Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Philosophisches zum Nachdenken
Pluto
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#11 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Pluto » So 23. Nov 2014, 22:32

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Schließlich sind seine Gottesargumente ein Paradebeispiel von Ontologie.
Begriffs-geschichtlich möglicherweise - im Grundsinn des Wortes "Ontologie" nicht.
Das verstehe ich nicht. Da stehe ich echt auf dem Schlauch.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Zunächst muss man aber setzen, dass es Sein überhaupt gibt, nicht wahr?
Nein - spätestens beim "Cogito" wird man fündig - wenn Subjekt und Objekt identisch sind, gibt es keinen Zweifel mehr.
Wie wir gesehen haben, hängt das "cogito" von der Annahmen über Gottes Allmacht ab, und gilt nur wenn Gott sich den Regeln der Logik fügen muss. Descartes erkannte dies und musste deshalb von einem ihm wohlgesinnten Gott ausgehen. Er erkannte auch, dass alles andere sein "cogito" relativ erscheinen lassen würde.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ja. Ich verstehe, dass Ontologie eine Methode ist um das Sein auf gleiche Eben wie dasDasein zu erheben.
Kam das so rüber? - Sein/"Realität"/"das, was der Fall ist" sollte auf die Daseins-Ebene GEHOBEN werden?
Du willst also das was der Fall ist (sein könnte) auf die gleiche Stufe stellen wie das was wir in der Welt erkennen, wie Tisch, Stuhl, Auto, Haus, usw.?
Das erscheint mir sehr eine eher fragwürdiges Unterfangen.

closs hat geschrieben:Geist als Weisungsbevollmächtigter des Körpers. - Umgekehrt würde dies heißen: Körper als Instrument des Geistes.
Richtig. Aber der Chef der die Weisungsbefugnis erteilt bleibt der Körper selbst.

Das lässt sich übrigens sehr schön evolutiv zeigen.
Selbst einem Regenwurm müssen eingestehen dass er auf Reize anspricht in dem er mit seinem ausgeprägten Geruchssinn Futterquellen aufspürt, oder vor Gefahren flieht. Was wir (vermutlich) bei ihm ausschließen können, ist dass er seiner Reaktionen bewusst wird. Aber wie steht es mit einem Elefanten? Was können wir denn wissen, wie ein Elefant empfindet, oder was er gerade denkt? Hat er Intentionen, die wir erahnen können? Hat er vielleicht eine Art "Elefantengeist" das wir nicht verstehen?

Wir dürfen annehmen, dass der Elefant nicht so denkt wie wir, aber können wir ihm ein (zumindest rudimentäres) Bewusstsein absprechen?
Ich denke nicht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Savonlinna
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#12 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Savonlinna » So 23. Nov 2014, 22:54

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Zunächst muss man aber setzen, dass es Sein überhaupt gibt, nicht wahr?
Nein - spätestens beim "Cogito" wird man fündig - wenn Subjekt und Objekt identisch sind, gibt es keinen Zweifel mehr.
Bei solchen Aussagen komme ich rein gar nicht mehr mit.
Erst wird sauber philosophiert, man entwickelt Schritt für Schritt, was Prämisse ist, und wie man aus Beobachtung darauf kommt, dass Menschen bei jeder Erkenntnis bereits, oft unbewusst, Prämissen voraussetzen -
und dann plötzlich springt man ganz irrational zu irgendeinem Cogito, als sei dieses die Heilige Schrift, wo Gott gesprochen hat und wo man alles vorsichtige Denken wie Feuer in der Hand von sich wirft und wo man sicheres und unhinterfragbares Land wähnt.
Es gebe keinen Zweifel mehr, wenn Subjekt und Objekt identisch seien?
Seit wann sind sie identisch? Das ist dermaßen reine Behauptung, dermaßen ununtersuchtes Minenfeld, dass ich eben nicht mehr mitkomme.
Descartes hat seine Denkspielchen gemacht, und mit Sicherheit hat er nicht bewiesen, dass Subjekt und Objekt identisch sind. Oder wie ist das gemeint?

