Descartes und die menschliche Seele

Philosophisches zum Nachdenken
SilverBullet
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#431 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von SilverBullet » Sa 22. Okt 2016, 14:27

closs hat geschrieben:ich stelle nur fest, dass die einzig erkenntnis-theoretisch sichere Aussage ist "Cogito, ergo sum".
Das ist keine „sichere Aussage“ denn es ist nicht klar, was „Ich“ und was „denken“ sein soll.
Wenn eine Analyse mit „radikalem Zweifel“ durchgeführt werden soll, muss zuerst festgelegt werden, an was gezweifelt wird.

Es gibt zwei Möglichkeiten:
1. Alle Zusammenhänge
2. Zusammenhänge, die auf Existenz abzielen

Punkt 1 kann man relativ schnell abhandeln, denn wenn alle Zusammenhänge ausgeschlossen werden, kann keine Erkenntnis mehr aufgestellt werden, weil dies ja nur eine Zusammenhangserkenntnis sein kann – es geht ja schliesslich um Wahrnehmung.

Descartes zielt wohl auf Existenzzusammenhänge (Punkt 2) ab. Er entsorgt damit die „Aussenwelt“ und den „Körper“ (dessen Zusammenhänge über die Sinne aufgebaut werden).
Hier hätte er aber nicht anhalten dürfen, sondern genauso den Existenzzusammenhang „Ich“ entsorgen müssen, so dass letztlich nur die Erkenntnis übrig bleibt, dass Zusammenhänge aufgestellt werden, dass also ein Vorgang stattfindet.

Weil er aber das religiöse Ziel einer "nicht-weltlichen Instanz" im Auge hat, führt er die Analyse nicht konsequent durch, sondern benutzt letztlich (durch die Hintertür) doch wieder einen Existenzzusammenhang.

Die einzig sicher Aussage ist somit: es werden Zusammenhänge aufgestellt.

(würde man dies auch noch in Zweifel ziehen, dann ist es keine Analyse mehr, denn dann kann es nicht zu einer Erkenntnis kommen)

closs hat geschrieben:Eigentlich ist es schon erklärt: Das Denken weiss nicht, wie es zustandekommt, sondern stellt nur fest, dass es "ist" - mehr "weiss" der Mensch nicht.
Indem du „das Denken“ als Handelnden verwendest, machst du bereits wieder eine Existenzaussage.

Wenn aber sämtliche Existenzaussagen weggelassen werden, bleibt einzig „ein Zusammenhangsvorgang“, also ein Wechsel von Zusammenhängen, übrig.

Genau hier ist es dann essentiell, dass die Funktionsmöglichkeit des Zusammenhangwechsels gesucht wird.
Ein Kandidat, der hierfür in Frage kommt, zeigt automatisch einen Weg auf, was mit dem Zusammenhang „Ich“ gemeint ist.

Wenn man unter diesem Gesichtspunkt das Gehirn untersucht, stellt man fest, dass dieses Organ nichts anderes kann, als Zusammenhänge in Form von Reaktionen aufzustellen.

Eine Untersuchung, wie sich das Gehirn für das Herstellen der Funktion anpasst, führt ohne Probleme zum Körper, als dem dominantesten Ausgangspunkt für sämtliche Zusammenhangswechsel.
Somit ist die „subjektive Perspektive“ die Perspektive des Körpers und „Ich“ zielt auf den Körper ab.
(dies wird eindeutig in dem Video von „fin“ ab min 14:15 bestätigt – ich denke nicht, dass er das Video deshalb verlinkt hat, aber wenn es schon mal da ist, kann ich es ja benutzen :-))

zitat-closs: Das ist Folge einer Setzung, die ontologisch nicht relevant ist.

