Descartes und die menschliche Seele

Philosophisches zum Nachdenken
closs
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#771 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Mi 2. Nov 2016, 18:33

SilverBullet hat geschrieben:In der Wahrnehmung ist „Ich“ ein Zusammenhang: „der handelnde Ausgangspunkt“. Man nennt dies auch „subjektive Perspektive“.
In der Wahrnehmung bin ich "Ich" und HABE eine subjektive Perspektive. - Ich nehme mich als "ich" wahr, egal was ich tue. - Nach Deiner Version wäre "Ich" eine Null, wenn es nicht tätig ist.

SilverBullet hat geschrieben:Die Erklärung, auf „was“ das „Ich“ abzielt, „warum“ dieser Zusammenhang aufgebaut wird und von „wem“, umfasst aktuell genau einen Kandidaten: den aktiven Körper.
Also ist das "Ich" ein Produkt des Körpers - so hättest Du es doch gerne, nicht wahr?

SilverBullet hat geschrieben:Wenn ansonsten keine Zusammenhänge vorliegen, gibt es keinen Grund irgendwohin zu zeigen und zu sagen „dort ist etwas“.
Woher willst Du wissen, wo Zusammenhänge da sind und wo nicht?

SilverBullet hat geschrieben:In der Wahrnehmung nicht.
In der geistigen Wahrnehmung schon - aber die gibt es nach Deinem Modell nicht, weil für Dich nur materielle Wahrnehmungen existieren. - Wie immer: Innerhalb Deines Systems passt, was Du sagst.

SilverBullet hat geschrieben:Nur aus dem Vorliegen von Zusammenhängen kann die Vermutung aufgestellt werden, welche Existenzen sicher sind.
Auch nur dann, wenn die Setzungen dazu geglaubt sind (siehe wieder Descartes). - Nach wie vor: Es gibt kein Argument, was aus Wahrnehmungssicht außer dem Ich setzungsfrei sichere Entität wäre.

SilverBullet hat geschrieben:Mit „treudoof“ ziele ich darauf ab, dass Descartes einen Zusammenhang „anzweifeln“ möchte und dann ganz „überrascht“ darauf deutet, dass dieser Zusammenhang ja eine Existenz „zum Inhalt“ hat und „deshalb“ die absolute Sicherheit liefert
In Bezug auf das "Ich" - aber sonst nichts. Und da hat er nach wie vor Recht - es gibt bisher kein schlagendes Argument dagegen.

SilverBullet hat geschrieben:Wie willst du nach dem Ursprung von „Etwas“ fragen
Nicht einmal - da Dein System darauf bekannterweise keine Antwort geben kann.

SilverBullet hat geschrieben:wenn du gar nicht sagen kannst, um was es gehen soll?
Über Eigenschaften geht es schon - probieren wir es mal mit: "Das, was transzendenzfähig zu dem ist, aus dem es ist". - Dies setzt allerdings voraus, dass man nicht setzt, es gäbe nichts außerhalb des naturalistischen Raums.

SilverBullet hat geschrieben:Mit dem Gehirn, steht ein prima Kandidat für das gesuchte Reaktionssystem zur Verfügung.
Es gibt im materiellen Raum keine Alternative dazu - das ist doch unbestritten. - Natürlich braucht der Mensch das Gehirn, wenn er im materiellen Raum aktiv ist. Ohne es geht es nicht.

SilverBullet hat geschrieben:Wie stellt man „Zusammenhänge“ her?
(ich glaube der Fachbereich dazu wird sogar als Wissenschaft angesehen)
"Wissenschaft" ist in erster Linie Beobachten und Beobachtetes beschreiben und daraus Schlussfolgerungen ziehen. - Diese SChlussfolgerungen sind i.d.R. weltanschaulich beeinflusst, weil es nicht anders geht. - Merke: Wissenschaften kann nur Korrelationen beobachten und nicht Kausalitäten beobachten. - Kausale Schlussfolgerungen sind Interpretationen aus Beobachtungen, aber nicht Beobachtung selbst.

closs
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#772 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Mi 2. Nov 2016, 18:34

Frable hat geschrieben:Obgleich ich nun nicht Counterweight heiße muss ich hier klarstellen, dass ich abgesehen von diesem Account seit Jahren überall und sehr konsequent den Nickname Counterweight verwende.
Falls ich mich getäuscht habe, bedauere ich meinen Irrtum.

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#773 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Frable » Mi 2. Nov 2016, 18:40

SilverBullet hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Jetzt weichst Du aus - also anders: Ist das, was Du "ich" nennst, Entität oder nur Kontext?
In der Wahrnehmung ist „Ich“ ein Zusammenhang: „der handelnde Ausgangspunkt“. Man nennt dies auch „subjektive Perspektive“.