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#13 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » So 23. Nov 2014, 22:58

Pluto hat geschrieben:Wie wir gesehen haben, hängt das "cogito" von der Annahmen über Gottes Allmacht ab, und gilt nur wenn Gott sich den Regeln der Logik fügen muss.
Wir haben gesehen, dass das gesagt wird - ich kann nicht erkennen, warum das Argument sein soll. - Aus meiner Sicht sind die besagten Bedingungen erfüllt, wenn Subjekt und Objekt identisch sind - dazu muss man keine theologische Karte ziehen.

Pluto hat geschrieben:Du willst also das was der Fall ist (sein könnte) auf die gleiche Stufe stellen wie das was wir in der Welt erkennen, wie Tisch, Stuhl, Auto, Haus, usw.?
Nein - das, was der Fall unabhängig von unserer Wahrnehmung ist, ist genauso der Fall, wie das, was wir glauben, als der Fall seiend zu erkennen, FALLS es der Fall ist. :oops: :lol:

Den Tisch nimmst Du wahr - ob er unabhängig von Deiner Wahrnehmung der Fall ist, kannst Du nicht wissen - aber Du glaubst es (vernünftigerweise). - Wenn dieser Glaube zutreffend ist, dann ist der Tisch der Fall - genauso wie ein Tisch, den Du NICHT wahrnimmst. - Es zählt in der Ontologie (und das hat sie mit dem Geist gemeinsam) nur das, was der Fall ist - UNABHÄNGIG davon, ob man es wahrnehmungsmäßig checkt.

Pluto hat geschrieben:Das verstehe ich nicht. Da stehe ich echt auf dem Schlauch.
"Ontologie" ist die Lehre vom Sein ("was IST, was ist NICHT") - OHNE zu wissen, wann etwas ist oder nicht ist - es geht nur ums Phänomen.

Gleichzeitig wird ontologisch in der Philosophie unterschiedlich verwendet (wie das meistens der Fall ist - Du hast ja das letzte Beispiel selber gebracht) - deshalb beschränken wir uns hier die Grundbedeutung.

Pluto hat geschrieben:Richtig. Aber der Chef der die Weisungsbefugnis erteilt bleibt der Körper selbst.
Da sind wir wieder an der geistigen Wasserscheide zwischen Materialismus und Spiritualismus/Christentum - beides ist reine Glaubensfrage.

Pluto hat geschrieben:Wir dürfen annehmen, dass der Elefant nicht so denkt wie wir, aber können wir ihm ein (zumindest rudimentäres) Bewusstsein absprechen?
Hängt von der Definition von "Bewusstsein" ab - im transzendenten Sinne hat er vermutlich KEIN (transzendentes) Bewusstsein (wenn doch, wäre er ebenbildliche Schöpfung). - Im materialistischen Sinne geht das natürlich - da kann sogar ein Computer Bewusstsein haben. - Wir verstehen unter "Bewusstsein" Grund-Unterschiedliches.

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#14 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » So 23. Nov 2014, 23:00

Savonlinna hat geschrieben:Es gebe keinen Zweifel mehr, wenn Subjekt und Objekt identisch seien? Seit wann sind sie identisch?
Bis auf EINEN Fall sind sie natürlich NICHT identisch - dieser eine Fall ist "Cogito ergo sum". - Für alle anderen Fälle gilt, dass man sich Prämissen bedienen muss, um Wahrnehmung zu bewerten.

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#15 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Savonlinna » So 23. Nov 2014, 23:24

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Es gebe keinen Zweifel mehr, wenn Subjekt und Objekt identisch seien? Seit wann sind sie identisch?
Bis auf EINEN Fall sind sie natürlich NICHT identisch - dieser eine Fall ist "Cogito ergo sum". - Für alle anderen Fälle gilt, dass man sich Prämissen bedienen muss, um Wahrnehmung zu bewerten.
Wieso ist dieser Fall eine Ausnahme?

Descartes hat für sich erkannt:
Selbst wenn ich mich in allem um mich herum irre - dann ist es immer noch mein Ich, das sich irrt. "Ich irre mich, also bin ich", quasi.

Anderen Menschen ist das Ich-Bewusstsein bei einem wirklichen Zweifel NICHT erhalten geblieben; da wird auch das Ich in Frage gestellt bzw. nicht mehr wahrgenommen.