Naja, wenn die Menge aller möglichen Kandidaten für einen Zusammenhangswechsel genau ein Element umfasst, dann ist dieses Element sogar maximal relevant.

closs hat geschrieben:Weil man es nicht weg-kriegt. - Man überprüft doch dieses Ich nicht, sondern stellt unausweichlich fest, dass es da ist.
Ausser dem Körper kann keinerlei handelnde Instanz festgestellt werden.
Ein tatsächliches Ausschliessen des Körpers durch Ausschalten sämtlicher Körperabläufe, hat zur Folge, dass kein Zusammenhangswechsel mehr stattfindet, also die Analyse nicht fortgesetzt wird.
=> „Ich“ ist ein Zusammenhang, der auf den Körper abzielt.

closs hat geschrieben:Erst im zweiten Schritt ENTSCHEIDET man aus Glaubensgründen
Glaubensgründe sind nicht notwendig, denn die Menge der Kandidaten umfasst exakt ein Element und es besteht eine Festlegung in den Zusammenhängen, dieses Element als „existent“ zu akzeptieren – das passt ohne Probleme.

closs hat geschrieben:Ontologisch ist mit "Ich" die Identität eines Wesens gemeint - ob mit oder ohne Körper.
Da für „Wesen ohne Körper“ kein Kandidaten vorliegt (leere Menge), steht die „Ontologie“ unter maximalem Zugzwang, die Behauptung entweder auf „mit Körper“ zu beschränken oder den Status der leeren Menge zu verändern.

Solange für eine Variante nur die leere Menge vorliegt, ist es vollständig sinnvoll die Behauptung umzuformulieren auf:
„Ontologisch ist mit "Ich" die Identität eines körperlichen Wesens gemeint“ – das rockt :-)

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Dennoch kannst du dich nicht dagegen entscheiden – du bist nicht frei, sondern „es ist entschieden“.
So ist es - das war jetzt ein richtig guter ontologischer Satz. - Du MUSS Dich aber entscheiden, wie DU es verstehst - da Du nicht wissen kannst, wie es WIRKLICH entschieden ist.
Das ist wieder nur das gleiche Spiel:
Sobald in einer Analyse angefangen wird, Existenzzusammenhänge anzuzweifeln, müssen alle angezweifelt werden.
Resultat (siehe oben):
=> „Ich“ ist ein Zusammenhang, der auf den Körper abzielt.

closs hat geschrieben:Nein - das ist die eigene Identität, die "zufällig" im Dasein mit Materie verbunden ist.
Vorsicht: du redest über die leere Menge!

closs hat geschrieben:Ich wiederhole in eigenen Worten: Ein Gehirn eines von Geburt an Blinden hat die Möglichkeit, Farben (etc.) ins Bewusstsein des Blinden zu projezieren - habe ich richtig verstanden?
Nein, versuch es so zu formulieren, dass weder „Farbe“ noch „Bewusstsein“ einen Objektstatus bekommen, sondern dass die Aktivität des Gehirns im Vordergrund steht.
Innerhalb einer Reaktion mit Zusammenhangsmöglichkeiten ergibt sich „eine Überzeugung“ dadurch, dass es zu einem Zusammenhang kommt, der als „sicher“ verwaltet wird, sozusagen keine Alternativen stattfinden können.
Der Blinde „sieht keine Farben“, sondern seine „felsenfeste Zusammenhangsreaktion“ ist es „Farben gesehen zu haben“ -> „Überzeugung“.
Das Gehirn führt direkt die Überzeugung aus – es muss nicht extra eine „Theaterszene“ konstruiert werden.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Da bleibt keine Funktion übrig, die du dem „geistigen Wesen“ zuschreiben könntest.
Deine Weltanschauung ist so gestrickt, dass sie es zulässt.
(du hast hier bestimmt ein „nicht“ vergessen)

Es liegt nicht an einer Weltanschauung, sondern daran dass du eine leere Menge vertrittst.
Zum einen, was die nicht-materiellen Kandidaten angeht und zum anderen, was die Zusammenhänge betrifft.
Schau dir noch mal das Video von „fin“ ab min 14:15 an.
Würde das Gehirn im Kontakt mit irgendetwas Nicht-Materiellem stehen, dann würden Zusammenhänge aufgebaut werden -> Fehlanzeige.

closs
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#432 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Sa 22. Okt 2016, 15:26

SilverBullet hat geschrieben:Das ist keine „sichere Aussage“ denn es ist nicht klar, was „Ich“ und was „denken“ sein soll.
Wie würdest Du das nennen, was denkt und sich dessen bewusst ist? - Meines Wissens hat sich dafür das Wort "Ich" eingebürgert. - Damit ist noch nicht gesagt, WAS jetzt in allen Facetten das Ich ist - insofern Zustimmung - aber hier geht es erst mal um die Feststellung, dass es diese bewusste Instanz gibt.