Die Erklärung, auf „was“ das „Ich“ abzielt, „warum“ dieser Zusammenhang aufgebaut wird und von „wem“, umfasst aktuell genau einen Kandidaten: den aktiven Körper.
Der Körper (genauer: das Gehirn) stellt den „Ich“-Zusammenhang für den Körper auf.
D.h. das Aufstellen des Zusammenhanges wird dadurch erklärt, dass der Körper eine Existenzform ist. Der Körper selbst wird zudem als „wirklich“ verstanden.
Dies ist ein Wechselspiel der Zusammenhänge, das zur Sicherheit der Korrektheit beiträgt.
Natürlich richtig.
Jede Aussage, die darüber hinausgeht und abstrakte Behauptungen im transzendenten Sinne strickt ist gleichbedeutend mit Fantasie. Über die Fantasie irgendeiner Person muss nicht diskutiert werden, weil es nichts gibt worüber diskutiert werden könnte.

Daher halte ich eine Diskussion über die von closs aufgestellten Behauptungen weder für möglich noch für sinnvoll.

closs
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#774 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Mi 2. Nov 2016, 18:42

Frable hat geschrieben:Daher halte ich eine Diskussion über die von closs aufgestellten Behauptungen weder für möglich noch für sinnvoll.
Aus materialistischer Sicht folgerichtig. - Und trotzdem: Gibt es da bei Euch überhaupt keine inneren Impulse, dass da irgendwas nicht stimmen kann?

Weltanschauung ist ja schön und recht - aber gibt es da überhaupt keine inneren Korrektive, die einem wissen lassen, dass da mit der Weltanschauung etwas im Argen liegt?

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#775 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Frable » Mi 2. Nov 2016, 18:50

closs hat geschrieben:
Frable hat geschrieben:Daher halte ich eine Diskussion über die von closs aufgestellten Behauptungen weder für möglich noch für sinnvoll.
Aus materialistischer Sicht folgerichtig.
Eben. Deine fantasiereiche closs-Sicht ist eben nur die deinige.
Doch wenn du die Augen öffnest wirst du feststellen, dass auch du dich in der materiellen Welt befindest.

closs hat geschrieben:Und trotzdem: Gibt es da bei Euch überhaupt keine inneren Impulse, dass da irgendwas nicht stimmen kann?
Ich erkenne durchaus, dass an deinen Behauptungen nichts substantielles dran ist. Erkennbar ist nur dein Wunsch, dass da 'noch mehr' ist.
Deshalb ist es nicht wirklich verwunderlich, dass jede Behauptung auf diesem Wunsch oder dieser Hoffnung beruht. Das macht es aber nicht substantieller.
Zuletzt geändert von Frable am Mi 2. Nov 2016, 18:55, insgesamt 1-mal geändert.

JackSparrow
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#776 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von JackSparrow » Mi 2. Nov 2016, 18:54

closs hat geschrieben:Wer oder was denkt dann?
Denken ist eins der Wörter, die ein menschliches Gehirn verwendet, um über seine eigene Tätigkeit zu reden. Notfalls könnte man also sagen, dass ein Denken existiert. Aber es existiert kein Denker.

Jack Sparrow meint, dass der Körper ein Zellhaufen ist, der zu Reiz-Reaktionen in der Lage ist. - Ist das "der Mensch"?
Da es viele verschiedene solcher Zellhaufen gibt, ist das "ein Mensch" und nicht "der Mensch".

Wenn aber der Körper die Entität des Ich ist (wie Jack meint) und somit "Ich" nur eine Körperfunktion des Ich: Was wäre dann "Geist"?
Eine Erfindung des Zellhaufens.


Halman hat geschrieben:Die Begriffe Ruach und Pneuma haben in der Bibel einen recht weiten Bedeutungsbereich und können den buchstäblichen Wind, Gottes Heiligen Geist, Engel-Geister oder den Lebensodem von Mensch und Tier meinen (s. Pr 3:19-21).
Zumindest seit Luther und seiner "volksnahen" Übersetzung.

wohingegen das von pnoe abgeleitete pneuma auch Geister bezeichnen kann; s. Hebr 1:14, πνευματα (pneúmata).
Das griechische Wort für ein körperloses denkendes Wesen lautet "daimon" und mitnichten "pneuma". "Pneumata" sind Winde, die einen Menschen beeinflussen oder krank machen können.

Die Hypothese, dass schlechte Luft diverse Krankheiten verursacht, hat sich im Wort "Mal-aria" (= schlechte Luft) bis heute erhalten, kann aber seit der Entdeckung von Viren, Bakterien und Pilzen größtenteils als widerlegt gelten.

Was die Griechen sonst noch unter "pneumata" verstanden, müssten wir heute als "Mode" oder "Zeitgeist" übersetzen. Im Gegensatz zu damals geht heute niemand mehr davon aus, dass es sich dabei tatsächlich um "Winde" handelt.