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#16 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Pluto » So 23. Nov 2014, 23:40

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wie wir gesehen haben, hängt das "cogito" von der Annahmen über Gottes Allmacht ab, und gilt nur wenn Gott sich den Regeln der Logik fügen muss.
Wir haben gesehen, dass das gesagt wird - ich kann nicht erkennen, warum das Argument sein soll.
Descartes selbst hat es erkannt.

closs hat geschrieben:Aus meiner Sicht sind die besagten Bedingungen erfüllt, wenn Subjekt und Objekt identisch sind - dazu muss man keine theologische Karte ziehen.
Subekt und Objekt sind nur identisch, so Gott will.
Das ist nicht von mir; hat Descartes schon sinngemäß erkannt.

closs hat geschrieben:Nein - das, was der Fall unabhängig von unserer Wahrnehmung ist, ist genauso der Fall, wie das, was wir glauben, als der Fall seiend zu erkennen, FALLS es der Fall ist. :oops: :lol:
Was ist also dieses "was der Fall ist", wenn es kein Auto, Haus, Stuhl oder Tisch ist?
Woraus besteht es? Besteht es aus denselben Atomen wie alles was wir um uns erkennen?
Der Punkt ist, wenn du nicht die leiseste Ahnung hast was es ist, kannst du nicht behaupten, dass es existiert.

closs hat geschrieben:Den Tisch nimmst Du wahr - ob er unabhängig von Deiner Wahrnehmung der Fall ist, kannst Du nicht wissen
Doch, doch. ;)
Wenn alles was wir erkennen nicht der Fall wäre, würden komplizierte Gegenstände des Alltags nicht funktionieren... der Backofen, das Handy, der Computer...
Wir müssten jedes Mal Angst haben ein Flugzeug zu besteigen weil die Erkenntnisse der Aeordynamik falch sein könnten, usw.
Dass es Grenzen des Wissens gibt, bestreitet Keiner, aber der Mensch hat eine definierbare Menge an Wissen. Das kann man ihm nicht absprechen.

Fazit: Ich weiß sehr wohl, was ich wahrnehme in der Welt, und was nicht. Und das gilt selbst für Dinge die ich noch nie zuvor gesehen habe, wie bspw. einen Airbus 380.

closs hat geschrieben:aber Du glaubst es (vernünftigerweise).
Mehr als das. ich kann i.d.R. zwischen Wissen und Glauben serr gut unterscheiden: Wissen ist meist falsifizierbar; der Glaube ist es nicht.

closs hat geschrieben:Gleichzeitig wird ontologisch in der Philosophie unterschiedlich verwendet (wie das meistens der Fall ist - Du hast ja das letzte Beispiel selber gebracht) - deshalb beschränken wir uns hier die Grundbedeutung.
Dann ist Ontologie etwa dasselbe wie Erkenntistheorie ohne wirkliche Erkenntnis.

closs hat geschrieben:Da sind wir wieder an der geistigen Wasserscheide zwischen Materialismus und Spiritualismus/Christentum - beides ist reine Glaubensfrage.
Wie schon gesagt, NEIN. Es gibt erkennbare Unterschiede.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wir dürfen annehmen, dass der Elefant nicht so denkt wie wir, aber können wir ihm ein (zumindest rudimentäres) Bewusstsein absprechen?
Hängt von der Definition von "Bewusstsein" ab - im transzendenten Sinne hat er vermutlich KEIN (transzendentes) Bewusstsein
Nicht einmal das kannst du ihm mit Gewissheit absprechen.

Die Transzendenzfähifkeit ist ein qualitiativer Unterschied. Sie ist letztlich Semantik, und dies vermag ein Elefant vermutlich nicht zu begreifen, weil sein Bewusstsein weniger entwickelt ist als unseres. Das sind aber quantitative Unterschiede, nicht qualitative.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#17 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » Mo 24. Nov 2014, 00:03

Savonlinna hat geschrieben:Wieso ist dieser Fall eine Ausnahme?
Wenn das Subjekt (das Ich) beobachtet, dass das Objekt (Ich) "ist", sind Subjekt und Objekt identisch. - Kennst Du einen anderen Fall, bei dem es diese Identität gibt?