SilverBullet hat geschrieben:Hier hätte er aber nicht anhalten dürfen, sondern genauso den Existenzzusammenhang „Ich“ entsorgen müssen, so dass letztlich nur die Erkenntnis übrig bleibt
Aber er merkt doch an sich, dass es eine bewusste Erkenntnis ist.

SilverBullet hat geschrieben:Die einzig sicher Aussage ist somit: es werden Zusammenhänge aufgestellt.
Es gibt Zusammenhänge - ok. - Aber WER stellt sie auf?

SilverBullet hat geschrieben:Indem du „das Denken“ als Handelnden verwendest, machst du bereits wieder eine Existenzaussage.
OK - ich konkretisiere: Der Denkende weiss nicht, wie sein Denken zustande kommt.

SilverBullet hat geschrieben:Wenn man unter diesem Gesichtspunkt das Gehirn untersucht, stellt man fest, dass dieses Organ nichts anderes kann, als Zusammenhänge in Form von Reaktionen aufzustellen.
Dafür ist es ja da. - Aber wer "merkt" das überhaupt, wenn keiner (= kein Ich) da ist?

SilverBullet hat geschrieben:Ausser dem Körper kann keinerlei handelnde Instanz festgestellt werden.
Aber doch nur, wenn man das "Cogito" genuin als Leistung des Körpers versteht. - Kann ja so sein, aber man kann es doch nicht setzen. - Es kann genauso die Res Cogitans sein, die sich doch nur DANN des Gehirns bedient, wenn die Res cogitans "Gehirn" überhaupt existiert. - Genau das ist aber nicht nachweisbar.

SilverBullet hat geschrieben:Da für „Wesen ohne Körper“ kein Kandidaten vorliegt (leere Menge)
Aber doch nur in Deinem materialistischen Denksystem. - Mal ganz praktisch: Stell Dir mal vor, die Christen hätten recht, und der Mensch würde nach dem Tod geistig auferstehen - wie stellst Du Dir das vor mit Deinem System?

SilverBullet hat geschrieben:Vorsicht: du redest über die leere Menge!
Die DU konstruiert hast - das ist nicht entscheidend. - Deine Konstrukte sind in sich schlüssig, aber auf der Setzung aufgebaut, dass die menschliche Existenz materiell sein MUSS.

SilverBullet hat geschrieben:Der Blinde „sieht keine Farben“, sondern seine „felsenfeste Zusammenhangsreaktion“ ist es „Farben gesehen zu haben“ -> „Überzeugung“.
Das wäre psychologisch oder erkenntnis-theoretisch nachvollziehbar - mir geht es jedoch um die Grundsatzfrage, ob ein von Geburt Blinder nach Deinem System in seinen Träumen Bildern so sehen könnte, wie wir als Sehende sehen.

SilverBullet hat geschrieben:Es liegt nicht an einer Weltanschauung, sondern daran dass du eine leere Menge vertrittst.
Genau diese Aussage ist doch purissimo weltanschaulicher Natur. Nur bei einer Weltanschauung wie der Deinigen kann dieses Ergebnis herauskommen.

SilverBullet hat geschrieben:Würde das Gehirn im Kontakt mit irgendetwas Nicht-Materiellem stehen, dann würden Zusammenhänge aufgebaut werden -> Fehlanzeige.
Wie willst Du das nachweisen? - Das geht doch nur unter Deiner materialistischen Setzung.

Descartes würde wahrscheinlich zu Deinen Ausführungen sagen:
"Gut - schlüssig - passt alles zusammen. - Aber ich kann dem nur zustimmen, NACHDEM ich entschieden habe, dass meine Wahrnehmung und mein Körper 'reell' sind. - Wissen tut man es damit NICHT".

