlern an Beobachtbarem als Geist bezeichnet. - Das sind zwei völlig unterschiedliche Kategorien.

Nun steht es dem Materialisten selbstverständlich frei, Geist im spirituellen Sinne zu negieren ("gibt's nicht"). - Aber dann sollte er im Wissen, dass andere (und sogar ältere) Disziplinen diesen Begriff nutzen, nicht dasselbe Wort nehmen, um etwas ganz anderes daraus zu machen - das führt zu ständiger Verwirrung.

Pluto
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#13 Re: Ein Plädoyer für eine erkenntnisbasierte Spiritualität

Beitrag von Pluto » Do 22. Jan 2015, 00:02

closs hat geschrieben:Das Problem liegt nicht in der Beobachtbarkeit, sondern in der Interpretation des Wortes "Geist".
Aha?!

"Geist" im spirituellen Sinne ist das, woraus Materie/Universum/Dasein ist, und das sich in der Materie dementsprechend abbildet.
Wie würdest dieses Postulat überprüfen?

closs hat geschrieben:Nun steht es dem Materialisten selbstverständlich frei, Geist im spirituellen Sinne zu negieren ("gibt's nicht"). - Aber dann sollte er im Wissen, dass andere (und sogar ältere) Disziplinen diesen Begriff nutzen, nicht dasselbe Wort nehmen, um etwas ganz anderes daraus zu machen - das führt zu ständiger Verwirrung.
Verwirrung gibt es diesbezüglich bei den Hirnforschern nicht.

Gibt es in der Philosophie so was wie ein "Erfinder-Recht" (Begriffs-Monopol)? Was hindert dann die Naturwissenschaft, das was sie als geistigen Prozess des Gehirns erkennen, auch Geist zu nennen?
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Novas
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#14 Re: Ein Plädoyer für eine erkenntnisbasierte Spiritualität

Beitrag von Novas » Do 22. Jan 2015, 00:10

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Zuletzt geändert von Novas am Do 22. Jan 2015, 02:58, insgesamt 1-mal geändert.

closs
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#15 Re: Ein Plädoyer für eine erkenntnisbasierte Spiritualität

Beitrag von closs » Do 22. Jan 2015, 00:16

Pluto hat geschrieben:Wie würdest dieses Postulat überprüfen?
Beobachtungen sind wissenschaftlich überprüfbar - weltanschauliche Interpretationen nicht. - Der Nachweis wissenschaftlicher Beobachtungen ist seitens der "geistigen Fraktion" vollumfänglich anerkannt - die materialistischen Interpretationen dieser Beobachtungen nicht.

Denn es ist nicht zwingend, dass die Abbildung geistiger Prozesse (mit Wachstum des Gehirns sogar komplexere Abblidung geistiger Prozesse) gleichzusetzen ist mit Bildung des Geistes im Gehirn. Es kann sich genauso gut um ein Präsent-Werden des Geistes (den es auch ohne Gehirn schon gibt) im Gehirn handeln. - Diese beiden Interpretationen sind wissenschaflich nicht entscheidbar, da rein weltanschaulicher Natur.

Pluto hat geschrieben:Verwirrung gibt es diesbezüglich bei den Hirnforschern nicht.
Weil sie nur die eine, nämlich die materialistische, Variante beachten - die spirituelle Variante ist bei ihnen weltanschaulich nicht vorgesehen. - Somit vermischen sie Wissenschaft und Weltanschauung.

Pluto hat geschrieben:Gibt es in der Philosophie so was wie ein "Erfinder-Recht" (Begriffs-Monopol)?
Nein, gibt es nicht. - Aber es führt zu Verwirrung, weil dann mit einem Wort zwei kategorial unterschiedliche Dinge benannt werden.

Pluto
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#16 Re: Ein Plädoyer für eine erkenntnisbasierte Spiritualität

Beitrag von Pluto » Do 22. Jan 2015, 00:26

closs hat geschrieben:Denn es ist nicht zwingend, dass die Abbildung geistiger Prozesse (mit Wachstum des Gehirns sogar komplexere Abblidung geistiger Prozesse) gleichzusetzen ist mit Bildung des Geistes im Gehirn. Es kann sich genauso gut um ein Präsent-Werden des Geistes (den es auch ohne Gehirn schon gibt) im Gehirn handeln. - Diese beiden Interpretationen sind wissenschaflich nicht entscheidbar, da rein weltanschaulicher Natur.
Falls du dich an meinen ersten Post erinnerst, sprach ich auch von nichts anderem als Intepretation.

Wie du schon sagtest: Man interpretiert anders.
Interessant wäre es nun die Begründungen für diese unterschiedlichen Interpretationen unter rationalen Aspekten miteinander zu vergleichen.

closs hat geschrieben:Somit vermischen sie Wissenschaft und Weltanschauung.
So ist es halt im Alltag. Das nennt man Meinungsfreiheit.

closs hat geschrieben:Aber es führt zu Verwirrung, weil dann mit einem Wort zwei kategorial unterschiedliche Dinge benannt werden.
Warum meinst du das?
Ob es wirklich so kategorial unterschiedlich ist, wie du sagst, müsste man zunächst mal genau untersuchen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#17 Re: Ein Plädoyer für eine erkenntnisbasierte Spiritualität

Beitrag von Novas » Do 22. Jan 2015, 00:36

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wie würdest dieses Postulat überprüfen?
Der Nachweis wissenschaftlicher Beobachtungen ist seitens der "geistigen Fraktion" vollumfänglich anerkannt - die materialistischen Interpretationen dieser Beobachtungen nicht.
So ist es. Die Mystik bestreitet nicht die Ergebnisse der objektiven Wissenschaft. Sie verweist lediglich auf eine übergeordnete Wahrheit, die wir erkennen können.
Zuletzt geändert von Novas am Do 22. Jan 2015, 02:57, insgesamt 2-mal geändert.

