Intellektuelle Redlichkeit

Philosophisches zum Nachdenken
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sven23
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#71 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von sven23 » So 10. Mai 2015, 12:12

Yusuke hat geschrieben: Das auch, aber das tut ja keiner; es ist aber auch Heuchelei die Fehler der damaligen Juden zu relativieren, indem man sich nur auf die Fehler des Christentums versteift.
Ich weiß gar nicht, ob sie (aus ihrer Sicht) so viel falsch gemacht haben. Da war jemand, der von sich behauptet, der Sohn Gottes zu sein. Das war aus damaliger religiöser Sicht Gotteslästerung.


Yusuke hat geschrieben: Immerhin haben das einige Juden (siehe Jesus Jünger, später Paulus) trotz anfänglicher Skepsis tatsächlich geglaubt. Du beachtest halt mal wieder nicht das Jesus und seine Jünger selbst Juden waren. ;)
Vor allem Paulus hat den neuen Glauben vorangetrieben, weshalb man auch eher vom Paulinismus sprechen kann als vom Christentum.
Natürlich war Jesus Jude. Er hatte deshalb wohl auch eher ein refomiertes Judentum im Sinn. Nirgendwo ist ersichtlich, daß er beabsichtigte, eine neue Religion zu gründen.

Yusuke hat geschrieben: Nichts, es ist aber auch nur einseitige polemische Betrachtung. .
Find ich immer putzig, wenn man Bibelzitate als polemisch bezeichnet. :lol:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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2Lena
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#72 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von 2Lena » So 10. Mai 2015, 12:25

Sven23 hat geschrieben:Unter diesem Aspekt ist auch die verniedlichende Darstellung von Pontius Pilatus zu sehen, der sich laut den Evangelisten die Hände in Unschuld waschen darf, während man die Verantwortung für den Tod des Gottessohns eindeutig zu den Juden hin schiebt, einmal in Form des Verräters Judas, dann in Form der Hohen Priester und schließlich in Form des jüdischen Mobs (kreuzigt ihn). Hier wird der Grundstein gelegt für 2000 Jahre Antisemitismus.
Deine sachlich gute Analyse sollte dich noch einen kleinen Schritt weiter in Richtung Wahrheitsfindung bringen. Die Starrheit der Tradition war durch das große Opfer besiegt. Pilatus das ist eine ganz eigene Geschichte, bei der ich im Moment noch um den heißen Brei rumreden möchte, denn in anderen Ländern erzählt man von Jesu Weiterleben.

Betrachte, dass auch der Koran anders erzählt.
Die Trennung Judentum -Christentum - Islam ist durch das Unverständnis der *Auslegung nach dem Verlust vieler Bücher erfolgt. Man sah die Abweichung.

Die Trennung des Judentums und auch des Islam erfolgte wegen Veränderungen, nicht wegen dem NT.

Bedenke im Islam bringt keine Bilder in den Moscheen. Man wusste, dass sich die Lehren nicht (allein) um die Erzählung drehen, sondern wollte einen "Gottes-Staat". Ich meine da nicht die falsch verstandenen Suren, die wie Verrücktheiten im AT aufgefasst wurden, sondern das Grundverständnis der Schriften und Philosophien. Alle Kernländer des Christentums kamen durch die Eroberung der Araber unter den Islam. Das geschah bestimmt nicht freiwillig. Die völlig andere Sicht jedoch ließ eher die "milde" Verständigung, als die heftige Auseinandersetzung anstreben. Als "Hilfe" kam wie heute "Kriegsgerät" mit Kreuzrittern mit fraglichem Erfolg. Der Konflikt besteht heute noch.

Samantha

#73 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von Samantha » So 10. Mai 2015, 12:26

Pluto hat geschrieben:
Samantha hat geschrieben:Es gibt Menschen, die studiert haben (sich also viel merken können) und trotzdem dumm handeln bzw. Wissen nicht anwenden können. Es kommt vielleicht auch aufs Studium an. ;)
Das würde ich nicht als dumm bezeichnen, sonder als "weltfremd".
Ist dann jemand, der an Gott glaubt, auch weltfremd? :shock:

2Lena
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#74 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von 2Lena » So 10. Mai 2015, 12:31

Sven23 hat geschrieben:Weil der "Sündenfall", also die Verbandelung von kirchlicher mit weltlicher Macht nicht die eigentliche Ursache für den Antisemitismus des Christentums ist. Die Grundlage dafür liefert das neue Testament.

Verkehrter kann einer die Lage wohl kaum einschätzen. Rom nahm das AT als Grundgesetz. Das haben wir noch heute, gemischt zwischen "Werten" und Strafrecht. Die Werte wurden von der Kirche mit historischer Ausbildung, Philosophie und Pflege der Bücher wahrgenommen. Sie vereinte das beste Wissen der Antike. Neben den sozialen Werken lieferte die "Kirche" die Ausbildung. Sie war eine "Staatsreligion".