SilverBullet
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#433 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von SilverBullet » Sa 22. Okt 2016, 17:09

closs hat geschrieben:insofern Zustimmung - aber hier geht es erst mal um die Feststellung, dass es diese bewusste Instanz gibt.
Das wäre wieder ein konkreter Existenzzusammenhang – genau das soll aber bezweifelt werden
-> also weg damit.

closs hat geschrieben:Aber er merkt doch an sich, dass es eine bewusste Erkenntnis ist.
Um „an sich“ etwas merken zu können, muss ein Existenzurteil aufgestellt werden
–> weg damit.

closs hat geschrieben:Es gibt Zusammenhänge - ok. - Aber WER stellt sie auf?
Genau hier kommt die „Funktionsfrage“ in Spiel.

closs hat geschrieben:OK - ich konkretisiere: Der Denkende weiss nicht, wie sein Denken zustande kommt.
Formuliere es noch neutraler:
„Innerhalb des Zusammenhangwechsels gibt es keine Sicherheit, wie der Zusammenhangswechsel zustande kommt.“

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Wenn man unter diesem Gesichtspunkt das Gehirn untersucht, stellt man fest, dass dieses Organ nichts anderes kann, als Zusammenhänge in Form von Reaktionen aufzustellen.
Dafür ist es ja da. - Aber wer "merkt" das überhaupt, wenn keiner (= kein Ich) da ist?
Das „Merken“ ist wiederum „nur“ ein separater Zusammenhang.
Es ist keine „zertifizierte Fähigkeit“, die als sichere Urteilsbasis gelten könnte, denn die Funktionalität des „Merkens“ ist vollständig offen.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Ausser dem Körper kann keinerlei handelnde Instanz festgestellt werden.
Aber doch nur, wenn man das "Cogito" genuin als Leistung des Körpers versteht.
Ich spreche explizit von „Feststellen“, d.h. die Instanz und auch die Handlung kann in der Funktionsweise untersucht werden.

Zitat-closs: Es kann genauso die Res Cogitans sein, die sich doch nur DANN des Gehirns bedient, wenn die Res cogitans "Gehirn" überhaupt existiert. - Genau das ist aber nicht nachweisbar.

Nein es ist nicht "genauso", denn man kann hierzu keine Funktionsuntersuchung durchführen, um ein Etwas als Instanz und eine Aktivität als „die relevante Handlung“ zu identifizieren.

closs hat geschrieben:Mal ganz praktisch: Stell Dir mal vor, die Christen hätten recht, und der Mensch würde nach dem Tod geistig auferstehen - wie stellst Du Dir das vor mit Deinem System?
Mal ganz praktisch:
kann auch nur ein Christ hierzu die Instanzen und die Funktionale Grundlage liefern?
-> Ich denke eher nicht.
-> Es hat also nichts mit einem System zu tun, sondern mit dem Fehlen von Zusammenhängen.

closs hat geschrieben:Deine Konstrukte sind in sich schlüssig, aber auf der Setzung aufgebaut, dass die menschliche Existenz materiell sein MUSS.
Nein, ich habe lediglich die Suchfrage nach den Spielregeln des Existenzzweifels aufgestellt.

Danach habe ich einen Kandidaten geliefert und gesagt, warum es sinnvoll ist „ihn“ zu verwenden.

Dass Andere keinen Kandidaten liefern können, hat nichts mit meiner Variante zu tun.

closs hat geschrieben:mir geht es jedoch um die Grundsatzfrage, ob ein von Geburt Blinder nach Deinem System in seinen Träumen Bildern so sehen könnte, wie wir als Sehende sehen.
Es könnte sein, dass das Gehirn die dazu notwendigen Reaktionen durchführt, aber ob es der Blinde insgesamt (also in den weiteren Zusammenhängen) als das „Sehen von Farbe“ identifizieren kann, ist fraglich, denn wie aus dem Kätzchenexperiment hervorgeht, muss eine Interaktion durchgeführt werden, um die Möglichkeit für Zusammenhänge zu hinterlegen. Beim Kätzchenexperiment gibt es durchaus auch den Ansatz, dass das nicht-aktive Kätzchen an sich, Sehen konnte, aber es hat diese Zusammenhänge nicht zu irgendetwas verwendet, also es wurde vermutlich keine „subjektive Perspektive“ auf das Gesehene aufgebaut –> vermutlich keine „bewussten“ Zusammenhänge aufgestellt.