Savonlinna hat geschrieben: "Ich irre mich, also bin ich", quasi
"SELBST wenn ich mich irre, bin ich" - man kann sich also in allem täuschen, und trotzdem ändert das nichts am "Ich-bin" - also ist "Ich" ein nachweisbares Sein jenseits von Erkenntnis-Modellen. - Augustinus sagt dasselbe: "Si enim fallor, summ" ("SELBST wenn ich mich irre, bin ich").

Savonlinna hat geschrieben:Anderen Menschen ist das Ich-Bewusstsein bei einem wirklichen Zweifel NICHT erhalten geblieben
Selbst wenn das möglich WÄRE (ich wüsste nicht, wie das gehen soll), gäbe es diese Frage nicht mehr - denn wenn das Ich nicht bewusst oder unbewusst "Ich" erkennen kann, gibt es kein Subjekt - also braucht man erst gar nicht nach einer Übereinstimmung mit dem Objekt zu suchen.

Savonlinna hat geschrieben:da wird auch das Ich in Frage gestellt bzw. nicht mehr wahrgenommen.
Moment: Wenn man sagt, dass man sich in Frage stelle, meint man damit doch nicht, dass man seine Existenz als Ich in Frage stellt - sondern man bezieht sich auf Handlungen des Ichs.

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#18 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » Mo 24. Nov 2014, 00:27

Pluto hat geschrieben:Descartes selbst hat es erkannt.
Aber er scheint sich getäuscht zu haben - bei der Zirbeldrüse hat er sich auch getäuscht.

Pluto hat geschrieben:Was ist also dieses "was der Fall ist", wenn es kein Auto, Haus, Stuhl oder Tisch ist? Woraus besteht es?
Interessiert jeden - deshalb suchen wir ja immer rum - aber: Diese Wahrnehmungs-Frage ist in diesem Zusammenhang irrelevant. - Das, was ist, kann alles Mögliche sein - ob wir es nicht wahrnehmen oder subjekt wahrnehmen oder objektiv wahrnehmen, ist in Bezug auf diese Frage komplett irrelevant.

Pluto hat geschrieben:Der Punkt ist, wenn du nicht die leiseste Ahnung hast was es ist, kannst du nicht behaupten, dass es existiert.
"Behauptung" ist ebenfalls eine Wahrnehmungs-Größe: Ich glaube an Gott (nehme ihn als geistig wahr) und behaupte deshalb, dass es ihn gibt - kann ich machen. - Ontologisch ist egal, ob ich das mache oder nicht.

Die Aussage ist viel einfacher: Was immer es auch gibt, gibt es - egal, ob man danach fragt oder es wissen will oder nicht wissen will.

Pluto hat geschrieben:Wenn alles was wir erkennen nicht der Fall wäre, würden komplizierte Gegenstände des Alltags nicht funktionieren... der Backofen, das Handy, der Computer...
Mein persönlicher Lebensentwurf ist diesbezüglich wie Deiner - ABER: Auch die komplizierten Gegenstände des Alltags könnten Projektionen eines Geistwesens namens Pluto sein - Du kannst schlicht und ergreifend nicht entscheiden, ob Deine Sinne Dich täuschen oder nicht.

Das Argument, dass man das spätestens merken würde, wenn man verhungert (o.ä.), ist auch nicht hinreichend. - Denn Du kannst ebenfalls NICHT entscheiden, ob Dein Hunger nicht auch eine Projektion Deinerseits ist. - Und das Argument, man würde es spätestens merken, wenn man stirbt, ist auch nicht hinreichend - denn das, was Du als "Sterben" bezeichnest, könnte der Ende eines Traums sein und Du wachst in Deiner eigentlichen geistigen Existenz auf. - Alles nicht falsifizierbar.

So - und um nicht den Eindruck des Abhebens zu vermeiden, zurück zur Entscheidungsebene: Wir BEIDE glauben und/oder haben beschlossen, dass wir die naturalistische Welt als "Realität" anerkennen (also etwas, was auch ohne unseren Geist "ist") - aber genau das ist eben Glaube und nicht Wissen.