Deine heutige Sicht schafft ein fliegendes "Spagettimonster".
Nach der Abkehr Luthers stellte man sich die Bibel als "Erzählung" vor, giftete gegen die Juden, blieb 30 Kriegsjahre hindurch bei allen Gräueln "unbelehrbar" und schaffte schließlich nach Jahrhunderten einen fragwürdigen Frieden. Den Kirchen wurde die Ausbildungshoheit entzogen, die Klöster wurden abgeschafft und es wurden die "weltlichen" Gesetze eingerichtet. Ob das BGB das kann - was das AT bietet, wage ich zu bezweifeln. Das wird vermutlich eine Erschütterung geben, wenn bekannt ist was dort "eigentlich" steht.

Gleichlaufend mit der Abkehr vom Verständnis - kam es zur Judenverfolgung. Waurm auch hätte man ein Volk verfolgen wollen, das ausgerechnet das eigene Grundgesetz seit alter Zeit schriftlich hatte.

Die Judenverfolgung, lieber Zeus, hatte teils politische Hintergründe, wie Unruhen.
Rom hatte unterschiedliche Kaiser - aus vielen seiner Provinzen stammend. Manche schafften es nicht mal ein Jahr, sich auf dem erstrebten Thron zu halten. Eine Ausnahme bildete Augustinus oder einige andere, denen es gelang, "christliche Werte" durchzusetzen. Betrachte mal, woher er seine Ausbildung bezogen hatte. Du weißt noch nichts von der Verbindung des NT mit dem Wissen noch älterer Kulturen.

Wieso hast du nie nachgedacht, dass Griechenland mit seinen ganz unterschiedlichen Philosophien das NT aufnahm? Dass es sich stur weigerte, die späteren Abweichungen des "römischen" Christentums zu akzeptieren. Geh mal dort der Geschichte nach. Schau nach, wie viele Kaiser die syrischen Kulte verwirklichen wollten, welchen Einfluss Afrika hatte, was die Druiden meinten, welchen Einfluss noch die älteste Geschichte hatte, etc. Das ist doch oberflächliches Getue was du vorbringst, und keine intellektuelle Redlichkeit.

Pluto
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#75 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von Pluto » So 10. Mai 2015, 12:33

Samantha hat geschrieben:Ist dann jemand, der an Gott glaubt, auch weltfremd? :shock:
Nee. Der ist gläubig. Kann weltfremd sein, muss aber nicht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Yusuke
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#76 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von Yusuke » So 10. Mai 2015, 13:11

sven23 hat geschrieben:Ich weiß gar nicht, ob sie (aus ihrer Sicht) so viel falsch gemacht haben. Da war jemand, der von sich behauptet, der Sohn Gottes zu sein. Das war aus damaliger religiöser Sicht Gotteslästerung.
Warum relativierst du als atheistisch/agnostischer Zeitgenosse den geistigen Irrtum von religiösen Menschen (hier: Juden)? Oder ist deine religiös-kritische Haltung prinzipiell nur gegen Christen gerichtet?

sven23 hat geschrieben:Vor allem Paulus hat den neuen Glauben vorangetrieben, weshalb man auch eher vom Paulinismus sprechen kann als vom Christentum.
Ja hat er. Er wollte das, was Jesus und seine Jünger angefangen haben, weiter vorantreiben.

sven23 hat geschrieben:Natürlich war Jesus Jude. Er hatte deshalb wohl auch eher ein refomiertes Judentum im Sinn. Nirgendwo ist ersichtlich, daß er beabsichtigte, eine neue Religion zu gründen.
Da sind wir mal ausnahmsweise einer Meinung; ja, Jesus hatte nicht vor eine neue Religion zu gründen, sondern er wollte das Judentum reformieren, das war auch Paulus Ziel (vgl. Römer 10,1).
sven23 hat geschrieben: Find ich immer putzig, wenn man Bibelzitate als polemisch bezeichnet. :lol:
Nur wenn man unpräzise arbeitet und die Zusatzinformationen zu den Bibeltexten auf der verlinkten Seite gedanklich außen vorlässt.

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#77 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von sven23 » So 10. Mai 2015, 13:39

Yusuke hat geschrieben: Warum relativierst du als atheistisch/agnostischer Zeitgenosse den geistigen Irrtum von religiösen Menschen (hier: Juden)?
Woher will du wissen, daß sie im Irrtum waren? Versetz dich doch mal in deren Lage.

Yusuke hat geschrieben: Nur wenn man unpräzise arbeitet und die Zusatzinformationen zu den Bibeltexten auf der verlinkten Seite gedanklich außen vorlässt.
Die Zusatzinformation ist doch über den Link verfügbar. Oder soll ich dir noch ne Bibel nach Hause schicken? :lol:
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#78 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von Hemul » So 10. Mai 2015, 13:58

Samantha hat geschrieben: Es gibt Menschen, die studiert haben (sich also viel merken können) und trotzdem dumm handeln bzw. Wissen nicht anwenden können.
Es gibt sogenannte "Intelligenzbestien" die sich sehr viel merken können ihr Wissen auch anwenden ohne sich ihrer Dummheit (oder vielleicht doch? :roll: ) vorher bewusst zu sein. Einige dieser Kollegen Plutos werden hier- http://www.gutefrage.net/frage/wer-hat- ... e-erfunden - genannt.