Auf der anderen Seite gibt es Synästhesien, d.h. es wird z.B. beim Hören von Musik auch die Überzeugung „generiert“, dass der Ton gesehen wird. Vielleicht gibt es auch so etwas wie Blinde mit dieser Synästhesie-Fähigkeit.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Würde das Gehirn im Kontakt mit irgendetwas Nicht-Materiellem stehen, dann würden Zusammenhänge aufgebaut werden -> Fehlanzeige.
Wie willst Du das nachweisen?
Der Nachweis, dass kein Zusammenhang aufgebaut wird, besteht darin, dass in den letzten paar Jahrtausenden kein Zusammenhang geliefert wurde.

closs hat geschrieben:Descartes würde wahrscheinlich zu Deinen Ausführungen sagen:
"Gut - schlüssig - passt alles zusammen. - Aber ich kann dem nur zustimmen, NACHDEM ich entschieden habe, dass meine Wahrnehmung und mein Körper 'reell' sind. - Wissen tut man es damit NICHT".
Damit würde er aber seine missliche Lage nicht verbessern, denn auf die einzige Lösungsmöglichkeit zu verzichten, berechtigt nicht zu einer anderweitigen Existenzaussage à la „Metaphysik“.
Er müsste konsequent sein und im Fragezustand bleiben.
Leider ist diese Fähigkeit aber nur sehr selten bei Philosophie und Religion anzutreffen…

closs
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#434 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Sa 22. Okt 2016, 19:44

SilverBullet hat geschrieben:Das wäre wieder ein konkreter Existenzzusammenhang – genau das soll aber bezweifelt werden
Wie? :o - Von Descartes wird dieser Zusammenhang doch nicht bestritten - im Gegenteil: Er steht im Zetrum.

SilverBullet hat geschrieben:Um „an sich“ etwas merken zu können, muss ein Existenzurteil aufgestellt werden
Was soll das? - Wenn eine gesunde Bauersfrau am Morgen auf der Alm erwacht und merkt, dass sie existent ist, gilt das nicht?

SilverBullet hat geschrieben:„Innerhalb des Zusammenhangwechsels gibt es keine Sicherheit, wie der Zusammenhangswechsel zustande kommt.“
Das WIE ist eh wurscht - hier geht es um das WAS.

SilverBullet hat geschrieben:Das „Merken“ ist wiederum „nur“ ein separater Zusammenhang.
Egal, wie Du es begründest: Die Bauersfrau merkt es.

SilverBullet hat geschrieben:Nein es ist nicht "genauso", denn man kann hierzu keine Funktionsuntersuchung durchführen, um ein Etwas als Instanz und eine Aktivität als „die relevante Handlung“ zu identifizieren.
Ich meine es immer ontologisch "(Was"). - Das Wie unserer Wahrnehmung entscheidet doch nicht über grundlegende (onto-)logische Dinge.

SilverBullet hat geschrieben:Mal ganz praktisch:
Es fällt auf, dass Du ungern auf konkrete Fragestellungen antwortest und Dich in Deine Verfahrens- Systemtaik zurückziehst.

SilverBullet hat geschrieben:Vielleicht gibt es auch so etwas wie Blinde mit dieser Synästhesie-Fähigkeit.
Gut möglich - was mich auf den Gedanken bringt, dass geistiges Denken auch eine Folge von Synästhesie-Fähigkeit ist - muss ich drüber nachdenken.

SilverBullet hat geschrieben:Der Nachweis, dass kein Zusammenhang aufgebaut wird, besteht darin, dass in den letzten paar Jahrtausenden kein Zusammenhang geliefert wurde.
Wer sagt denn, DASS kein Zusammenhang aufgebaut wurde. - Aus Deiner Aussage ist eher zu schließen, dass innerhalb Deiner Systematik ein solcher nicht erfassbar ist.

SilverBullet hat geschrieben:Damit würde er aber seine missliche Lage nicht verbessern, denn auf die einzige Lösungsmöglichkeit zu verzichten, berechtigt nicht zu einer anderweitigen Existenzaussage à la „Metaphysik“.
Seine Lösung finde ich nach wie vor tiefgreifender als Deine, weil sie auf eine materialistische Setzung verzichtet, ohne die Du nicht auskommst.

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#435 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von fin » Sa 22. Okt 2016, 20:32

-- Hirn und Denkaufgaben --

Pluto hat geschrieben:
fin hat geschrieben: Warum nicht selbst Forschungen anstellen und eigene Ansätze finden?
Du meinst, abgesehen davon, dass ich wohl zu alt bin um eine Karriere als Hirnforscher zu starten? :lol:

Ähm, ... :)

Pluto hat geschrieben:Hirnforschung ist "in". Es ist das Gebiet mit den meisten Anwärtern aus den Universitäten, überhaupt.