Pluto hat geschrieben:Ich weiß sehr wohl, was ich wahrnehme in der Welt, und was nicht. Und das gilt selbst für Dinge die ich noch nie zuvor gesehen habe, wie bspw. einen Airbus 380.
Im Rahmen unserer gemeinsamen Setzung, dass die menschlichen Sinne geschaffen sind, "Realität" wahrzunehmen, sind wir uns vollkommen einig - aber es ist Glaubenssache.

Pluto hat geschrieben:zwischen Wissen und Glauben serr gut unterscheiden: Wissen ist meist falsifizierbar; der Glaube ist es nicht.
Dieser Satz ist erst möglich, NACHDEM Du Dein Glaubens-System installierst hast (s.o.). - Und dann ist der Satz richtig, das naturwissenschaftliche Fragen und geistige Fragen dahingehend ein unterschiedliches Erkenntnis-System bevorzugen, dass das eine im Sinne seiner Methodik falsifizierbar ist und das andere nicht. - Ab da sind wir uns wieder einig.

Pluto hat geschrieben:Es gibt erkennbare Unterschiede.
In Bezug auf die beobachteten Objekte und die Methodik der Beobachtung gibt es selbstverständliche erhebliche Unterschiede - beide Systeme gleichen sich jedoch darin, dass sie aufgrund eines Glaubens-Vorgangs akzeptiert oder abgelehnt werden.

Pluto hat geschrieben:Dann ist Ontologie etwa dasselbe wie Erkenntistheorie ohne wirkliche Erkenntnis.
Es ist eine Erkenntnistheorie, die aussagt, welche Erkenntnis unter welchen Voraus-Setzungen möglich ist.

Pluto hat geschrieben:Nicht einmal das kannst du ihm mit Gewissheit absprechen.
Richtig - ich kann es nur (stark) vermuten, aber letztlich weiss es nur Gott. - Das Argument gegen Transzendenz-Fähigkeit (also u.a. auch: "nach Gott fragen können") wäre, dass dann Elephanten ebenbildliche Wesen Gottes wären. - Persönlich GLAUBE ich das nicht - wenn's trotzdem so wäre: Herzlich willkommen. ;)

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#19 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Savonlinna » Mo 24. Nov 2014, 00:45

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Wieso ist dieser Fall eine Ausnahme?
Wenn das Subjekt (das Ich) beobachtet, dass das Objekt (Ich) "ist", sind Subjekt und Objekt identisch. - Kennst Du einen anderen Fall, bei dem es diese Identität gibt?
So etwas kann man nur ganz in Ruhe durchgehen, Schritt für Schritt, indem man sich ständig dessen versichert, dass man noch realen Boden unter den Füßen hat und sich noch nicht rein in Sprachtürmen bewegt, die "ungedeckte Checks" sind.

