Pluto hat geschrieben:Aber was das genau dieses Vertrauen mit dem Glauben an die Transzendenz eines höheren Wesens zu tun hat, verstehe ich nicht.
Natürlich ist glauben ungleich Glaube, aber gemeinsam ist ihnen, dass hierin keine Wissensaussagen im streng wissenschaftlichem Sinne getätigt werden.
Ein Beispiel: Ich habe Freunde, denen ich vertraue. Wenn nun jemand von mir verlangen würde, dieses argumentativ zu belegen, hätte ich Schwierigkeiten. Reicht es, wenn ich sage, dass ich sie kenne? Dies könnte man immer als unzureichend entlarven.
Wenn ich nun die Vertrauenswürdigkeit meiner Freunde beweisen sollte, wäre ich völlig aufgeschmissen. Wie soll das gehen?
Was ich machen könnte, wäre über meine Erfahrungen mit ihnen zu berichten, darüber, wie die Freundschaftsbeziehungen über Jahre gewachsen sind. Beweise im strengen Sinne kann ich aber nicht vortragen.
Kritiker sehen Gläubige in der Beweisepflicht. Ich meine, dies ist zu streng, denn schließlich ist glauben ungleich wissen. Es mag zwar Gläubige geben, die ihren Glauben gleich Wissen setzen oder diesen sogar dem Wissen für überlegen halten im Sinne von besseren Wissen, aber dies ist keineswegs bei allen religiösen Menschen der Fall.
Wenn keine Wissensbehauptung aufgestellt wird, sondern lediglich ein Gläube verkündet wird, halte ich es für unfair, Beweise zu fordern. Noch unfairer wird es, wenn dies wissenschaftlich begründet werden muss, denn auch Gläubige sind i.d.R. Laien. Von Lieschen Müller und Herrn Jedermann würde ich keine wissenschaftliche Argumentation erwarten, sondern lediglich eine Alltags-Begründung - ähnlich meiner Begründung, warum ich meinen Freunden vertraue.
Pluto hat geschrieben:Ein solcher Glaube ist doch willkürlich, oder verstehe ich dich falsch?
Es kommt darauf an, auf welchem Fundament der Glaube steht. Wenn der Gläubige auf die Feinabstimmung der Naturkonstanten als Indiz für einen Schöpfer verweist und hierzu ein PDF-Dokument der Universität Ulm vorlegt, er anhand der gödel'schen Theorems darauf aufmerksam macht, dass Gott logisch
möglich ist und auf die von Paulus im 1. Korintherbrief angeführten 500 Zeugen der Auferstehung Jesu i.V.m. der Argumentation des Historikers Dr. J. Spieß zugunsten der Glaubwürdigkeit der Auferstehtung verweist und ferner seinen gelebten Glauben durch das
"Lebensexperiment des Glaubens" (wie Dr. Th. Schwartz es nannte) bezeugt (hier spielt Korrelation eine Rolle), dann ist der Glaube nicht willkürlich, sondern hat im Sinne von Hebr 11:1 "Sustanz".
Natürlich kann dergleichen immer angezweifelt und kritisiert werden. Aber die Kritik dürfte sehr verschieden von der Kritik gegenüber
Russells Teekanne sein.
Woher wissen wir eigentlich, dass keine Teekanne zwischen Erde und Mars um die Sonne kreist? Nun, weil sie in einer Welt postuliert wird, über die wir Wahrscheinlichkeitsaussagen tätigen können. Wir können mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sie nicht existiert, weil die Wahrscheinlichkeit, dass bei den dynamischen Prozessen in der Geschichte unseres Sonnensystems (Entstehung und Entwicklung) die Entstehung einer Teekanne zwischen Erde und Mars gegen Null tendiert und daher vernachlässigbar klein ist.
Die Möglichkeit, dass Außerirdische ausgerechnet das von Bernhard Russell gwählte Objekt genau dort "versteckt" haben sollen, erscheint ebenfalls absurd, ist doch bereits der Besuch von Außerirdischen unwahrscheinlich.
Die dritte Möglichkeit, dass Menschen die Teekanne dort hingebracht haben, würde eine inkohärente Veschwörungstheorie erfordern, die gegen Ockhams Rasiermesser verstoßen würde. Dies genügt für eine qualifizierte Negation.
Grundsätzlich gilt: Existenz muss begründet werden, nicht Nichtexistenz. Zieht man diesen Grundsatz streng durch, müssten wir Außerirdische negieren, bis wir sie nachweisen können. Stopp: Die Stochastik spricht für ihre Existenz. Ein Beweis ist dies nicht, aber Indiz genug, um an die Existenz von Aliens zu glauben - selbst, wenn es nur Mikroben sind.
Bei der Frage der Existenz bzw. Nichtexistenz spielt also die Wahrscheinlichkeit eine große Rolle. Diese leiten wir aus unseren Kenntnissen über die Welt her.
Dies ist allerdings nicht auf einen transzendenten Gott übertragbar, weil wir über die transnaturalistische Welt keinerlei Wahrscheinlichkeiten definieren können. Sie liegt "jenseits" der Physik. Sie mit Verweist auf den Naturalismus zu negieren, basiert auf einer erkenntnistheoretischen Metaebene, die ihre Wurzeln im logischen Positivismus hat. Diese Negation ist aber keinesfalls zwingend, denn streng genommen wissen wir es nicht. Zudem ist sie vom Wesen her verschieden von der Negation von Russells Teekanne.
Übrigens ist Russels Teekanne bewusst absurd und völlig willkürlich. Die Folgerung, dass der Schöpfer existiert, ist aber keineswegs analog zur Teekanne, sondern hat, wie oben aufgezeigt, sehr wohl "Substanz". Die Indizien stützen sich aus Sicht des Gläubigen gegenseitig und lassen Gott glaubhaft erscheinen. Dies kann man von Russels Teekanne nicht sagen. Es liegt also aus zwei Gründen eine Scheinanalogie vor:
1. Unwahrscheinlichkeit ist nicht auf den transzendenten Bereich übertragbar (Kategorienfehler)
2. Indizienlose Willkürlichkeit ist ungleich indiziengestützem Glaubensbekenntnis