Ja, ich kann darüber nur staunen, wenn ich zB. an die Anfänge denke. Ein Hirnforscher erforscht etwas, daß er erstmal nur untersuchen kann, wenn er den Menschen aufschneidet, wie zB. Da Vinci, in frühen Tagen. Ich bewundere Leonardo, wobei ich mich schon immer gefragt habe, wie jemand gestrickt sein muß, um genau das fertigzubringen, nämlich einen Menschen (Lebewesen) aufzuschneiden?

Bild

Obwohl man tiefer in die Sache (Körper) einzudringen scheint, habe ich doch den Eindruck, daß man das eigentliche Wesen immer mehr aus den Augen verliert. Anstatt sich also (auf eine gemäße Weise) mit dem Wesen zu befassen, versucht man es am/im/durch den Stoff verbindlich zu machen.

Was möchte ich damit sagen?

Das ist nicht so einfach in Worte oder gar dingfest zu machen (wie zB. das Verhalten der kleinen Quanten). Ich erlebe es so, daß sich Zeiten und Orte nicht im Voraus bestimmen lassen, wo dann die erkenntnisreichen Groschen fallen. Oft sind es Momente, wo man in ganz anderen Zusammenhängen steht.

Etwas kann sich lange Zeit im Umfeld unserer Wahrnehmung befunden haben, ohne daß wir dessen wesenhaften Bezüge erkannt haben, man denke zB. an unseren eigenen Körper, mit dem wir uns ganz selbstverständlich identifizieren. Obwohl wir vielleicht (seit Leonardo) mit der anatomischen Struktur vertrauter geworden sind und sämtliche Glieder und Funktionsweisen zu benennen verstehen, scheint der Mensch mehr denn je von seiner wahren Natur entfremdet zu sein. Stichwort: Depressionen, Burnout, ...

Verrückterweise scheint gerade die Selbstbetrachtungsweise des Menschen keine unabhänge Größe zu sein, wie auch das Gehirn, der Körper, der Mensch, das Tier, die Pflanze, der Stein ... keine unabhängigen Größen darstellen, sondern ganzheitliche Gefüge abbilden, deren Urgestalten uns verloren zu gehen scheinen. Um ein Bild zu geben. Ein natürlicher See ist sehr viel mehr als ein großer Aushub mit Wasser. Ufer, Schilf und Fauna (etc.) zeigen einen See in seiner besonderen Charakteristika, die abhängig ist vom jeweiligen Ort. Ein See im Himalaya mutet anders an, als ein See in Südamerika, zumal ein See ohne Landschaft keinen Sinn ergibt, es sei denn, man fertigt eine abstrakte Größe.

Wenn man eine Biene aus ihrem Gefüge isoliert, dann nimmt man ihr ihre zugehörige Gestalt. Es ist nur eine Frage der Zeit, daß sie ihre Identität verliert, bzw. stirbt.

Der Mensch erfasst viele Zusammenhänge auf intuitive Weise, ohne daß er diese gleich zu artikulieren versteht und manchmal dauert es Jahre oder ein ganzes Leben, um zb. das Rumpelstilzchen beim Namen nennen zu können. Der Mensch ist ein beeinflussbares Geschöpf, dessen Wesen sich sogar so fehlleiten läßt, daß es sich gegen sein eigenes Wesen richtet, man denke zB. an arme Seelen, die sich selbst hassen und sich ins eigene Fleisch schneiden.

Um jetzt aber den Bogen nicht zu überspannen, möchte ich auf unseren Körper zurückkommen. Für mich war es eine kleine Offenbarung (Aha Erlebnis), als mir durch das Studium der altgriechischen Sprache klar wurde, wie die frühen Griechen sich scheinbar wahrgenommen haben. Sie haben den Menschen weniger als körperliche Einheiten gesehen, wie wir es gewohnt (zu tun) sind, sondern ihn umfassender wahrgenommen. Für uns scheint die Identifikation mit dem Körper ganz selbstverständlich zu sein, während unser Begriff für Körper bei den frühen Griechen ein Ausdruck für den Leichnam war, sprich, ein toter Körper.

Was für den Griechen also ein Leichnam, ein toter Körper, war, das sehen wir als eine lebendige Größe, mit der wir uns identifizieren.