Was das Subjekt "ist", weiß niemand, es ist ein Begriff mit tausenden von Bedeutungen. Das Gleiche - und fast noch mehr - gilt für das Objekt. Und über die Beziehung zwischen Begriffen, deren Gemeintes gar nicht greifbar ist, kann man nicht einmal mehr vermuten.
Und "Identität" -was genau ist das nun wieder? Selbst wenn man in Liebe miteinander verschmilzt - ist das komplette Identität? Identität heißt doch: das eine ist von dem anderen nicht mehr unterscheidbar, es ist dasselbe geworden.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: "Ich irre mich, also bin ich", quasi
"SELBST wenn ich mich irre, bin ich" - man kann sich also in allem täuschen, und trotzdem ändert das nichts am "Ich-bin" - also ist "Ich" ein nachweisbares Sein jenseits von Erkenntnis-Modellen. - Augustinus sagt dasselbe: "Si enim fallor, summ" ("SELBST wenn ich mich irre, bin ich").
Descartes meint meines Verstehens nach genau das, was ich gesagt habe.
Aber es spielt keine Rolle. Autoritäten haben bei mir keinen Vorrang. Ich muss selber verstehen, selber ganz von vorne philosophieren. Wenn es eine Disziplin gibt, wo keinerlei Autorität zu Erkenntnissen führen kann, dann ist es die Philosophie. Jedes Philosophieren fängt immer wieder von vorne an.
So wie viele Bühnenschauspieler sagen: Der Beifall von gestern nützt mir keinen Deut, wenn ich meinen Fuß auf die Bühne setze. Ich bin nackt, ich habe nichts in der Hand, ich muss ganz von vorne anfangen.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Anderen Menschen ist das Ich-Bewusstsein bei einem wirklichen Zweifel NICHT erhalten geblieben
Selbst wenn das möglich WÄRE (ich wüsste nicht, wie das gehen soll), gäbe es diese Frage nicht mehr - denn wenn das Ich nicht bewusst oder unbewusst "Ich" erkennen kann, gibt es kein Subjekt - also braucht man erst gar nicht nach einer Übereinstimmung mit dem Objekt zu suchen.
Ich versuchte damit deutlich zu machen, dass Descartes' Versuch, aus seinem Zweifel herauszukommen - falls er überhaupt wirklich einen hatte -, psychologisch zu verstehen ist, nicht philosophisch.
Man kann aus einer Lebenskrise so oder anders herauskommen - halten wird das nicht immer lange. Es können Blitzeinsichten sein, die wieder verschwinden. Oder sie sind unter Alkoholeinfluss entstanden oder anderen Einflüssen.
Man kann sich einbilden, die Differenz zwischen Subjekt und Objekt überwunden zu haben - und es gibt welche, die das glauben - in der Praxis hält das nicht.
Und was rein begrifflich - quasi mathematisch - formuliert wird, ist für mich Gedankenspielerei, hat keine Substanz.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:da wird auch das Ich in Frage gestellt bzw. nicht mehr wahrgenommen.
Moment: Wenn man sagt, dass man sich in Frage stelle, meint man damit doch nicht, dass man seine Existenz als Ich in Frage stellt - sondern man bezieht sich auf Handlungen des Ichs.
Da muss ich dann noch mal bei Descartes nachgucken, wie er das gemeint hat. Kann sein, dass ich da was falsch in Erinnerung habe.

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#20 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » Mo 24. Nov 2014, 08:08

Savonlinna hat geschrieben:Aber es spielt keine Rolle. Autoritäten haben bei mir keinen Vorrang. Ich muss selber verstehen, selber ganz von vorne philosophieren.
So ist es - wir wollen hier nicht Descartes gerecht werden, sondern seine Gedanken zur Kenntnis nehmen und sie aus unserer Sicht verwerten.

Savonlinna hat geschrieben:Ich versuchte damit deutlich zu machen, dass Descartes' Versuch, aus seinem Zweifel herauszukommen - falls er überhaupt wirklich einen hatte -, psychologisch zu verstehen ist, nicht philosophisch.
Dass Du das meinst, kam mir, während ich Deinen Beitrag gelesen habe - jetzt hast Du es selber so analysiert.

Natürlich gibt es nichts, was ein Mensch macht, was nicht irgendwie mit seiner Psyche zu tun hätte - jedes Werk in Literatur und Musik ist biografistisch koloriert. Aber deswegen macht man so etwas nicht. - In diesem Sinne: Dass Descartes auf dieses sein Thema gestoßen ist, mag man psychologisch begründen - aber das heisst nicht, dass seine Aussagen psychologischer Natur sind. - In anderen Worten: Descartes meint seine Worte genauso philosophisch wie Augustinus, der 1000 Jahre zuvor fast wörtlich auf das selbe Ergebnis kommt.

Und jetzt sind wir exakt beim Unterschied zwischen Metaebene und Disziplin - auf der Metaebene versucht man zu klären, wie Systeme funktionieren und auf welchen Voraussetzungen sie fußen. - Auf der Disziplinsebene versucht man zu klären, wie ein Sachverhalt im Sinne des eigenen Wahrnehmungsausschnitts zu bewerten ist.

In diesem Sinne ist die Feststellung, dass es ein Zusammenfallen von Subjekt und Objekt gibt, wenn das Ich das Ich ontologisch bewertet, ein nüchterner logischer Vorgang - die Frage lautet NICHT "Wer bin ich?", sondern "Bin ich?". - Und die Antwort auf die Frage "Bin ich?" ist - das wäre die Kernaussage - die einzige Seins-Frage, die für den Menschen sicher mit "JA" beantwortet werden kann.