Julius Robert Oppenheimer. Doch er war es nicht alleine, es brauchte die Vorarbeit von einigen Physikern und anderen Naturwissenschaftlern. Den Anfang macht Marie Curie mit Ihrer Entdeckung der Radioaktivität. Ihre Entdeckung: Eine enorme Energie geht von Uran aus und das ohne äußere Einwirkung. Literarisch wurde die Kernwaffe bereits Jahre vor Erscheinen vorweggenommen, daher auch der Name “Atombombe”, aber die ersten Überlegungen zum Bau einer solchen Waffe kamen von dem ungarischen Physiker Leó Szilárd und zwar schon 1933. Damals war dies aber nur Spekulation. Die Idee war, durch Beschuss des Plutonium - Atomkerns eine Kettenreaktion auszulösen. Ein Gründungsvater war der Physiker Ernest Rutherford. Er legte den Grundstein moderner Atomphysik. 1909 änderte er die Ansicht über den Aufbau eines solchen Atoms. 1918 kam Niels Bohrs neues Modell der Atome. 1934 gab die deutsche Chemikerin Ida Noddack-Tacke zu bedenken, dass es möglich wäre, schwere Kerne von Atomen mit Neutronen zu beschießen, um diese in Bruchstücke zerfallen zu lassen.
Einer der Menschen, die bei der Entwicklung der Kernwaffe letztlich mit halfen, war Otto Hahn. Dieser glaubte aber Anfang der 30er Jahre nicht, dass man den Kern spalten könnte. Zusammen mit Lise Meitner und Fritz Straßmann experimentierte er zunächst mit Uran und später mit Barium, was eine geringere Atommasse als Uran besitzt. Lise Meitner und Otto Frisch ist letztlich der theoretische Beweis gelungen, dass es zu einer Kernspaltung kommen würde, wenn man die Atome dieses Materials mit Neutronen beschieße. 1938 ist man theoretisch Fähig eine Nuklearexplosion zu ermöglichen.
Angeregt durch Albert Einstein, Leó Szilárd, Edward Teller und Eugene Wigner, entwickelte die US-Regierung schließlich die Atombombe. Damals hatte der Umstand, dass das NS-Regime in Deutschland ebenfalls daran arbeitete, den zur der Zeit regierenden US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt motiviert, das Forschungsprojekt voranzutreiben.
Erst 1942 kam es zum bekannten Manhattan-Projekt und zur Zündung der ersten Nuklearexplosion in der Wüste von New Mexico in den USA, genauer in Los Alamos, unter der Leitung von Robert Oppenheimer. Diese Waffe hatte eine Sprengkraft von 21 Kilotonnen TNT .
:thumbdown:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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Zeus
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#79 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von Zeus » So 10. Mai 2015, 14:23

Yusuke hat geschrieben: Die Verharmlosung des Pilatus kommt aber ursprünglich von Judenchristen (Johannes).
Richtig. Dazu gab es einen guten Grund. Die über das römische Reich verstreuten Anhänger der neuen Religion wollten es sich nicht mit der römischen Staatsmacht verderben.
Obwohl Jesus von den Römern getötet wurde, vermeidet es Paulus, diese Tatsache zu erwähnen!
Er gibt den "ungläubigen" Juden die alleinige Schuld.
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

Anton B.
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#80 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von Anton B. » So 10. Mai 2015, 15:09

Zeus hat geschrieben:Dazu gab es einen guten Grund. Die über das römische Reich verstreuten Anhänger der neuen Religion wollten es sich nicht mit der römischen Staatsmacht verderben.
Das kann man m.E. so nicht sagen: Die "Urchristen" zur Zeit des Paulus waren bemerkenswert apolitisch eingestellt. Ob römische oder "jüdische" Staatsmacht, jede weltliche Staatsmacht außerhalb des versprochenen Reichs Gottes war schlichtweg wenig bedeutsam. Eine sehr frühe Trennung zwischen "Juden" und der "juden-christlicher" Urgemeinde in Jerusalem dagegen fand statt, weil die Mission innerhalb der Stadt ein mehr oder weniger ausgeprägter Misserfolg war. Aus christlicher Sicht lag die Verantwortung natürlich bei denjenigen, die sich dem Bekenntnis zu Jesus als Messias verweigerten. Das letzte Zeichen der schon erfolgten Entsolidarisierung war die Nicht-Unterstützung des Aufstandes durch die "juden-christliche" Jerusalemer Gemeinde, der zum Jüdischen Krieg führte. Das grenzte die Gemeinde bzw. die neu erstehende Religion final dann auch aus jüdischer Sicht aus.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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