Der damalige Grieche war nicht der Körper, sondern er war Ausdruck einer Gesamterscheinung, für die wir kein rechtes Empfinden mehr zu haben scheinen, was wohl auch kein Wunder ist, wenn man die Entwicklungen der Menschheitsgeschichte betrachtet, denn man könnte meinen, daß bereits die römische Kultur den olympischen Geist Gladiatoren und Löwen zum Fraß vorwarf.

Dafür ist uns eine Odyssee erhalten geblieben ...

Wie auch immer, mir ist durch ein altes Wort ein Licht aufgegangen, wobei ich es nicht als einen intellektuellen Akt bezeichnen würde, sondern ein wesenhaftes Verstehen. Die Schwierigkeit liegt hier allerdings auch in der Vermittlung, wie auch bei Gefühlen, die sich nicht durch Wort/Zahl transportieren lassen.

Ich bin hier sicherlich etwas ausgeufert, meine Art der freien Assoziation.

Pluto hat geschrieben:Heute kann man sagen, dass zumindest die "harte Nuss" des Bewusstseins geknackt ist und wir beginnen die Prozesse zu verstehen, wie das Gehirn unseren Geist erzeugt.
Ist denn überhaupt schon ein einziger Nachweis erbracht worden,
der belegen würde, daß das Gehirn Geist erzeugt?

Grüße
fin
Zuletzt geändert von fin am Sa 22. Okt 2016, 20:40, insgesamt 1-mal geändert.

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#436 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von fin » Sa 22. Okt 2016, 20:36

-- Was ist Denken --

Hallo Pluto, ...

fin hat geschrieben:Was ist 'Denken'?
(Was verstehen wir darunter, ohne Zuhilfenahme irgendwelcher Lexika (etc.), sondern in Eigenleistung/Bestimmung?)
Pluto hat geschrieben:Zunächst laufen die allermeisten Prozesse im Gehirn unbewusst ab.
Da stimme ich dir zu, wie ja auch viele andere Prozesse im Körper, wobei man auch solche finden kann, die sich zeitnah vergegenwärtigen lassen, zB. die Atmung.

Pluto hat geschrieben:Denken ist aber ein bewusster Prozess.
Das scheint mir ein wesentlicher Punkt zu sein, der das Wesen des Denkens beschreibt.
Pluto hat geschrieben:Denken ist für mich bewusste Problemlösung und führt i.d.R. zu Entscheidungen.
Fassen wir zusammen: 'Denken ist ein bewusster Prozess, der Problemlösungen dient und i.d.R zu Entscheidungen führt?'

Sofern du dieser Zusammenfassung zustimmen kannst,
hätten wir eine erste gemeinsame Grundlage geschaffen,
dessen Aspekte man in der Folge weiter untersuchen könnte.

Grüße
fin

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#437 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Sa 22. Okt 2016, 20:38

fin hat geschrieben: Ist denn überhaupt schon ein einziger Nachweis erbracht worden,
der belegen würde, daß das Gehirn Geist erzeugt?
Ja sicher. Es gibt hunderte Hinweise.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#438 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von fin » Sa 22. Okt 2016, 20:56

Hallo Pluto,

Pluto hat geschrieben:
fin hat geschrieben: Ist denn überhaupt schon ein einziger Nachweis erbracht worden,
der belegen würde, daß das Gehirn Geist erzeugt?

Ja sicher. Es gibt hunderte Hinweise.

Dann führ doch bitte einen einzigen (dir bekannten) Nachweis auf,
der belegt, wie das Gehirn Geist erzeugt.

Grüße
fin

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#439 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Novas » Sa 22. Okt 2016, 21:00

Pluto hat geschrieben:
fin hat geschrieben: Ist denn überhaupt schon ein einziger Nachweis erbracht worden,
der belegen würde, daß das Gehirn Geist erzeugt?
Ja sicher. Es gibt hunderte Hinweise.


Das wird immer wieder behauptet. So nach dem Motto: wenn ein „Experte“ es sagt, muss es ja stimmen. Tatsächlich gibt es dafür gar keinen Beweis, das ist einfach deine Interpretation, die sei Dir gegönnt, ist aber keine absolute Wahrheit. Es kann auch ganz anders sein, wie ich schon ausführte: die ganze Welt kann eine Projektion des Geistes sein und das ganze Universum ein riesiges Hologramm. Das wirst Du niemals ausschließen können.