Lautete die Frage "Stimme ich im Alltag mit mir überein?" wäre das eine psychologische Frage und keine ontologische mehr - dementsprechend könnte man sie psychologisch oder theologisch oder sozialwissenschaftlich beantworten (lassen).

Was hier wieder durchbricht (auch das wäre ein ganz neues Thema), ist folgendes: Beim genauen Durchlesen des AT in der Buber-Übersetzung ist mir im Vergleich mit üblichen renommierten Übersetzungen aufgefallen, dass Buber phänomenologisch übersetzt ("Es-ist-so"), während die üblichen europäischen Übersetzungen wertend übersetzen ("Es-ist-so-weil"). - Ersteres wäre (im Sinne der hier verwendeten Begriffsbesetzung) ontologisch übersetzt, das andere nicht.

Das genau scheint ein Problem unserer Epoche zu sein: Man lässt Sachen nicht stehen, sondern siebt sie erst mal durch sich als Ego durch - es geht einem nicht um ehrfürchtiges "Mit-Wissen" ("con-scientia") dessen, was man wahrnimmt, sondern man zieht es neurotisch oder einfach über Generationen eingeübt durch den eigenen Senf und sagt DANACH: "Da steht es doch".

Das kann individualistisch erfolgen - "Wir haben Meinungsfreiheit - deshalb vertrete ich die Meinung (so wie ein Rechtsanwalt einen Mandanten utilitaristisch vertritt), dass Uli Höneß nicht 3, sondern 10 Jahre hätte bekommen sollen". - Vorher klärt man das mit dem gesellschaftlichen Spielraum ab, in dem eine Meinung akzeptiert ist - und schon ist man wer. - Es geht also ums Ich und nicht um die Wahrheit. - Das kann auch systematisch erfolgen. - Da ist die Welt, die ich naturalistisch beobachte - anderen Systemen, die nicht objektivierbar sind, bin ich mit meinem System überlegen.

Das kann man alles machen (und tut es unwillkürlich im Alltag auch) - aber: Man darf es eben nicht mit dem Etikett "ontologisch" versehen. - "Ontologisch" wäre: "Das Ich IST, wenn es in der Lage ist, das Ich zu reflektieren" - Punkt - egal mit welchen Konsequenzen - es "ist" so. - "Ontologisch" wäre auch, dass der Naturwissenschaftler sagt: "Es ist naturwissenschaftlich objektivierbar, dass ein rohes Ei zerspringt, wenn man es aus 3 Metern Höhe auf einen Steinboden fallen lässt" - es "ist" so.

Nicht-ontologisch, sondern disziplinär gefärbt wäre, wenn man sagen würde: "Was sehe ich eigentlich unter psychologischen Gesichtspunkten, wenn ich micht reflektiere?". Nicht-ontologisch wäre auch, wenn man sagen würde "Was nicht prinzipiell falsifizierbar ist, ist nicht Sein/"Realität"". - In beiden Fällen ersetzt man die nüchterne Beschäftigung mit Sein oder Nicht-Sein durch eine disziplinär kolorierte Form der Beschäftigung. - Das kann man tun, muss man sogar tun, wenn man pragmatisch weiterkommen will - das ist nicht das Problem. - Das Problem scheint zu sein, dass es außer Mode geraten ist, die unterschiedliche Kategorialität dieser Denkweisen "ontologisch - nicht-ontologisch" zu erkennen.

Und das hat dann sehr wohl mit der (Thread-)Frage zu tun, was (im christlichen Sinne: ebenbildlicher) Geist ist. - Denn im christlichen Sinne wäre dieser Geist diejenige Kraft, die den Menschen vom Ego wegführt in das "Mit-Wissen" ("con-scientia" = Mit-Wissen/Bewusstsein/Gewissen) bezüglich der Schöpfung und somit in das "Mit-Wissen" an Gott. - Und das funktioniert NICHT, wenn man disziplinäre Systeme zum Maßstab nimmt - sie sind als Hilfsmittel gemeint. - Es funktioniert nur über das ich-distanzierte "Was IST?"/"Was strömt auf mich ein?"/"Wie lasse ich es sein, was es ist, ohne es durch eigenes Dazwischendrängen zu kontaminieren?".

Sind solche Gedanken im 21. Jh. noch vermittelbar?

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