closs hat geschrieben:Halman hat geschrieben: Anfangssingularität
Mal eine philosophische Frage (eigentlich auch eine physikalische Frage):
Hatte die Anfangssingularität die Eigenschaft
* Zeit
* Raum
* Materie ---???---
Oder waren Zeit, Raum und Materie eine Folgeerscheinung der Anfangssingularität?
Dies ist eine knifflige Frage. Am Besten versteht man die Anfangssingularität als einen "Rand" der Raumzeit, ähnlich wie ein Blatt Papier Ränder hat. Raumzeitlich gedacht ergibt dies Sinn, denkt man hingegen in Raum
und Zeit, erschließt sich dies nicht.
Die Singularität hat die Größe null und eine unendlich kurze Dauer - so die Theorie. Hawking erkannte, dass die auf der allgemeinen Relativitätstheorie (ART) basierende Urknalltheorie zwingend zu einer Anfangssingularität führt. Diese ist nicht näherungsweise null und sehr kurz, sondern absolut nulldimensional, sowohl in räumlicher wie auch in zeitlicher Hinsicht. Darin gibt es keine Materie, aber sehr wohl Energie in unendlicher Dichte. Vielleicht ist es ja "Urenergie" - ehrlich, ich weiß es nicht.
Klassisch werden auch Schwarzen Löcher als Singularitäten beschrieben (was laut Hawking überholt ist). In
#372 könnt ihr die Ausführungen eine Physikers zum Thema Singularität lesen, dem ich einiges an Wissen verdanke. Folgendes Zitat von ihm mag in diesem Zusammenhang erhellend sein:
Zitat von Agent Scullie:
hier muss man zunächst einmal wissen, dass in der ART die traditionellen Vorstellungen von Raum und Zeit unbrauchbar werden und man eine strikt raumzeitliche Sichtweise zugrundelegen muss. D.h. es ist sinnlos, danach zu fragen, ob jetzt die Materie nicht mehr vorhanden ist und die Gravitation sich selbst aufrechterhält, da "jetzt" in der ART eben keine wohldefinierte Bedeutung mehr hat. Die Singularität im Zentrum des schwarzen Loches bildet einen Rand der Raumzeit - an ihr hört die Raumzeit auf. Sie ist somit kein regulärer Teil der Raumzeit und so gesehen nicht in der Raumzeit vorhanden. Vorhanden ist sie aber dennoch als Rand der Raumzeit. Will man von dieser raumzeitlichen Betrachtungsweise zu einer Sichtweise gelangen, die der traditionellen Unterscheidung zwischen Raum und Zeit entspricht, so muss man die Raumzeit in raumartige Hyperflächen zerlegen - jede davon steht dann für einen bestimmten Zeitpunkt, für ein "jetzt". Jedoch ist diese Zerlegung der Raumzeit - auch Folation oder Blätterung genannt - beliebig, man kann die Raumzeit sowohl so zerlegen, dass herauskommt, dass jetzt die Singularität vorhanden ist, als auch so, dass sie jetzt nicht vorhanden ist. Real ist in der ART immer nur die raumzeitliche Sicht, nicht die räumlich-zeitliche.
Zitatquelle
Daher kann man sagen, dass Raum und Zeit mit der Expansion beginnen zu existieren.
Dies ist alles Theorie. Gut möglich, dass es ganz anders begann und Singularitäten gar nicht existieren. Die ART ist "klassisch" formuliert, d.h. dass sie nulldimensionale Punkte zulässt.
Gem. der quantengravitativen Loop-Quantengravitation (LQG) ist der Raum aber
diskret und nicht kontinuierlich wie in der ART. Die Planck-Länge (die in der ART noch gar nicht vorkommt) repräsentiert in der LQG die kleinste Länge, welcher physikalische Relevanz zugesprochen werden kann. Das Planck-Volumen könnte man als "Raumquant" (das keinste mögliche Volumen) bezeichnen. Es kann maximal eine Planck-Masse enthalten (Planck-Dichte).
Die LQG lässt also keine Super-Planck-Physik (kleiner als Planck-Länge, kürzer als Planck-Zeit, dichter als Planck-Masse) zu. Die uns vertraute Physik bezeichnet man als Subplanck-Physik. (Die LQG ist m. K. n. die stärkste Konkurrentin zur Superstringstheorie.)