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#18 Re: Ein Plädoyer für eine erkenntnisbasierte Spiritualität

Beitrag von closs » Do 22. Jan 2015, 01:16

Pluto hat geschrieben:Interessant wäre es nun die Begründungen für diese unterschiedlichen Interpretationen unter rationalen Aspekten miteinander zu vergleichen.
Es ist genauso rational, ob man die Welt als ein sich aus sich selbst SChaffendes versteht oder als geschaffen versteht. - Beides ist begründbar.

Pluto hat geschrieben:So ist es halt im Alltag. Das nennt man Meinungsfreiheit.
Fürs Publikum ist es aber hilfreich zu wissen, ob es eine wissenschaftliche oder eine weltanschauliche Aussage bekommt.

Pluto hat geschrieben:Ob es wirklich so kategorial unterschiedlich ist, wie du sagst, müsste man zunächst mal genau untersuchen.
Wissenschaftlich KANN man es nicht untersuchen, weil es nicht falsizifierbar ist, ob Weltanschauung 1 oder 2 am Ende die richtige ist.

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#19 Re: Ein Plädoyer für eine erkenntnisbasierte Spiritualität

Beitrag von Novas » Do 22. Jan 2015, 01:18

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Interessant wäre es nun die Begründungen für diese unterschiedlichen Interpretationen unter rationalen Aspekten miteinander zu vergleichen.
Es ist genauso rational, ob man die Welt als ein sich aus sich selbst SChaffendes versteht oder als geschaffen versteht. - Beides ist begründbar.
Meiner Ansicht nach ergänzen sich diese Positionen sehr gut. ;) Das "mystische" Verständnis der Welt ist, dass sie ein Selbst-Ausdruck des universellen Bewusstseins ist. Die tantrische Philosophie spricht von "Shiva" und "Shakti". Materie, Klang, Gedanken, Emotionen, Licht, alles wird als eine bestimmte Facette innerhalb der Manifestation des einen Geistes oder Bewusstseins gesehen.

Auch Wissenschaftler diskutieren darüber, wie sich die vier Grundkräfte der Physik auf eine Kraft zurückführen lassen. Für mich steht das Ergebnis schon fest: Bewusstsein - ich glaube, die String-Theorie ist auf der richtigen Spur. "Es gibt allerdings Versuche (beispielsweise die Superstring-Theorie), diese vier Grundkräfte als Manifestationen einer einzigen Grundkraft anzusehen.

Wie gesagt, klingt die Theorie, dass das ganze Universum Manifestation der gleichen Urkraft ist und das Göttliche sich als das Universum manifestiert, heute sehr modern. Zur Zeit ihrer Entstehung vor einigen Jahrtausenden war sie recht revolutionär. Und im 19. Jahrhundert lachten die Engländer über die abergläubigen Inder. Denn schließlich hatte die moderne Wissenschaft des 19. Jahrhunderts angeblich festgestellt, dass das Universum aus Atomen besteht, die unteilbar und grundlegend unterschiedlich sind und keinesfalls ineinander überführt werden können. Es bedurfte der modernen Atomphysik, um die Tantra-Philosophie wieder hoch aktuell zu machen."

http://www.yoga-vidya.de/tantra/tantra- ... hakti.html

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#20 Re: Ein Plädoyer für eine erkenntnisbasierte Spiritualität

Beitrag von 2Lena » Do 22. Jan 2015, 08:59

Pluto hat geschrieben:Natürlich bestreiten Mystiker das naturwissenschaftliche Weltbild. Die Frage ist, welche Möglichkeiten haben sie dies an Hand von Beobachtungen zu bestätigen?
Genausoviel wie du bestätigen kannst, was du riechst, was du fühlst und wie sich ein elektrischer Schlag anfühlt. Während du mit feuchten Fingern eine nicht gesicherte Steckdose berührt hast, das Gefühl hast, vor Schmerz in Ohnmacht zu fallen, innerlich zu verbrennen, sieht der Nachbar: Der Typ schreit bloß sinnlos - und legt sich auch noch zum Schlafen auf den Boden!

Es kann nicht jeder dieses Erlebnis haben. Manche sind bei Stomberührung aus der Ohnmacht nicht mehr aufgewacht. Es ist sinnlos, solche Versuche zu machen. Entweder hat man eine Begabung, Übersinnliches zu erfahren, oder eben nicht. Es ist ebenso sinnlos, dass ich mir die Fähigkeiten eines mechanisch Begabten wünsche. Ich bring das Auto halt in die Werkstatt.

Im Plädoyer für eine erkenntnisbasierte Spiritualität und eine spirituelle Wissenschaft (Michael Habecker) ist ein Werdegang nicht plausibel erklärt worden. Das materialistische Weltbild entstand durch die Diskrepanz zwischen der Religionswissenschaft und der beweisbaren Realität.

Richtig wäre gewesen, die "Sprache" zu entschlüsseln, das vorhandene Wissen als festen Stammbaum zu belassen und dann ins Detail zu gehen. Damit geht es ohne Bruch. Der feste "Glaube" die Bibel sei wahr, bedingte Zwist durch die "vermutete" Unrealität der Poesie (7Tage alles geschaffen). Die Theologen konnten ihn nicht auflösen. Sie hatten den Stoff nicht ganz gelernt.

Die Naturwissenschaftler lösten in (scheinbar). Was beide Teile nicht wussten, war die andere Form der Dichtkunst. Eine vergebliche Liebesmüh ist es, so vorzugehen. Wir sind weiter zurück als die Alten (aber um etliche Erfahrungen reicher).
Seufz, ich kenn das zu gut.

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