Pluto
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#777 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Mi 2. Nov 2016, 19:54

closs hat geschrieben:Aber auch da bleibt die Frage: Was ist Geist vom Wesen her?
Hatten wir das nicht schon?
Wieso lehnst du es ab, ihn als Prozess des Gehirns zu betrachten.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#778 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Mi 2. Nov 2016, 20:14

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Doch genau das tut die Hirnforschung! Und... der Anfang ist gemacht.
Aber doch nur in IHRER Definition von Geist, welche eine biologistische ist - es ist etwas anderes, als hier fin oder ich als "Geist" bezeichnen.
Ja, natürlich hat sich unser Verstädnis von Geist gewandelt. Wo man früher unter Geist etwas mystisches, ungreifbares verstand, wird er heute als Ziel der Untersuchung durch die Forschung angesehen.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Sondern?
Ontologisch - also grundsätzlich und ohne Anbindung an methodische Systeme. Dort werden Fragen gestellt wie "Was 'ist' eigentlich Geist?" - und nicht "Wie kann man Geist materiell abbilden".
Es gibt noch Leute, allen voran der Philosoph David Chalmers, der 1995 das Ungriefbare am Geist mit dem "Hard Problem of Consciousness" beschrieb. Es geht bei diesem schweren Problem, darum den Geist an das Gehirn zu binden, sodass man erklären kann, wie ein physikalischer Zustand des Gehirns bewusst werden kann, anstatt unbewusst zu bleiben. Es ist das Problem, zu erklären, warum es für einen Menschen ist, etwas bewusst zu erleben; wie also Gedanken im Gehirn entstehen und plötzlich "hell erleuchtet", also bewusst werden. Zwei Jahrzehnte nach Chalmers beginnen wir heute zu verstehen, wie das Gehirn funktioniert, was Geist eigentlich ist.
Das ist gut so, denn nur auf diesem Weg, werden abertausende psychisch kranke Menschen nicht mehr im Regen stehen gelassen, sondern die Hoffnung besteht, dass ihnen geholfen werden kann. Man kann heute die meisten Arten von Depressionen mit hormonellen Behandlungen heile, in dem man das Gleichgewicht von Botenstoffen im Gehirn kompensiert. Die Erfolge auf diesem Gebiet sind jetzt schon atemberaubend.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#779 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Mi 2. Nov 2016, 20:56

JackSparrow hat geschrieben:Notfalls könnte man also sagen, dass ein Denken existiert. Aber es existiert kein Denker.
Interessante Aussage, die einiges immer klarer werden lässt.

JackSparrow hat geschrieben:Eine Erfindung des Zellhaufens.
"Geist" ist also eine Erfindung des Zellhaufens - ebenfalls eine interessante Aussage, die einiges immer klarer werden lässt.

Pluto hat geschrieben:Wieso lehnst du es ab, ihn als Prozess des Gehirns zu betrachten.
Geist als Prozess des Gehirn.

Pluto hat geschrieben:Das ist gut so, denn nur auf diesem Weg, werden abertausende psychisch kranke Menschen nicht mehr im Regen stehen gelassen, sondern die Hoffnung besteht, dass ihnen geholfen werden kann. Man kann heute die meisten Arten von Depressionen mit hormonellen Behandlungen heile, in dem man das Gleichgewicht von Botenstoffen im Gehirn kompensiert. Die Erfolge auf diesem Gebiet sind jetzt schon atemberaubend.
Da das Gehirn nach nicht-materialistischer Lesart der Überträger von Geist ins Materielle ist, ist es auch unter nicht-materialistischen Gesichtspunkten nachvollziehbar, warum eine biologische Störung beim Überträger zu einer geistigen Störung führt. - Insofern trägt dies nichts zur Lösung der zugrunde liegenden Frage bei.

@all:
Insgesamt aufschlussreiche Antworten, die die Unvereinbarkeit von materialistischen und geistigen Auffassungen deutlich unterstreichen.

Pluto
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#780 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Mi 2. Nov 2016, 21:09

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wieso lehnst du es ab, ihn als Prozess des Gehirns zu betrachten.
Geist als Prozess des Gehirn.
Was gefällt dir nicht daran?

closs hat geschrieben:Da das Gehirn nach nicht-materialistischer Lesart der Überträger von Geist ins Materielle ist, ist es auch unter nicht-materialistischen Gesichtspunkten nachvollziehbar, warum eine biologische Störung beim Überträger zu einer geistigen Störung führt. - Insofern trägt dies nichts zur Lösung der zugrunde liegenden Frage bei.
Da muss man sich fragen, warum Menschen mit schweren Depressionen Jahrhunderte lang ruhig gestellt wurden. Die Therapie wurde erst in den 80-er Jahren entwickelt, nachdem man begann Geist und Bewusstsein als Produkte des Gehirns zu verstehen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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