Es gibt auch Wissenschaftler, die das ernsthaft in Betracht ziehen:

Zur Beschreibung des Universums braucht man möglicherweise eine Dimension weniger, als es den Anschein hat. Dabei, so eine jetzt vorgestellte Untersuchung eines internationalen Forscherteams, könnte es sich nicht bloß um einen Rechentrick handeln, sondern um eine grundlegende Eigenschaft des Raums. Leben wir also alle in einem Hologramm?

Auf den ersten Blick scheint jeder Zweifel ausgeschlossen: Das Universum sieht für uns dreidimensional aus. Doch eine der fruchtbarsten Ideen der theoretischen Physik in den letzten beiden Jahrzehnten stellt genau das infrage: Das "holographische Prinzip" besagt, dass man für die Beschreibung unseres Universums möglicherweise eine Dimension weniger braucht, als es den Anschein hat. Was wir dreidimensional erleben, kann man auch als Abbild von zweidimensionalen Vorgängen auf einem riesigen kosmischen Horizont betrachten.

Bisher wurde es nur in exotischen Raumzeiten mit negativer Krümmung studiert, die zwar theoretisch interessant sind, sich von unserem Universum aber wesentlich unterscheiden. Ergebnisse der Technischen Universität Wien legen nun allerdings nahe, dass dieses holographische Prinzip auch in flachen Raumzeiten gilt, wie wir sie in unserem Universum beobachten.

Man kennt das von Hologrammen auf Geldscheinen oder Kreditkarten. Sie sind eigentlich zweidimensional, sehen für uns aber dreidimensional aus. Möglicherweise verhält sich das Universum ganz ähnlich. "Schon 1997 stellte der Physiker Juan Maldacena die Vermutung auf, dass es eine Korrespondenz zwischen Gravitationstheorien in gekrümmten Anti-de-Sitter-Räumen und Quantenfeldtheorien in Räumen mit einer Dimension weniger gibt", erklärt Daniel Grumiller vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien.
http://www.astronews.com/news/artikel/2 ... -031.shtml

Pluto
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#440 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Sa 22. Okt 2016, 21:31

fin hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Es gibt hunderte Hinweise.
Dann führ doch bitte einen einzigen (dir bekannten) Nachweis auf,
der belegt, wie das Gehirn Geist erzeugt.
Nachweise gibt es nicht. Ich sprach von Hinweisen. Und diese gibt es zuhauf. Ein Beispiel:

Es gibt eine unterschiedliche Wahrnehmung von "maskierten" Begriffen bei bewusster und unterschwelliger (unbewusster) Wahrnehmung.
Maskierung bedeutet, man zeigt einem Probanden auf einem Bildschirm einen Begriff zwischen zwei bedeutungslosen "Masken"; er soll den Begriff erkennen. Ein Beispiel ist die angebliche Coca-Cola Werbung die nur ein Bild lang in einem Film gezeigt wurde; danach tranken die Leute mehr Säfte in der Pause. Ich sagte angeblich, weil dies nur eine Mythos aus den 80-er Jahren war: Die Einzelbild Werbung wurde niemals eingesetzt.

Dennoch ist die "Maskierung" von Begriffen zu einem wertvollen Werkzeug in der Hirnforschung geworden.

Wenn ein maskierter Begriff unterhalb eines Schwellenwertes von etwa 30 millisekunden gezeigt wird, wird er vom visuellen Cortex verarbeitet und an andere Hirnregionen weitergeleitet. Das kann man mittels fMRI feststellen. Aber der Begriff schafft es nicht bis ins Bewusstsein. Erst wenn der Schwellenwert (der bei jedem Menschen leicht unterschiedlich ist) überschritten wird, melden die Probanden die Wahrnehmung und können den Begriff auch benennen -- ein Beweis, dass sie den Begriff bewusst erkannt haben. Der Moment der bewussten Wahrnehmung wird im fMRI von einer erhöhten Aktivität im frontalen Neocortex begleitet und erzeugt im EEG eine messbare, sehr starke Welle direkt unter der Schädeldecke, die sog. P3-Welle.
Die Korrelation zwischen der unbewussten Verarbeitung und dem bewussten Erkennen eines Begriffs, und der dazugehörigen Hirnaktivität ist ein solcher Hinweis auf die Erzeugung von Geist im Gehirn.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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